Pornpositiv

„Da hilft
nur noch eine
pornographische
Offensive.“
Magda Gorny

Neu, besser gesagt: Schon längt in der Weltbühne:
FemPornBookThe Feminist Porn Book. Strategien der Lusterzeugung, Band 1. Verlag Louisoder. 280 S. 14,95 Euro
Der Verlag über das Buch:
„The Feminist Porn Book“ vereint zum ersten Mal Schriften von FeministInnen aus der Erotikbranche und Forschung feministischer Pornowissenschaftler. Das Buch geht nicht nur der Frage nach, wie FeministInnen Pornographie verstehen, sondern auch wie FeministInnen Pornographie „machen“ – also in einer der lukrativsten Industriezweige der Welt Regie führen oder als Darsteller, Produzenten und Konsumenten agieren. „The Feminist Porn Book“ aktualisiert die Debatten der Pornokriege in den 1980er-Jahren, welche die Frauenbewegung tief gespalten haben, und stellt die Pornografie als eine Form des Ausdrucks und der Berufstätigkeit dar, in der auch Frauen und andere Minderheiten Macht und Lust produzieren.

Ich dachte: Den zweiten Band gibt es doch auch schon, dann muß ich auch den hier anpreisen! Und dann merkte ich, daß ich den ersten Band hier auch noch nicht erwähnt hatte.
Also:

The Feminist Porn Book. Die Kunst, Lust zu vermitteln, Band 2. Verlag Louisoder 2014. 230 S. 14,95 Euro
„The Feminist Porn Book“ versammelt Produzentinnen, Darstellerinnen, Sex-Aktivistinnen und Kritikerinnen, die sich als Autorinnen zum Thema äußern. Die Autorinnen agieren oder agierten vor der Kamera, hinter der Kamera oder beides. Sie plädieren für eine „echte“ Darstellung von Lust in erotischen Filmen und das Recht sexueller Entfaltung, ganz gleich welcher Ausrichtung in Bezug auf Geschlecht, Alter, Hautfarbe oder Vorlieben. Sie werfen einen kritischen Blick auf die extrem vielseitige Unterhaltungsbranche für Erwachsene, bereichern sie um die Bilder, die sie selbst sehen wollen, und verändern sie dadurch nachhaltig.
Das Buch erschien gleichnamig 2013 bei „The Feminist Press“ in den USA und sorgte dort für rege öffentliche Diskussionen. Das Vorwort zur deutschen Ausgabe in Band 1 steuerte Laura Méritt bei, die mit ihrer PorYes-Bewegung seit vielen Jahren das Thema behandelt und sich öffentlich für das Recht auf Pornografie und erfüllte Sexualität von Frauen stark macht.

PorYes! Vorlieben! Recht auf Pornografie! Das Wagnis, erotische Erfahrung und Sehnsucht zum Gegenstand gestalterischer Phantasie zu machen – und das alles in einem Atemzug mit „Feminist“! Das klingt so schräg, so ungeheuerlich, wenn man das bürgerliche Heldenleben der letzten Jahrzehnte beobachtet hat.
Wie oft schon hat man angesichts des Moral-Kartells des bürgerlich-proletarisch-feministisch-patriarchal-progressivkonservativen, alternativen Mainstreams einsehen müssen: da helfen keine Argumente, da trügt die Hoffnung auf Einsicht, da helfen auch keine Pillen und keine Essigsaure Tonerde. Da hilft nur ein Rotes Tuch. Da hilft nur der erotische Ungehorsam!
FeministPorno! Der Widerspruch in sich als Deus ex Machina!
So wie die Spaßguerilla nur eine unvollkommene Vorform der Quatschguerilla ist, so ist der sexpositive Feminismus nur ein Vorstadium des pornopositiven Feminismus.

Bestellen Sie diese beiden Bücher (oder eines davon) in der sex-positiven Buchhandlung Weltbühne. Weltbühne muß bleiben.

Da ich weniger als Konsument, sondern vielmehr als Produzent von Pornographie Befriedigung finde, weise ich auch noch auf folgendes hin:

Ist Der Metzger ein Pornoblatt?

Dahinter kam ich (1)

wald-15-04-01Die Route vom vorigen Samstag begann, wie so oft, mit dem Betreten des Uni-Geländes.

wald-15-04-02Das ist hinter den Uni-Gebäuden. Dort, hinter dem Kunst- und Musiktrakt, lagen wir im Gras. Aber nicht mehr lange. Dafür wurde da der schönste Uni-Parkplatz Mitteleuropas angelegt. Wenigstens das.
Im Kunst- und Musiktrakt ist glaub ich keine Kunst und Musik mehr. Alles war, nix is mehr.

wald-15-04-03Pollen-Allergiker freuen sich über was anderes.

wald-15-04-04wald-15-04-05Wenn man die Eisenbahngleise und die Autobahn hinter dem Unigelände mittels Brücke überquert hat, geht es hier nach ganz oben.
„Da rauf? Nein. Da geh‘ ich nicht“, sprach einst der schwerwiegende Hansjürgen Bott. Dem war das zu hoch. Darum sind wir an dem Tag eine andere Strecke gegangen.

wald-15-04-06wald-15-04-07Hier, und nicht, wie die Legende sagt, auf dem Kaiserberg, ist tatsächlich die höchste Punkt von Duisburg erreicht.

wald-15-04-08In die andere Richtung geguckt: Früher hatte man von hier aus freien Blick bis nach Hochfeld. Ist jetzt zugewachsen.

wald-15-04-09Wir werden daran erinnert, daß der Wald, wie wir ihn kennen und wie er reichlich mythologisiert wird, eine Kulturlandschaft ist: bewirtschaftet oder (bestenfalls) als „Erholungsgebiet“ gestaltet (oder beides).
Der Deutsche Wald, besungen und ins Herz geschlossen, ist gerade mal 200 Jahre alt und eine Erfindung der Romantik. Soll heißen: Der Bürger eignete ihn sich an. (Später auch die Arbeiterjugend mit der Naturfreundebewegung).
Vorher hatte der Wald bei der Masse der Menschen wenig Sympathie. Er durfte als feudaler Wirtschaftsraum sowieso nicht betreten werden, noch nicht einmal, um Reisig zu sammeln – vom Sammeln von Waldfrüchten, Pilzen und vom Jagen gar nicht zu reden. Was anderes hatte mit dem Wald kein Mensch im Sinn, also schon gar nicht seelische Erbauung.
Man mied den Wald, nicht nur aus Furcht vor wilden Tieren und davor, im Dickicht und im Morast zu versinken, sondern vor allem aus Angst vor den Hexen und Kobolden, die dort ihr Unwesen trieben!
Diese Drainagerohre (oder wie nennt man das) sorgen für geordneten Abfluß, und sie entziehen so den Kobolden ihre Entfaltungsräume.

wald-15-04-10Kinder-Spiel-Bauwagen.

wald-15-04-11„Waldgottesdienst“. An schönen Sonntagen und Feiertagen wie Himmelfahrt finden hier Gottesdienste statt. Gläubige Menschen haben oft einen Sinn für Naturschönheit, der uns Materialisten auch nicht schlecht stehen würde.

wald-15-04-12Wird fortgesetzt.

