50/40 Jahre 11. Mai (1-13)

Die rätselhafte Überschrift erklärt sich so:
Dieser Film, von dem hier in Fortsetzungen 38 Stills zu sehen sein werden, ist ein Film vom 11. Mai und über den 11. Mai.
Der Film „Der 11. Mai – Le Onze Mai“ (Hut-Film 1978, 35 Minuten) bezieht sich auf den 11. Mai 1968, an dem in Bonn die erste große zentrale Aktion der APO stattfand: der „Sternmarsch“ gegen die geplanten Notstandsgesetze. Zehn Jahre später suchte ich den Ort der Handlung wieder auf und kombinierte diese Außenaufnahmen mit Bilddokumenten (TV-Bilder, Faksimiles, Fotos etc.), die dieses eine Ereignis in den globalen, historischen, kulturell-ästhetischen, biografischen, sexuellen Kontext stellten.
Die Bilder wurden nicht erklärt und nicht kommentiert, dafür aber teilweise extrem verfremdet und scheinbar willkürlich montiert und somit der freien Assoziation überlassen.
Konkrete Fragen zu einzelnen Bildern werde ich gern, sofern möglich, beantworten.
Es heißt in der französischen Sprache nicht „l’onze mai“, wie man meinen könnte, sondern tatsächlich „le onze mai“.
Daß der Monat an einer Stelle „may“ geschrieben wurde, hat schon seine Gründe.
Bonn und insbesondere den Hofgarten habe ich in den Jahren danach aus höchstprivaten Gründen immer wieder aufgesucht (zuletzt 2007). Mir das nach 50 Jahren, also heute, alles noch mal anzugucken hatte ich ernsthaft erwogen.

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Weihnachts-Botschaften

Soll heißen: ich nehme diplomatische Immunität in Anspruch.
Weihnachten ist ja bekanntlich die Gelegenheit für Erinnerungen, Rückblicke und Wiederholungen. Ist es nicht so? Glauben Sie es mir einfach.
Während ich mir ein paar Tage Privatissimum gönne, mache ich es Ihnen möglich, die Universalität zu wiederholen, und zwar durch diese Verlinkungen:
24. Dezember 2012
24. Dezember 2013
24. Dezember 2014
24. Dezember 2015
24. Dezember 2016

Wie sagte schon Karl Valentin:
WENN DIE STILLEN TAGE VORBEI SIND,
DANN WIRD ES AUCH WIEDER RUHIGER.

Ostermarsch Ruhr 2017

Der Ostermarsch Ruhr 2017 in Daten, Fakten und Terminen:
Es wird also zum Schluß darauf verwiesen, daß der komplette Aufruf auf der Internetseite gelesen werden kann.

Dort ist zum Beispiel zu lesen:
„Verhandeln statt Schießen: Jede Minute Waffenstillstand rettet Leben: in Syrien, im Irak, in Mali und anderswo. Es muss mit allen Konfliktparteien, auch dem IS verhandelt werden.“
Verhandeln mit dem IS! Diese Schnapsidee wurde vor etwa einem Jahr von dem Exponenz-Pazifisten Thomas Carl Schwoerer (vom Bundesvorstand der DFG-VK) in Buchform ventiliert (Untertitel: Neue Lösungen für Syrien und den Terrorismus).
Schwoerers Buch mit dem – ernstgemeinten – Vorschlag, mit dem IS zu verhandeln, wurde in der Zivilcourage (Verbandszeitschrift der DFG-VK) wohlwollend besprochen.

