11. September: Der Terror & die Leute

— Diese Gelegenheit mußte genutzt werden: Wenn da Krieg ist, wollen wir mitsiegen. — Zehn Jahre zuvor waren die Religionskrieger der EU noch willkommen als „Freiheitskämpfer“, und die „Apartheid der Geschlechter“ hieß damals ganz apart: „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ — Wenn deutsche Anti-Deutsche zu Bellizisten werden, dann wollen sie auch gleich den totalen Krieg. Dumme Jungen sind das, die nicht wissen, was Krieg ist. — Der Feind meines Feindes ist mein Feind, wenn er Antisemit ist.

Bericht zum Attentat in New York am 11. September 2001, geschrieben im November 2001, erschienen in DER METZGER Nr. 63 (2001) leicht gekürzt.

Die Katastrophe, mit der nach Ansicht mancher Leute das soeben begonnene Jahrtausend auch schon gelaufen ist, wurde mir schonend beigebracht. Ich kam kurz vor 8 nach Hause (kein Mensch auf der Straße hatte sich irgendwie anders verhalten als sonst), schaltete den Fernsehkasten ein, um zu sehen, was es gibt, und sah den Wickert zu ungewohnter Zeit. Im Hintergrund ein Hochhaus mit Qualm und eine Schlagzeile „Terror in New York“. Terror in New York? Dafür eine Sondersendung? Um 8 Uhr auch kein Gong, Wickert redete weiter. Und nach und nach erfuhr ich: In einem Wolkenkratzer gab es eine Explosion. Der Wolkenkratzer war einer der beiden Türme des World Trade Center. Ein Flugzeug ist hineingeflogen. Es war ein entführtes Flugzeug mit Passagieren darin. In den anderen Turm ist auch ein Flugzeug hineingeflogen. Eingestürzt sind die Türme dann auch noch. Zwischendurch erfuhr ich noch, daá auch auf das Pentagon in Washington ein Flugzeug gestürzt ist und ein viertes, ebenfalls entführtes mit Passagieren, irgendwo abgestürzt war, bevor es auf ein Ziel gelenkt werden konnte.
Auf allen TV-Kanälen Sondersendungen, bestehend aus der unentwegten Wiederholung des Bildes von einem Flugzeug, das in einen Wolkenkratzer gleitet, und zwischendurch kamen Leute zu Wort, die schon mal auf der Landkarte mit dem Finger auf New York getippt hatten, also Experten waren. Nicht nur wie man mit zehn Sekunden Bildmaterial und Korrespondenten, die nix genaues auch nicht wissen, zehn Stunden Sondersendung ausfüllt, hat mich erstaunt. Der zuständige Geheimdienst war nicht in der Lage, ein Ereignis vorherzusagen, das über lange Zeit an vielen Orten von vielen Leuten vorbereitet wurde, konnte aber schon nach zehn Minuten genau mitteilen, wer die Hintermänner des Attentats waren. Noch erstaunlicher ist, daß keine Organisation sich zu diesem Attentat bekannte und dazu eine Erklärung abgab.

Wogegen die Rote Armee kämpfte
Die Regierung der USA hat sich viel vorgenommen. Als ginge es jetzt ums Ganze, holt sie zum entscheidenden Schlag aus gegen die Mächte des Bösen, die in Osama bin Laden verkörpert sind, und sie verlangt von aller Welt Ergebenheit. „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“, der wird – so US-Präsident Bush – als Feind angesehen. Die rotgrüne Bundesregierung meldet sich zur Stelle. Als würde sie einem Hilfeersuchen der USA entsprechen, schickt sie gegen alle Gewissenspein 3.900 Soldaten. Dabei mußte sie das Kanonenfutter geradezu aufdrängen: „Bitte bitte nehmt sie doch!“ Die Koalition brach daran beinahe auseinander. Aber diese Gelegenheit mußte genutzt werden: Wenn da Krieg ist, wollen wir mitsiegen.
Der Kreuzzug gegen das Böse sei natürlich nicht ein Kampf der Kulturen, wird betont. Aber was soll es denn sonst sein, wenn der Präsident der USA in seinem Manichäertum wie das christlich-abendländische Spiegelbild der islamisch-morgenländischen Schreckensvision erscheint? Wieviel die Beteuerung wert ist, ist daran zu messen, um wieviel es Menschen mit morgenländischem Appeal leichter oder schwerer gemacht wird, eine Wohnung zu finden. Weiterlesen