Alles war, nix is mehr (3)

Im vorigen Jahr bin ich nur einmal im Wald gewesen. Dann kam ein Sturm, und in den folgenden Monaten wurde wegen der Gefahr durch herunterstürzende Äste vom Betreten des Waldes (mehr oder weniger administrativ) dringend abgeraten. Erst im Spätherbst wurde der Wald wieder „freigegeben“, aber dann gehe ich kaum in den Wald, weil es dann so früh dunkel wird.
In diesem Jahr kam der Frühling wieder mit einem Sturm, der Äste zerbrach. Wieder hieß es: Meiden Sie erstmal den Wald.
Also verlegte ich meine Erkundungsgänge vollends in die besiedelten Teile meiner Heimatregion – ohne Bedauern, weil für mich seit je das Erkunden zwischen Mauern dem Erkunden zwischen Bäumen mindestens gleichrangig ist.
Allerdings birgt auch die Großstadt Ast-Gefahren (erinnern Sie sich an Ödön von Horváth).

nixis11Hohe Straße, also in „bester City-Lage“: Hinter den gelben Klinkersteinen war der erste (und eigentlich auch einzige jemalige) Head Shop, gegründet 1971 von Lutz Ringer (Bröselmaschine). Monatsmiete: 500 Mark. Zwei Räume. In den hinteren Raum drang nur die informelle Tee-Gesellschaft vor. Der Laden hieß „Knubbels Garten“, weil er Teil des Törn-Projekts „Knubbel Afa“ war. In der Zeit seines Bestehens an dieser Stelle (!) war Knubbels Garten einer meiner Lieblings-Aufenthaltsorte.

nixis12Gegenüber davon: Damals war das ein Pommes-Restaurant: Nix als eine Pommes-Bude, aber groß wie ein Restaurant. Hieß: „Pferdestall“ (wohl wegen der rustikalen Holz-Innenarchitektur) und war ein „Szene-Treff“ (wie man heute sagen würde). Ja: die „Freaks“ ernährten sich teilweise auch von Pommes Frites und Curry-Freakadellen und derlei. Da war man noch ganz unverkrampft.
Später war da drin dann ein Französisches Restaurant. Die hatten sogar einen Michelin-Stern.
Und jetzt ist das da. Kurz nachdem ich das Foto aufgenommen hatte, ging da so’n Kerl rein mit Kampfhund. Wenn der ohne den Hund gewesen wäre, hätte ich gedacht: Jetzt fehlt nur noch der Kampfhund.

nixis13Rudi Kalamees zog mit seinem einträglichen Schallplattenladen „Disc“ auch auf die Hohe Straße, in den Eck-Laden am Buchenbaum. Der hatte mehr Platz als er brauchte und einen zweiten Eingang. Also zog Knubbels Garten ein paar Häuser weiter als Rudis Untermieter (Monatsmiete jetzt 300 Mark). Knubbels Garten war, wo jetzt „Sun Express“ drüber steht.
Niedrigere Miete klang verführerisch. Und von dem viel frequentierten Plattenladen (nur Freak-Musik) kam man direkt in den Head Shop, ohne trennende Tür dazwischen. Aber so gut war das nicht. Man kam sich plötzlich vor wie in einer Kneipe, in der aber nichts richtig funktioniert. Außerdem: Nachbar zur Rechten war das berüchtigte Prosesse (was ein Anagramm von „Espresso“ ist) für Hardcore-Freaks. Da war es mit der Ruhe vorbei.
Und: Rudi Kalamees war ein Katastrophen-Mensch. Katastrophen Menschen leben nicht nur in der Katastrophe, sondern ventilieren sie auch.
Den Plattenladen machte er zu und stattdessen dort eine Kneipe auf mit dem phantasievollen Namen „Pub“. Da wurde er aber bald ausgebootet, nachdem er den Lutz und seinen Head Shop ausgebootet hatte. Die Frühgeschichte enthält nicht nur Ruhmestaten.
Der wohnte da auch nicht mehr über dem Laden. Da wohnte dann der Karl Hellbach (Bruder von dem Bröselmaschine-Schlagzeug-Tushita-Mike Hellbach). Der hatte sein Zimmer (Fenster über der Kneipentür) ganz schwarz tapeziert. Das machte nichts, denn ich mußte da ja nicht länger bleiben als ab und zu mal zu Besuch.

Knubbels Garten ging kaputt durch zu viel Kollektivität (jawohl!). Außerdem hatte Inhaber Lutz sich auf den Weg gemacht zu einem längeren Auslandsaufenthalt, ohne die Vertretung zu regeln. Ich war damals mit meinem Zivildienst noch nicht zu Ende und hatte tagsüber keine Gelegenheit, den Laden unter eigener strenger Regie zu leiten. Ich hätte erstmal die ganzen Schnorrer rausgeschmissen, die immer die Einnahmen des Vortages verfrühstückten.
Exkurs: Den Eschhaus-Buchladen habe ich als eine Chance gesehen, die kurze Tradition von Knubbels Garten wieder aufzugreifen. Aber da haben wir (Magda und ich) gesagt: Da lassen wir uns von keinem reinreden! Hier herrscht die Autokratie der Künstler! Das haben manche uns übelgenommen.

SpiegelAnneDer Spiegel berichtete sogar über das ins Chaos abgleitende Projekt. Aber darüber habe ich hier ja schon mal berichtet (ja! Klicken Sie!). Der türkise Pfeil zeigt auf Anne.

nixis14An der Ecke war ein Espressomaschinen-Café. Und was ist da heute drin? Ein Friseurladen. Natürlich.

nixis15In der Galerie Kugel sind Originale von Uecker ausgestellt. Echte Ueckere!

nixis16Wenn ein Flachdach-Gebäude im Kantpark steht, wird Karl Kraus zitiert.
Ganz früher war hier die Stadtbibliothek drin, später das „Heimatmuseum“ (heute: Stadt- und Kulturhistorisches Museum). Jetzt sind da Räume für die Bildende Kunst.

nixis17Gegenüber: Was ist jetzt eigentlich da drin, wo früher das Shalom drin war? Natüüürlich! Ein Friseurladen. Was sonst!

nixis18Eine Tür weiter. Das ist die Kneipe, in der im November 1972 die Eschhaus-Initiative gegründet wurde. Warum die Tür, die ursprünglich weiter rechts war, zugemauert wurde und eine neue Tür an der jetzigen Stelle eingerichtet wurde, verstehe ich nicht.

nixis19Alles war, nix is mehr. Man kann kaum noch schnell genug fotografieren, wo blinde Zerstörungswut tobt.
Oberbürgermeister Sören Link ist ein Gauch.
Da hätten wir den Sauerland ja gleich behalten können.

