Würde der Freitag das drucken? oder Tünnes un Schäl gingen übber de Rheinbrück‘

Das war ja nun wirklich ein Fehltritt! Ein kalkulierter? Ich behaupte: Ja. (Glauben Sie es. Oder glauben Sie es nicht).
Das Notat von gestern („Der Witz am Sonntag“) erregte Unwillen, der sogleich bestätigt wurde. Aber nicht in der zur Verfügung gestellten Rubrik („Leave a reply“), sondern im Online-Auftritt der Wochenzeitung Freitag.
Dort äußert sich „Mopperkopp“:

„Tierischer Sexismus
Herrenwitz Das Internet ist eine Fundgrube für alles Mögliche, auch schrägen Humor. Gibt es einen Unterschied zwischen Witzen, gedruckt in Zeitschriften oder offen im Internet?“
Gewiß. Der Unterschied besteht darin, daß die einen in Zeitschriften gedruckt werden, die anderen im Internet offen sind. Aber „Mopperkopp“ ist sich nicht sicher:
„Ich bin mir nicht sicher. Manche Witze, besonders Witze aus dem so beliebten Genderbereich, lesen sich in kleinen gedruckten Zeitschriften anders, als wenn sie für jeden öffentlich im Internet stehen. Ist das so, oder bilde ich es mir nur ein?“
Das wäre nur dann keine Einbildung, wenn man unterstellen würde, daß eine Zeitschrift im Vergleich zum Internet geradezu ein Medium der Geheimhaltung ist. Weiter:
„Zur Verdeutlichung führe ich ein konkretes Beispiel an, entnommen aus dem Blog Amore e rabbia von Helmut Loeven, dem Betreiber der winzigen Buchhandlung Weltbühne und Herausgeber von DER METZGER, Das satirische Magazin.“
Verdienstvollerweise, wenn auch wahrscheinlich nicht mit dem unethischen Motiv des Empfehlens, sondern mit einem anderen, hat „Mopperkopp“ drei Links zu mir hin gelegt. Wieso beschleicht mich das Gefühl, daß der Verfasser meint, es würde gegen die Buchhandlung Weltbühne sprechen, daß sie „winzig“ ist? Woher will der die räumlichen Ausmaße meines Geschäfts kennen? Weiter:
„Da momentan Satire auch im Freitag ein Thema ist, […] man außerdem wohl über ein Satire-Ressort nachdenkt, […]stellte sich mir bei der Lektüre des erwähnten Beispiels, abgesehen vom Niveau (Nivea würde hier auch passen), gleich die Frage:
Ist das Sati(e)re oder Humor und würde der Freitag das drucken?
Ein Mann kommt in das Schlafzimmer seiner Frau. Er trägt ein Schaf auf dem Arm. Er sagt: „Das ist…“
Et cetrera – siehe dort.

Maike Hank (die wenigstens unter einem Namen firmiert) kommentiert den Kommentar:
„Es steht ja schon in der Überschrift, dass es sich um Sexismus handelt.“
Das ist ja mal eine Beweisführung, die immer gelingt. Häng ein Schild dran! Kleb einen Bonbon ans Hemd! Sie kann darum gelingen, weil mit einem Begriff hantiert wird, der alles und nichts bedeutet. Wenn dir was nicht paßt, du aber nicht ausdrücken kannst wieso, dann etikettiere es. Weiter:
„Ich vertrete die These, dass man im sehr kleinen Kreis, wo sich alle kennen und absolut klar ist, wie was aufgefasst und gemeint ist, durchaus mal einen ’schlechten‘ Witz machen kann – dann sollte er aber wenigstens gut sein.“
Das nenne ich Dialektik.
„Verstehe aber, dass auch diese Haltung nicht unproblematisch ist, da man Sexismus etc. auch auf diese Weise reproduziert und sich daran gewöhnt.
(Die Leserschaft einer linken Zeitung ist ganz gewiss nicht solch ein Kreis. Auch nicht die dazugehörige Online-Community.)“
Was man sich doch für Ausreden einfallen läßt, den METZGER nicht zu lesen! Wer die Eingrenzungen intus hat und im SEHR kleinen Kreis sagen darf, was man nicht sagen darf, kann sich auch von etwas distanzieren, was er (resp. sie) nicht kennt, und braucht nicht zu wissen, was diese eine Zeitschrift, die sich gern „links“ nennen läßt, mit anderen „linken“ Zeitschriften gemeinsam hat und was sie von denen unterscheidet. Sie unterscheidet sich, so viel sei verraten, durch meine Abneigung gegen Jargon, Umgangsformen und Konventionen, durch die das linke Milieu sich konstituiert, und durch meinen Unwillen, der dadurch erregt wird, daß in und nach einer Revolution die Revolutionäre den Revolutionswächtern den Platz freimachen müssen (gilt auch für Revolutionen, die gar nicht stattfinden).

