Wieso ist eigentlich morgen (3. Oktober) ein gesetzlicher Feiertag?

Am 3. Oktober feiert die Einheit den Tag der deutschen Einheit.
Das ist nämlich heute nicht mehr so wie früher.
Ich weiß noch, wie das war:
Um zur Ruhr-Universität zu kommen, brauchte ich zunächst mal eine Fahrkarte für den Bus bis zum Hauptbahnhof. Dann brauche ich eine Fahrkarte für den Zug nach Bochum, und schließlich eine Fahrkarte für die Fahrt vom Bochumer Bahnhof zur Uni (mit Umsteigen!).
Heute ist das alles einheitlich. Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Wenn das kein Grund zum Feiern ist!

P.S.: Später wechselte ich zur Duisburger Uni, zu Fuß hin. Die deutsche Vereinheitlichung wäre also gar so nötig gar nicht gewesen.

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Überlegungen sowohl die Überflüssigkeit des „Familienvaters“ als auch die Wertlosigkeit der Reisefreiheit ehemaliger Bürger der DDR betreffend werden untermauert durch ein Vorkommnis auf dem Flughafen Erfurt in diesen Tagen.
Auf die Frage, ob er größere elektronische Geräte bei sich habe, antwortete ein Familienvater: „Eine Fernsteuerung für eine Bombe.“
Der Mann hatte diese Antwort sicherlich als eine Art Scherz gemeint. Die Fluggesellschaft reagierte durchaus mit Humor, indem sie den Familienvater nebst Familie vom Flug nach Mallorca ausschloß und ein Ermittlungsverfahren gegen den Mann veranlaßte.
Die österreichische Mitteilerin Stefanie Sprengnagel, die sich nicht entblöden konnte, sich mit dem Künstlernamen „Sargnagel“ auszustatten, wird zitiert: „Immer wenn mir fad is, ruf ich in der vollen U-Bahn ‚Allahu akbar‘.“
Wäre das nicht ein Grund, sie zwangsweise nach Mallorca zu befördern, ohne Geld, ohne Rückflugticket, ohne Reisepaß, ohne Schmartfon, ohne Begründung, ohne Wörterbuch?

Die Dinger gibt es noch

Ja, warum soll es die auch nicht geben.

Ich meine die Dinger, von denen eins auf diesem Foto abgebildet ist.
Es machte mich beim Verlassen des Hauses durch ein sonores, langdauerndes Brumm-Geräusch auf sich aufmerksam, das auch dann noch unüberhörbar ist, wenn es als Geräuschquelle kaum noch zu sehen ist, wie in diesem Fall.
Ich meine dieses helle Pünktchen inmitten des Firmaments, das Sie vielleicht übersehen haben, aber nicht überhört hätten.
„Zeppelin“ nannte man so ein Ding, ein mit Gas gefüllter, zigarrenförmiger Flugkörper, der mit einem Propellermotor in Bewegung gesetzt wird.
Früher gab es viel davon, oder besser gesagt: Früher (in den Zeiten meiner Kindheit) waren die öfter unterwegs. Heutzutage kann es sein, daß Jahre vergehen, in denen Sie keinen Zeppelin zu sehen kriegen.
„Guck mal! Ein Zeppelin!“
„Zeppelin“ ist eigentlich gar nicht die richtige Bezeichnung, belehrten uns die Bescheidwisser. Es müßte „Luftschiff“ heißen, und damit „fliegt“ man nicht, sondern man „fährt“. „Zeppelin“ wurden die genannt, weil der Graf Zeppelin da am Bodensee so Dinger fabriziert hat. Das war eine Pioniertat der Luftfahrt, sagt man. „Luftschiff“ klang auch schon übertrieben für die Geräte, die wir in den 50er Jahren bestaunten.
Die richtigen klassischen Zeppeline wurden im Ersten Weltkrieg militärisch eingesetzt. Sie dienten dann auch für Transatlantikflüge der zivilen Luftfahrt. Nach der Katastrophe von Lakehurst 1937, als ein deutsches Luftschiff bei der Landung Feuer fing und ausbrannte, war die Zeit der Zeppeline vorbei. Das leuchtet mir nicht ein. Wieso beendet eine Luftschiff-Katastrophe das Zeitalter der Luftschiffe, währen dem Ereignis tausende von Flugzeugabstürzen folgte, ohne daß eine ähnliche Wirkung die Propeller-Turbo-Tragflächen-Flugtechnik traf!
In den 50er Jahren wurden dann solche Mini-Luftschiffe, die aber immer noch von den Leuten „Zeppelin“ genannt wurden, für Reklamezwecke eingesetzt. Die werden mit Heißluft hochgehoben, was den Antrieb durch einen Verbrennungsmotor relativ risikolos macht. In der Gondel ist nur Platz für den Piloten. Man könnte doch den Reklameeinsatz mit Rundflügen für Familien o.ä. verbinden. Aber das soll denen ihre Sorge sein.
Für was dieses Luftschiff da Reklame machte, erschloß sich mir nicht, da es sich mir nicht von der beschrifteten Flanke zeigte, sondern es vorzog, über das Uni-Gelände Richtung Mülheim von mir davon zu fliegen.