Ich schrieb darauf einen Leserbrief (Auszug):
Unterdessen will Thomas Carl Schwoerer nur mal kurz die Welt retten. Mit IS sollte verhandelt werden, schlägt er vor. Begründung, kurz gefaßt: Verhandeln ist besser als nicht verhandeln. Dabei offenbart er mangelnden Überblick über Fakten und Zusammenhänge.
Solange verhandelt wird, wird nicht geschossen, glaubt er. Auf Vietnam sind während der Pariser Friedensverhandlungen mehr Bomben abgeworfen worden als auf Deutschland im Zweiten Weltkrieg.
Die Ostpolitik Willy Brandts lobt er. Es müßte aber auch eingestanden werden, daß zuvor die „Politik der Stärke“ zum Scheitern gebracht wurde. Willy Brandt hätte gar nicht „mehr Demokratie wagen“ können, wenn die Ostlandreiter weiterhin so hätten wüten können wie bis zum 13. August 1961 und wieder seit dem 9. November 1989. Das, was Schwoerer als „gewaltfreie Revolution in der DDR“ euphemisiert, hatte zur Folge, daß Deutschland nicht länger daran gehindert war, die europäische Ordnung aus eigener Kraft aus den Angeln zu heben, Belgrad zu bombardieren und in Kiew die Nachfolger der Nazi-Kollaborateure wieder für sich marschieren zu lassen.
Thomas Schwoerer ist nicht richtig informiert, wenn er meint, auch Nelson Mandela hätte zu den Politikern gehört, die „alles daransetzten, ihren Kampf gewaltfrei zu führen“. Der ANC führte einen bewaffneten Befreiungskampf. Das Apartheid-Regime bot Mandela an, ihn aus dem Gefängnmis zu lassen, wenn er den ANC zur Gewaltlosigkeit aufruft. Das hat er nicht getan. Thomas Schwoerer tut es jetzt stellvertretend für ihn.
Historisch steht Nelson Mandela neben Che Guevara, Ho Tschi-minh und Patrice Lumumba. Thomas Schwoerer stellt ihn in eine Reihe mit Lech Walesa. Warum nicht gleich mit Franz-Josef Strauß?
In der Welt, die man retten will, sollte man sich auskennen.

Mit dem IS verhandeln! Worüber? Mit welchem Angebot? Mit welchen Zugeständnissen? An welchem Ort?
Wie wäre es mit München?

Die schönsten Postkarten machen wir

Die Produktion von Postkarten in der Situationspresse wird fortgesetzt. In diesem Herbst wurden 32 neue Motive veröffentlicht. Einige davon wurden hier schon vorgestellt. Hier die nächsten.

Die Postkarte ist ein stringentes Medium. Das einheitliche Format Din-A 6 (Seitenverhältnis eins zu Wurzel aus zwei) erlaubt nur zwei formale Varianten: Hochformat und Querformat. Innerhalb dieses Rahmens gibt es inhaltlich keine Grenzen. Es gibt: Kitschpostkarten, Urlaubspostkarten, Erotikpostkarten, Glückwunschpostkarten, Kunstpostkarten (Postkarten, die Kunstwerke abbilden oder Kunstwerke sind oder beides). Et cetera. Da liegt es doch auf der Hand, die Postkarte als subversives Medium der Aufklärung zu nutzen. Das machen wir. Machen Sie mit.

pk97-tolstoigorkiSituationspostkarte (SPK) 97: Leo Tolstoi und Maxim Gorki 1900

pk-104-charlieSPK 104: Je suis Charlie

pk99-cheSPK 99: Che Guevara

pk83-dankeSPK 83: Stadtzerstörung (Mercatorstraße)

pk-100-antifakalkwegSPK 100: Antifa Kalkweg

pk-103-werdeniesoldatSPK 103: Werde nie Soldaten

pk-101-kunstdersatireSPK 101: Kunst der Satire

pk-102-ueberwachungSPK 102: Überwachung

Motive von: Merkfoto, Hafenstaedter, DFG-VK, Projektgruppe Pudding und gestern usw.

Diese Karten sind zum Stückpreis von 1 Euro erhältlich (bei Versand bitte 1 Euro hinzurechnen, nicht pro Stück, sondern pro Auftrag). Bestelladresse ist:
Buchhandlung Weltbühne, Gneisenaustraße 226, 47057 Duisburg
situationspresse@gmx.de

Wenn Sie in der Kategorienspalte links die Kategorie „Situationspostkarten“ anklicken, wird ein Postkartenkatalog in Fortsetzungen sichtbar.

Es gibt kein Halten mehr: Weitere Postkarten werden in den kommenden Wochen vorgestellt.

Maureen O’Hara 1920-2015

Maureen O’Hara kam als 18jährige aus ihrer irischen Heimat nach Hollywood und bekam gleich große Rollen. Charles Laughton hatte sie entdeckt. Sie spielte schon in ihren ersten Filmen unter der Regie von John Ford und Alfred Hitchcock (später auch unter Jean Renoir), zusammen mit Charles Laughton in „Der Glöckner von Notre Dame“ unter William Dieterle. So kam sie auch mit den deutschen Filmschaffenden im Exil in Verbindung.
Obwohl sie über Jahrzehnte zu den großen Hollywood-Stars gehörte, wurde sie nie für den Oscar nominiert.
So eigensinnig und souverän, wie sie in vielen ihrer Rollen auftrat, war sie auch als reale Person. Sie stritt erfolgreich gegen eines der skrupellosesten Klatschblätter, Confidential.
Sie hatte – als „Ausländerin“! – die Courage, die Kollegen zu verteidigen, die in der McCarthy-Ära um ihre Existenz gebracht wurden. Damit stand sie in einer Reihe mit den couragierten „Ausländern“ Charlie Chaplin und Charles Laughton.
MaureenCheMaureen O’Hara 2014, Che Guevara 1962. Fotos: Creative Commons