Ich bin mir sicher, daß die Kommentatoren beim Studium dessen, worüber sie den Kopf schütteln, nicht so weit vorgedrungen sind, um die Notate zur „allgemeinen Witzkunde“ zu entdecken („Wat is eigentlich dat Komische an einem Witz?“). Nein, das verlinke ich nicht. Sollen sie es selber suchen. (Tun sie nicht).

Wer, wie Maike Hank, den in den 70er Jahren entwickelten Progressiven Alltag (nebst sehr kleinem Kreis) eingeübt hat, kennt sich doch auch mit Ausflüchten aus. Etwa: „Man wollte doch nur mal aufzeigen, wie schrecklich das alles ist.“
Ohne Ausflucht erkläre ich: Dieser Witz mag kein schöner Witz sein. Er kann auch nicht schöner sein als der Zustand, über den er Aufschluß gibt. Aufschluß gibt er über das sexuelle Elend, das uns umgibt. Dieses kommt auch dadurch zum Vorschein, daß – trotz aller Vorsichtsmaßnahmen – sexuelle Kontakte kein sicheres Anzeichen für Sympathie sein müssen („Idiot!“ „Sau!“).
Er stellt (wie ich finde, recht authentisch) die Zerrüttung des Geschlechterverhältnisses dar, an der auch das Milieu, in dem der „Genderbereich beliebt“ ist, mitwirkt.

Foto: Hafenstaedter

..

Das ethische Motiv des Grames (Erster Teil)

Aus der Geschichte der Buchhandlung Weltbühne. Blicken wir zurück auf eine „Affäre“, die vor fünf Jahren für Ärger sorgte. Der in drei Folgen dokumentierte Text erschien in DER METZGER Nr. 81.

„Der Skandal beginnt, wenn die Polizei ihm ein Ende macht.“
Karl Kraus

Die Buchhandlung Weltbühne erhielt Post vom Obergerichtsvollzieher. Dieser war von der Rechtsanwältin Christine Ehrhardt aus Overath bei Köln beauftragt worden, eine Postübergabeurkunde zustellen zu lassen, der ein Schreiben mit Datum 12.12.2007 angehängt war, das mit den Worten „Abmahnung wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung – Sehr geehrter Herr Loeven“ begann. Die Rechtsanwältin teilte mit, sie sei von der Gutenberg Fachbuchhandlung Renner GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Guido Renner, mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt worden. Diese habe „nunmehr feststellen“ müssen, „daß Sie … über die Internetplattform booklooker.de das Buch von Guido Crepax mit dem Titel ,Laterna Magica‘ zum einem Preis von 31 Euro zum Kauf anboten.“ Das genannte Buch sei jedoch von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in die Liste jugendgefährdender Schriften aufgenommen worden (bekanntgegeben im Bundesanzeiger am 30.3.1983, also knapp 25 Jahre vorher). Der Verkauf jugendgefährdender Medien (worunter unhinterfragt solche Medien verstanden werden, die von der Bundesprüfstelle als solche indiziert wurden) über das Internet sei nach dem Jugendschutzgesetz verboten und strafbar, wurde dem Inhaber der Buchhandlung Weltbühne mitgeteilt, und auch, was der Sinn dieses Gesetzes sei: „Kinder und Jugendliche vor dem negativen Einfluß von pornographischen, verrohenden und gewaltverherrlichenden Medien zu schützen“ und zu verhindern, „daß Kinder und Jugendliche durch Darstellung oder Schilderung in Medien, die ein verfälschtes Bild dessen, was der Normalität im Umgang zwischen jungen Menschen und Erwachsenen entspricht, und über die Grenzen des Selbstbestimmungsrechtes der Kinder und Jugendlichen täuschen, verunsichert und … beeinträchtigt werden, sich gegenüber Übergriffen von Erwachsenen zu wehren (Stichwort Kinderpornographie).“ Gemeint ist wohl: „sich gegen Übergriffe zu wehren“.