In Buchholz

Zehnter Autorenplausch der Stadtbibliothek Duisburg, Zweigstelle Buchholz. Darin: Helmut Loeven liest uns was vor. Veranstaltet von Werner Zapp (rechts im Bild) und Rainero Spahn. Wann war das? Am 14. September 2017.

Vor dem Wolkenbruch

Der Wetterbericht für letzten Donnerstag (Wandertag infolge katholischer Feiertäglichkeit) war nicht verheißend, da für den späten Nachmittag Gewitter, heftiger Regen und Sturm vorhergesagt wurden. So kam es auch, und ich konnte, gut in der Zeit liegend, mir diesen Natur-Aufruhr von innen durchs Fenster begucken.
Wie war es vorher?

Lauf dich fitt,
da mach ich nicht mit.
Denn wo die Wege sich teilen,
braucht man sich nicht zu beeilen.

Ja, das ist ja mal eine Schaufenstergestaltung! Das ist doch DIE Werbestrategie schlechthin!

Gäbe es hier eine Serie „Die schönsten Bushaltestellen von Duisburg“, DIE wäre dabei.

Kann mir das mal einer erklären?

Nun schließlich warum nicht?

Mahnmal „Macht euch die Erde Untertan“. Hintergrund, hier kaum zu erkennen: der Barbarasee.

Energie wie noch nie.


Hätten Sie mir ruhig glauben können: An der Masurenallee hat die Bahn neu gebaut. Nehmen Sie sich in Acht vor Fußgängern!

Auswüchse des Privatisierungswahns: Die kürzeste Bahnstrecke in Nordrhein-Westfalen!

Reichsbahn-Büros mit angebauten Schwimmpool. Rechts im Bild: parkende Autos von Fronleichnams-Flaneuren.

Die Masurenallee, deren nördliche Hälfte das längste Stück Straße ohne Wohnbebauung ist, flankiert von der längsten Mauer des Ruhrgebiets, war horrorfilmig für die Backfische, wenn sie zum Steno-Kurs von Buchholz nach Neudorf zu Fuß unterwegs waren, besonders im Winter, wenn es schon so früh dunkel wurde (haben mir meine Tanten erzählt).
Ich erzähle Ihnen mal was anderes:
„I met my love by the factory wall,
kissed my girl by the old canal.“
Der olle Kanal wäre in diesem Fall der (sich hier im Rücken des Fotografen befindliche) Barbarasee.
Barbara kissed me at the Barbarasee. Trifft zu.

Aufsatzthema (angesichts einer der vielen stillgelegten Fabriken): „Die Industrie – was kann sie uns heute noch sagen?“
Ein Glück, daß ich mir meine Aufsatzthemen heute selbst aussuchen kann!
Und somit: Auf zum Kalkweg!

Was für ein Quatsch!

Rive Gauche

Die Wilde-Dinger-Party im Panama-Club war prima.
Zwar ist man von Hochfeld/Neudorf (also: Mitte) mit der Linie 1 fast den halben Tag bis nach Obermarxloh unterwegs. Aber in einer fröhlichen Reisegesellschaft fängt die Party schon in der Straßenbahn an.
Angekommen, fühlt man sich wie angekommen im Quartier Latin.

Gastgeber Werner Muth freut sich, daß alle gekommen sind.
Darüber freuen sich auch alle, die gekommen sind.

Stefan Schlensag alias Blind Joe Black.

Lütfiye Güzel.

Helmut Loeven kennen alle / kennt keiner (das bin ich).

Auch Werner Muth gibt zum besten.