Ich habe die mit der Industrialisierung entschwundene Bezeichnung „Gauch“ genutzt. Ich wollte durchaus nicht „Gauck“ schreiben. Ich will ja niemanden beleidigen.

nixis20Ach! Sieh an!

Der 1. September ist Anti-Kriegs-Tag

Emblem, entworfen von Magda Gorny

Emblem, entworfen von Magda Gorny

Der 1. September ist Anti-Kriegs-Tag in Erinnerung an den 1. September 1939, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa nicht „ausbrach“, sondern durch den Angriff auf Polen durch die faschistische deutsche Wehrmacht willentlich begonnen wurde.
Daß im Bundestag eine (Schein-)Abstimmung über weitere Waffenlieferungen ausgerechnet heute auf die Tagesordnung gesetzt wurde, zeugt von der Schamlosigkeit der Regierenden.

Neuer Katalog

Es wurde Zeit, daß endlich mal wieder ein Katalog der Situationspresse vorgelegt wird.
SPKat2014Die Situationspresse gibt es seit 1968, und nach all den Jahren ist das überhaupt erst der zweite Gesamtkatalog! Der erste Katalog, der von Magda Gorny gestaltet wurde, erschien vor knapp 30 Jahren! (Damals wurden die Texte noch mit der Schreibmaschine getippt und mit Bildern und Rastern auf Papierbögen geklebt und dann offsetgedruckt).
Kataloge aus unserem Hause hat es davor und danach noch weitere gegeben: Buchversandkataloge, Antiquariatskataloge und Spezialkataloge (z.B.: Fliegender Koffer). Auf Papier gedruckte Kataloge herzustellen und zu versenden ist kostspielig. Das Internet zu nutzen ist nicht nur billiger, sondern ermöglicht auch umfangreichere Angebote bei ständiger Aktualisierung.
Auf diese Weise bleibt die Kunst der Kataloggestaltung auf der Strecke. Dabei ist es doch eine befriedigende Arbeit, einen Katalog zu gestalten, den man in der Hand halten kann. (Unsere Kataloge aus der Vor-Internet-Periode sind, wie ich erfahren habe, als Sammlerstücke begehrt und aufschlußreiche Zeitdokumente).
Es erschien also ratsam, einen aktuellen Verlagskatalog für den Messestand bei der Libertären Medienmesse am kommenden Wochenende in Essen, Zeche Carl, vorzulegen.
Ansonsten:
kann man sich das Stück in der Buchhandlung Weltbühne überreichen lassen.
Oder man läßt ihn sich mit der Post schicken. (Freundliche Menschen legen sogar Rückporto bei).

IMG_7570-2Das Foto, das für das Cover verwendet wurde, ist in Farbe noch schöner.

Was weiß dieses Land von seinen Besten?

MagdaGornyEin kluger und gütiger Mann hat einmal gesagt: Liebe, Arbeit und Wissen sind die Quellen unseres Daseins, sie sollen es auch beherrschen.
Sie war den Quellen des Lebens nahe. Ich sehe sie vor mir, wie sie arbeitete: sorgfältig, unaufgeregt, in Übereinstimmung mit sich und ihrem Werk. „Die Arbeit ist nicht Fluch für die nicht Sklaven sind“. Viele werden sie so in Erinnerung behalten, die die gute Arbeit, die unter ihren Händen entstand, zu schätzen lernten.

Das Wunder der Welt wollte sie mit allen teilen. Das Leben war für sie etwas Großartiges, es sollte von keinem anders erlebt werden als großartig. Daß überhaupt irgendeinem Menschen Leid zugefügt wird, daß es Menschen gibt, die nicht genug zu Essen haben, das konnte sie einfach nicht einsehen. Sie wollte es nicht hinnehmen. Es empörte sie, aber mehr noch machte es sie traurig, sie, der das Elend anderer Menschen so auf den Leib drückte. Sie fand ihren Weg zur Kommunistischen Partei. Daß sie, anders als so manche, ihrer Sache die Treue hielt, war für sie nichts anderes als eine Frage des simplen Anstandes. Die Idee, daß alle Menschen gleiche Rechte haben, daß allen Menschen das Glück des Lebens zusteht, hätte keine bessere Fürsprecherin haben können als sie, die sich das Leiden und Hoffen der Kreatur nahe gehen ließ.

Magda Gorny hätte heute Geburtstag gehabt.
Heute wäre sie 65 Jahre alt geworden.

Schöne Grüße vom Ostermarsch!

Bilder, die für sich was sagen: Bilder vom Ostermarsch 1987 (Duisburg, Essen, Dortmund), aus dem Bildarchiv der DFG-VK (Gruppe Duisburg).
Diese 9 Bilder sind als POSTKARTENSERIE erschienen.
Gibt es noch Leute, die wissen, was eine Postkarte ist? Eine Bildpostkarte? Man nannte sie auch „Ansichtskarte“.
Postkarten werden von der Post immer noch befördert, und manche Leute freuen sich, wenn sie eine Postkarte bekommen – als schönen Gruß aus der materiellen Welt. Man muß sie nicht verschicken. Man kann sie auch an die Wand hängen oder sonstwie aufbewahren.
Es gibt Leute, die Postkarten sammeln, und es gibt Leute, denen man empfehlen sollte, damit anzufangen. Denn die Postkarte ist ein universelles und mitunter subversives Medium: in der Form stringent (DIN-A6, Hoch- oder Querformat), in der Thematik geradezu unbegrenzt.

OM87-Karte01Der meistens unvermeidliche Infostand der DFG-VK.

OM87-Karte02Wer genau hinguckt, erkennt den Zweimetermann mit Schlips: Henning Scherf.

OM87-Karte03OM87-Karte04Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime begrüßen den Ostermarsch. Bruno Bachler spricht.
OM87-Karte05
OM87-Karte06Wer genau hinguckt, erkennt Dietmar Schönherr (am Mikrophon).

OM87-Karte07OM87-Karte08
OM87-Karte09

Die Postkartenserie Ostermarsch 1987 (1 bis 9) ist für 10 Euro erhältlich (einschließlich Porto).
Die Motive sind auch einzeln erhältlich (Stückpreis: 1 Euro).
Bestelladresse: DFG-VK c/o Buchh. Weltbühne, Gneisenaustraße 226, 47057 Duisburg.
bestellungen@buchhandlung-weltbuehne.de

DFG-VK heißt: Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner.
Und: Es gibt aus unserer Werkstatt noch viele andere Postkarten.
Und: Dran denken: Ostermarsch 2014!