Auf ein paar Seiten in DER METZGER 81 und auf der Titelseite (Abb.) wurden Bildzitate aus „Laterna Magica“ zur Besichtigung freigegeben.

Durch das Angebot der Buchhandlung Weltbühne fühlte sich die Mandantin der Rechtsanwältin „als Mitbewerberin“ beeinträchtigt, wodurch diese zur Abmahnung und zur Inanspruchnahme von Schadenersatz berechtigt sei. Die Rechtsanwältin forderte den Inhaber der Buchhandlung Weltbühne auf, bis zum 28.12.2007 eine Unterlassungserklärung abzugeben, in der er sich verpflichten sollte, „bei Übernahme einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung … fälligen Vertragsstrafe in Höhe von 5.100 Euro zu unterlassen, Schriften und andere Schriften gleichstehende Darstellungen, die … in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen … worden sind, öffentlich in Medien – insbesondere im Internet – zum Kauf anzubieten“. Anderenfalls würde sie bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen, woraus sich – so rechnete sie vor – bei einem Streitwert von 15.000 Euro Gerichts- und Anwaltskosten von 4.141,30 Euro ergeben würden.


Man könnte glatt den Eindruck haben, die Rechtsanwältin Christine Ehrhardt aus Overath bei Köln gehöre zu jenen Winkeladvokaten, die en masse Geschäfts- und Privatleute per Abmahnung abzocken und mit erheblicher krimineller Energie die Schlafmützigkeit deutscher Gerichte ausnutzen, welche sich zu deren Begünstigern machen, indem sie derlei Verfügungen routinemäßig durchwinken. Doch „nicht um ein Geschäft zu machen, sondern aus dem ethischen Motiv des Grames“ (Karl Kraus) zu handeln gibt sich die Rechtsanwältin Christine Ehrhardt aus Overath bei Köln zu verstehen, die nicht nur die Interessen ihrer durch das Angebot der Buchhandlung Weltbühne arg ins Hintertreffen geratenen Mandantin wahrt, sondern auch die Unschuld der Kinder im Auge hat. Dennoch wollte und konnte der Inhaber der Buchhandlung Weltbühne ihren Gram nicht mindern. Er gab die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab. Mit Schreiben vom 14.12.2007 antwortete er: „Ich weise Ihre Abmahnung – sowie sämtliche daraus resultierenden Forderungen – als unberechtigt zurück. Wie ich herausfinden konnte, haben Sie für Ihre Mandantin innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl gleichartiger Abmahnungen verschickt. Schon dies allein ist ein Indiz dafür, daß die Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist (vgl. LG Bielefeld, Az. 15 O 53/06). Darüber hinaus war die Einschaltung eines Rechtsanwaltes für eine Vielzahl von Abmahnungen ohnehin nicht erforderlich (vgl. OLG Düsseldorf 20 U 194/00). Schließlich ist bislang nicht ersichtlich, daß Ihre Mandantin als Buchhändlerin überhaupt im einschlägigen Markt tätig geworden ist. Ich bestreite daher die Aktivlegitimation Ihrer Mandantin. Ein möglicher Verstoß gegen das JuSchG wäre hier wettbewerbsrechtlich ohnehin so unbedeutend, daß die Abmahnung schon allein aus diesem Grund nicht gerechtfertigt ist. Darüber hinaus dürfte der angesetzte Streitwert deutlich überzogen sein.“ Er folgte damit dem Rat des Rechtsanwalts Christian Solmecke aus Köln, der von der Firma Booklooker eingeschaltet worden war.
(Fortsetzung folgt).

