Dieter Kunzelmann lebte 20 Jahre länger

Mißratene Gaudi oder Der Sündenfall.
„Palestina [sic] ist für die BRD und Europa das, was für die Amis Vietnam ist. Die Linken haben das noch nicht begriffen. Warum? Der Judenknax. […] Wenn wir endlich gelernt haben, die faschistische Ideologie ‚Zionismus‘ zu begreifen, werden wir nicht mehr zögern, unseren simplen Philosemitismus zu ersetzen durch eindeutige Solidarität mit AL FATAH, die im Nahen Osten den Kampf gegen das Dritte Reich von Gestern und Heute und seine Folgen aufgenommen hat.“ Dieter Kunzelmann

50/40 Jahre 11. Mai (1-13)

Die rätselhafte Überschrift erklärt sich so:
Dieser Film, von dem hier in Fortsetzungen 38 Stills zu sehen sein werden, ist ein Film vom 11. Mai und über den 11. Mai.
Der Film „Der 11. Mai – Le Onze Mai“ (Hut-Film 1978, 35 Minuten) bezieht sich auf den 11. Mai 1968, an dem in Bonn die erste große zentrale Aktion der APO stattfand: der „Sternmarsch“ gegen die geplanten Notstandsgesetze. Zehn Jahre später suchte ich den Ort der Handlung wieder auf und kombinierte diese Außenaufnahmen mit Bilddokumenten (TV-Bilder, Faksimiles, Fotos etc.), die dieses eine Ereignis in den globalen, historischen, kulturell-ästhetischen, biografischen, sexuellen Kontext stellten.
Die Bilder wurden nicht erklärt und nicht kommentiert, dafür aber teilweise extrem verfremdet und scheinbar willkürlich montiert und somit der freien Assoziation überlassen.
Konkrete Fragen zu einzelnen Bildern werde ich gern, sofern möglich, beantworten.
Es heißt in der französischen Sprache nicht „l’onze mai“, wie man meinen könnte, sondern tatsächlich „le onze mai“.
Daß der Monat an einer Stelle „may“ geschrieben wurde, hat schon seine Gründe.
Bonn und insbesondere den Hofgarten habe ich in den Jahren danach aus höchstprivaten Gründen immer wieder aufgesucht (zuletzt 2007). Mir das nach 50 Jahren, also heute, alles noch mal anzugucken hatte ich ernsthaft erwogen.

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„Kritik und Kriminalität“

Auszüge aus einem Text aus dem Jahre 2007 über einen Vorgang, der im Jahre 1968 ausgelöst wurde.
Hintergrund: Am 2. April 1968, heute vor 50 Jahren, brannte es in Frankfurt in zwei Kaufhäusern.