… just a four letter word


Manche Slogans kaschieren ihre Fragwürdigkeit dadurch, daß sie fremdsprachlich formuliert sind. Sagen Sie das, was Sie da lesen, mal auf deutsch.
Das Coitieren (deutsch: Zusammenkommen) gilt doch als Ziel, als Höhepunkt liebenden Verlangens (verlangenden Liebens) (dachte man früher, denken viele noch heute). Aber „man spricht nicht drüber“, und wenn doch …
Wenn Puritaner fluchen!
In Slogans wie diesem wird für deren Objekte (the army, capitalism, in diesem Fall: die Polieze) keine Sympathie ausgedrückt, eher tiefste Verachtung. So wird der als Liebes-Akt umschriebene Vorgang zum Gewaltakt, zur Unterwerfung. Darum sollte diese Metaphorik aus progressivem – gar noch emanzipatorischen Kontext getilgt werden.
Darum erzähle ich den Leuten jetzt einfach: Da steht „PUCK THE POLICE“, deutsch: man soll die Polieze pucken. Denken Sie doch, was Sie wollen.

Die Tauben ringsum richten sich nach ganz anderen Prioritäten.

Der Weg nach oben

Die Älteren unter uns werden sich (nicht mit Vergnügen) daran erinnern, wie Angehörige einer sozialen Schicht (juvenil, aufstrebend, eloquent, flexibel, schnellschaltend/ahnungslos) in die Friedensbewegung hineinstürmten, ohne Ahnung von Tuten & Blasen und alles besser wußten: Motto: Wir erklären euch mal, was ein richtiger Pazifismus ist (natürlich blocküberwindend).
Zuvor schon hatten (so ziemlich) dieselben sich die Arbeiterbewegung vorgenommen, wo sie als schnöselige Schnellkurs-Revolutionäre uns besserwisserisch erklärten, was ein richtiger Kommunismus ist. Dafür betrieben sie ihre nationalen K-Gruppen. Die besonders schlauen, besonders eloquent-flexiblen von ihnen sitzen jetzt auf liberal-konservativen Redaktionsposten und erklären, was ein richtiger Antikommunismus ist.
Die Deutschlinke veranstaltet seit langer Zeit schon die kollektive Rückkehr der verloreren Söhne, die aber nicht reumütig heimkehren, sondern in großspuriger Attitüde den Laden übernehmen.
Die besonders schlauen, besonders eloquent-flexiblen von ihnen sitzen jetzt auf ministrablen Warteständen und können uns mit Schall und Schaum erklären, was eine richtige Verteidigungspolitik ist.

Gegenvorschlag: Weniger grün wählen, mehr UZ lesen.
Letzteres ist zwar auch nicht der höchsten Weisheit allerletzter Schluß, aber immer noch besser als nix.

Der Weg nach oben


Ja, man hat‘s nicht einfach in der Politik.
Eine besondere Schwierigkeit ist ja, Politik zu VERMITTELN.
Da muß man geübt sein in der Kunst der Euphemisierung.

Der Krieg wird zum „Auslandseinsatz“.
Man „übernimmt Verantwortung“.
Und den AUFRECHTEN GANG darf man nicht gehen, denn das wäre „wegducken“.

Wieder mal ein Schulbeispiel dafür, daß der „Weg nach oben“ ein Niedergang ist.

Plastic People

Das war abzusehen, da hätte man Gift drauf nehmen können, darauf hätte man wetten können. Die „Wohlfühl-Empörer“, die „besorgten Bürger“, die wachsamen Nachbarn, die Aufpasser, die Emanzen und die ihnen hörigen Musterknaben, die Amokläufer der Moral, die Heuchler sind immer bereit, Entrüstung abzuliefern – und von ihren Mitmenschen Mit-Entrüstung einzufordern. Beim Verteufeln des Eros müssen und wollen sie alle (und sollen wir) nicht abseits stehen.
Denen werde ich nicht den kleinen Finger reichen. Tun Sie es auch nicht.

