47 zu. Dokumente

Ich gebe folgende Mitteilungen weiter:

1.
47
13. Dezember um 21:34 ·
Hallo Duisburg,
eigentlich wollten wir euch gestern mitteilen, dass unser Ladenprojekt zum 31.12. endet und warum…
(unsere eigentliche Abschiedsbotschaft lest ihr weiter unten…)
Dann kam uns das Ordnungsamt zuvor und hat gestern abend mit einem Dutzend Beamten den Spieleabend beendet, alle zum Verlassen des Lokals aufgefordert, die Tür versiegelt und uns untersagt, die Räumlichkeiten zu betreten. Warum das?
Die Argumentation des Ordnungsamts lautet: Wir hätten öffentliche Veranstaltungen (auf FB) angekündigt und daher seien wir verpflichtet für das Ladenprojekt eine Ausschanklizenz und eine Nutzungsgenehmigung nachzuweisen. Zudem das typische Duisburger Totschlagargument: Brandschutz!
Uns steht jetzt ein hohes dreistelliges Bußgeld ins Haus.
Dabei sind wir ein gemeinnütziger Verein ohne Gewinnerzielungsabsicht, in deren Vereinsräumlichkeiten die Menschen sich auf Spendenbasis am offenen Kühlschrank mit Getränken versorgen können. Jede Person die möchte, darf im Laden Treffen abhalten und kleine Veranstaltungen organisieren. So hat das jetzt ein Jahr ohne Probleme geklappt und so funktioniert das auch in hunderten anderen gemeinnützigen Projekten in anderen Städten.
So versteht die Stadt Duisburg also die „Kultur des Ermöglichens“,

mit der Politik und Verwaltung sich unterstützend für soziokulturelle Projekte einsetzen will?
Zitat aus dem Kulturentwicklungsplan(2017): „Initiativen für soziokulturelle und autonome Zentren sind finanziell und strukturell zu unterstützen – z.B. durch die Bereitstellung leer stehender Immobilien. Die Potenziale kultureller Vielfalt und Kreativität der Stadtgesellschaft lägen ohne Teilhabe brach. Wirkliche Teilhabe bedeutet Annäherung und Veränderung im Dialog miteinander. Eine Haltung des Ermöglichen-Wollens und des Ermöglichens lässt ein kulturfreundliches Klima entstehen und befördert so vielfältige kulturelle Initiativen und Projekte.“
Stattdessen wurden wir gestern innerhalb von 10 minuten vor die Tür gesetzt. An einem BRETTSPIELEABEND! Von Gesprächsbereitschafts oder Lösungsorientierung keine Spur. So stellen wir uns das nicht vor!
Wir mussten also den heute angekündigten Tresenabend absagen und die letzten Veranstaltungen für dieses Jahr stehen jetzt vor dem Aus. Wir haben uns zu folgenden Schritten entschlossen:
1. morgen, Samstag den 14.12. ab 21 Uhr rufen wir zur Protestaktion gegen die Verhinderungspolitik der Stadt auf! Kommt vorbei, zeigt euch solidarisch mit dem 47! Getränke wie immer gegen Spende. Ab 23 Uhr gehen wir dann gemeinsam zur Bootsparty des veganen Wintermarkes Anis und Zauber am Ende der Münzstraße! https://www.facebook.com/events/1418447558314336/
2. Der geplante Quizabend findet morgen um 18:30 Uhr in der CUBUS Kunsthalle am Kantpark statt! Ganz viel <3 für die spontane Zurverfügungstellung der Räume – das ist gelebte Solidarität Also wenn Ihr lust habt, vorher eure grauen Zellen zu aktivieren, kommt
vorbei!
3. Unsere geplante Abschlussfeier am 21.12. findet definitiv in der Münzstraße 47 statt – drinnen oder draußen! Wir versuchen bis dahin das „Missverständnis“ mit dem Ordnungsamt auszuräumen und vertrauen darauf, dass die Stadt noch mal scharf nachdenkt…
so, und jetzt zu unserem Abschiedsaufruf:

Ladenprojekt 47 schließt!
Wie einige vielleicht schon mitbekommen haben, endet unser Mietvertrag in der Münzstraße 47 am 31.12.
Während die Verhandlungen der Stadt um ein Soziokulturelles Zentrum sich weiter in die Länge ziehen, sehen wir uns nicht in der Lage auf Basis von Spenden und ehrenamtlicher Arbeit unser vielfältiges Programm auf 120m² aufrecht zu erhalten und dafür monatlich über 800€ Miete zu zahlen. Wir brauchen einen größeren Raum! Wir brauchen mehrere Räume! Wir brauchen finanzielle Mittel für bezahlte soziokulturelle Arbeit! Wir fordern von der Stadt Duisburg ihr Versprechen ein: Soziokulturelles Zentrum, jetzt!
Unser Projekt war von Anfang an als Modell gedacht. Wir wollten zeigen: Hey Duisburg, du brauchst kreative Freiräume! Selbstverwaltet, basisdemokratisch und unkommerziell! Wir haben mit unseren begrenzten Mitteln und umso größerem Engagement gezeigt, was mit einer aktiven städtischen Zivilgesellschaft alles möglich wäre,
wieviel interkultureller Austausch in den Ideen der Bewohner*innen unserer Stadt schlummert – während der eingerostete und unbewegliche Staat teilhabegerechte „Integration“ versäumt, sicheres Ankommen verhindert, und stattdessen Finanzmittel in die Abschottung und Abschiebung von Menschen steckt.
Jetzt schließen wir also unseren Projektladen mit einem weinenden und einem lachenden Auge.
– Einereits mit der Erfahrung, dass alleine die Ladenmiete von 120qm für ein leerstehendes Lokal in einer ausgestorbenen Altstadt so viel Geld auffrisst, wie über 50 engagierte Menschen und hunderte trinkfreudige Gäste auf unkommerzielle Weise aufbringen können. Jeder übrig gebliebene Euro ging letztlich an den Eigentümer bzw. Verwalter des Gebäudes. Einfach so. Der Typ, der das Privateigentum erfunden hat, muss Vermieter gewesen sein…
Das zeigt, wie sehr die Notwendigkeit, Profit zu erwirtschaften, die Menschen in ihren Handlungsmöglichkeiten beschränkt.
Und dann auch noch dieser Move vom Ordnungsamt! Gehts noch, Duisburg? Was fällt euch überhaupt ein hier unangekündigt reinzukommen, Fotos zu machen, Leute rauszuschmeißen und den Laden zu versiegeln? Jetzt wird das Ladenlokal, wie so viele in der Nachbarschaft, wieder leer stehen…
Stattdessen sollten Leerstände zu Nebenkosten an soziokulturelle Projekte, Künstler*innen und Nachbarschaftsinitiativen vergeben werden!
– Zudem bräuchte es Fördermittel für die Strukturen von soziokulturellen Orten. Wir haben uns immer wieder über Projekt-Fördermittel überwasser gehalten, mit denen wir zwar Honorare an Künstler*innen und Vortragende zahlen konnten, die Ladenmiete jedoch nicht gefördert wurde. Daher fordern wir endlich eine Strukturförderung für die „kleine Orte und freie Kollektive“ der Soziokultur-Szene.
– Außerdem waren wir als Projektladen mit Umsonst-Regal für Sachspenden und Kaffee für lau immer auch ein Anlaufpunkt für wohnungslose Menschen, die in der Münzstraße des öfteren vom Ordnungsamt vertrieben wurden – und scheinbar sonst nirgendwo Orte finden, an denen sie im Sommer ihre Wasserflasche auffüllen können. Wir erwarten von der Stadt Anlaufstellen für wohnungslose Menschen statt Verdrängung.
– Letztlich müssen wir festhalten, dass die ursprüngliche Idee eines solidarischen Ankunfts-Ortes für Geflüchtete sich nur schwierig verwirklichen ließ.
Neben den hier gefestigten Freundschaften, die schon vor der Ladengründung entstanden sind, haben wir es leider – auch gemeinsam – nur selten geschafft, neu zugezogene Menschen in das Ladenprojekt einzubinden. Das mag viele Gründe haben. Zum einen scheinen viele Menschen wenig positive Erfahrungen wirklicher Teilhabe in Projekten unter dem Label der „Wilkommenskultur“ gemacht zu haben. Zum anderen müssen wir festhalten: soziales und kulturelles Engagement in der Freizeit? Das ist ein Privileg. Wer hat dafür schon Zeit?!
Alles in allem schließen wir mit dem Gefühl: Chance vertan! So Projekte wie das 47 hätte Duisburg vor 4 Jahren gebraucht, als die Menschen angekommen sind.
Doch nun zum positiven:
Denn andererseits liegt ein Jahr mit (nachgezählt) 308 Veranstaltungen von mehr als 47 Gastgeber*innen mit 4 bis 100 Besucher*innen hinter uns: Ob Jamsessions, Elterncafé, politische Diskussionsveranstaltungen, wissenschaftliche Vorträge, Uni-Seminare, Hausaufgabenhilfe, Filmabende, Kneipenabende, Geburtstagspartys, Ausstellungen, Kreativworkshops, Yoga-Kurse, Co-working space, DJ Workshops, Initiativentreffen oder Vereinsgründungsversammlung… wir haben vieles realisiert, was uns einfach so eingefallen ist. Einfach so zum Spaß!
Wir haben mit der Akzente-Woche im April die Diskussion um das Soziokulturelle Zentrum weiter vorangetrieben. Wir haben uns gegen Nazis vor der Haustür gewehrt und sind dabei mit vielen netten Nachbar*innen in Kontakt gekommen. Wir haben aggressive Nachbarn beschwichtigt, die nicht mit uns tanzen wollten. Wir haben neugierige Passant*innen („wat ist dat denn hier?“) und auch Institutionen der Stadt auf nen Kaffee eingeladen, um mal zu verstehen „was diese Soziokultur sein soll, von der die jungen Leute immer reden“ – nicht alle haben es auf Anhieb verstanden… Wir haben im achten (!) Versuch den Passierschein A38 beim Finanzamt bekommen und einen gemeinnützigen Verein gegründet. Wir haben im Juni eine Crowdfunding-Kampagne gefahren
https://www.betterplace.me/zum-erhalt-ladenprojekts-47-in-d…
und einen super tollen Film über das 47 gedreht, den Ihr euch hier gerne noch mal anschauen könnt:

Vor allem aber haben wir viel gelernt. Wie verhält man sich im Plenum mit 50 unterschiedlichen Leuten? Wie reagiert man, wenn ein Macker Typ im Laden rumschreit und Leute rassistisch beleidigt? Wie schreibt man Fördermittel-Projektanträge und wie rechnet man das nachher richtig ab? Wer putzt denn eigentlich den Laden regelmäßig, wenn niemand Geld bekommt? Wie reagieren wir auf die unzähligen Anfragen, bei uns Heavy-Metal Konzerte oder Kunstausstellungen zu veranstalten, wo es doch leider in Duisburg keine Räume gibt? Wer druckt eigentlich die Programmflyer dann auch aus und bringt sie ins Syntopia etc.? Wie gehen wir mit Situationen um, in denen die Hälfte der Aktiven total überlastet sind? (3 Monate Sommerpause!)
Alles in allem haben wir gelernt, dass wir den Bedarf dieser Stadt an Unterstütungsangeboten und kulturellen Freiräumen nicht stemmen können. Schon gar nicht auf 120 Quadratmetern, schon gar nicht dauerhaft auf der Basis von jährlich über viertausend(!) Stunden unbezahlter ehrenamtlicher Arbeit. Um es noch mal zu wiederholen: Eines hat unser Projekt gezeigt: Es braucht endlich ein Soziokulturelles Zentrum in Duisburg – und zwar jetzt!
So oder so – wir sehen uns nächstes Jahr im Stapeltor!
#Soziokulturjetzt
#RechtaufStadt

2.
Ein Statement von Luise Hoyer zu der Schließung des 47 auf der Münzstrasse in der Altstadt von Duisburg am gestrigen Donnerstag, 12.12.2019 um 20:45h:
„Als Befürworterin und Nutzerin des 47 und als Aktive bei Kultursprung e.V., Du erhält(s)t Kultur und bei der Erstellung des Kulturentwicklungsplans und der Organisation der ersten großen, Kulturkonferenz kann ich hiermit nur mein Entsetzen ausdrücken.
Duisburg hat sich den Titel „Stadt des Ermöglichens“ gegeben. Etliche Politiker, wichtige Vertreter*innen der Soziokultur NRW und unser Kulturdezernent Herr Krützberg haben im 47 bereits Veranstaltungen mitgestaltet und das 47 ist musterhafte Basisstation für die Aktivitäten der Arbeitsgruppe für ein Soziokulturelles Zentrum in Duisburg – unter Beteiligung der Stadt.
Das aus Eigeninitiative heraus finanziell und organisatorisch, ermöglichte und wirklich abwechselungsreiche und beeindruckende Programm des 47 füllt seit Monaten erfolgreich Lücken, die die Stadt Duisburg seit langem nicht mehr in der Lage ist, selbst zu schließen. In Duisburg fehlen Orte wie das 47, in denen Menschen jeden Alters und aus allen gesellschaftlichen Lebensumgebungen kreativ und kommunikativ aufeinandertreffen können, sich gegenseitig unterstützen und weiterbilden und Spaß haben können, ohne dass es eine Pflicht zum Konsum gibt. 2 Wochen vor der Abschiedsparty – dann wäre der Raum sowieso aufgegeben worden – durch eine solche Aktion wieder einmal einer funktionierenden und politisch gewollten Initiative einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen kann eigentlich nur ein grobes und peinliches Versehen aus Unkenntnis der Gesamtsituation gewesen sein. Im Vorfeld der nächsten Kulturkonferenz im Februar ein Skandal und mir angesichts einiger Beispiele für gute Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt in der letzten Zeit völlig unverständlich!
Dies zeigt deutlich, dass Duisburg einen Kulturrat benötigt – ein Gremium in dem Menschen aus Kultur, Freier Szene, Politik, Verwaltung und Wirtschaft regelmäßig zusammentreffen, sich kennenlernen und gegenseitig informieren und gemeinsam aus einer Situation des gegenseitigen Verständnisses und Respekts heraus Wege suchen.
Erst mit besser funktionierender Kommunikation und dem allseitigen Willen, Probleme auf positive Art zu lösen und innovative Wege zu beschreiten, kann das mit der Ermöglichung in Duisburg klappen. Und bei dieser Art der zielgerichteten und produktiven Zusammenarbeit ist die Freie Szene den städtischen Strukturen leider immernoch Lichtjahre voraus. Meine Empfehlung: Die Schließung sofort rückgängig machen!“
Luise Hoyer.
QUARTIERSBÜRO Altstadt
@47 Kulturzentrum

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