Vielleicht sind demnächst hier auch Tonaufnahmen zu hören oder bewegte Bilder zu sehen. Denn wir sehen nicht nur gut aus, sondern hören uns auch gut an, und unsere Bilder sind erst recht schön, wenn sie sich bewegen.

Fotos: (C) Hafenstaedter

Bericht von der Landesdelegiertenkonferenz der DFG-VK

Bericht von der Landesdelegiertenkonferenz der DFG-VK in Düsseldorf am letzten Samstag (24. September), bei der ich als Delegierter der Duisburger Gruppe anwesend war.

Das war die reinste Erholung!

Um 13 Uhr, eine Stunde früher als samstags üblich, schloß ich die Buchhandlung und machte mich auf den Weg zum Hauptbahnhof, den ich durch den Osteingang betrat. Bis zur Abfahrt des Regionalzuges hatte ich noch eine gute Viertelstunde Zeit, an einem der unzähligen Ticketautomaten eine Fahrkarte zu ziehen – sollte man meinen.
Um alle Automaten drumrum hatten sich Menschentrauben gebildet. Am langsamsten voran ging es natürlich da, wo jemand nicht durch Einwerfen von Bargeld, sondern durch Einschieben einer Karte an sein Ticket zu kommen versuchte, also: es ging fast überall langsam voran.
Der erste Automat, den ich frequentierte, ließ die Touchscreen mit den VRR-Tarifen gar nicht erst erscheinen. Der zweite Automat machte zwar die VRR-Symbolik sichtbar, verstand aber alles falsch. Als ich durch Berühren des Displays an der durchaus richtigen Stelle eine Einzelfahrkarte der Zone B bestellte, wollte der Automat mir – zum selben Preis – eine Viererkarte für ein Kind in der Zone A andrehen. Ein Glück, daß ich das früh genug merkte! Inzwischen hatte ich erfahren, daß der Zug, mit dem ich fahren wollte, an dem Tag ausfiel, der nächste hatte erhebliche Verspätung.
Der nächste Automat nahm keine Banknoten an. Bei jedem Versuch mit verschiedenen Geldscheinen wurde mir angezeigt, daß DIESE Banknote ungültig sei – als ob ich Falschgeld bündelweise mit mir herumtragen würde. Verrücktmacher des Tages war ein Mann, der kein Deutsch sprach, mich durch Hinhalten von Zetteln mit seinem Problem bekannt machte, wie man nach Aachen Hauptbahnhof kommt. Es ist nicht leicht, jemandem zu erklären, wie man nach Aachen kommt, wenn man selber nicht weiß, wie man nach Düsseldorf kommt.
rheinbahnticket
Bahnsteige, die so voller Menschen sind, daß man sich nicht vorstellen kann, wie DIE alle in den gerade einfahrenden Zug reinpassen sollen, in dem anscheinend schon alle Stehplätze vergeben sind, kennen Sie vielleicht. Wenn nicht, sein‘se froh.
In Düsseldorf auch ein bißchen viel Bahnhof auf einmal. Auf dem Bahnsteig der U-Bahn steht ein junger Kerl, der mit mir redet. Er steht zwei Meter weit weg und spricht leise, ich verstehe kein Wort. Er strahlt, als wäre ihm der Heiland begegnet. Oder er hält mich für einen Filmstar, jedenfalls für irgendwas Leibhaftiges. Der kommt mir vor, als wäre er auf Acid. Solchen Leuten gibt man doch kein Acid! Ein Fläschchen Coca Cola, höchstens!
In der Bahn (bloß nicht zu weit von der Tür wegdrängen lassen!) wird die nächste Station durch Lautsprecher angesagt – im Flüsterton.
Nach all dieser hektischen Unterwegsheit war der Weg von der Haltestelle Luegplatz (Ernst Dieter Lueg? Herr Lüg, Herr Wöhner?) bei herrlichem Wetter am Rheinufer entlang zur Tagungsstätte, und dann die Tagung selbst mit lauter freundlichen, aufgeklärten Nonkorformistinnen und Nonkonformisten, die gegen den Krieg sind, die reinste Erholung.

Mein Tipp: Wenn Sie sich von der Fahrt zu einer Konferenz erholen wollen, dann fahren Sie zu einer Konferenz.

