Tanz den Hanns Eisler

Wenn ich den Leuten von der MüllPD erzählen würde, daß ich ihrem Abgott, dem Willi Dickhut, persönlich begegnet bin, fünf mal sogar, würden sie vor Ehrfurcht erstarren und mich vielleicht sogar einladen, bei ihnen einen Vortrag als Zeitzeuge zu halten, in dessen Verlauf die Ehrfurcht aber der Verblüffung weichen würde: Wie kann aus einem, auf den das Angesicht ihres Gurus geschienen hat, so etwas werden?
Aus der KPD/ML wurde ich ausgeschlossen, weil ich eine eigene Zeitschrift herausgab und mich der Anweisung, es fortan zu unterlassen, mich auf einem Gebiet außerhalb der Partei politisch zu betätigen, widersetzte. Man hatte wohl auch mitgekriegt, daß ich heimlich fremdging, indem ich zum Beispiel Folkmusik hörte und dergleichen. Natürlich war der Anlaß nur „die Spitze des Eisbergs“, und dahinter wurde ein Abgrund linkssektiererischer, anarchistischer und trotzkistischer Verdorbenheit erkannt. Jedenfalls wurde ein Parteiausschlußverfahren gegen mich eingeleitet, und zwar wegen „Linksabweichung“, wie ich nicht ohne Stolz vermerke. Es gab allerdings eine Gegenstimme, nämlich von Bernd K., von dem der Verein dann bald ja auch nichts mehr wissen wollte und der später den Trikont-Verlag übernahm.
Ich war überrascht, als ich später zur Siebzig-einundsiebzig-Silvesterparty der Partei eingeladen wurde. Dahinter steckte wohl die Absicht, mich wieder für die Partei zu gewinnen. Die Absicht wurde aber nicht von allen geteilt. Einige ließen mich ihre Abneigung spüren. Aber ich wurde sowieso nicht sonderlich beachtet.
Zur Feier des neuen Jahres wurde eine Ernst-Busch-Platte abgespielt, und zwar nur ein einziges Stück: „Es geht durch die Welt ein Geflüster. Arbeiter, hörst du es nicht? Das sind die Stimmen der Kriegsminister. Arbeiter, hörst du es nicht?“ Neben dem Plattenspieler stand ein blonder Riese, der jedesmal, wenn das Stück zu Ende war, es von neuem abspielte, und die Begeisterung steigerte sich von Mal zu Mal. Die Fäuste flogen durch die Luft, es wurde mit den Füßen getrampelt. Die Begeisterung steigerte sich zu einem ekstatischen Taumel.


Unbemerkt verließ ich den Ort, an dem man aus Erich Weinert, Hanns Eisler und Ernst Busch Tanzmusik gemacht hatte (und wenn sie sich nicht gespalten haben, dann stampfen sie jetzt immer noch). Durch die kalte Winternacht ging ich die lange, lange Bismarckstraße entlang, froh darüber, daß ich längst auf neue Spuren gestoßen war, wovon auf diesen Seiten die Rede ist.
Bald darauf kam mir etwas zu Ohren, was bestimmt ich am allerwenigsten erfahren sollte: Der blonde Riese, der an der schrecklichen Schuld einer trotzkistischen Vergangenheit trug und darum um so vehementer auf einem unnachsichtigen Vorgehen gegen trotzkistische Abweichler bestand und der darum so vehement für meinen Ausschluß plädiert hatte, genau der ist dann mit der Parteikasse durchgebrannt.
Der Vorladung vor die Landeskontrollkommission, die über meinen Ausschluß zu entscheiden hatte, bin ich nicht gefolgt. Ich bin einfach nicht hingegangen. Meine sechste Begegnung mit Willi Dickhut kam nicht zustande. Die Kommission wird dann ja wohl entsprechend entschieden haben. Aber ich habe davon nichts mehr gehört. Ich gehe mal davon aus, daß ich nicht mehr in der KPD/ML bin.