[…] Es ist oberflächlich und ungerecht, Ulrike Meinhof einzig und allein mit der RAF zu assoziieren. Sie hat eine Fülle von niedergeschriebenem Material hinterlassen, und fast alles stammt aus der Zeit bevor sie sich der Roten Armee Fraktion anschloß. Man könne von den zwei Leben der Ulrike Meinhof sprechen, oder, noch überspitzter, daß es zwei Personen namens Ulrike Meinhof gab: Die Journalistin, die für den Rundfunk arbeitete, Kolumnen in Konkret schrieb, zeitweise Chefredakteurin dieses Blattes war, deren Kommentare zu den scharfsinnigsten gehörten, die in den 60er Jahren geschrieben wurden, und die Teilnehmerin an bewaffneten Aktionen als Mitglied der RAF. Diese zweite Phase ist eine Verneinung der ersten.
[…] Indem ich Ulrike Meinhof zitiere, nehme ich für sie Partei. Ich mache sie wieder diskutabel. Ich beschütze sie – nicht vor denen, die sie kritisieren, aber vor denen, die sie verteufeln. Schließlich beschütze ich sie vor sich selbst, die eine vor der anderen, die Journalistin vor der „Terroristin“.
Die zwei Personen, als die Ulrike Meinhof uns Zeitgenossen entgegentrat, sind allerdings nicht scharf voneinander zu trennen. So sehr ihr Eintritt in die RAF überrascht haben mag, so erscheint er beim Studium ihrer Kolumnen im Nachhinein nicht ganz zufällig. Das, worin die Journalistin Vorzeichen für ihre spätere „terroristische“ Wendung erkennen ließ, hat seinerzeit nicht nur mich irritiert.
Ihren Namen las ich zum ersten Mal, als ich 16 Jahre alt war. Der Vorsprung der Autorin vor ihrem Leser war beträchtlich. Den Einfluß der meinhofschen Kommentierung auf den lernbereiten Leser überschätze ich nicht. Ich hing ihr nicht an den Lippen, ich habe ihre Texte nicht verschlungen, sondern mit Interesse gelesen. Da gab es was zu lernen über Zusammenhänge (etwa über das Verhältnis von „politisch“ und „privat“). Aber der Abstand verringerte sich kaum. Die radikale Kritikerin radikalisierte sich mit der zunehmenden Radikalisierung der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen (die Rede ist von der Zeit zwischen 1966 und 1969). Ihre Radikalisierung verlief über Stationen, die nicht immer nachzuvollziehen waren:
Im Februar 1969 erschien in Konkret eine Kolumne, mit der sie ihre Arbeit und das Feld, auf dem sie ihre Arbeit leistete, in Frage stellte: „Kolumnismus“.
„Kolumnisten haben Entlastungsfunktionen… Seine eingezäunte Unabhängigkeit gibt der Zeitung den Geruch der Unabhängigkeit. Seine Extravaganz gibt ihr den Geruch von Extravaganz. Sein gelegentlicher Mut zu unpopulären Ansichten gibt ihr den Geruch von Mut zu unpopulären Ansichten… Davon kein Wort, daß der Kolumnist der beste Untertan des Verlegers ist, der Geld bringt, Prestige und regelmäßig so tut, als könnte man alle Themen der Welt auf immer der gleichen Länge abhandeln. Kolumnisten sind … Feigenblatt, Alibi, Ausrede… Kolumnismus ist Personalisierung. Die Linke Position z.B., erarbeitet von vielen … wird im Kolumnismus wieder zur Position Einzelner, Vereinzelter runtergespielt, auf den originellen, extravaganten, nonkonformistischen Einzelnen reduziert, der integrierbar, weil als Einzelner ganz ohnmächtig ist… Eingezäunte Spielwiesenfreiheit für den Kolumnisten … ist … marktkonformes Verhalten, … ein Leserbetrug, ein Selbstbetrug… Opportunismus ist, wenn man die Verhältnisse, die man theoretisch zu bekämpfen vorgibt, praktisch nur reproduziert… konkret ist weniger eine linke als eine opportunistische Zeitung.“
Inwieweit hier die Arbeits- und Produktionsbedingungen des von Röhl geleiteten Konkret treffend geschildert sind, ist nebensächlich. Man mußte kein Prophet sein, Weiterlesen

Mahler bald ein „freier Mann“?