Nach Dortmund

Encore:
hl-tenoereSo sinnlos diese bildliche Mitteilung auch erscheinen mag, offenbart sich doch ein tieferer Sinn!
Daß der eine von den drei (sic!) Tenören nicht nur den Nutzen, sondern auch die Schönheit einer Heizung zu preisen versteht, müssen wir in diesem Fall nicht beachten. Der andere von den dreien (sic!) bekundet, daß er zu Fuß nach Dortmund gehen möchte.
Aber bestimmt nicht irgendwann und einfach nur so, sondern an mindestens einem der drei Tage vom 1. bis zum 3. Juli 2016, wenn in Dortmund, Revierpark Wischlingen, das UZ-Pressefest der DKP stattfindet.
Man gerät nicht in die Verlegenheit, den Weg dorthin zu Fuß zurücklegen zu müssen. Man kann sich den Öffentlichen Personen-Nahverkehr zunutze machen. S-Bahn-Station Wischlingen.

Barbara ist in der Stadt

Barbara ist in der Stadt, habe ich erfahren, von einem, den ich flüchtig kenne. Ich weiß noch nicht einmal genau, wie er heißt. Er hat es mir gesagt, als ich ihn zufällig auf der Straße traf. Zufälle gibt’s.
BarbaraStadt1Er steht gerade am Bahnhof, Ostausgang, wo er auf sie wartet. Seltsam, daß er sie nicht auf dem Bahnsteig empfängt, sondern auf der Straße, die am Ostausgang des Bahnhofs entlangführt. Was er mit ihr zu schaffen hat, erfahre ich nicht. Es scheint, da bahnt sich was an zwischen den beiden.
Und da kommt sie! Sie kommt über die Straße auf uns zu! Da steht der Mann, mit dem sie verabredet ist, und neben dem stehe ich, und das ist für sie natürlich die große Überraschung.
Wie lange haben wir uns nicht gesehen! Nach unserer Trennung nur zwei, drei mal, zuletzt, als sie eine Tramp-Tour durch Deutschland machte und für zwei Nächte bei uns auf dem Immendal Station machte. Damals haben wir kaum ein Wort miteinander gesprochen, sind uns regelrecht aus dem Weg gegangen. Von meinen Ex-Freundinnen ist sie die einzige, die ich vollkommen aus den Augen verloren habe.
Sie hat sich verändert, wirkt sehr damenhaft. Aber sie sieht immer noch sehr jung aus.
Wir reden miteinander. Mensch, ist das eine Freude! Der Mann neben uns sagt gar nichts. Eigentlich ist der jetzt auch überflüssig hier. Er schaut ein wenig verärgert.
Wir können uns doch mal treffen und dann ausführlich miteinander reden, schlägt sie vor. Ja, heute abend, warum nicht heute abend. Wir verabreden uns für heute abend.

Foto (C) Hut-Film

Foto (C) Hut-Film

Den ganzen Nachmittag fahre ich mit Zügen und Straßenbahnen durch die Gegend, und zwischendurch stehe ich auf Bahnsteigen und an Haltestellen. Ich orientiere mich mühsam. Wohin fährt der Zug, in dem ich gerade sitze?
Zuletzt bin ich in einem Bus. Der fährt durch Neudorf. Ich steige aus an der Ecke Karl-Lehr-Straße/Sternbuschweg, dort, wo alle Busse einmal halten.
BarbaraStadt2Ob ich es geschafft habe, noch rechtzeitig zu meiner Verabredung zu kommen, habe ich vergessen.

Bilder einer Vergewisserung (16-24)

pf2015-16Nachdem man die Häuser in Vordergrund passiert hat, dort hinter den sieben Platanen (oder acht. Oder neun):
Stand einst die Mülheimer Villa.
In DER METZGER Nr. 24 (Februar 1975) schrieb Rolf Menrath über das „selbstverwaltete Wohnprojekt“.
Da wohnten sie alle. Ich wohnte nicht da, war aber oft zu Besuch. (Was Kommune betrifft: Der Besucher ist stets besser dran).
Hinter dem Haus war eine große Veranda, von der aus man weit ins Tal blicken konnte. Ich erinnere mich an eine ganz große Sommernachts-Party. Mit der Zeit drang durch, daß hier die Verlobung von Che und Frauke gefeiert wurde – oder war es sogar die Hochzeitsfeier? Nein, ich spreche nicht von Che Guevara, sondern von Che Urselmann, der die Zeitschrift ZERO herausgab. Und Frauke managte die Theke im Eschhaus. Ich bewunderte sie, weil eine solche Arbeit angesichts einiger sehr schräger Vögel, die da ihre Schrägheit ventilierten, nur mit einem sehr hohen Maß an Souveränität zu bewältigen war.
Von der Mülheimer Villa – nach ihrem Abriß – ist nochmal in DER METZGER Nr. 39 die Rede. Heute steht an der Stelle irgendeine andere „Wohnbebauung“. Villen baut man stattdessen an Stellen, wo sie nicht hingehören.
Über ein etwas komisches Erlebnis in der Villa berichtete ich in meinem Buch „Der Gartenoffizier“ auf Seite 163f.