Edith und ich und die Jungens und die Mädchens

Ich weiß nicht, wie das heute ist. Früher war das jedenfalls so: Wer noch nicht volljährig war, durfte trotzdem schon heiraten, Jungens schon mit 18, Mädchens schon mit 16 Jahren. Volljährig wurde man erst mit 21. Wenn so eine minderjährige Person heiraten wollte, mußte das Vormunschaftsgericht zustimmen.
Die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend galten nicht für verheiratete Minderjährige. Die 16jährigen Mädchen durften all die Filme ab 18 sehen und die indizierten Bücher lesen. Das war doch wohl ein Grund zu heiraten!
„Was meinst du wohl, warum ich dich geheiratet habe? Damit ich endlich die Geschichte der O lesen kann.“ – „Aber dann hättest du doch auch in der Buchhandlung sagen können, daß du schon 21 bist.“ – „Quatsch nicht! Und zieh bloß keine falschen Schlüsse aus dem Thema meiner Lektüre!“ Ehealltag 1967.
In der zweiten Kommune, in der ich lebte, war kaum jemand volljährig, und keiner verheiratet. Wir haben und wurden ständig mißbraucht (würde man heute sagen). Was es da noch alles zu enthüllen und anzuprangern gibt!
Als 1969 der Bundestag gewählt wurde, durfte ich noch nicht wählen. Ich war 19. Ich hätte ADF gewählt. Kennen Sie nicht? Das war die DFU, nannte sich aber plötzlich ADF.
Als ich 21 und volljährig wurde, hatte ich Dienst: Zivildienst im Marienhospital in Herne. Die Schwester Oberin hat mir gratuliert. Aber erst, nachdem Schwester Edith ihr gesagt hatte, daß ich Geburtstag hatte. Schwester Edith wollte nämlich immer schon mal der Schwester Oberin ein‘n reinwürgen.
Wir haben das so hingekriegt, daß Schwester Edith den Wochenenddienst mit mir zusammen machte. Wir waren bestens miteinander eingespielt. Wir konnten ein Bett komplett neu beziehen in acht Sekunden.
Schwester Edith war von aparter Attraktivität: schlank und aufrecht und flink. Sie ähnelte der Tennisspielerin Chris Evert (falls Sie die kennen. Aber gucken Sie jetzt nicht bei Wikipedia nach. Auf dem Bild sieht sie sich gar nicht ähnlich).

Nein, das ist nicht Schwester Edith. Das ist Edith Cadivec.

Sie blätterte grinsend und kopfschüttelnd in den St-Pauli-Nachrichten, die damals überall herumlagen. Mit quietschvergnügter Mißbilligung lästerte sie über die „Jugend von heute“, hielt Miniröcke, Blue Jeans (bei Mädchens), lange Haare (bei Jungens), die laute Musik und das alles für „neumodischen Firlefanz“, vergnügte sich gleichwohl am Betrachten von Jungens mit langen Haaren und Mädchens in engen Jeans. In ihren Reden über die jungen Mädchens („die jungen Dinger“) ließ sie eine Affinität mit ihrer Namensvetterin Edith Cadivec erkennen („Allen höheren Töchtern sollte man einmal in der Woche den Hintern versohlen!“).

Ediths Rezept für eine bessere Welt: „Allen höheren Töchtern einmal in der Woche …“

Es gibt Bischöfe und Erzbischöfe. Es gibt Frachter und Erzfrachter. Es gibt Konservative und Erzkonservative. Schwester Edith war erzkonservativ. Eine Preußin. Deutschnational bis ins Mark. Da ließ sie nichts im Unklaren.
Die Regierung verachtete sie. Denn die Regierung hatte Ostpreußen dem Iwan geschenkt.
Den Iwan aber fand sie gut. Weil in Rußland ein autoritäres Regime herrschte, und nicht so ein pflaumenweicher Liberalismus wie bei uns.
Die antiautoritären Studenten aber fand sie wiederum gut. Weil das „ganze Kerle“ waren, die es „denen da oben“ mal so richtig zeigten. Die erzkonservative Preußin schwärmte für Rudi Dutschke.
Mich nahm sie in dieser Hinsicht aber gar nicht ernst. Wenn ich mal was Linkes und Antiautoritäres sagte, meinte sie: „Ich lach‘ mich schief!“
Aber sie hatte großen Respekt vor mir, weil ich Kriegsdienstverweigerer war. Verweigern – das wäre überhaupt das einzig Vernünftige. Denn: Die Bundeswehr – das wäre ja sowieso gar keine richtige Armee!