Bei den Dreharbeiten zu „Unser Mann in Havanna“ an den Original-Schauplätzen lernte sie Fidel Castro kennen. Mit Che Guevara verband sie eine enge Freundschaft. Über ihn sagte sie: „Er war nicht käuflich, sondern ein Freiheitskämpfer.“

Wie hältst du es (aus) mit Amazon?

Jetzt, im Herbst, kommen die vielen Neuerscheinungen, und ich komme gar nicht mehr mit mit dem Registrieren, und ich könnte hier jetzt wochenlang Tag für Tag ein Buch vorstellen.
Heute empfehle ich ein Buch, das ich vielleicht in die Abteilung „Kriminalliteratur“ einordnen könnte:

Daniel Leisegang: amazon. Das Buch als Beute. Schmetterling-Verlag 2014. 128 S. 12,80 Euro
LeisegangAmazon
Der Verlag hat das Wort:
Auch wenn der Online-Händler Amazon nicht einmal 20 Jahre existiert, hat er die Einkaufsgewohnheiten der Menschen bereits revolutioniert. Die Kunden schätzen seine preiswerte und nahezu lückenlose Warenpalette, die unabhängigen Produktbewertungen der anderen Käufer sowie die unkomplizierten Umtauschoptionen. Und da das Unternehmen zumeist sogar eine Lieferung bis zum nächsten Werktag verspricht, ziehen viele den bequemen Mausklick dem stressigen Einkauf vor. Doch der Schein der schönen neuen Warenwelt trügt. Hinter der Fassade von Amazons Online-Shop verbirgt sich eine Welt prekärer Arbeitsbedingungen. Den niedrigen Preis für das bequeme Einkaufen im Netz zahlen dabei vor allem jene, die für die Logistik und den Versand der Waren zuständig sind.
Zudem bindet Amazon nicht nur die Buchhändler, sondern auch die Verlage durch seine aggressive Wachstumspolitik derart an sich, dass sie mit dem Unternehmen nicht mehr konkurrieren, sondern nur noch in seiner Abhängigkeit weiterleben können.

Ob dieses Buch auch von Amazon angeboten wird? Ja. Wird es. Da kennen die nix.
Aber Sie wollen dieses Buch doch bestimmt nicht bei Amazon bestellen, sondern (bei portofreier Lieferung) in der Buchhandlung Weltbühne. Das ist – ganz besonders in diesem Falle – eine konkrete und wirksame Abwehrmaßnahme gegen die Monopolisierung.

Einige Kritik, aber auch ein paamarkachzich Provision hat der verdienstvollen Buchhandlung Weltbühne der kollaborative Link eingebracht, der ganz unten auf dieser Seite zu finden ist. Nee, nee, nix Kollaboration, sondern Guerillataktik nach Che Guevara: „Sich vom Feind ernähren“. Amazon-Kunden leisten so ein Stückchen Wiedergutmachung.

Den Stand des Bewußtseins erkennt man an der Aussprache.
Wer „Ämmesuuun“ sagt, ist kaum noch zu retten.
Richtig spricht man „Amazon“, wie Amazonas ohne As.

Informationen über Kuba

Die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba kündigt weitere Informationsveranstaltungen an.
Zum Beispiel:

Wo steht das sozialistische Kuba heute?
Sonntag, 15. Juni 2014, 11 – 16 Uhr
Die Linke Altona, Am Felde 2, 22765 Hamburg
Im 55. Jahr seiner Revolution: Wo steht das sozialistische Kuba heute?
Unser Kuba-Seminar mit folgenden Schwerpunkten:
Kubas Alltag: Wirtschaft zwischen Sozialismus und Kapitalismus?
Kuba auf dem Weg zurück in den Kapitalismus – Realität oder Wunschdenken? Wie leben die Menschen in Kuba und wohin geht die Entwicklung?
Freiheit für die Cuban Five
cuban5Terror gegen Kuba: der Fall der Cuban 5 nach der Anhörung von London
Die Hintergründe des US-Terrrors gegen Kuba und die Verurteilung der 5 kubanischen Patrioten. Wie geht der Kampf um ihre Freilassung weiter?
Alphabetisierungskampagne 1961
Das kubanische Bildungssystem im Vergleich
Von der Alphabetisierungskampagne 1961 zum internationalistischen Bildungsexport:
Wie wird „Bildung“ in Kuba definiert? Wo steht das kubanische Bildungswesen?
Teamer: Brigitte Schiffler und Wolfgang Mix (beide Cuba Sí Hamburg); Volker Hermsdorf, Journalist, pendelt zwischen Hamburg und Havanna und schreibt u.a. in der Tageszeitung Junge Welt über Kuba.
Mittagsimbiss gegen Spende und zum Abschluss ein Mojito
Anmeldung erbeten an: hi.heinemann@gmx.de oder unter Die Linke Altona, Am Felde 2, 22765 Hamburg

Das Mafia Paradies – Kuba vor der Revolution von 1959
Donnerstag, 3. Juli 2013, 19:30 Uhr
Waldheim Gaisburg, Obere Neue Halde 1, 70186 Stuttgart-Ost
Zum 60. Jahrestag des Sturms auf die Moncada-Kaserne, dem Beginn der kubanischen Revolution, zeigen wir den Dokumentarfilm:
DAS MAFIA-PARADIES – Kuba vor der Revolution von 1959.
Mit Kuba verbinden die meisten Menschen Fidel Castro, Che Guevara, die sozialistische Revolution von 1959 und vielleicht noch die Kubakrise von 1962. Aber was geschah davor auf der Karibikinsel? Vor 60 Jahren, im März 1952, riss dort General Fulgencio Batista durch einen Militärputsch die Macht an sich – mithilfe der CIA. Kuba hätte eine der vielen, von Washington kontrollierten Militärdiktaturen im karibischen Hinterhof der USA werden können, aber unter Batista wurde es mehr: ein Mafia-Staat. Bosse der italoamerikanischen ‚Cosa Nostra‘ wie Lucky Luciano oder Santo Trafficante sowie der Chef der jüdischamerikanischen ‚Kosher Nostra‘, Meyer Lansky, konnten sich unter Batista im kubanischen Staatsapparat einnisten und Havanna in die Weltstadt des Glückspiels, des Drogen- und Waffenhandels, der Geldwäsche und der Prostitution verwandeln.
Kuba wurde, sagt der US-amerikanische Politologe Karl E. Meyer, ‚zum Bordell der USA‘: Hunderttausende Amerikaner wurden mit Billigflügen in die Spielcasinos, Cabarets, Porno-Kinos und in die mit Drogen und Prostituierten versorgten Nobelhotels geschleust und dort ausgenommen. Die Millionengewinne verschwanden in den Taschen der US-Mafia und des Batista-Clans, die Landbevölkerung dagegen hungerte. Widerstand gegen das Regime und seine Mafia-Komplizen wurde vom staatlichen Repressionsapparat brutal bekämpft.
Trotzdem gelang es den Revolutionären schließlich, mit dem wachsenden Rückhalt der Kubaner zum Jahreswechsel 1958/59 die Macht auf der Insel zu übernehmen. Auf Kuba hatte die Mafia ihren Traum vom eigenen Staat fast verwirklicht – und nirgendwo ist sie tiefer gestürzt und entschiedener davon gejagt worden als auf Kuba.
Durch außergewöhnliches Filmmaterial und Erlebnisberichte von Zeitzeugen aus den 50er Jahren lässt die Dokumentation die gleichermaßen schillernde und brutale Zeit wiederaufleben – und zeigt damit, vor welchem Hintergrund die kubanische Revolution stattfand.
Veranstalter: Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba / Stuttgart