pf2015-17Die Landschaft hinter der Villa.

pf2015-18Ach, erzählen Sie ruhig, die Elektrizität wäre hier erfunden worden. Weil das so aussieht: in dem Häusken hinter den Häuskes. Das können Sie getrost erzählen, weil das sowieso keiner glaubt.
Bringen Sie die Oberleitung als Argument ins Spiel.

pf2015-19Das Haus habe ich Ihnen doch schon mal gezeigt und gesagt, daß ich Ihnen die Geschichte dazu vielleicht mal erzähle. Also:
In diesem schönen Haus wohnte eine, die ich kannte, Schülerin des Frau-Rat-Goethe-Mädchengymnasiums, die unserer kleinen und sehr agilen Radikal-Gruppe angehörte, die sich „Kommune“ nannte (und, das darf ich sagen, es besser machte als die meisten Gruppen, die sich so bezeichneten. Außer mir zwei Arbeiter, ein Lehrling, drei Schülerinnen, kein Student). Wir hatten gerade an den Weihnachtstagen (1968) auf dem Bahnhofsvorplatz einen Hungerstreik veranstaltet (wegen Vietnam). Der Vater der Villenbewohnerin, der Villenbesitzer also, zeigte Sympathie für unsere umstürzlerischen Konzepte und lud uns ein. Es ging wohl darum, uns finanziell unter die Arme zu greifen.
Die Genossin (Christiane hieß sie) hatte ein sehr großes Zimmer. Da stand auch ein Klavier, auf dem ich dann spielte – obwohl ich gar nicht klavierspielen kann. Aber mit einem Klavier funktioniert sowas, anders als – etwa – mit einer Klarinette. In einem Regal standen viele Bücher, und zwar alle aus der rororo-Taschenbuchreihe. (Vielleicht hat sie Bücher aus anderen Verlagen irgendwo verborgen aufbewahrt).
An der Wand hing ein großes pygophiles Poster, was meine Sympathie für die Zimmerbewohnerin weiter steigerte. Ich finde es gut, wenn Frauen auch einen Blick für sowas haben.
Das Gespräch mit ihrem Vater, der nach langem Zögern sein Lampenfieber überwand und sich uns Revoluzzern aussetzte, verlief eigentlich sehr harmonisch.
Viel hat er dann jedenfalls nicht springen lassen.
Nach der Rückfahrt mit der Straßenbahn nach Duisburg (Oberleitung siehe oben) brachte ich die Genossin Anne nach Hause. Es war ein Schnee gefallen. Der trockene Pulverschnee knirschte unter unseren Schritten. Wir waren schon auf dem Lith. Ich dachte: Nur noch da vorn die Ecke rum, dann ist sie zu Hause. Und ich dachte: Jetzt! Jetzt! Jetzt! werde ich sie einfach in’n Arm nehmen und küssen! Und dann stellte sich heraus, daß sie schon seit Monaten darauf gewartet hatte.
Pech für die Mädchen, die sich in so einen schüchternen Jungen verlieben. Da dauert das immer moo-naa-tee-laang.

pf2015-20Ich kann mir nicht helfen und ich weiß nicht warum. Immer wenn ich hier unterwegs bin, wo zwischen Radweg und Fahrbahn ein Parkstreifen angelegt ist, überkommt mich eine geheimnisvolle Melancholie. Da kann der Herr Nappenfeld noch so viel Metall gestalten.

pf2015-21pf2015-22Jetzt die Biege ins Gewerbegebiet, zur Ruhr? Nein, heute nicht.