Das sexuelle Elend

Wenn das Ficken städtisch verwaltet wird, dann ist alles aus. (Möchte man sagen).
Der mit einem Filzstift (er würde vielleicht sagen: Fickstift) ausgestattete Waldbesucher hat wohl kaum eine Vorstellung davon, was in einer städtischen Dienststelle, die das Ficken verwaltet, vonstatten gehen würde. Vom Ficken selbst hat er genauso wenig eine Vorstellung, so daß der Unterschied zwischen Ficken und nicht Ficken bedeutungslos ist für den, der den Filzstift zum Fickstift macht und die Forstverwaltung zur Fickverwaltung umwidmet. Aufschluß gibt seine Mitteilung allerdings über das Ausmaß des sexuellen Elends, das uns umgibt.
Ich unterstelle, daß bei dem Mitteilenden das Ficken, sollte es denn mal stattfinden, dieselbe Art des Empfindens hinterläßt wie die, wenn er seine Botschaft auf einem Hinweisschild im Naherholungsgebiet (hier: Sechs-Seen-Platte) anbringt: Druck, laß nach!. Der fickt so wie er frißt und säuft: Ohne Lust.
Der Mensch hat im Umgang mit den elementaren Bedürfnissen die elementaren Künste geschaffen.
Der menschliche Geist hat sich mit der puren Triebabfuhr nicht zufriedengeben wollen. So stellte er das Bewußtsein, die Reflexion und die Phantasie über den Instikt und den Genuß über die besinnungslose Triebbefriedigung. Der menschliche Geist will sich vom Trieb nicht beherrschen lassen. Er versucht, den Trieb zu beherrschen. Die Fähigkeit zum Genuß setzt die Fähigkeit zum vorläufigen Triebverzicht voraus.
Der Geschlechtstrieb hat am stärksten die gestalterische Phantasie herausgefordert, Lust zu verzögern, zu steigern, zu verlängern und zu differenzieren, so daß die menschliche Sexualität sich vom Fortpflanzungstrieb loslöste. Die Phänomene der Erotik sind die vielfältigsten, ihre Umwege die weitesten.
Zugleich werden ihr die größten Hindernisse in den Weg gelegt. Noch keiner Gesellschaft ist es gelungen, mit dem Eros Einklang zu finden. Die menschliche Sexualität wird im Elend steckenbleiben, wenn sie aus der Intimität herausgerissen und aus der Öffentlichkeit verbannt wird.
Und darum verstehen Sie jetzt auch, daß man mir kaum eine größeres Kompliment machen kann als mich der Pornographie zu bezichtigen!

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung spottet

„Schön, daß das Thema jetzt wieder in den Schlagzeilen ist… Unterhaltung auf niedrigem Niveau hat bei uns schließlich traditionell starke Quoten.“ Worüber spottet die Kommentatorin in der WAZ? „Frau Schröder und Frau Schwarzer streiten sich über Emanzipation. Und Schluß. Eigentlich ist das doch schon Glosse genug.“
Contra Kristina Schröder: „Wenn die Ministerin sich nun gegen Frauenquoten wendet, ist das nicht eigentlich unglaublich dumm? … Man sollte doch nicht den Ast absägen, auf dem man sitzt.“
Contra Alice Schwarzer: „Wer hätte das gedacht, daß Alice Schwarzer sich noch mal mit so einer Diskussion abgibt – die hat doch wahrlich genug anderes zu tun. Der Kachelmann-Prozeß, die ganzen Spiel-Shows. Und jetzt wieder Frauenrechte? Das ist ja fast so, als würde Rosi Mittermaier wieder auf die Skier steigen.“
Das kann man so nicht sagen. Rosi Mittermaier, immerhin, konnte was.