Die Reklame der Netto-Supermarktkette ist von einer geradezu rührenden Harmlosigkeit. Die könnte man, wenn es ein Film wäre, doch ab 6 Jahre freigeben. Aber alles, was irgendwie an Sex erinnert, führt zu reflexhaften Abwehr-Reaktionen. Alles, was irgendwie an Sex erinnert, ist „sexistisch“. Unterschiede werden nicht gemacht; jedes Maß für Verhältnismäßigkeit geht verloren.

Plastic People – oh Baby now you‘re such a Drag.

Ist es das mit Sahras Aufstands-Bewegung jetzt gewesen?

Die Sammlungsbewegung „Aufstehen“ mit der populären Sahra Wagenknecht an der Spitze wird sicherlich noch lange bestehen bleiben, aber nicht mehr viel auf die Beine stellen. So recht populär ist sie eigentlich nur außerhalb ihrer Partei. Innerhalb ihres Wirkungsfeldes wurde ihre Kampagne eher beargwöhnt als unterstützt.
Hier wurde ja auch mild bespöttelt.
In der FR wurde gestern (noch nicht wissend, daß sie auch in der Partei ins zweite/dritte Glied zurücktritt) kommentiert, nach der mäßigen Resonanz ihrer Bewegung hätte sie ihre Anhängerschaft einfach fallenlassen (ihr Hinweis auf gesundheitliche Gründe wurde wohl nicht ernstgenommen). Es wurde auch – wie ich finde zurecht – eingeschätzt, diese Kampagne hätte an Linke UND Rechte appelliert und sei darum zum Scheitern verurteilt gewesen. In der Tat: Dem Rechts-Populismus einen Links-Populismus entgegensetzen zu wollen, muß – und sollte auch scheitern. Massenhafter Protest in der Konsum- und Leistungsgesellschaft ist stets zu einem großen Teil der Protest unzufriedener Egoisten.
Im Kommentar von Georg Fülberth in der gestrigen jungen Welt ein schöner Satz: „Man sah sich in der Vermutung bestätigt, in der Partei Die Linke hätten sich Leute zusammengefunden, die einander ohnehin noch nie leiden konnten und sich mit ihr einen Ort gesucht haben, wo sie das unter politischem Vorwand ausleben können.“
Er findet die Einschätzung zutreffend, man könne „Bewegungen nicht von oben nach unten gründen“.
Doch, kann man ruhig. Weil „unten“ seit je die passenden „Von-unten-Gründer“ bereit stehen.
Die waren unter dem Motto „Jetzt aber!“ schon bei Hansens Demokratischen Sozialisten dabei. Sie waren dabei, als die PDS sich in den Westen ausdehnte, und dann bei der WASG, und jetzt sind sie wieder dabei. Die fangen ständig an, schon seit Jahrzehnten.

Der Sahra Wagenknecht wünsche ich, daß es ihr gut geht. Gesundheit ist das Wichtigste, glauben Sie mir.

Ja oder nein?


Anfang der 70er Jahre wurde oft gerufen: „Raus aus den Unis – rein in die Betriebe!“
Einer hat gesagt: „Wenn Karl Marx in die Fabrik gegangen wäre statt ins British Museum, würde die Arbeiterklasse jetzt ganz schön dumm da stehen.“

War das richtig?
Ich habe dazu eine Meinung. Aber was sagen Sie? Ja oder nein?

Heute vor einer Woche

„Ein Mann, den wir nicht kennen.“
Glauben Sie.
Gucken Sie mal genauer hin.
„Wer trägt denn heute noch einen klassischen Trenchcoat?“, wird sich die WAZ-Fotografin gedacht haben, und fotografierte das.
Sie kennen doch bestimmt keinen zweiten, der in Duisburg im Trenchcoat (frei) herumläuft.