pf2015-23In irgendeiner Nebenstraße – diese war’s wohl nicht, aber so ähnlich – bin ich mal mit dem Strähler gewesen. Das war Ende der 70er Jahre. Wir (Hut-Film) besuchten da den Dokumentar- und Experimental-Filmer Reinald Schnell. Der wohnte da mit seiner Mutter, der Frau des Schriftstellers Robert Wolfgang Schnell. Ich war froh, mal eine Wohnung zu betreten, in der es so aussah wie bei mir zu Hause. Überall Zeitungen und Bücher auf Tischen und Stühlen.
An der Wand hing ein Miró, ein Original.
Soll ich Ihnen mal was sagen: Der Schnell fand meine Filme nicht so gut. Der fand die Filme von dem Strähler besser! Aber seine Mutter war von dem, was ich sagte, sehr angetan.
Wir organisierten dann einen Filmabend mit Reinald Schnell im Eschhaus. Er hielt einen einführenden Vortrag, von dem mir ein Satz besonders in Erinnerung blieb. Ein Zitat von Mitscherlich: „Was wir heute bauen sind die Slums von morgen.“

KneipeMuelheimDer Wendepunkt eines Pfingst-Ausgangs zum Zwecke der Vergewisserung (woher kommen wir, wohin gehen wir, hier: wo machen wir kehrt).
Das Bild habe ich Ihnen doch auch schon mal gezeigt. In dem Lokal hatten wir mal Klassentreffen. Das muß im Dezember 1974 gewesen sein (kurz nachdem Sartre Baader in Stammheim besucht hatte).
Als ich nach Hause ging, Mitternacht war schon vorbei, da merkte ich, daß ich ohne Hausschlüssel unterwegs war.

Bilder einer Wanderung (9-19)

ch2015-09Quakende Enten auf dem Dickelsbach bei Großenbaum.

ch2015-10ch2015-11Eine der meistbefahrenen Eisenbahnlinien Europas, von der Großenbaumer Brücke aus gesehen..
Oben: Richtung Hauptbahnhof, Essen, Dortmund, Hannover, Berlin.
Unten: Richtung Düsseldorf, Köln, Bonn, Mainz, Karlsruhe, Freiburg, Basel.
Wie oft fuhr ich im IC unter der Brücke nach Düsseldorf, Bonn vor allem, aber auch Mainz, Karlsruhe und Freiburg (Basel nie) – der Arbeit und der Liebe wegen. In letzter Zeit immer seltener. Nach Berlin fahre ich auch nicht mehr.
Merke:
Kommt Zeit, kommt Rath, kommen Derendorf.

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ch2015-13Solche Mauern hatten früher eine sehr viel größere Bedeutung als heute, und waren auch länger. Hier eine sehr abgelegene Industrie, zu der aber auch am Himmelfahrtstag große LKWs hin fahren (habe ich gesehen).

ch2015-14Blick hinab auf den Großenbaumer See, auch als „Freibad Großenbaum“ bezeichnet. Früher sagte man: Strandbad.
Und? Nichts! Kein Strandleben im Strandbad. Ein stillgelegtes Strandbad? Scheint so.
Wasser ist aber noch drin. Der Oberbürgermeister hat den Stöpsel noch nicht gefunden.
Gucken Sie mal genau hin. Da hinten am Horizont, links neben der Baumgruppe in der Mitte: Ein Hochofen.

ch2015-15Die Brücke, die ich vorhin erwähnte. Früher sah man die schon von Weitem, wenn man sich ihr näherte. Heute erblickt man sie erst, wenn man sie fast erreicht hat.
Früher! Ja! Früher! Da konnte man den Blick über Landschaften genießen. Das war gut dafür, sich im Leben und in der Welt zu orientieren. Heute gibt es kaum noch eine Landschaft, die noch nicht zugewachsen ist.

ch2015-16

ch2015-17Angelangt in Huckingen. Gucken Sie mal auf die Landkarte, wie weit ich gehe!

ch2015-18Also, das sieht ja so aus, als hätte man die ganze Landschaft davongetragen und nur das Haus stehengelassen.

ch2015-19„Aufgrund eines technischen Defekt“, „weiteres außer Betrieb – “.
Hier scheint auch ein sprachlicher Defekt vorzuliegen.
Hübsche junge Dame (guckt mißtrauisch).

Stadtgeschichte. Heute: Historische Haltestellen

Koeniggraetzer1Früher war auf dem Weg von Süden zum Gymnasium zwischen Grunewald und Karl-Jarres-Straße noch eine Haltestelle, von der heute kaum noch jemand spricht: Königgrätzer Straße.
Jemand wollte wissen, was der Name bedeutet.
Ich erklärte: Das stammt noch aus der Zeit des Absolutismus. Wenn es dem König mal juckte, dann hat der sich nicht selber gekratzt, sondern dafür gab es einen Lakaien. Das war der König-Krätzer.