Wechselstrom oder Die Liebe in den Zeiten des Telefons (2)

Unseretwegen hatte sie darauf verzichtet, nach ihrem ersten Semester sich in ihr mittelrheinisches Herkunftsgebiet zu begeben, sondern sie blieb in der Stadt, die sie nicht zuletzt mittels unserer Mitwirkung als ihre Heimat angenommen hatte. Ihr erster Besuch bei uns war übrigens an Rosenmontag. Jeglicher karnevalistischen Anwandlung war sie ebenso abgeneigt wie wir, und so war dieser Tag, den wir in kontemplativer Zurückgezogenheit zu begehen pflegten, die ideale Gelegenheit gewesen, uns fern von der Außenwelt unserer Verschworenheit zu versichern.

Christina saß am liebsten bei uns in der Küche

Christina saß am liebsten bei uns in der Küche

Nun wurde ich allerdings von ihr zum Duell herausgefordert. Diese Sportkanone, die im Judo schon manchen Kerl aufs Kreuz gelegt hatte, wollte mir ihre Kraft demonstrieren und forderte mich zum Armdrücken heraus. Was für einen Quatsch man mitmacht, wenn man bezirzt wird! Wir brachen den Zweikampf ab, als es nach zehn Minuten noch keinem gelungen war, den Arm des anderen auch nur um einen Millimeter wegzuschieben. Ich bot ihr remis an.
Als sie sich verabschiedete, bat sie mich noch um einen Gefallen. Ich würde mich doch bestimmt mit erotischer Literatur auskennen und hätte doch bestimmt „solche Bücher“. Hatte ich.
„Ich hab jetzt ein paar Tage frei. Da will ich was Schönes lesen. Ein gutes Buch, aber eins, daß es bei mir kribbelt, verstehst du?“ Verstand ich.
„Kannst du mir was leihen?“ Konnte ich.
Ich zog ein paar Bücher aus dem Regal, zum Beispiel Maud Sacquard de Belleroches „Memoiren einer Frau von vierzig Jahren“ (beide Bände), Jakobsens „Memoiren eines Apfelessers“ und noch ein paar Sachen.
Zwei Tage später am frühen Nachmittag kreuzte sie unerwartet bei mir auf, stürmte herein, warf ihre Tasche auf einen Küchenstuhl und setze sich.
„Also, Helmut, du hast mir da vielleicht ein paar Bücher gegeben! Die haben mich ja ganz schön in Erregung versetzt. Ganz toll! Ich hab den ganzen Tag gelesen, ich konnte das gar nicht mehr aus der Hand legen. Das war ein Genuß! Wie hast du das bloß aufgetrieben? Weißt du, was ich am besten fand? Da war so eine ganz lange Geschichte, da erzählt einer, wie er als Student ein ganz junges Mädchen kennenlernt und was der mit dem Mädchen erlebt.“
„Ach, diese Geschichte. Ja, die kenne ich.“
„Kennst du? Das ist wirklich hervorragend geschrieben, das ist richtige Literatur. Aber zugleich auch – hmm. Das hat gewirkt. Du weißt, was ich meine. Die Geschichte habe ich immer wieder gelesen. Ich hab mir vorgestellt, ich wäre das Mädchen in der Geschichte, und der Mann würde das alles mit mir machen.“
„Das hast du dir vorgestellt? Daß du das Mädchen bist?“
„Jaja!“
„Und daß der Mann das alles mit dir macht?“
„Ja.“
„Das ist bemerkenswert.“
„Wieso?“
„Jetzt verrate ich dir ein schockierendes Geheimnis.“
„Sag!“
„Also, der Name des Verfassers ist ein Pseudonym.“
„Ist anzunehmen.“
„Diese Geschichte habe ich geschrieben.“
„Waaas? Die hast duuu geschrieben? Wirklich? Das ist ja – Ehrlich?“
„Ja.“
„Du? Das ist ja phantastisch! Mensch! Wenn ich das gewußt hätte! Ich gratuliere dir! Und das ist alles so passiert?“
„Die reine Wahrheit! Nichts erfunden!“
„Die Glückliche!“
Christina war nunmehr davon überzeugt: „Du bist ein phantastischer Liebhaber.“
„Aber Christina! Sowas sagt man doch nicht einfach so ungeprüft. Bevor man sowas sagt, muß man das doch erst mal in der Wirklichkeit erproben.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nicht nötig! Wer sowas schreiben kann, der ist ein phantastischer Liebhaber.“
(Es gibt Momente, da möchte man in einen Tisch beißen).
Sie sagte mir zum Abschied noch, die Lektüre erotischer Texte habe sie zu dem Entschluß gebracht, selbst solche Texte zu schreiben. Wir könnten uns ja dann unsere Geschichten am Telefon gegenseitig vorlesen. So geschah es dann auch. Sie rief mich an einem der nächsten Abende an. Sie rief frohgemut, sie habe jetzt ihre ersten zwei erotischen Geschichten geschrieben, und sie las sie mir vor. Bei der ersten handelte es sich um eine verschwärmte Huldigung an einen ihrer aus der Ferne bewunderten Kommilitonen, einen genüßlichen Lobpreis seiner vorteilhaften Erscheinung und eine Handlung, bei der heiße Wünsche Vater des Gedankens waren. In der zweiten Geschichte berichtete sie, wie ein Teenager (also sie) den Liebhaber ihrer Mutter so lange triezt, bis ihm der Kragen platzt („Weißt du, was du verdienst?“). Den „Liebhaber“ hatte sie mit meinen Wesenszügen ausgestattet und ihm auch meinen Namen gegeben. Dann aber wartete sie mit dem Entwurf eines Artikels auf, den sie für den METZGER schreiben wollte, in dem sie sich kritisch mit dem Feminismus auseinanderzusetzten gedachte. Christina wetterte leidenschaftlich gegen Zickigkeit und Prüderie der Emanzen und wies sie als Versuch, Frauen in ihrer Selbstbestimmung zu beschneiden, zurück. Daß durch einen Artikel im METZGER nicht sogleich das gesamte europäische Geistesleben von Grund auf umgekrempelt wird, darauf mußte ich sie vorsichtig aufmerksam machen.

UniCampusChristina rief mich an. Sie sei in der Uni gewesen und nun nach Hause gefahren. Aber ihre Tasche sei noch in der Mensa. Die solle ich ihr doch bitte nach Hause bringen.
Weil ihr die hundert Meter vom Fahrradständer zur Mensa zu weit waren, durfte ich ihr die Tasche von Neudorf nach Hochfeld nachtragen. Das habe ich auch getan. Für ein Dankeschön.
Ich hielt es daraufhin für erforderlich, eine Fotografie von ihr anzufertigen. Sie stellte sich in Cat-Balou-Pose vor die Kamera, die ich auf dem Stativ in 50 Zentimeter Höhe aufgestellt hatte.
Mit dieser Fotografie sollte zum Ausdruck kommen, wie vollkommen ich von ihr beherrscht wurde.
Diese energisch in die Hüften gestemmten Arme! Dieser über die Schulter geworfene herausforderne Iswas?-Blick!
Und dieser Arsch!