Kuba auf dem UZ-Pressefest
27.- 29. Juni. Revierpark Wischlingen, Dortmund
18. UZ-Pressefest – Volksfest der DKP –
Seit 1974 lassen es sich die Kommunistinnen und Kommunisten nicht nehmen, mit dem Pressefest der DKP-Wochenzeitung „Unsere Zeit“ einen politischen und kulturellen Gegenpunkt zu Entsolidarisierung, Kommerz und Kapitalismus zu setzen. 40 Jahre lädt die DKP Ende Juni 2014 wieder ein zum großen Volksfest der Solidarität.
UZ-Pressefest-2014-SolibuttonEin besonderer Anziehungspunkt ist unsere Casa Cuba. Dort gibt es neben Live-Musik und Mojito vor allem Informationen aus erster Hand von der Roten Insel. Wir kämpfen für die Befreiung der Cuban Five!
Freitag, 27.6., ab 16:00 Uhr:
In der Casa Cuba eröffnet am Freitag abend der Liedermacher Frank Viehweg aus Berlin eine Ausstellung mit Bildern von Antonio Guerrero, einem der in Miami inhaftierten Cuban Five.
Samstag, 28.6., 16:00 Uhr:
Veranstaltung: 40 Jahre Solidarität mit Kuba
Vor der Casa Cuba erwartet Euch der Infostand der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Äpfel, Pflaumen, Birnen (Dritter Teil)