Keiner hat mir die Geschichte geglaubt. Aber alle fanden sie gut.

koeniggraetzer2An die Haltestelle erinnert hier nichts mehr.

North by north-west

Gestern begab ich mich rechtzeitig auf die Überlandfahrt, weil ich zu einer Lesung auf der anderen Rheinseite eingeladen war. Die Rhein-Überquerung ist eine Art Vorform der Atlantiküberquerung (man muß unbedingt rechtzeitig abbremsen).
Der Autobus verließ Rheinhausen und hatte Krefeld noch lange nicht erreicht. Ich stieg dann aus, und glauben Sie mir: In nördlicher, südlicher, westlicher und östlicher Richtung war weit & breit nicht ein einziges Gebäude zu sehen. Spuren menschlicher Besiedlung waren allerdings sichtbar: Weite, bis an den Horizont reichende Felder. Ein Weizenfeld mit noch halbhohen, grünen Halmen, und ein frisch umgepflügtes Feld, richtig mit Saatkrähen. Das war wie in dem Hitchcock-Film „North by northwest“ („Der unsichtbare Dritte“). Es fehlte nur noch das Insektengift-Flugzeug.
Mit mir war ein freundlicher, weißhaariger „älterer Herr“ aus dem Bus gestiegen, der mich nach dem Weg zum Stellwerkhof fragte, wo ich ja auch hin wollte. Das war dann später einer der Zuhörer meiner Lesung.
Eine wirklich schöne Landschaft. Leider hatte ich meine Fotokamera nicht eingesteckt.

Besuch bei Dr. Roth

Ich fahre in einem dieser alten Doppeldecker-Busse durch Neudorf, und zwar die Oststraße entlang. Ich kann mich nicht erinnern, eingestiegen zu sein. Meines Wissens verkehren diese Doppeldecker-Busse doch schon lange nicht mehr, und die Oststraße entlang fährt auch gar keine Buslinie. Aber dieser Bus hat zwei Stockwerke und fährt die Oststraße entlang, und ich sitze drin, und zwar in dem oberen Stockwerk. Dort ist für die Fahrgäste ein Fernsehapparat aufgestellt. Zur Zeit läuft arte. Jemand wird interviewt. Er redet über die 60er Jahre und über die APO und die Neue Linke. Dieser Mann auf dem Fernsehschirm kommt mir bekannt vor. Ich kenne dieses Gesicht von früher. Aber wer ist das?
Ich frage die junge Frau neben mir: „Können Sie mir sagen, wer das ist?“
Die Frau schaut mich an, als ob sie sagen wollte: „Sagen Sie bloß, daß sie den nicht kennen!“ Und dann sagt sie: „Das ist Karl Heinz Roth.“
Ich antworte: „Nein, das kann doch nicht Karl Heinz Roth sein. Der sieht doch ganz anders aus.“
Die nächste Station meines Weges ist eine Arztpraxis auf der Düsseldorfer Straße. Ich warte unruhig auf das, was der Arzt mir sagen wird. Hat er eine schlechte Nachricht für mich?
Diese Arztpraxis ist tatsächlich die Praxis von Dr. Karl Heinz Roth. Der frühere SDS-Anführer und angesehene Sozialforscher vom Hamburger Institut für Sozialgeschichte ist ja Arzt, und das ist seine Praxis.
Im Wartezimmer sind viele Leute. Niemand, den ich kenne. Aber es tut sich eigentlich gar nichts. Ich warte schon lange, aber in der ganzen Zeit ist niemand ins Sprechzimmer gerufen worden. Ich stehe auf und gehe auf und ab. Dann, nach langer Zeit, passiert endlich etwas: Die Leute im Wartezimmer werden bewirtet. Es werden belegte Brötchen serviert, dazu Kaffee, wie bei einer Geburtstagsfeier. Es werden auch Torten aufgetragen.
Ich bin nicht in der Stimmung, um gemeinsam mit wildfremden Leuten Kaffee zu trinken und Torten und belegte Brötchen zu verspeisen. Was soll ich hier? Mir reicht’s. Ich gehe.