ChristinaLHOOQChristina sah das Foto und rief: „Bo! Was habe ich da für einen dicken Arsch! Du hast mich aber auch so fotografiert, daß mein Hintern so richtig plastisch hervorgehoben wird! So richtig zum Draufhauen! Nicht schlecht eigentlich.“
„Ich wollte nicht nur zeigen, daß du mich beherrschst, sondern auch: wie.“
„Und was bedeutet ‚LHOOQ‘?“
„Das mußt du französisch aussprechen. Dann klingt es: ‚Elle a chaud au cul‘. Das heißt auf deutsch: Sie hat Weiterlesen

Wechselstrom oder Die Liebe in den Zeiten des Telefons (1)

Ich wollte schon lange mal erzählen, wie ich mal den Ostermarsch zum Stillstand gebracht habe. Aber das ist nicht leicht erzählt. Es hat etwas mit Kanada zu tun und im weitesten Sinne auch mit Wechselstrom. Ich muß also etwas ausholen. Und weil es auch mit Christina zu tun hat, könnte ich – was, zugegeben, das eigentliche Motiv für die Niederschrift dieses Berichtes ist – auch Liebeskummer schreibend bewältigen (wovon dann allerdings noch reichlich übrigbleiben wird). Mit neuem Liebeskummer bin ich in den letzten zweidrei Jahren nicht knapp beliefert worden, und wer schon mal geliebt hat (solche Leute gibt es), der weiß, daß das ein haltbares Gut ist, und der ahnt, daß da noch beträchtlich Bekümmernis früherer Lebensphasen wirkt und wütet. Wer viel geliebt hat und gern geliebt hat und auf den Pfaden der Liebe auch dann weiterwandelte, wenn sie durch unübersichtliches Gebiet führten, der trägt was mit sich herum, das können Sie mir glauben. Vielleicht wollen Sie ja auch endlich mal erfahren, warum ich die St.-Johann-Straße in Hochfeld nicht ohne einen melancholischen Seufzer entlanggehen kann. Also lesen Sie jetzt bitte diese Geschichte, sonst hat es ja keinen Zweck.

StJohannStrChristina kam aus der Provinz, um hier zu studieren. Sie geriet in mein Blickfeld, weil sie eine Freundin meiner Frau war. Der Freundin der Frau Aufmerksamkeit in mehr als dem schicklichen Maße zukommen zu lassen, ist eine Sache, die ich nicht unbedingt jedem empfehle, sondern nur solchen, die „Je ne regrette rien“ zu einem Lebensmotto zu erheben fähig sind (es kommt natürlich auch darauf an, mit welcher Frau man zusammenlebt).
Aus der Provinz kommend, war die 20jährige blonde Schönheit vom Lebensalltag mitten im bevölkerungsreichsten Ballungsgebiet Mitteleuropas überwältigt (nicht nur im positiven Sinne). Dieses motherless-child-Gefühl schwand, als sie uns kennenlernte. Wir (meine Frau und ich) machten damals täglich unseren Uni-Büchertisch, von dem heute noch manche Legende sagt und singt. Christina fand uns und die Dinge, mit denen wir uns beschäftigten, „unheimlich interessant“. Sie fühlte sich geehrt, von uns wahrgenommen und anerkannt zu werden, von Leuten also, die „schon unheimlich lange“ und mit Ernsthaftigkeit eine – wie könnte man sagen – selbstbestimmte, den uneinsehbaren Zwängen bürgerlicher Konventionen trotzende Existenz praktizierten (ich war damals Anfang dreißig). Es wäre mir schwergefallen, sie nicht wahrzunehmen, so wie die aussah, und so gescheit wie die war. Sie bewunderte uns. Ich muß sagen: Ich habe nur selten einen so wißbegierigen und begeisterungsfähigen Menschen erlebt, und auch nur selten einen so mitteilsamen. Sie redete und redete und redete sich alles vom Herzen, was sie gesehen und erlebt hatte und was ihr durch den Kopf ging. Und sie wollte alles erklärt haben. Dieses blasierte Desinteresse der jeunesse dorée war überhaupt nicht ihre Art.
„Erzähl mir doch mal etwas über den Ostermarsch“, wollte sie wissen, oder: „Was ist das: VVN?“
„Das ist die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.“
„Was? Das gibt es? Was ich durch dich alles erfahre! Durch dich gehen mir die Augen auf!“
Daß das alles mit Subversion zu tun hatte, mit lustvollem Sich-einfach-über-die-Regeln-Hinwegsetzen, machte die Sache für sie richtig spannend. Sie konnte sich für Politik begeistern, weil sie nicht nur eine notwendige Beschäftigung ist, sondern auch Spaß macht. Aber ein anderes Thema beschäftigte sie mehr, und das war der Sex. Ich würde mal schätzen: Über 80 Prozent ihrer Reden und ihrer Gespräche mit mir handelten vom Sexuellen, und es war auffällig und nicht uncharmant, daß sie die Wörter „sexuell“ und „Sexualität“ mit scharfem „S“ aussprach. „Sexuell“ mit scharfem S klingt sexy.
Es wird wohl so gewesen sein, daß ihre plötzliche Begeisterung für das linksradikale Milieu von der Annahme herrührte, daß die linken Umstürzler die bürgerliche Sexualmoral hinwegfegen und der reinen Lust den Weg ebnen. Ich dachte: „Mädchen, wenn du dich da mal nicht irrst.“ Ich sagte: „Du kannst nicht vom Einzelfall auf das Gesamte schließen.“

christina2Wie fast alle sinnlichen Frauen war sie für die Liebreize des eigenen Geschlechts sehr empfänglich. Aber sie entschied: „Ich finde das ungerecht! In Illustrierten, im Kino und in der Werbung sieht man immer schöne Frauen. Das ist ja auch gut so. Das soll ja ruhig so sein. Aber warum sieht man nicht genauso oft schöne Männer? Ich will nackte Männer sehen!“
Ich antwortete: „Das hat alles ja mit Rollenbildern und gesellschaftlichen Machtstrukturen und dem ganzen Tralala zu tun. Aber könnte es nicht sein, daß – darüber hinaus und davon abgesehen – weibliche Schönheit deshalb in der Darstellung vorherrscht, weil Frauen nun mal das schöne Geschlecht sind?“
„Nein!“ rief sie entschieden. „Männer sind auch schön!“ Und dabei leuchteten ihre Augen.
Ich durfte mir unentwegt ihre Elogen anhören über ihre männlichen Kommilitonen, denen sie eine „göttliche“ Gestalt attestierte. „Göttlich“ war einer ihrer Lieblingsausdrücke, und die Gerhard-Mercator-Universität zu Duisburg muß wohl – für mich zuvor ungeahnt – eine einzige Parade von Adonissen gewesen sein. Ein anderer Lieblingsausdruck war „spannen“. Sie „bespannte“ die einherflanierenden Kommilitonen ungehemmt, das heißt: sie tastete mit Blicken ihre Körperlinien ab und versuchte auch, mit Blicken Signale des Einverständnisses auszusenden.
Ich mußte sie aufklären: „Es freut mich ja, wenn deine Blicke den meinen folgen, wenn ich die Aphroditen und Myrrhinen und Kallipygen betrachte. Aber meine Blicke folgen den deinen nicht überall hin. Denn ich bin sowas von unschwul, sowas von hetero, das ist schon fast wieder pervers.“
Sie wollte von mir wissen, wie ein Mann das empfindet, „wenn er Weiterlesen

