Die Gedenkfeiern haben begonnen oder Bezwinge sich wer kann

In diesem Jahr jährt sich zum hundertsten mal der Beginn des Ersten Weltkriegs. Auf dem Duisburger Kaiserberg (vormals: Duisserner Berg, dann in nationaler Gefühlsaufwallung in „Kaiserberg“ umbenannt, und so heißt er heute noch) befinden sich einige Monumente fragwürdigen Heldengedenkens (siehe Notat vom 13. Juni 2013).
„Bezwinge sich wer kann. Die Feder reicht nicht mehr, man muß zum Tintenfaß greifen.“ Oder zur Farb-Sprüh-Dose. So geschehen Ende Januar.
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Berichterstattung der WAZ am 31. Januar:
„Vandalen verunstalten Friedhof“.
Wie auch immer man die Leute bezeichnen mag, die der Nation ein Menetekel an die Wand schrieben: Die Zeitungsschlagzeile ist irreführend. Der eigentliche Friedhof, das Gräberfeld der 801 um ihr Leben gebrachten Soldaten blieb unberührt. Nur auf dem Feld davor wurden Parolen angebracht.
In dem WAZ-Artikel wird die in Stein gemeißelte, übersprühte Verhöhnung der Toten zitiert:
„Glücklichen Auges seid ihr gestanden, Brüder, geliebte, in feindlichen Landen“.
„Der Staatsschutz prüft nun,“ heißt es weiter, „inwiefern ‚…eine Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates‘ oder auch eine ‚verfassungsfeindliche Verunglimpfung‘ vorliegt“. Indem dem Staat, der mal Deutsches Reich hieß und jetzt Bundesrepublik Deutschland heißt, das Recht abgesprochen wird, dann und wann mal eine Generation zu verheizen, fühlt er sich gefährdet.
„1921 wurde die Siegfried-Statue“ (Foto) „aufgestellt. Sie war vom Meidericher Bürger Hermann Ingenhamm in Erinnerung an seinen Sohn Johannes gestiftet worden. Johannes Ingenhamm liegt in Grab 102.“
Das ist ein Beispiel für das, was Mitscherlich „die Unfähigkeit zu trauern“ genannt hat. Für die deutschen Heldenväter sollten die Krepierten noch im Grab den Helden spielen.
„Was die Vandalen offenbar nicht wußten: Auf dem Ehrenfriedhof am Kaiserberg liegen nur Soldaten, die in Ersten Weltkrieg gefallen oder in Duisburger Lazaretten gestorben sind“, lautet die altkluge Belehrung durch die WAZ-Berichterstatter. Was die offenbar nicht wissen, ist, daß die Soldaten nicht irgendwie hingefallen, sondern im Dreck krepiert sind, und daß die Weihestätte verlogener Weihen seit Jahr und Tag Wallfahrtsort von Neonazis und nationalistischen Stolz-Deutschen ist. Solche haben – siehe Foto oben – mit schwarzweißrotem Tuche reagiert.

Zusammenfassung:
Vandalismus fand nicht auf dem Friedhof statt, sondern auf den Schlachtfeldern.
Auf dem Friedhof fand auch keine Schmiererei statt, sondern in der Zeitung.

Nachtrag:
Kaiserberg08Nur ein paar Stunden später: Es kann der frömmste Stolzdeutsche nicht in Kriegslüsternheit schwelgen, wenn es dem pazifistischen Vandalen nicht gefällt. Plötzlich war die Fahne weg!

Kaisergerg09Das ist der Teutoburger Wald,
Den Tacitus beschrieben,
Das ist der klassische Morast,
Wo Varus steckengeblieben.

Hier schlug ihn der Cheruskerfürst,
Der Hermann, der edle Recke;
Die deutsche Nationalität,
Die siegte in diesem Drecke.

(Heinrich Heine)

Perfect Day

Letzte Tage in der Weltbühne.
Eine schöne Frau mit langen blonden Haaren betritt den Laden. Sie hat eine dunkle Stimme. Und: Sie hat ein Buch von Hegel. Ein sehr dickes Buch. Ob ich das haben will für’s Antiquariat.
„Bevor es weggeschmissen wird, nehme ich es.“
„Krieg ich was dafür?“
Oje!
„Zwei Euro.“
„Okay.“
Und danach die tiefe Betrübnis. Warum lasse ich mich immer breitschlagen! Warum kaufe ich Bücher immer viel zu teuer ein!
Eine Stunde später.
Ein Mann (spricht mit französischem Accent) erkundigt sich nach Philosophie, fragt nach Hegel. Ich zeige ihm das sehr dicke Buch. er will es haben.
„Vier Euro.“
„Okay.“
Wieder allein, und ich singe laut:

„Just a perfect day
feed animals in the zoo
Then later
a movie, too, and then home

Just a perfect day
you made me forget myself
I thought I was
someone else, someone good

Oh, it’s such a perfect day
I’m glad I spent it with you
Oh, such a perfect day
You just keep me hanging on
You just keep me hanging on“

Diese Geschichte ist gar nicht wahr. Der Mann kam nicht nach einer Stunde, sondern erst am nächsten Tag.

Hegel zu Besuch in der Buchhandlung Weltbühne, weil hier der Weltgeist zu sich selbst findet

Hegel zu Besuch in der Buchhandlung Weltbühne, weil hier der Weltgeist zu sich selbst findet

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