Noch ein Idiot der Musik

Warum sendet WDR zwei in letzter Zeit so viel schlechte Musik – in Zeiten, in denen mehr auf dem Spiel steht als der gute Geschmack?

Ich nenne ein Beispiel.
Da singt so ein Vollidiot mit unangenehm klingender Säuferstimme etwa 450 mal am Tag:
„Was für eine Nacht! Bin mit ‘nem Schädel aufgewacht, gieß den Kaffee wie in Zeitlupe ins Glas. […] Äh da müßte Musik sein.“

Äh! Ömmes! Äh! Willze wat?
Wieso wundert der sich, daß er „mit ‘nem Schädel“ aufgewacht ist? Was hat der denn erwartet? Sanson était ici, was? Trottel!
Und Kaffee trinkt man doch nicht aus dem Glas.
Sondern aus der Vase.

Amoklauf der Moral

Polanski2015Da die (sich unschuldig vorkommende) „Verfolgende Unschuld“ kein Maß hält (weder zeitlich, noch, wie man sieht, territorial), wollen auch wir uns gern wiederholen.
Dieser dreiseitige Doppel-Kommentar erschien in DER METZGER 87 (2009). Es geht darin vor allem darum, daß diese Affäre, an der nur die Lachhaftigkeit ihrer Vorantreiber zum Lachen ist, auch in unserem Kulturkreis (Kulturkreis) von Hinterherläufern geschätzt wird, die was ins Trockene bringen wollen:
M87SittUKrimFaksimOhne Lupe kann man ihn lesen, Wenn man das Wort „Klick“ anklickt: KLICK!

Über Schwarzgrün (live)

Einige Passagen meiner Lesung in der Zeche Carl in Essen am 31. August wurden gefilmt. Heute zeige ich Euch: „Radio ausgemacht“.

Ton- und Bildaufzeichnung: Hafenstaedter.

Fortsetzung folgt.

Die geheimnisvolle Aldi-Kassiererin

Wer verrät mir das Geheimnis der geheimnisvollen Aldi-Kassiererin? Die ist mir aufgefallen, weil sie immer besonders freundlich zu mir ist.
An einem Samstagnachmittag schob ich meinen noch leeren Einkaufswagen in den Laden hinein. Sie stand im Eingangsbereich und schaute mich fröhlich und zugleich erstaunt an: „Sie kommen aber heute schon früh. Sonst kommen Sie doch immer erst später.“
Das ist doch ungewöhnlich, daß sie registriert, zu welcher Tageszeit ich für gewöhnlich einkaufe, zumal die sich darauf doch gar nicht einzurichten braucht. Seither registriere ich sie nicht mehr bloß als eine nette, hübsche junge Frau, als eine sympathische Aldi-Kassiererin, sondern als eine, die mich anscheinend kennt. Bloß woher? Muß ich die kennen? Wohnt die in der Nachbarschaft? Wohnt die vielleicht bloß ein Haus weiter? War die schon mal bei mir in der Buchhandlung? Nein, das wäre mir unvergeßlich.
Sie ist schlank, etwas kleiner als ich, hat streng zurückgestecktes Haar und einen buschigen Pferdeschwanz. Ich finde sie hübsch. Aber, verdammt nochmal, wer ist das?
AldiSternbuschwegOder bilde ich mir bloß was ein? Gewiß, es gibt junge Frauen, die was für ältere Herren übrig haben (ich weiß das). Aber ich bin doch nicht der einzige juvenile Sechziger, der hier durch den Laden zu rauschen pflegt. Ist das die Tochter von jemandem, den ich kenne? (Hoffentlich liest die das jetzt nicht. Dann denkt die vielleicht: Meingott, weiß der Trottel denn wirklich nicht, wer ich bin).
Nein, ich bilde mir das nicht bloß ein. Ich stellte mich an der Kasse an, wo sie kassierte. Sie sah mich und strahlte mich an, winkte mir zu. Vor mir standen sechs oder sieben Leute. Denen hat sie nicht von Ferne zugewunken. Ich hab ihr auf den Busen geschaut und so erfahren, wie sie heißt (da hing ein Schildchen). Der Name sagt mir nichts. Ihren Vornamen erfuhr ich, als ihre Kolleginnen mit ihr sprachen.
Sie ging festen Schrittes durch den Laden, an mir vorbei, und grüßte mich freundlich: „Hallo!“ Sie ist an zwanzig anderen vorbeigeschritten, aber nur mich hat sie gegrüßt.
Sie ist mir aufgefallen, weil sie dem Filialleiter etwas zurief. Es klang wie ein Tadel – wegen irgendeiner nicht vorhandenen Ware, und der Filialleiter rechtfertigte sich ein wenig kleinlaut vor ihr. Ist das die Tochter von Herrn Aldi? Eine gute Partie. Jedenfalls ist sie couragiert. Das liebe ich bei Frauen.
Mir fällt ein: Als in der WAZ ein größerer Artikel über mich stand und ich bald darauf vom WDR-Fernsehen interviewt wurde, wurde ich noch monatelang von wildfremden Menschen darauf angesprochen (meistens bei Aldi): „Ich hab Sie in der Zeitung gesehen.“ „Ich hab Sie im Fernsehen gesehen.“ Vielleicht darum? Bin ich ein Neudorf-Patron, der die Aldi-Filiale am Sternbuschweg beehrt?
Ich stellte mich immer an der Kasse an, wo sie kassierte. Aber einmal hauchte die Stimme aus dem Lautsprecher: „Liiebe Kunden, Kasse zwaaii schliießt. Bitte niicht mehr auflegen.“ Die wollen uns auseinanderbringen.
Doch meistens war ich schnell genug bei ihr. Sie gab mir das Wechselgeld und den Kassenbon, schaute mich an, sagte sehr betont: „Und einen schönen Tag noch!“ und kniff mir ein Äugsken. Mädchen, sag mir endlich, wer du bist!
Sie räumte flink Waren ins Regal. Ich blieb stehen und schaute ihr dabei zu, die ganze Zeit. Sie merkte das und schmunzelte vor sich hin. Einen schönen Popo hat sie auch. (Hoffentlich liest die das jetzt).
Jetzt habe ich gehört, wie eine Kassiererin zu einer anderen sagte: „Die Nadine ist auch nicht mehr hier. Die ist jetzt in der Filiale in Meiderich.“
Irgendjemand muß der vorgelogen haben, ich wäre nach Meiderich umgezogen.