Die besten Geschenkideen haben wir

Reden wir nicht lange drumrum: Die besten Geschenkideen haben wir.
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hl-cd-heinecover-fluecht1Kommen Sie doch mal gucken und achten Sie auf unsere Eigenproduktionen.
Oder gucken Sie ins Netz. Wir empfangen ODER wir beliefern Sie gern.
Wir haben auch so schöne Neujahrs-Postkarten selbst gemacht.
Ist es in diesem I-Mehl-Zeitalter nicht ein fast schon vergessenes Gefühl, eine richtige Postkarte aus dem Hausbriefkasten zu nehmen?
Zum Beispiel:
Postkarten (und auch Kunstdrucke) nach Aquarellen von Magda Gorny
pk54-gorny-sonne
Postkarten aus dem Weltbühne-Universum:
pk64-kater
Heimat-Postkarten von Hafenstaedter (Duisburg zer- und gefällt):
pk73-hafen-blumensprayer-2
Für das schaurig-schöne Wohlgefühl der Moraltanten jedes Alters und Geschlechts haben wir auch was Schönes:
pk66-stefanie
Die ganze Postkartenherrlichkeit finden Sie hier.

Der vor anderthalb Jahren schier aussichtslos scheinende Überlebenskampf der Buchhandlung Weltbühne scheint heute gar nicht mehr so aussichtslos. DENN: Wir haben uns angestrengt. UND: Einige haben sich darauf besonnen, daß sie dem Unverdruß auf der Gneisenaustraße etwas Aufmerksamkeit und Liebe schulden. Wenn das so weitergeht, überleben wir. (Aber nur, wenn das so weitergeht).

M102CoverHaben Sie schon mal daran gedacht, ein METZGER-Abonnment zu verschenken? Das kostet 30 Euro (für die nächsten 10 Hefte) oder 50 Euro (für alle zukünftigen Hefte).
Schenken Sie Ihrem Freund ein ewiges METZGER-Abonnement. Wenn er Sie verläßt, wird er Sie trotzdem nie ganz los.
Beziehungsweise:
Schenken Sie Ihrer Freundin ein ewiges METZGER-Abonnement. Wenn sie Sie verläßt, wird sie Sie trotzdem nie ganz los. (So ging es mir ja auch mit meinen Freundinnen).

Wir müssen die Feste feiern, wie sie uns gefallen.

(Bitte den Link auf diese Seite als Rundmail verschicken).

1. Juni

Am 1. Juni 2012 startete das Weblog „Amore e rabbia“. Bis gestern waren es also 365 Tage mit 303 Notaten.
Das Versprechen, die Leserschaft mit Nachrichten, Reflexionen, Kommentaren, Widerworten, Wiederholungen, philosophischem Kabarett, Beobachtungen und Erinnerungen zu versorgen, wurde wohl ganz passabel erfüllt. Weiterhin wird garantiert für einseitige Beeinflussung und tendenziöse Berichterstattung. Wo ALLSEITIGKEIT entwickelt wird, bleibt für das Nullsummenspiel der Ausgewogenheit kein Platz übrig. Und so bleibt das.

Mit Statistik beschäftigen wir uns nächste Tage.

Der 1. Juni ist kein zufälliges Datum. Denn einige wichtige Wendepunkte meines Lebenslaufs fielen zufällig auf einen 1. Juni. Als meine Frau noch lebte, feierten wir den 1. Juni wie einen heimlichen Geburtstag. Seit Jahren, so auch heute, verbringe ich eine Zeit des höchstpersönlichen Feiertags auf dem Kaiserberg, denn an dem wohl wichtigsten 1. Juni meines Lebens war ich auch auf dem Kaiserberg. Traditionen solcher Art pflege ich, denn die ZEIT ist besser zu reflektieren, wenn sie einen Rhythmus hat.
Daß auch dieses Weblog aus gutem Hause zufällig an einem 1. Juni begonnen wurde, ist also kein Zufall.

Bilder vom Kaiserberg

Bilder vom Kaiserberg

Kaiserberg02..

Ostermarsch 2013 (4) und überhaupt

Auch in diesem Jahr hörte ich (aus Lautsprechern) dieses traditionelle Lied von Hannes Stütz:
„Unser Marsch ist eine gute Sache“.
Im Refrain heißt es:

„Marschieren wir gegen den Osten? NEIN!
Marschieren wir gegen den Westen? NEIN!“

Ich habe das nie verstanden.
Muß man denn immer nur Nein sagen? Muß man denn alles ins Negative ziehen? Man muß doch auch mal konstruktiv sein, das Positive hervorheben und laut und deutlich JA sagen!
Darum habe ich bei der Zeile „Marschieren wir gegen den Westen?“ immer laut „Ja!“ gerufen.

Ostermarsch2013-01Ostermarsch 2013: NEIN? NEIN?? NEIN???
pk61-lestmetzgerMagda und ich beim Ostermarsch 1985 in Oberhausen.
Fotos: DFG-VK

Samstag hör ich Radio

Samstags abends, wenn ich zu Hause bin, höre ich Radio (und an den meisten Samstagabenden bin ich zu Hause). Auf WDR 2 läuft dann von 19 bis 22 Uhr „Yesterday“ mit Roger Handt. Da wird dann Musik der 90er, 80er, 70er und 60er Jahre gespielt, nicht unbedingt die allerallerbeste, aber auch nicht die schlechteste, eben das, was „populär“ war, also Radiomusik, die einen beim Arbeiten nicht stört. Es gibt auch ein „Yesterday Quiz“ mit Kandidaten am Telefon. Etwa: Wer hat dieses Buch geschrieben? Wer hat die Hauptrolle in dem Film gespielt? Wer hat das Tor geschossen?
Das ist nicht die Sendung, die man unbedingt nicht verpassen darf. Aber sie ist eine nette Angewohnheit. Es erinnert mich an die Samstagabende, die ich mit Magda zu Hause verbrachte. Das Radio lief sowieso, und um 19 Uhr kam „Yesterday“ mit Roger Handt. Magda (als Kind ohne Fernsehen aufgewachsen) liebte das Radio. Sie hörte sogar am Samstagnachmittag die Fußballübertragungen, obwohl sie sich gar nicht für Fußball interessierte. Aber es war eben: Radio.
Jetzt Samstag, am 30. März, kommt „Yesterday“ zum letzten Mal. Moderator Roger Handt geht in Rente, und mit dem Moderator verschwindet auch die ganze Sendung. Das ist kein Verlust, den man nicht verschmerzen kann, aber ein bißchen schade ist es doch.
An einem der vielen Samstagabende bescherte uns die Sendung eine Überraschung, als nämlich meine Freundin Erika als Quizkandidatin sich hören ließ. Die wurde natürlich gefragt, wer sie ist und was sie so macht.