Sie will noch mehr wissen: „Über die Liebe und so.“ Und ich kann ihr, ohne gar zu sehr ins Detail zu gehen, auch darüber etwas erzählen.
„Und du? Auch ein bißchen bi?“
„Bi? Nie! Ich bin Ultra-Hetero!“
Ich sage ihr dann noch (an dieser Stelle vielleicht etwas deplaziert?): „Ich muß sagen, Ingrid, ich war damals nicht wenig beeindruckt von dir. Du standest da immer so souverän im Getöse. Mit deinen flammenroten Haaren warst du ein Wahrzeichen. Du warst durch nichts aus der Ruhe zu bringen, hast alles überblickt, und du hattest so ein überlegenes, manchmal spöttisches Lächeln auf den Lippen.“
„Ja. Beeindruckt warst du. Und du hast mir immer auf den Hintern gestiert. Bei jeder Gelegenheit. Meinst du, ich hätte das nicht gemerkt? Hast du doch vorhin auch wieder getan. Hör mal, das ist aber jetzt kein Grund, um rot zu werden! Mann! Das steht dir schließlich zu! Mann!“ Sie sieht zum Fenster und sagt leise: „Eigentlich fand ich das irgendwie nett von dir. Außerdem habe ich dich auch gern angesehen. Du hattest so schööne Häände.“
„Es ist doch erstaunlich, mit wie wenig die Frauen sich zufriedengeben.“
„Sag das nicht!“ sagt sie laut. „Eine schöne Hand ist wie ein Elefant.“
„Was??“
„Das ist zwar Unsinn, aber es reimt sich.“
Sie sieht mich scharf an: „Und? Dein Urteil? Gut in Form?“
„Was?“
„Das Urteil des Paris! Sprich!“
„Das Urteil?“
„Das! Wo! Du! Immer! So! Gern! Hin! Schaust! Und! Vorhin! Auch! Wieder! Hingeschaut! Hast!“
„Hm. Hm. Ich würde sagen: Kallipygisch!“
„Kalli…? Ist wohl ein Kompliment?“
„Das bedeutet ins Deutsche übersetzt das, was du hören wolltest.“
„Hm! Hm, hm, hm! hmhmhm! Wir haben uns, als die Zeit dafür am besten war, zu wenig mit den wesentlichen Dingen beschäftigt.“
„Ja! Es ging in Wirklichkeit doch gar nicht um die richtige Losung, sondern um das richtige Leben.“
„Ja! Das richtige Leben!“
„Ich meine: mit allem drum und dran.“
„Mit allem drum und dran. Mit allem Pipapo. Mit Pipa und: Po!“
Kling!
Kling!
Plötzlich schweigen wir. Ist es Verlegenheit? Täusche ich mich? Es kommt mir vor, als wäre sie jetzt den Tränen nahe. Es kommt mir vor, als hätte sie es nicht gern, wenn ich sehe, wenn sie weint.
„Was ist mit deinem alten Zimmer?“
Sie wacht auf. „Mein altes Zimmer! Ja! Komm! Ich zeig es dir. Komm mit rauf. Wir nehmen die Gläser mit. Die Flasche ist leer. Ich nehm diese mit: Pflaumenwein. Aber komm erst mit in die Küche. Hier, steck dir das ein: Pflaumenmus. Und Birnenkompott, mit ein bißchen Honig, viel Zimt und wenig Nelken. Du erinnerst dich?“
„Erinnern ist meine Hauptbeschäftigung.“
„Die Gläser muß du mir zurückbringen. Jedes Einweckglas in diesem Haus ist mindestens hundert Jahre alt.“
Sie geht mir voraus die Treppe hinauf. Wir kommen in ihr Zimmer.
„Hier ist ja gar nichts verändert.“
„Nicht ganz. Schau mal da.“
Da hängen die Plakate von Dutschke und Che, und dazwischen ein leerer DIN-A-2-Bogen.
„Ich habe den MLern geschworen, das Mao-Bild nie von der Wand zu nehmen. Da hab ich es einfach verkehrt herum aufgehängt, mit dem Gesicht zur Wand. Soll der sich doch die Tapete näher ansehen. Außerdem: Mao ist tot. Die beiden anderen leben noch.“
Jetzt füllt der Pflaumenwein die Gläser.
„Auf Mao!“
„Auf den Großen Steuerberater!“
Kling!
Kling!
„Die haben ein Theater gemacht die MLer damals, weil hier noch ein Bild von Dutschke hing. Bei Che waren sie sich nicht sicher. Aber Dutschke: unmöglich! Ich dachte: Jetzt muß ich denen noch etwas über Juliette Gréco erzählen, damit sie darauf noch wütender werden. Die mußten mich rausschmeißen, konnten aber nicht. Ich habe viele Rote Morgens verkauft, von denen ist keiner jemals einen Roten Morgen losgeworden. Weil die wußten, daß sie mich brauchten, habe ich mir einige Frechheiten erlaubt. Ich mußte mal ein Referat halten in einer öffentlichen Versammlung. Ich habe mir den Spaß gemacht, über was ganz anderes zu reden, ein völlig zusammenhangloses Referat. Es war schlimm, daß ich das in einer öffentlichen Versammlung gemacht habe, obwohl gar keine Öffentlichkeit gekommen war, bloß der eine, der nicht in die Partei eintreten durfte, damit wir eine Massenbasis haben, eine Ausstrahlung nach außen. Ich hatte aber mit einem Lenin-Zitat begonnen. Gegen Lenin konnten sie ja nichts sagen.“ Und ganz plötzlich ist sie wieder ernst und melancholisch: „Ich hab mich so allein gefühlt. Ich hätte einen Komplizen gebraucht.“
„Wir hätten es weitertreiben müssen. Wir hätten eine gefälschte Roter-Morgen-Ausgabe in Umlauf bringen müssen, mit der Schlagzeile: ‚Eine schöne Hand ist wie ein Elefant‘.“
Sie lacht mehr als dieser Witz wert ist. Die Apfel-Pflaumen-Birnen-Weine haben uns schon weit getragen.
„Ach Ingrid! Warum haben wir eigentlich nicht geheiratet?“
„Ja, stimmt“, sagt sie nachdenklich, „das haben wir kein einziges mal gemacht. Wenn ich mich richtig erinnere, warst du aber schon in festen Händen.“
„Warum haben wir nicht einfach trotzdem geheiratet?“
„Du hast mir ja auch nie einen Antrag gemacht, trotz meiner Calypso-Vorzüge oder wie du das genannt hast, du Poet! Du Komplize, der nicht da war! Ich bin auf der Treppe vor dir her gestiegen, für dich Genießer! Aber nur schauen, nicht anfassen, heute noch nicht. Ich schpräsche als Antanz- als An-Stanz-Tante – danke – als Stanz-Dame in eigener Sache.“
Täusche ich mich? Es kommt mir so vor, als hätte sie es lieber, wenn mein Besuch nun nicht länger dauert, jetzt, wo ihre Haltung und ihr Sprechen ins Schwanken gekommen sind. Sie führt mich wieder nach unten, aber nicht zurück ins Zimmer, sondern zur Tür.
Wir stehen in der offenen Haustür und schauen zum verdunkelten Himmel dieses Frühherbsttages.

Buchholz03„Weißt du noch, als wir Kinder waren, sagte man uns: wenn der Himmel am Abend rot ist, dann backt das Christkind Plätzchen für Weihnachten.“
„Ja. Da drüben im Westen, hinter den Bäumen. Wenn bei Mannesmann Abstich war, leuchtete der Himmel. Das Abendrot unserer Heimat.“
„Du kannst ja nochmal zu mir kommen“, sagt sie leise. „Besuch mich. Aber nicht zu oft. Nicht jeden Tag. Nicht oft. Es könnte … ich würde … vielleicht … Ich mag dich. Aber versteh mich bitte.“
Trotzdem gebe ich ihr einen Kuß auf die Wange, schau sie an, und dann bin ich schnell verschwunden, auf der Straße zu der Eisenbahnbrücke, die in der Dämmerung kaum noch zu sehen ist.