Mein Inerscheinungtreten bei der Auftaktkundgebung des Ostermarsches löste die erwarteten Emotionen aus: Freude (bei den einen), Verwunderung (bei den anderen), Ärger (bei einigen), gar keine (bei den meisten).
Die Verkniffenheit in den Gesichtern der Michnichtleidenkönner und Diebuchhandlungweltbühneniebetreter weckt Freundlichkeit in mir.

November 1918

Neu in der Weltbühne:
Klaus Gietinger: November 1918 – Der verpasste Frühling des 20. Jahrhunderts
Mit einem Vorwort von Karl Heinz Roth
Edition Nautilus, März 2018. Broschur, 272 Seiten. 18,00 €.

Verlagstext:
Ein flammendes Plädoyer dafür, die verpasste soziale Revolution zwischen Kieler Matrosenaufständen und Weimarer Republik dem Vergessen zu entreißen!
100 Jahre nach dem November 1918 spricht man nur noch vom „Kriegsende“, vom „Zusammenbruch des Kaiserreichs“.
Dabei war die Novemberrevolution tatsächlich ein Aufbruch, ein Aufbäumen gegen die herrschenden Klassen. Matrosen, Soldaten und Arbeiter waren noch bewaffnet – und sie hatten genug von den alten Eliten, sie wollten das allgemeine Wahlrecht, die Sozialisierung, die Zerschlagung des Militarismus und die Revolution – ein für alle Mal, jetzt oder nie!
Klaus Gietinger ruft in Erinnerung, wie die Führung der SPD und der Gewerkschaften den Krieg hingegen bis zum Schluss unterstützten und die Ordnung durch ein Bündnis mit den Militärs aufrechterhalten wollten. Diese unversöhnliche Spaltung der Arbeiterbewegung aber hat der Novemberrevolution den Todesstoß versetzt. Das Ergebnis waren auf Rache sinnende Herrschende in Wirtschaft, Verwaltung und Militär, die den verlorenen Krieg ihren zeitweiligen Verbündeten in den Arbeiterbürokratien geschickt anlasteten und auf eine Diktatur mit neuerlichem Weltmachtsstreben und Krieg hinsteuerten.
Dabei war der Kapitalismus auch international nie so gefährdet wie im November 1918. In zahlreichen europäischen Staaten begehrten die Massen auf. Wäre es in Deutschland gelungen, Basisdemokratie und echte Rätemacht zu verwirklichen, hätte die russische Oktoberrevolution eine Chance auf Humanisierung gehabt, und das 20. Jahrhundert hätte ganz anders verlaufen können.
„Klaus Gietinger gibt einen konzentrierten Überblick über die wesentlichen Etappen der revolutionären Nachkriegskrise, die zu Unrecht auf ihren Auftakt von Anfang November 1918 verkürzt wird.“ Karl Heinz Roth

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Das Wirtshaus in Dingens

Weniger in ein Büro, eher in ein mit viel Kunstlicht beleuchtetes Wirtshaus in Hochfeld fühlte man sich versetzt, wenn man sich auf die von Günter Ackermann gestaltete Internetseite „kommunisten-online“ einließ. Manche Leute meinten, „kommunisten-am-rande-des-nervenzusammenbruchs“ hätte besser gepaßt.
Ich hatte das Vergnügen, Günter Ackermann persönlich zu kennen, seit 1970. Er war damals in der KPD/ML das enfant terrible, unbeherrscht, streitsüchtig.
1940 in Erfurt geboren, in der DDR Angehöriger der Volkspolizei, wechselte er unter Mitnahme seines thüringischen Akzents in die BRD. Seit Mitte der 60er Jahre wirkte er im maoistischen Zirkelwesen am Rande der kommunistischen Bewegung. In der Dauer-Farce des Sektierertums war er eine feste Größe. Bei der Gründung der KPD/ML 1968 war er dabei und gehörte dem Zentralkomitee an (sagt man). Bei den diversen Spaltungen wechselte er gelegentlich die Seiten. Dann ließ er sich in Duisburg nieder.