Bundestagswahl: Daß ich das noch erleben durfte!

Schon lange nicht mehr so gefreut (im Kontext mit politischen Großereignissen)!
Daß die CDU gewinnt, ist nie erfreulich. Aber damit war zu rechnen, man war innerlich drauf vorbereitet.
Daß die Linkspartei Anteile eingebüßt hat, ist auch nicht schön (aber immerhin liegt sie noch vor den Grünen).
Aber: DIE FDP IST DRAUSSEN!
Das tröstet über alles hinweg.
Diese Herolde des Egoismus und der Rücksichtslosigkeit, die sich vor vier Jahren an ihrem Zynismus berauschten!
Vor einer Woche mußten sie in Bayern ihr Menetekel erleiden. Wie sie zuletzt um Zweitstimmen bettelten! Von den Stimmenverleihern lebten sie all die Jahre. Aber dies offen auszusprechen war erbärmlich.
Der WDR hat Stimmungen eingesammelt.
Eine Wählerin: Den Westerwelle hätte sie gewählt. Den Rösler wählt sie nicht. Da liegt man doch auf dem Boden vor Lachen.
Manche sind auch sauer auf die FDP, weil sie sich von ihr mehr Ungerechtigkeit versprochen hatten. Eine Nicht-mehr-FDP-Wählerin: Die FDP hätte „Vereinfachung der Steuern“ versprochen und ihr Versprechen nicht gehalten. Gut so! Man soll keinen Idioten daran hindern, aus den falschen Gründen das Richtige zu tun.

Andere haben das elitäre Geschwätz auch ganz gut drauf. Das zeigt der überraschende Erfolg der AfD. Für fünf Prozent hat’s nicht gereicht. Es hat nochmal gutgegangen.

Auch wenn die Fünf-Prozent-Sperrklausel in diesem Fall sich mal erfreulich auswirkte, bleibt sie ein fragwürdiges Instrument. Unerfreulich wirkte sie sich in diesem Fall für die aus, zu deren Gunsten sie eigentlich da sein soll. Angeblich dient sie dazu, die Bildung von regierungsfähigen Mehrheiten zu ermöglichen. Das Gegenteil ist eingetreten. Gäbe es die Sperrklausel nicht, hätte das bürgerliche Lager die Mehrheit, die sie jetzt nicht hat.
30 Prozent der Wahlberechtigten haben nicht gewählt. 16 Prozent der Wähler sind durch die Fünf-Prozent-Klausel von der Mandatsvergabe ausgeschlossen. Die Abgeordneten zum Deutschen Bundestag repräsentieren nur noch 84 Prozent der Wähler und nicht mal mehr 60 Prozent der Wahlberechtigten.