Erika: „Ich zeichne und male.“ (Das kann sie wirklich! Sie ist eine ausgereifte Künstlerin!) „Und ich schreibe.“
Roger Handt: „Was schreiben Sie denn?“
Erika: „Erotische Miniaturen.“
Roger Handt: „Kann man die auch lesen?“
Erika: „Ja, die werden auch veröffentlicht, in einer kleinen Zeitschrift, die heißt Der Metzger.“
Roger Handt: „Wie heißt die Zeitschrift?? Der Metzger???“

Wir haben uns kaputtgelacht.
Am Montag danach rief Erika mich an.

„Du kennst doch bestimmt die Sendung im WDR ‚Yesterday‘. Letzten Samatag…“
„Ja. Ich hab das gehört.“
„Du hast das gehört?“
„Ja. Und wir mußten noch schnell in den Buchladen rennen, um ein paar Hefte ins Schaufenster zu legen.“

E.B. fotografiert von H.L. im Büro

E.B. fotografiert von H.L. im Büro

„Erotische Miniaturen“: Erika wollte unbedingt, daß ihre Geschichte „Wat kochse denn da oder Vier Tomaten.“ (DER METZGER 52) mit diesem Bild von ihr illustriert wird: „Ein Popo, auf den man gerne draufhaut.“

HofgartenHLErotische Miniatur: Bonn, Hofgarten 1998. H.L. liest interessiert in Maud Sacquard de Belleroche „Geständnisse – Memoiren einer Frau von 40 Jahren“. Foto: E.B.

HofgartenEBErotische Miniatur: Bonn, Hofgarten 1998: E.B. liest vergnügt in Golo Jacobsen „Memoiren eines Apfelessers“. Foto: H.L.

Schöne Postkarten!

In der Verlegenheit, zu den bevorstehenden Festtagen und zum Jahreswechsel Grußkarten an liebe oder unliebe Zeitgenossen verschicken zu müssen, allerdings vom Willen beseelt, die gängigen Kitschkarten zu vermeiden?
Jetzt ist auch die Saison, in der Neujahrskarten angeboten werden, mit deren Verkaufserlös ein wohltätiger oder mildtätiger Zweck gefördert wird.
Das tu ich jetzt auch. Dieses Angebot geht allerdings über die Wohltätigkeit und Mildtätigkeit hinaus. Gefördert wird in diesem Fall ein subversiver Zweck.
Mit dem Verkauf der Postkarten der SITUATIONSPRESSE kann/soll/darf der akute Überlebenskampf der Buchhandlung Weltbühne unterstützt werden.
Drei Serien werden angeboten. Sucht Euch eine aus (oder nehmt alle drei).
Die angegebenen Preise einschließlich Versandkosten.
Bestellungen richtet bitte an:
bestellungen@buchhandlung-weltbuehne.de
Dann wird mit Rechnung geliefert.
Oder: per Brief an Buchhandlung Weltbühne, Gneisenaustraße 226, 47057 Duisburg.
In diesem Fall sollte der Bestellwert als V-Scheck oder in Briefmarken (kleine Werte!!) beigelegt werden, wobei ich nichts dagegen habe, wenn der Bestellwert aufgerundet wird (jawohl, so stehen die Dinge).
(Man kann natürlich auch vorbeikommen und sich eine eigene Auswahl aus dem Kartensortiment zusammenstellen).

Einige der angebotenen Motive sind zugegebenermaßen „unanständig“, wodurch sie sich für einen Wunsch für ein glückliches neues Jahr besonders gut eignen.

Serie 1: Postkaten nach Entwürfen von Magda Gorny.
7 Postkarten: 8 Euro

Serie 2: Stadt-Mauer-Ansichten, fotografiert von Heinrich Hafenstaedter.
6 Postkarten: 7 Euro

Serie 3: Bilder aus dem Weltbühne-Universum.
6 Postkarten: 7 Euro

WELTBÜHNE MUSS BLEIBEN!

Nach der Revolution gibt es Kaffee und Kuchen

16 Bilder aus dem Film von 1975.
„Nach der Revolution gibt es Kaffee und Kuchen“ war mein erster fertiggestellter Film, produziert von der „Hut Filmproduktion“, uraufgeführt im Eschhaus. Er dauert 10 Minuten.

 

Anlaß war, daß Friedhelm Ripperger, den alle nur unter seinem Spitznamen Obelix kennen, gerade wieder in die Freiheit entlassen worden war. Da er über ein Jahr wegen Dope eingesessen hatte, sahen wir ihn als politischen Gefangenen. Darum wurde er von der Roten Hilfe betreut (die Duisburger Rote Hilfe galt als sehr eigenwillig und „freakig“ und wurde von einigen anderen Rote-Hilfe-Gruppen beargwöhnt).
Der Film darf als ein Manifest der hedonistischen Linken aufgefaßt werden. Der Utopie einer „Gleichheit in Kargheit“ wird widersprochen.

Das gehört noch zum Vorspann: Der Regisseur trinkt Kaffee.

Magda Gorny und Wolfgang Strähler.

Friedhelm Ripperger, genannt Obelix.

Das letzte Bild ist ein Foto aus der Portugiesischen Revolution („Nelkenrevolution“), die das faschistische Regime beseitigte. Grund zum Feiern.

Das schöne rote Nachspannband ist Teil des Films! Das ist der Moment der Ruhe nach der Geschichte. Ich kann die Leute nicht leiden, die im Kino, sobald der Nachspann beginnt, aufspringen und aus dem Kino rennen, als wären sie auf der Flucht.
Über den Film ist im Internet ein Kommentar von Mario Weißenfels zu lesen. Die Folkband Ship of Ara verwendete den Film für einen Videoclip .


„Nach der Revolution gibt es Kaffee und Kuchen“ ist auf der DVD „Der 11. Mai und andere Kurzfilme von Helmut Loeven“ enthalten (für 12,50 € in der Buchhandlung Weltbühne – auch im Versand – erhältlich).

Magda Gorny: Kunstpostkarten

In der Postkartenserie der Situationspresse sind weitere Motive nach Arbeiten von Magda Gorny erschienen – jetzt erstmals als Farbreproduktionen. Die Vorlagen stammen aus den Jahren 1967 bis 1998.


Sonne am Morgen. Aquarell 1991

 


Ohne Titel. Aquarell, Tusche 1987

Ohne Titel. Aquarell, Tusche o.J.

Ohne Titel. Aquarell, Tusche o.J.

