Alice Schwarzer und die deutsche Sprache – eine auf Gegenseitigkeit beruhende Abneigung!
In der März-April-Ausgabe 2010 von Emma hat die Anführerin der deutschen Damenbewegung geschrieben: „Jedes der sieben Kinder hat eierförmig seinen Fotokopf ausgeschnitten und aufgeklebt – damit Muttern nicht vergisst, wie sie aussehen.“ Damit wem nicht vergißt?
Sie verwendet eine antiquierte Form des Dativ, wie es zu Zeiten von Goethen und Schillern üblich war. Sie will wohl ihrem Text eine Farbe geben. Hemdsärmeligkeit kann man das schlecht nennen, eher ist so eine Art Küchenschürzigkeit beabsichtigt. „Muttern“ – das klingt irgendwie nach „Berliner Schnauze“, jovial und anbiedernd. Allerdings, das sollte sie wissen, steht das Subjekt eines Satzes im Nominativ.
Es scheint ein März-April-Phänomen zu sein; Emma-Ausgabe März-April 1993: „Fortan hielt der Liebling den Mund und hörte zu – zumindest solange Muttern lebte.“ Solange wem lebte?
Geärgert hat sie sich in Emma März/April 2006, weil ein jugendliches Liebespaar nicht bei ihr angefragt hatte, ab welchem Alter sexuelle Aktivität statthaft sei und eine „Muttern“ noch Beihilfe leistete: „Die Geschichte ihrer tollen Nachbarin …, deren 15-jähriger Sohn ein Verhältnis mit einer 13-Jährigen hat, und dem Muttern immer fürsorglich Kondome besorgt.“
Dem wem Kondome besorgt?
Wenn sie sich ärgert, wird sie kathoolsch. Hier liest man ja nicht zum ersten Mal davon, daß Fürsorglichkeit in Gestalt von Kondomen einer Moral widerspricht, die ein Übel – sei es die Ausbreitung von Aids, sei es die unerwünschte Schwangerschaft einer 13jährigen – lieber in Kauf nimmt als dessen „unmoralische“ Verhütung. Die unerwünschte Schwangerschaft einer 13jährigen soll eher hingenommen werden als deren Verhütung mit „unmoralischen“ Mitteln, weil nicht sein darf was nicht sein darf.
Die „Journalistin aus Leidenschaft“ glaubt leider, daß Leidenschaft die Fertigkeiten des Berufs verzichtbar macht. Zu solchen Fertigkeiten gehört die Grammatik, also auch die Fähigkeit, die Casus des Substantivs voneinander zu unterscheiden. Die leidenschaftliche Journalistin, die es fertigbringt, mit allem, was sie sagt, falsch zu liegen, drückt das Falsche auch noch falsch aus.
Um es frei nach Goethen zu sagen: Es irrt der Alice Schwarzern, solang ihr schreibt.