Horst Mahler könnte vorzeitig freikommen, meldet heute die Taz. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam habe entschieden, die letzten vier Jahre seiner zwölfjährigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. „Der Gesundheitszustand und die Tatsache, dass zwei Drittel der Haftstrafe verbüßt seien, führte zu dem Beschluss, sagte eine Sprecherin des Gerichts im Gespräch mit der taz. Die zuständige Staatsanwaltschaft München II habe gegen den Beschluss aber eine sofortige Beschwerde eingelegt.“ Mahler ist an Diabetes erkrankt und hat eine Beinamputation hinter sich. „Laut seiner Tochter leidet er zudem an neurologischen Ausfällen und einer Herz- und Niereninsuffizienz.“
TazMahlerEntlassMahler, jetzt 79 Jahre alt, kann einen der kuriosesten Lebensläufe der Nachkriegszeit vorweisen. Man kann leicht zu dem Fazit kommen, daß er sein Leben verpfuscht hat und früh damit anfing.
Als Student Mitglied einer schlagenden Verbindung, dann auf dem Weg nach links zuerst in der SPD (darum raus aus der Verbindung), dann zum SDS (darum raus aus der SPD). Als Rechtsanwalt erst in Wirtschaftssachen für mittelständische Klientel tätig, dann als „APO-Anwalt“ nicht ohne Erfolg für Mandanten wie Teufel/Langhals, Beate Klarsfeld, Gudrun Ensslin u.a.
Im Bohren dicker Bretter an der Justiz-Front fand er aber keine Selbstverwirklichung. Stattdessen wurde er von pseudo-revolutionärer Ungeduld getrieben. 1970 gehörte er zu den Gründern der RAF („Rote Armee Fraktion“). Diese Organisation versuchte nicht nur der Mitwelt, sondern vor allem sich selbst einzureden, die Speerspitze des kämpfenden Proletariats zu sein. Mahler mag es gewurmt haben, daß er nicht dem Bild eines revolutionären Feuerkopfs entsprach, zum Beispiel nicht so langhaarig war wie sein Mandant Langhans, sondern schon sehr schütteres Haar hatte. Die Untergrund-Aktivität gab ihm Gelegenheit, sich mit Toupet und (falschem oder echtem) Bart zu tarnen, nicht nur vor der Polizei, sondern auch vor seiner „bürgerlichen Vergangenheit“, die ihn ebenfalls verfolgte. Mahler ist der Typ eines Mannes, der immer etwas beweisen muß.
Seine Zeit an der Spitze der RAF währte nicht lange. Im Oktober desselben Jahres wurde er geschnappt. Das war für alle gut. Der Dandy Baader an der Spitze der RAF hat sicherlich weniger verheerend agiert als es der mephistohafte Mahler getan hätte, dem man Selbstmordattentate hätte zutrauen müssen.
Mit der Lorenz-Entführung 1975 sollte Mahler aus der Haft freigepresst werden. Der lehnte das ab, denn er hatte inzwischen zur Pseudo-KPD gefunden und war sich sicher, alsbald von den revolutionären Massen aus dem Gefängnis befreit zu werden.
Es kam anders. Nach seiner regulären Haftentlassung gelang es ihm – mit Hilfe seines Anwaltskollegen Gerhard Schröder (später: Bundeskanzler), wieder eine Zulassung als Rechtsanwalt zu bekommen.
Mahler hielt am 1. Dezember 1997 eine Laudatio zum 70. Geburtstag des nationalkonservativen Publizisten Günter Rohrmoser. Darin forderte er u. a., das „besetzte“ Deutschland müsse sich von seiner „Schuldknechtschaft“ zum aufrechten Gang seiner „nationalen Identität“ befreien. (Unter den Zuhörern auch: Hans Filbinger).
Als Rechtsanwalt vertrat er die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht. Anschließend trat er aus der NPD aus. Seine Begründung: „Die NPD ist eine am Parlamentarismus ausgerichtete Partei, deshalb unzeitgemäß und – wie das parlamentarische System selbst – zum Untergang verurteilt.“ Ohne Wagneroper geht es bei ihm nicht.
Der weite Weg des Horst Mahler, diesmal nach rechts, wurde wiederum erst durch Inhaftnahme aufgehalten. Als verbohrter Holocaustleugner handelte er sich mehrere Verurteilungen ein. Seine antisemitischen Tiraden, mit denen er mal wieder alles Vorhandene zu übertreffen versucht, sind bekannt und müssen hier nicht zitiert werden. Das Ausmaß seiner Bescheuertheit ist daran zu erkennen, daß er die Existenz der Bundesrepublik Deutschland abstritt und auf der Weiterexistenz des Deutschen Reiches nebst Nazi-Gesetzen beharrte. Den über ihn verhandelnden Richtern und Schöffen und den Abgeordneten des Bundestages drohte er mit der Todesstrafe, wenn die Institutionen des Dritten Reiches erstmal wieder eingesetzt sind.
Man fragt sich, wann die Wendung von links nach rechts eingesetzt haben mag. Wohl schon beim Anschluß an die KPDAO, die ja auch eifrig darin war, den Antiautoritarismus der „68er“ zu „liquidieren“ und zu der das nationalistische Gefasel vom „besetzten Deutschland“ gepaßt hätte.
Mahler hat mal gesagt, es hätte nie einen Bruch in seinen Grundüberzeugungen gegeben. Das ist auf alarmierende Weise glaubhaft. Der Reichsbürger-Wahn kommt ja auch bei vielen Linken gut an.

HFP-SOS-WStrMahlerIn meinem Film „Switch on Summer“ (Hut-Film 1975) wird Horst Mahler von W. Strähler dargestellt.