Im Rotbuch-Verlag erschien ein Buch über den Mannesmann-Streik von 1973. Autor: Gerd Höhne. Das war, wie ich später erfuhr, Ackermanns Pseudonym. In dem Spielfilm „Huckinger März“ (über nämlichen Streik) spielte er eine Nebenrolle. Er tauchte dann auch gelegentlich im Eschhaus auf. Auf der Wanheimer Straße hatte er ein Schreib-Büro, wo Studenten ihre Diplomarbeiten ins Reine tippen lassen konnten.
Als die PDS in Duisburg ihren Kreisverband gründete, war er dessen Geschäftsführer (nicht, wie die Rote Fahne behauptet, Vorsitzender). Die üblichen, unvermeidlichen Streitereien führten zu seinem Rücktritt. Er zog sich auf sein Refugium „kommunisten-online“ zurück.
Ich habe Ackermann als einen durchaus freundlichen, umgänglichen Menschen in Erinnerung, erlebte ihn bei zahlreichen Veranstaltungen. Er konnte zuhören, argumentierte vernünftig und kenntnisreich. Aber wehe, wenn er in die Tasten griff! Dann wurde er mitunter vulgär bis zur Unflätigkeit.
Beim Ostermarsch sprach er mich mal an: „Du sympathisierst ja mit den Antideutschen.“ Das mußte und konnte ich richtigstellen. Seine Antwort überraschte mich: „Dann bin ich ja falsch informiert. Dann muß ich ja meine Meinung ändern.“
Ich habe daraufhin nicht mehr gegen ihn polemisiert, stattdessen es aber dem Kollegen Jakop Heinn überlassen, die Ackermann-Schoten zu protokollieren. Denn nicht allen gegenüber hat Ackermann sich so ehrenmännisch verhalten. Seine Lieblingsfeinde waren Siegfried Jäger (DISS, siehe DER METZGER 81) und Ulrich Sander (VVN, siehe DER METZGER 83 und 114). Dem, was dort darüber zu lesen war, ist nichts hinzuzufügen, und es ist nichts zurückzunehmen.

Am 26. April 2017 ist Günter Ackermann 76jähig in Mülheim gestorben.
Der Mann war unmöglich, aber auch irgendwie originell. Als Werber für die kommunistische Bewegung war er wenig von Nutzen. Aber ihre unfreiwillige Parodie ist ihm gelungen.

Mit Stolz und Kühnheit im Bureau

So alle zwei-drei Monate kommt mit der Post ein Stapel von Zirkularen mit dem Titel „Gegen die Strömung“. Für ein Flugblatt zu lang, für eine Zeitung zu dünn. In den Überschriften (siehe Faksimile oben) da leben Geist & Gestus der Peking-Rundschau weiter. Da wird mal klare Kante geredet. Hauptfeind. Bekämpfen. Ausrufezeichen.
Die kämpfende Arbeiterklasse bekommt ihre Orientierung per Runderlass. Der Führer der revolutionären Massen als Bürovorsteher.
Der Verfasser dieser Direktive hat in seiner Eigenschaft als Zentralkomitee ausgegeben, wer der Hauptfeind ist, der bekämpft werden muß, damit das klar ist.
Aber wer soll das am Ende tun?
Man hat die Misere stets bildhaft so beschrieben: Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer. Im vorliegenden Fall gibt es aber eine gute Nachricht: In diesem Büro gibt es wohl nur einen Häuptling. Die schlechte Nachricht: Das sind immer noch mehr Häuptlinge als Indianer.