Nicht nur die WAZ, auch die Rote Fahne der MüllPD ist auf Alice Schwarzer nicht mehr gut zu sprechen: „Als Alice Schwarzer in den 1970er Jahren mit vielen anderen Frauen zusammen gegen den §218 mobil machte, Pornographie … anprangerte, da wurde sie von den reaktionären Geistern dieser Republik noch übel beschimpft. Dagegen solidarisierten wir uns mit ihr. Sie selbst aber führte sich mit zunehmender Penetranz als Oberlehrerin sämtlicher Frauen auf, erklärte den ‚Geschlechterkrieg‘ zum einzig wesentlichen Widerspruch in der Gesellschaft und fand dafür zunehmende“ (schon wieder: „zunehmend“!) „Anerkennung – nur immer weniger bei kämpferischen Frauen – dafür aber bei den Herrschenden. Ein auf diese Weise zahnlos gewordener, von anderen sozialen Bewegungen … abgesonderter Feminismus ließ sich hervorragend ins gesellschaftliche System integrieren.“
Die merken aber auch alles! Aber Erkenntnisse, die reichlich spät kommen, kommen zu spät, wenn man nicht merkt, daß sie reichlich spät kommen. Andere haben jedenfalls erkannt, daß sie der Frau Schwarzer früher mal auf den Leim gegangen sind, daß die zunehmende Oberlehrerin nie etwas anders war als die Selbstdarstellerin in eigener Sache, ein Klischee, und immer schon reaktionär (DER METZGER 28, 29, 30 – 1978/79). Das könnte man wissen (wenn man nur die richtigen Zeitungen lesen würde). Für ihr „Anprangern der Pornographie“ wurde sie keineswegs von irgendwelchen Geistern (reaktionären solchen) „beschimpft“, sondern von Künstlerinnen und Publizistinnen kritisiert (siehe DER METZGER 41).
Kristina Schröder, derzeit Ministerin, wurde mit 12 Jahren bei der Jungen Union vorstellig, weil sie für Helmut Kohl schwärmte. Hatte die sie noch alle auf dem Kastenmänneken? Bei der hat man den Eindruck, daß die zwölfjährig geblieben ist. Das ist doch gar nicht so unemmamäßig! Wie sagte einst Katharina Rutschky: „Alle Emmas treffen sich an einem Ort, wo sie ewig zwölf Jahre alt sind.“
Die Aufgeregtheit der Frau Schwarzer über die 12jährige des Kabinetts reizt zum Mißtrauen. Hat Alice Schwarzer nicht einst die Kanzlerschaft von Frau Merkel als den „wahren Systemwechsel“ gefeiert?

DER METZGER wird 100: Der schönste Arsch der Welt

Ein weiterer Auszug aus „‚Über sowas könnte ich mich kaputtlachen.‘ 33 1/3 Fragen an den METZGER-Herausgeber Helmut Loeven, ersonnen von A.S.H. Pelikan und Heinrich Hafenstaedter“ in DER METZGER Nr. 100 (Mai 2012):

Pelikan: Ist DER METZGER ein Sex-Blatt?

Ja selbstverständlich!

Pelikan: Hattest du eine Leserreaktion zu dem Thema?

Ich erinnere mich: Ich begegnete mal, das war 1972, auf dem Bahnhofsvorplatz dem Herrn Walter Schabronat. Das war ein Zufall, da war irgendwas los, irgendsoeine Zusammenkunft oder irgendsoeine Kundgebung. Ich ging da entlang, und da traf ich den Herrn Schabronat, seines Zeichens Kriminalhauptkommissar, für das politische Ressort zuständig. Es verband sich zwischen ihm und den Leuten, die er beobachtete, so eine Haßliebe. Ich wußte damals noch nicht, daß er außerdem noch tätig war als Kundschafter der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik. Und der sagte mir: Na, Herr Loeven, Sie haben aus Ihrer Zeitung ja jetzt so eine Sankt-Pauli-Zeitung gemacht. Da war gerade die Nummer 18 erschienen, vielleicht sollte man die sich mal angucken, was ist denn da so Sankt-Paulihaftes dabei?
Viele Jahre später erschien mal jemand bei mir in der Buchhandlung, der war Mitarbeiter von „Who is who“, diesem Prominentenlexikon, und gab mir einen Fragebogen. Er sagte, es wäre ein Vorschlag gewesen, ich sollte in das „Who is who“ als Prominenter hinein. Ich habe den Fragebogen allerdings nie abgeschickt. Da war auch eine Rubrik: Hobby. Da hab ich überlegt: was schreibe ich denn unter Hobby. Da wollte ich reinschreiben: das Fotografieren nackter Frauen.

Das Original: Stefanie H. (in der Buchhandlung Weltbühne)

Ich habe zum Beispiel gern Fotografien gedruckt von der 18jährigen Stefanie H., die in mehreren Ausgaben unbekleidet zu bewundern ist in meiner Zeitung. Und daraufhin bekam ich erheblichen Ärger mit der Mitarbeiterin Erika B., die ja, wie bereits erwähnt, eine Zeitlang in der Emma-Redaktion gearbeitet hatte.