Äpfel, Pflaumen, Birnen (Erster Teil)

Man verliert Menschen aus den Augen, mit denen man mal viel zu tun hatte. Man hat lange nichts mehr von ihnen gehört. Und dann, nach langer Zeit, bekommt man eine traurige Nachricht. Manchmal aber ist diese Nachricht falsch. Das ist erleichternd, aber ein Rest von Verstörtheit bleibt.
Ich war in die Klassensprecherin verliebt. Sie war blond, sehr gescheit und sehr ordentlich. Ich wußte nicht, wie ich einem Mädchen sagen sollte, daß ich in sie verliebt war. Sie wußte also nichts davon. Meingott, wie alt war ich? Elf Jahre. Ich nenne ihren Namen nicht, sie könnte es lesen. Es wäre zu spät, würde sie es jetzt erfahren.
Sie wechselte zum Gymnasium, ein Jahr früher als ich. Weg war sie. Da blieb mir nichts anderes übrig, als mich in ihre Nachfolgerin zu verlieben. Das war Ingrid Ulmer. Sie hatte flammenrotes Haar, wirres, wildes Haar, das in alle Richtungen stand, und sie war sehr gescheit und sehr ordentlich. Sie hatte ein rundes Gesicht, und ein Vorderzahn stand ein bißchen schief. Sie hatte ein bißchen mehr Temperament als ihre Vorgängerin und lachte mehr. Ein paar Jungens in der Klasse sagten immer „jaa, jaa!“, wenn ich den Namen Ingrid aussprach. „Jaa, jaa! Du und die Ingrid!“ Die fanden, Ingrid und ich müßten ein Paar sein. Das würde sich so gehören, daß wir ein Paar sind.
Als wir dann auf „Höhere Schulen“ (wie man damals sagte) wechselten, auf verschiedene, denn es gab damals nur Jungens- und Mädchensgymnasien, waren wir getrennt. Ich zog auch noch in einen anderen Stadtteil, wir wußten nichts mehr voneinander. Aber dann begegneten wir uns wieder, ein paar Jahre später, und zwar auf einer Demonstration.
„He, du! Auch hier?“
Es war die Zeit gekommen, in der eine intelligente junge Frau, um ihre Intelligenz nicht zu verraten, demonstrieren mußte, und zwar für ein Ganzes gegen ein Ganzes. Da war ich dann manchmal wieder bei ihr zu Besuch. Da waren viele zu Besuch, die wenigsten kannte ich. Es wurde viel und schnell geredet. Manchmal waren außer mir nur ein oder zwei Besucher da. Da wurde weniger und langsamer geredet.