Eine Ärztin findet das Wetter nicht schön

Ostermarsch 1990, dritter Tag, Bochum. Es regnete, und es hörte nicht auf zu regnen. Es war ungemütlich an diesem grauen Vormittag. Da stand eine, die ich aus Duisburg kannte, Ärztin. Der sagte ich: „Ein Glück, daß wir wenigstens schönes Wetter haben!“
Darüber regte sie sich auf. Sie hat meine sarkastische Bemerkung nicht nur nicht verstanden, sie war darüber empört. Sie war davon überzeugt, daß ich doch nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte, und was mir denn einfiele, das wäre ja, also!
Und sie hielt sich dran. Anstatt in einer kurzen Stellungnahme zu erklären, daß es unpassend sei, beim Ostermarsch im Regen Freude über das Wetter zu äußern, konnte die sich überhaupt nicht mehr einkriegen.
Es sollten noch Jahrzehnte vergehen, bis die Friedensbewegung, wie wir sie kannten, mit Friedenswinter, Jebsen, Putin, Öffnung nach rechts etc. sich selbst reinlegte, so daß sie, die dereinst die Bonner Hofgartenwiese mit Menschenmassen zu füllen verstand, heute vor lauter neuen Bündnispartnern kaum noch eine Menschenkette um eine Litfaßsäule zustande bringen könnte. Die Wurzeln des Übels traten aber schon in den 90er Jahren im Regen in Bochum zu Tage. Es fehlte ihr völlig der Sinn für den Unsinn.

Weihnachts-Botschaften

Soll heißen: ich nehme diplomatische Immunität in Anspruch.
Weihnachten ist ja bekanntlich die Gelegenheit für Erinnerungen, Rückblicke und Wiederholungen. Ist es nicht so? Glauben Sie es mir einfach.
Während ich mir ein paar Tage Privatissimum gönne, mache ich es Ihnen möglich, die Universalität zu wiederholen, und zwar durch diese Verlinkungen:
24. Dezember 2012
24. Dezember 2013
24. Dezember 2014
24. Dezember 2015
24. Dezember 2016

Wie sagte schon Karl Valentin:
WENN DIE STILLEN TAGE VORBEI SIND,
DANN WIRD ES AUCH WIEDER RUHIGER.

Wissen Sie, was morgen für ein Tag ist?

Morgen ist der 15. Juni 2017.
Am 15. Juni 1987, also 30 Jahre vorher, wurde die Buchhandlung Weltbühne eröffnet.
Vor fünf Jahren, zum 25jährigen Jubiläum, wurde noch ’ne kleine Party gefeiert mit Kaffee und Käsesahnetorte. Das Schild liegt noch da. Denn Schilder soll man achten.

Die Feierlaune vor fünf Jahren war allerdings getrübt durch bedenkliche Entwicklungen in der Branche, namentlich im Zwischenbuchhandel, denen man sich nicht so ohne weiteres entziehen kann. Was nützt aller Fleiß, alle Sparsamkeit, alle Erfahrung, wenn die Warenverkehrswege blockiert sind?
Daß die Buchhandlung diese Krisensituation überstehen konnte, war gar nicht sicher, gelang gewiß mithilfe einiger treuer Freundinnen und Freunde und trotz der Ignoranz nicht weniger Leerlauf-Linker, die sich mit einem politischen Anspruch schmücken, den sie nicht erfüllen. Es wurde sogar eigens eine Partei gegründet, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die einzige linke und antifaschistische Buchhandlung weit & breit nicht nur aus dem eigenen, sondern möglichst aus dem gesamtgesellschaftliche Bewußtsein zu verdrängen.

Der 30. Geburtstag geht ohne Aplomb vorbei, denn eigentlich ist es ja nur der Jahrestag eines Standortwechsels. Voran gingen 13 Jahre Buchladen im Eschhaus, und die Gründung als Verlag war 1968.
Hier gilt weiterhin die Methode: Es wird nichts remittiert und nichts verramscht. Was nicht verkauft wird, bleibt eben weiterhin im Angebot. Es gibt hier Bücher, die standen schon jahrelang im Eschhaus, um seither die Zeit auf der Gneisenaustraße zu verbringen.

Glückweünsche werden gern entgegengenommen, am liebsten verbunden mit einer Bestellung (es müssen ja nicht gleich 30 Bücher sein).
Lassen Sie doch einfach mal ein paar der regelmäßigen Empfehlungen Revue passieren.

Zum Beispiel dieses
oder jenes
oder dieses
oder jenes
und warum nicht dieses
und natürlich das hier!


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