Daß der bescheidene Zugewinn der SPD mit dem Verlust der Grünen verrechnet werden muß, war klar. Der Höhenflug der Grünen ist vorbei. Die Wähler werden kühn, wenn nicht gewählt wird. Wenn gewählt wird, werden sie wieder brav.

„Rotrotgrün“ wird nicht kommen. Gut! Es ist gut, wenn die Linkspartei von anderen daran gehindert wird, in die Regierungsfalle zu gehen.
SPD-Manager Heil wurde heute im Radio zitiert: Die Linken seien in der Sicherheits- und Bündnispolitik unzuverlässig. Wie wahr! Giftgasexporte nach Syrien ließen sich mit der Linkspartei nicht machen. (Das wollte er wohl damit sagen).

Samstag hör ich Radio

Samstags abends, wenn ich zu Hause bin, höre ich Radio (und an den meisten Samstagabenden bin ich zu Hause). Auf WDR 2 läuft dann von 19 bis 22 Uhr „Yesterday“ mit Roger Handt. Da wird dann Musik der 90er, 80er, 70er und 60er Jahre gespielt, nicht unbedingt die allerallerbeste, aber auch nicht die schlechteste, eben das, was „populär“ war, also Radiomusik, die einen beim Arbeiten nicht stört. Es gibt auch ein „Yesterday Quiz“ mit Kandidaten am Telefon. Etwa: Wer hat dieses Buch geschrieben? Wer hat die Hauptrolle in dem Film gespielt? Wer hat das Tor geschossen?
Das ist nicht die Sendung, die man unbedingt nicht verpassen darf. Aber sie ist eine nette Angewohnheit. Es erinnert mich an die Samstagabende, die ich mit Magda zu Hause verbrachte. Das Radio lief sowieso, und um 19 Uhr kam „Yesterday“ mit Roger Handt. Magda (als Kind ohne Fernsehen aufgewachsen) liebte das Radio. Sie hörte sogar am Samstagnachmittag die Fußballübertragungen, obwohl sie sich gar nicht für Fußball interessierte. Aber es war eben: Radio.
Jetzt Samstag, am 30. März, kommt „Yesterday“ zum letzten Mal. Moderator Roger Handt geht in Rente, und mit dem Moderator verschwindet auch die ganze Sendung. Das ist kein Verlust, den man nicht verschmerzen kann, aber ein bißchen schade ist es doch.
An einem der vielen Samstagabende bescherte uns die Sendung eine Überraschung, als nämlich meine Freundin Erika als Quizkandidatin sich hören ließ. Die wurde natürlich gefragt, wer sie ist und was sie so macht.

Erika: „Ich zeichne und male.“ (Das kann sie wirklich! Sie ist eine ausgereifte Künstlerin!) „Und ich schreibe.“
Roger Handt: „Was schreiben Sie denn?“
Erika: „Erotische Miniaturen.“
Roger Handt: „Kann man die auch lesen?“
Erika: „Ja, die werden auch veröffentlicht, in einer kleinen Zeitschrift, die heißt Der Metzger.“
Roger Handt: „Wie heißt die Zeitschrift?? Der Metzger???“

Wir haben uns kaputtgelacht.
Am Montag danach rief Erika mich an.

„Du kennst doch bestimmt die Sendung im WDR ‚Yesterday‘. Letzten Samatag…“
„Ja. Ich hab das gehört.“
„Du hast das gehört?“
„Ja. Und wir mußten noch schnell in den Buchladen rennen, um ein paar Hefte ins Schaufenster zu legen.“

E.B. fotografiert von H.L. im Büro

E.B. fotografiert von H.L. im Büro

„Erotische Miniaturen“: Erika wollte unbedingt, daß ihre Geschichte „Wat kochse denn da oder Vier Tomaten.“ (DER METZGER 52) mit diesem Bild von ihr illustriert wird: „Ein Popo, auf den man gerne draufhaut.“

HofgartenHLErotische Miniatur: Bonn, Hofgarten 1998. H.L. liest interessiert in Maud Sacquard de Belleroche „Geständnisse – Memoiren einer Frau von 40 Jahren“. Foto: E.B.

HofgartenEBErotische Miniatur: Bonn, Hofgarten 1998: E.B. liest vergnügt in Golo Jacobsen „Memoiren eines Apfelessers“. Foto: H.L.