Das andere Original: Erika B. (selbstporträtiert)

Die fand das nicht gut, und zwar, daß nicht SIE da abgebildet worden ist. Ich hab ihr gesagt: Ja, meinegüte! Du warst doch schon öfter nackig in meiner Zeitung. Aber: „Egal! Eine andere hat da gar nichts zu suchen“, meinte sie, „wieso nimmst du da eine andere?“ SIE hätte doch den schönsten Arsch der Welt! Was ich ihr dann auch bestätigt habe. Das habe ich allerdings auch anderen gesagt. Sie schickte mir daraufhin eine Zeichnung, ein Selbstporträt von sich, eine Aktzeichnung, und sie schrieb darunter: Das ist gute alte linke Publizistik. Sie sprach darauf an, daß es früher in linken Blättern wohl üblich war, daß da auch Sex-Fotos erschienen sind, und das wäre eben eine gute Tradition, die leider verlorengegangen sei und nur noch in einer einzigen linken Zeitschrift weitergeführt wird.

Konkret entschuldigt sich ja alle Vierteljahre für ihre pornografische Vergangenheit.

Erika als Covergirl

Ein kluger Mann hat mal gesagt (ich zitiere aus einer unveröffentlichten Rede):
„Ich stehe dafür ein, die Sexualität von Doppelmoral, Angst, Sünde und Schulgefühlen zu befreien, das Schuldprinzip durch das Lustprinzip zu ersetzen, der Sexualität einen Raum in der Öffentlichkeit zu reklamieren, für die Sexualität einen Raum auch außerhalb fester Partnerbeziehungen zu reklamieren. Befreiung der Sexualität ist gleichbedeutend mit Reflexion und Ästhetisierung… Der Angriff auf die von Schulgefühlen und Tabus beladene bürgerliche Sexualmoral ist eine der besten Traditionen der Linken. Diese Tradition wurde verraten, oder besser gesagt: schlichtweg vergessen. Die Linke kriecht der Frauenbewegung hinterher oder hastet ihr mit vorauseilendem Gehorsam voraus, und merkt nicht, daß die Frauenbewegung an den tradierten weiblichen sexuellen Konservatismus appelliert.“
Der kluge Mann war ich.

„Der schönste Arsch der Welt“

Ein anderer kluger Mann hat mir einen Brief geschrieben: Ich sollte nicht solche Theorien verbreiten. Ich sollte das einfach machen, weil es schön ist und weil es geil ist.
Hat er recht oder hat er Unrecht? Ich finde, er hat recht. Aber so wie ich das mache ist auch richtig. Nämlich indem ich sage: indem ich mich auf die Debattenebene begebe, stecke ich euch auch alle in die Tasche.
Die Magda hat mal eine Zeitlang immer wieder den Satz gesprochen, wenn wir mal wieder zu tun hatten mit linkem Dogmatismus, mit wahnhaft gesteigerter Vernageltheit des Feminismus oder mit der Selbstsicherheit der Ignoranten: „Da hilft nur noch eine pornografische Offensive.“ Wo man mit Argumenten, Informationen und Fakten überhaupt nichts mehr ausrichten kann, da muß man reizen. Da bleibt einem gar nichts anderes übrig. Und das ist immer noch wirksam. Man möchte ja die einen erfreuen und die anderen schockieren. Und dazu bedarf es nur einer einzigen Strategie.
Von Obelix (Ripperger) stammt der Satz: „Politik ist wichtig, muß aber auch Spaß machen.“ Und ich sage: „Pornografie ist wichtig, muß aber auch schön sein“.

Das ganze Gespräch ist auf Papier nachzulesen in DER METZGER Nr. 100,
und im Netz bei Gasolin Connection.
Ein Abonnement von DER METZGER kostet 30 Euro für die nächsten 10 Ausgaben oder 50 Euro für alle zukünftigen Ausgaben.
Die Ausgaben ab Nr. 18 (1972) sind noch erhältlich. Die Ausgaben Nr. 1-17 (1968-1972) sind vergriffen.

Das P.-Wort

E-mail von einer Freundin:
„Lieber Helmut, eben habe ich Deine Nachricht vom 20. Juni aus dem Junk-Mail-Ordner gefischt. Ich denke, dass Outlook Deinen Betreff als pornografisch identifiziert und daher zum Junk erklärt hat. Und ich gucke nur sehr selten in diesen Ordner. Tut mir leid, dass ich daher erst heute antworte.
Beste Grüße
Anne“
Der Betreff lautete wie der Titel dieses Weblogs: „Amore e rabbia“.
„Liebe und Zorn“ als „P.“!
„Na, das ist ja klassisch!“ (würde Hans Moser dazu sagen).
Man kann mir allerdings kaum ein größeres Kompliment machen als mich der Pornographie zu bezichtigen!