Ich entferne mich unauffällig

Ich finde mich im Café Ernst auf der Königstraße. Sonst, wenn ich da bin, bevorzuge ich einen Tisch im hinteren Bereich, aber heute sitze ich an einem Tischchen ganz nah am Eingang. Vor mir auf dem Tisch eine Tasse mit Kaffee darin und ein Teller mit einem Stück Kuchen darauf. Es handelt sich um ein Stück Obstkuchen. Kirschen, Stachelbeeren, Ananas, bedeckt mit Schlagsahne. Ich kann mich nicht erinnern, das bestellt zu haben. Kaffee ja. Aber Obstkuchen? Das bestelle ich doch nie. Wieso steht das vor mir auf dem Tisch? Nun gut. Ich habe den Kuchen verzehrt und den Kaffee ausgetrunken und gehe.
Ich beeile mich, zur Straßenbahnhaltstelle zu kommen. Schnell bin ich unter den Leuten, die hier geschäftig herumeilen. Es ist kühl und regnerisch. Es ist ein trüber Nachmittag. Ich steige in die nächste Straßenbahn ein. Die Straßenbahn ist überfüllt, aber ich bekomme einen Sitzplatz. Wenn jetzt einer käme, um die Fahrscheine zu kontrollieren, wäre die Ungemütlichkeit der Situation vollkommen.
Durch das Fenster kann man nichts sehen. Die Scheibe ist beschlagen. Ein trübes, helles Grau verbirgt die trübe, graue Stadt. Einige Tropfen rinnen an dem Glas entlang.
Ich befinde mich in der Straßenbahnlinie 9, die in den Duisburger Süden fährt. An der Haltestelle „Im Schlenk“ steige ich aus. Bald habe ich die Geschäftigkeit der Stadt hinter mir gelassen. Ich gehe die Fasanenstraße entlang, eine Allee mit kleinen Häusern und großen Gärten. Hier ist es auch an trüben Tagen anheimelnd.
Ich will meine Freundin besuchen. Sie ist gar nicht mehr meine Freundin. Sie wollte von mir nichts mehr wissen, von einem Tag auf den anderen. Aber ich sehne mich nach ihr. Ich sehne mich so sehr! Wenn auch andere Frauen in meinem Leben ihr gefolgt sind, hat die Sehnsucht nie nachgelassen. An manchen Tagen, an Tagen wie heute, ist die Sehnsucht unerträglich.
Ich will wenigstens mit ihr sprechen, sie sehen, ihre Stimme hören, ihre schöne Stimme.
Ich betrete das Haus, in dem sie immer noch wohnt. Ein Reihenhaus. Ihr Zimmer ist in der oberen Etage. Ich steige die steile Treppe hinauf und stehe vor ihrer Tür.
Schon oft bin ich hier gewesen, habe vor dieser Tür gestanden, die in die Kammer unserer Verschworenheit und unserer einstigen hemmungslosen Lust führt. Doch immer war die Tür abgeschlossen. Wenn ich die Türklinke nach unten drückte, war es vorbei.
Doch diesmal öffnet sich die Tür, und ich trete ein.
Meine Freundin, so habe ich gehört, ist krank. Nichts Ernstes, nur ein bißchen erkältet. Aber sie hat ein paar Tage lang „das Bett gehütet“. Also ist es ein Krankenbesuch.
Das Zimmer ist voller Menschen! Lauter Männer! Lauter Verehrer! Und meine Freundin, wie Penelope belagert von Freiern, liegt in ihrem Bett und genießt die pluralisierte Aufmerksamkeit. Mein Kommen wird kaum bemerkt. Außer „Ach, hallo!“ sagt sie nichts zu mir. Zu sehr ist sie von der Schar der Verehrer in Anspruch genommen.
Draußen Kälte und hier drinnen viele Menschen – so ist auch hier das Fenster beschlagen. Ein trübes, helles Grau. Das ganze Zimmer ist voll mit Zigarettenrauch.
Ich würde die Gesprächsfetzen, die ich mitkriege, gern überhören. Die Belanglosigkeit der Gespräche, die anscheinend mehr gelten als die Sensation meines Kommens, betrübt mich. Leise verlasse ich das Zimmer und das Haus.
Ich fahre mit der Straßenbahn zurück in die Innenstadt, zur Königstraße. Im Café Ernst steht ja noch ein Kuchenteller und eine Kaffeetasse auf dem Tisch, und ich muß ja noch den Kaffee bezahlen und den Kuchen, den ich nicht bestellt hatte.
Aber als ich das Café betrete, ist der Tisch schon abgeräumt. Ganz andere Leute sind jetzt hier. Ich entferne mich unauffällig.