Ohne Titel. Mischtechnik 1967

Scarabäus. Aquarell o.J.

Fast ein Mandala. Aquarell 1993

Diese Postkarten sind – auch im Versand – einzeln oder als Serie – in der Buchhandlung Weltbühne erhältlich. Dort werden auch weitere Arbeiten von Magda Gorny (Kunstdrucke, Plakate und weitere Postkarten) angeboten, die hier nicht abgebildet sind.

DER METZGER wird 100: Der schönste Arsch der Welt

Ein weiterer Auszug aus „‚Über sowas könnte ich mich kaputtlachen.‘ 33 1/3 Fragen an den METZGER-Herausgeber Helmut Loeven, ersonnen von A.S.H. Pelikan und Heinrich Hafenstaedter“ in DER METZGER Nr. 100 (Mai 2012):

Pelikan: Ist DER METZGER ein Sex-Blatt?

Ja selbstverständlich!

Pelikan: Hattest du eine Leserreaktion zu dem Thema?

Ich erinnere mich: Ich begegnete mal, das war 1972, auf dem Bahnhofsvorplatz dem Herrn Walter Schabronat. Das war ein Zufall, da war irgendwas los, irgendsoeine Zusammenkunft oder irgendsoeine Kundgebung. Ich ging da entlang, und da traf ich den Herrn Schabronat, seines Zeichens Kriminalhauptkommissar, für das politische Ressort zuständig. Es verband sich zwischen ihm und den Leuten, die er beobachtete, so eine Haßliebe. Ich wußte damals noch nicht, daß er außerdem noch tätig war als Kundschafter der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik. Und der sagte mir: Na, Herr Loeven, Sie haben aus Ihrer Zeitung ja jetzt so eine Sankt-Pauli-Zeitung gemacht. Da war gerade die Nummer 18 erschienen, vielleicht sollte man die sich mal angucken, was ist denn da so Sankt-Paulihaftes dabei?
Viele Jahre später erschien mal jemand bei mir in der Buchhandlung, der war Mitarbeiter von „Who is who“, diesem Prominentenlexikon, und gab mir einen Fragebogen. Er sagte, es wäre ein Vorschlag gewesen, ich sollte in das „Who is who“ als Prominenter hinein. Ich habe den Fragebogen allerdings nie abgeschickt. Da war auch eine Rubrik: Hobby. Da hab ich überlegt: was schreibe ich denn unter Hobby. Da wollte ich reinschreiben: das Fotografieren nackter Frauen.

Das Original: Stefanie H. (in der Buchhandlung Weltbühne)

Ich habe zum Beispiel gern Fotografien gedruckt von der 18jährigen Stefanie H., die in mehreren Ausgaben unbekleidet zu bewundern ist in meiner Zeitung. Und daraufhin bekam ich erheblichen Ärger mit der Mitarbeiterin Erika B., die ja, wie bereits erwähnt, eine Zeitlang in der Emma-Redaktion gearbeitet hatte.

Das andere Original: Erika B. (selbstporträtiert)

Die fand das nicht gut, und zwar, daß nicht SIE da abgebildet worden ist. Ich hab ihr gesagt: Ja, meinegüte! Du warst doch schon öfter nackig in meiner Zeitung. Aber: „Egal! Eine andere hat da gar nichts zu suchen“, meinte sie, „wieso nimmst du da eine andere?“ SIE hätte doch den schönsten Arsch der Welt! Was ich ihr dann auch bestätigt habe. Das habe ich allerdings auch anderen gesagt. Sie schickte mir daraufhin eine Zeichnung, ein Selbstporträt von sich, eine Aktzeichnung, und sie schrieb darunter: Das ist gute alte linke Publizistik. Sie sprach darauf an, daß es früher in linken Blättern wohl üblich war, daß da auch Sex-Fotos erschienen sind, und das wäre eben eine gute Tradition, die leider verlorengegangen sei und nur noch in einer einzigen linken Zeitschrift weitergeführt wird.

Konkret entschuldigt sich ja alle Vierteljahre für ihre pornografische Vergangenheit.

Erika als Covergirl

Ein kluger Mann hat mal gesagt (ich zitiere aus einer unveröffentlichten Rede):
„Ich stehe dafür ein, die Sexualität von Doppelmoral, Angst, Sünde und Schulgefühlen zu befreien, das Schuldprinzip durch das Lustprinzip zu ersetzen, der Sexualität einen Raum in der Öffentlichkeit zu reklamieren, für die Sexualität einen Raum auch außerhalb fester Partnerbeziehungen zu reklamieren. Befreiung der Sexualität ist gleichbedeutend mit Reflexion und Ästhetisierung… Der Angriff auf die von Schulgefühlen und Tabus beladene bürgerliche Sexualmoral ist eine der besten Traditionen der Linken. Diese Tradition wurde verraten, oder besser gesagt: schlichtweg vergessen. Die Linke kriecht der Frauenbewegung hinterher oder hastet ihr mit vorauseilendem Gehorsam voraus, und merkt nicht, daß die Frauenbewegung an den tradierten weiblichen sexuellen Konservatismus appelliert.“
Der kluge Mann war ich.

„Der schönste Arsch der Welt“

Ein anderer kluger Mann hat mir einen Brief geschrieben: Ich sollte nicht solche Theorien verbreiten. Ich sollte das einfach machen, weil es schön ist und weil es geil ist.
Hat er recht oder hat er Unrecht? Ich finde, er hat recht. Aber so wie ich das mache ist auch richtig. Nämlich indem ich sage: indem ich mich auf die Debattenebene begebe, stecke ich euch auch alle in die Tasche.
Die Magda hat mal eine Zeitlang immer wieder den Satz gesprochen, wenn wir mal wieder zu tun hatten mit linkem Dogmatismus, mit wahnhaft gesteigerter Vernageltheit des Feminismus oder mit der Selbstsicherheit der Ignoranten: „Da hilft nur noch eine pornografische Offensive.“ Wo man mit Argumenten, Informationen und Fakten überhaupt nichts mehr ausrichten kann, da muß man reizen. Da bleibt einem gar nichts anderes übrig. Und das ist immer noch wirksam. Man möchte ja die einen erfreuen und die anderen schockieren. Und dazu bedarf es nur einer einzigen Strategie.
Von Obelix (Ripperger) stammt der Satz: „Politik ist wichtig, muß aber auch Spaß machen.“ Und ich sage: „Pornografie ist wichtig, muß aber auch schön sein“.

Das ganze Gespräch ist auf Papier nachzulesen in DER METZGER Nr. 100,
und im Netz bei Gasolin Connection.
Ein Abonnement von DER METZGER kostet 30 Euro für die nächsten 10 Ausgaben oder 50 Euro für alle zukünftigen Ausgaben.
Die Ausgaben ab Nr. 18 (1972) sind noch erhältlich. Die Ausgaben Nr. 1-17 (1968-1972) sind vergriffen.