Buchholz01Sie hatte immer noch ihr Zimmer unter dem Dach des alten Hauses, wo wir auch schon mal Kindergeburtstag gefeiert hatten. Jetzt hatte das Zimmer eine weiß-rote Tapete mit großem Muster. An der Wand hing ein Plakat von Rudi Dutschke und ein Plakat von Che Guevara. Später hing da auch ein Plakat von Mao, neben einem Plakat von Juliette Gréco.
Bevor wir uns dann wieder aus den Augen verloren (ich nahm an, daß sie wohl in eine andere Stadt gezogen war, um zu studieren), sahen wir uns öfter auf der Straße, wenn etwas los war, bei Demonstrationen etwa oder sonstigen Happenings. Unsere Kommunikation war allerdings blockiert, denn wir hatten uns beide in die KPD/ML verirrt. Sie war eine fleißige und sehr ordentliche KPD/MLerin.
„He, du! Wann kommst du denn mal wieder mich besuchen?“ fragte sie. Das irritierte mich. Denn wir gehörten zu zwei verschiedenen Fraktionen der KPD/ML, waren also Feinde. Ihre Freundlichkeit konnte nichts Gutes verheißen, dachte ich (so ein Idiot war ich mal).
„Komm doch einfach mal vorbei. Es gibt Birnenkompott“, sagte sie mit etwas Spott in der Stimme.
Ich mußte mir wehmütig eingestehen, daß die bewundernswert war, wie sie immer da stand, alles überblickte, sich nie aus der Ruhe bringen ließ, manchmal überlegen lächelte. Ach, wäre sie doch bloß nicht in dem falschen Verein! Sondern bei uns! (Dann wäre sie in einem genauso falschen Verein gewesen).
Das alte Haus, in dem sie mit ihren Eltern wohnte, war typisch für dieses Viertel am südlichen Rand der Stadt. Da gab es nur alte Häuser und noch ein paar Bauernhöfe. Die Häuser hatten große Gärten mit Hühnerställen, Gemüsebeeten und Obstbäumen. Hinter Ingrids Haus war eine große Wiese mit hohem Gras und einige Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäume, dazwischen Sträucher mit Himbeeren, Stachelbeeren, roten und schwarzen Johannisbeeren, ein Kirschbaum. Für die Äpfel mußte man in die Bäume klettern; die Birnen fielen herunter, und man mußte sie aufheben. Viele Birnen blieben im hohen Gras liegen, es war ein Überfluß an Früchten, aus denen alles gemacht wurde, was man sich nur vorstellen konnte: Apfelkuchen, Pflaumenkuchen, Birnenkompott, Marmeladen, Gelees, Pflaumenmus, sogar Liköre, Schnäpse und ein Birnenwein. Im Herbst und im Winter, wenn es schon nachmittags dunkel wurde, dann gab es was zu genießen: Pflaumenkuchen mit Sahne und schwarzem Kaffee, vorher ein Glas Birnenwein, danach ein Glas von dem Birnenschnaps, der einem für einen Moment die Stimme raubte. Der wurde im Keller schwarz gebrannt. Alle Nachbarn wußten das. Das Zollamt brauchte es nicht zu erfahren. Hinter dem Fenster wiegten sich die Zweige der kahlen Bäume in der Abenddämmerung, und wir waren selig von den Genüssen, die Gespräche wurden leiser und langsamer. manchmal wurde sogar geschwiegen.
„Die Ingrid Ulmer ist tot.“ Das sagte mir einer, und zwar unser Lehrer von damals, den ich zufällig getroffen hatte und der mir von denen berichtete, von denen er noch etwas wußte. „Die Ingrid Ulmer ist tot.“
Ich hörte es und sagte dann nichts. Man fragt dann immer: „Woran ist sie…“ Ich wollte es nicht erfahren. Ich erinnerte mich wieder daran, daß ich sie bewundert hatte, und daß ich in sie verliebt war, mit der Herzensglut eines zwölfjährigen Jungen. Ich erinnerte mich an den Schmerz einer Liebe, die sprachlos bleibt.
Ich erinnerte mich daran, daß ich in dem Zimmer unter dem Dach, von wo man die schwarzen Äste und Zweige der Bäume vor dem Abendhimmel sah, einen Frieden gespürt hatte, der so zerbrechlich und verletzlich war wie alle Kreatur.
Ich hätte gern gewußt, ob das alte Haus noch da steht, ob hinter dem Haus noch das Gras wächst und ob die Bäume noch in den Abendhimmel ragen.
In dem dörflichen Viertel am südlichen Rand der Stadt war ich lange nicht mehr gewesen. Ich fürchtete, hier könnten meine Erinnerungen beschädigt worden sein von Abrißbaggern und Baulanderschießern. Ich war wieder da und war beruhigt. Die Bauernhöfe gibt es zwar nicht mehr (wozu auch). Mehr Autos an den Straßenrändern, statt der Hühnerställe sind jetzt da Garagen, hinter den Häusern wächst kein Gemüse mehr. Aber sonst hat sich wenig verändert.
Vor einem der Häuser, mitten auf dem Gehweg, steht ein kleiner Tisch, darauf ein paar Stapel mit Büchern und ein Schild: „Bitte mitnehmen!“ Was sind das für Bücher? Lenin! Stalin! Dietz-Verlag!Aufbau-Verlag! Wer soll das hier mitnehmen?
„He, du! Die hab ich extra für dich da hingelegt, Helmut!“
Jetzt sehe ich, daß eine Frau hinter der wohl zwei Meter hohen Hecke steht. Flammenrotes Haar sehe ich zwischen den Zweigen, und ein rundes Gesicht, das mich angrinst.
„Ingrid! Ingrid! Ich dachte, du wärst…“ Ich breche den Satz rechtzeitig ab.
„Da bist du also doch noch! Komm rein!“ sagt sie. Sie dreht sich zu mir um: „Komm mit rein auf ein Glas Birnenwein. Du erinnerst dich.“
„Jaa. Äpfel, Pflaumen, Birnen.“
„Genau! Apfel! Pflaumen! Birnen!“

FORTSETZUNG FOLGT.