Offener Brief an den Chefredakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung

Sehr geehrter Herr Reitz.
In der Ausgabe Ihrer Zeitung vom 30. August 2012 auf der letzten Seite (der Kinderseite) ist zu lesen: „Wie wird gewählt? Die Menschen in den USA wählen den Präsidenten nicht direkt. Sie stimmen für sogenannte Wahlmänner. Diese Vertreter wählen später den Präsidenten. Damit die Amerikaner den Präsidenten bekommen, den sie haben wollen, müssen sie sich bei der Wahl für Wahlmänner entscheiden, die später in ihrem Sinne stimmen werden.“
Wie können Sie es dulden, daß in Ihrer Zeitung ein solcher Blödsinn verzapft wird? Dazu noch auf der Kinderseite! Kinder mit falschen Informationen zu verwirren gehört sich nicht.
Bei der Wahl zum Präsidenten können die als Wähler registrierten Bürger der USA einem Kandidaten ihre Stimme geben. Die eigentliche Wahl des Präsidenten erfolgt danach durch Electors („Wahlmänner“. Es können auch Frauen sein). Jeder Bundesstaat hat so viele Electors wie Abgeordnete im Kongreß (Repräsentantenhaus und Senat). Hinzu kommen drei Electors für den Distrct of Columbia (Hauptstadt Washington), der zu keinem Bundesstaat gehört.
Die Electors werden nicht gewählt, sondern ernannt, und zwar vom Parlament ihres Bundesstaates. Electors dürfen nicht Abgeordnete und Regierungsmitglieder sein und in kein Amt gewählt sein (Sheriff, Ankläger, Richter etc.). Die Wähler haben keinen Einfluß darauf, wer als Elector den Präsidenten wählt.
Die Electors treten nach der Wahl in der Hauptstadt ihres Bundesstaates zusammen und geben ihre Stimme ab. Die einzelnen Abstimmungsergebnisse werden in die Hautstadt Washington übermittelt und dort zusammenaddiert.
Es ist Tradition, daß alle Electors ihre Stimme dem Kandidaten geben, der – ob mit deutlicher oder mit knapper Mehrheit – in ihrem Bundesstaat die meisten Stimmen von den Wählern bekommen hat, und so geschieht es in der Regel. Es geschieht aber auch immer wieder, daß einzelne Electors eine abweichende Stimme abgeben und einen anderen Kandidaten wählen – oder sogar jemanden, der gar nicht kandidiert hat. Dazu sind sie in fast allen Bundesstaaten berechtigt. Nur in wenigen Bundesstaaten sind sie gesetzlich verpflichtet, sich an das Votum des Wahlvolks zu halten.
So ist das und nicht anders. Aber wenn ich solche Nachrichten wie die zitierte lese, dann könnte ich vor Wut die Wand hochgehen, aber nicht bei mir, sondern in Ihrem Büro. Dazu müßten wir einen Termin vereinbaren.
Bis dahin sollten Sie Ihre Leser richtig informieren und zumindest die zuständigen Ressorts in Ihrem Hause anhalten, keine falschen Sachverhalte zusammenzuphantasieren.
Und da wir schon mal dabei sind:
Nein, Rainer Langhans hat nicht die Kommune I gegründet, Ronald Biggs war nicht der Anführer der Posträuber, Lenin hat nie gesagt „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ und in der Bibel gibt es keine heiligen drei Könige und keine zehn Gebote.

Chonique Scandaleuse

Mit der Einrichtung von Bundesamt und Landesämtern für Verfassungsschutz 1950 begann eine Chronik der Skandale und Merkwürdigkeiten. Eine Übersicht (Stand: Februar 2012).

1953: Die „ Vulkan-Affäre“. Aufgrund eines Dossiers des Verfassungsschutzes wurden in einer Operation mit dem Decknamen „Vulkan“ über dreißig Personen verhaftet, denen Wirtschaftsspionage für die DDR vorgeworfen wurde. Die Vorwürfe erwiesen sich als haltlos. Einer der zu Unrecht Verdächtigten beging in der Haft Selbstmord.

1954: Die John-Affäre: Otto John,  erster Chef des Verfassungsschutzes, floh in die DDR. Johns Motive wurden nie geklärt. John kehrte in die BRD zurück und erklärte – wenig glaubhaft –, er sei entführt worden.
Sein Nachfolger, Hubert Schrübbers, wurde in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, weil seine Verwicklung in die Terrorjustiz des Naziregimes herausgekommen war.

1956 ff: Das KPD-Verbot. Das vom Bundesverfassungsgericht erlassene Verbot der KPD wurde von herrschenden Kreisen in der BRD dazu genutzt, den Kalten Krieg im Inneren des Landes zu führen und alle oppositionellen fortschrittlichen Bestrebungen zu kriminalisieren (siehe DER METZGER 78 et al). Hunderttausende Ermittlungsverfahren wurden eröffnet, tausende Verhaftungen durchgeführt. Die Verfassungsschutzämter versorgten Polizei, Justiz und Presse mit „Informationen“.

1963: Die Telefon-Affäre. Das Kölner Amt hatte Weiterlesen