Der Irre von Essen schmeißt jeden Tag eine Tasse gegen die Wand, damit sie nicht kaputt geht.
Archiv der Kategorie: Der Zeitungsleser
Warum Ostermarsch?
In der letzten Ausgabe vor Ostern – am Gründonnerstag, 17. April – brachte die WAZ auf Seite 2 ausführliche Hinweise und Informationen zum Ostermarsch Ruhr, mit einem Interview mit Joachim Schramm, Geschäftsführer des NRW-Landesverbandes der DFG-VK.
Hier ein paar Antworten auf Fragen d(ies)er Zeit:
Vorwärts in die Vergangenheit – Vorsicht in der Zukunft
Christoph Butterwegge in der taz
Christoph Butterwegge schrieb einen Gastkommentar für die taz (13.4.2025) über die Vorbereitung der Koalition:
„ Koalition aus Union und SPD – Vorwärts in die Vergangenheit
Die Ampel bezeichnete sich noch als Fortschrittskoalition, Union und SPD basteln am Rückschritt. Aufbruch wird nicht mal mehr simuliert. S eit der Bundestagswahl und erst recht mit dem Koalitionsvertrag haben sich die Anzeichen verdichtet, dass der außen-, energie- und militärpolitischen Zeitenwende, die Ex-Kanzler Olaf Scholz zu Beginn des Ukrainekriegs ausgerufen hat, unter der künftigen CDU/CSU-SPD-Koalition eine wirtschafts-, finanz- und sozialpolitische Zeitenwende folgen wird. Geht es nach den Wortführern im Land, besteht die Hauptaufgabe der neuen Bundesregierung in einem Dreiklang: eine Führungsrolle in Europa spielen, den USA unter Präsident Donald Trump besser Paroli bieten, Russland unter Präsident Wladimir Putin von einem militärischen Angriff abhalten.
Dafür soll die Volkswirtschaft durch Deregulierung im Sinne der Unternehmen revitalisiert, der Rüstungshaushalt drastisch erhöht und Migration nach Deutschland gestoppt werden. Und es wurde – unter ausdrücklicher Berufung auf die Provokationen Trumps sowie mit Blick auf dessen Bemühungen um eine Waffenruhe zwischen Russland und der Ukraine – eine Aufweichung der Schuldenbremse sowie ein kreditfinanziertes Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen beschlossen. 100 Milliarden Euro sollen in den Klima- und Transformationsfonds fließen; Verteidigungsausgaben, die 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, sind gänzlich von der Kreditsperre im Grundgesetz ausgenommen.
Eine solche Privilegierung der Rüstung gegenüber anderen Staatsausgaben gibt es sonst nur in faschistischen und Militärdiktaturen. Sie stellt eine verfassungspolitische Militarisierung der Gesellschaft dar und wird auf Pump finanziert, was Antimilitarist(inn)en von „Kriegskrediten“ sprechen lässt… “
Den ganzen Beitrag – auch die Kommentare – kann man hier lesen:
https://taz.de/Koalition-aus-Union-und-SPD/!6078908/
Dort wird man auch daran erinnert, daß man und wie man die taz unterstützen kann.
Das Bestehen und die Wirksamkeit der linken Presse zu fördern müßte jedem gelegen sein, der sich etwas besseres vorstellen kann als die bestehenden Verhältnisse.
(Das gilt für ein fortschrittlich/emanzipatorisches Weblog ebenfalls – siehe ganz unten auf dieser Seite).
Robert Steigerwald
In der Jungen Welt gelesen: Heute wäre Robert Steigerwald 100 Jahre alt geworden.
Den habe ich ein paar mal erlebt und schrieb vor 10 Jahren:
Wer Vorträge von ihm gehört hat, hat einen hellwachen Denker, einen reaktionsschnellen Wortkünstler, ja man kann sagen: einen Entertainer der Theorie erlebt. Er vermittelt den dialektischen Materialismus als fröhliche Wissenschaft.
Mehr ist hier zu lesen (bitte anklicken).
Buchempfehlung:
Das Haus im Sandweg. Eine sozialistische Familienchronik. Verlag Neue Impulse 2008.
In der Buchhandlung Weltbühne erhältlich.
Zitat:
„Der Text ist ein Bastard, jawohl, ein regelrechter Bastard. Kein Roman, keine Autobiografie, auch keine Chronik oder ein Sachbuch, enthält aber von jedem etwas. Was kümmert mich die Form, ich bin doch kein Schriftsteller! Und natürlich ist in diesen – wie in allen – Erinnerungen manches erfunden, geflunkert… Doch nicht alles ist Fiktion!“
Dieter Süverkrüp
Vor ein paar Monaten (anläßlich des 90. Geburtstages) schrieb die Junge Welt in einem Vergleich mit dem – oft in ein- und demselben Satz genannten Franz Joseh Degenhardt: Degenhardt sei ein Lyriker gewesen, der zum Liedermacher wurde. Süverkrüp sei von der Musik ausgehend zum Text gekommen.
In der Tat: Unter den „Liedermachern“ war er der „musikalischste“. Am Anfang seiner künstlerischen Laufbahn stand die Jazzband Feetwarmers (zusammen u.a, mit Klaus Doldinger). Jazz in Deutschland von Deutschen gespielt in den 50er Jahren! Das war ja – wie kultureller Landesverrat!
Die Auseinandersetzung um die Remilitarisierung forderte ihn heraus, sich politisch zu positionieren.
Er hatte nicht die Poesie eines Degenhardt oder Wader, nicht die Beobachtungsgabe eines Hüsch. Sein Markenzeichen war der ironische Sprachwitz und der beißende Spott – und seine Vortragskunst. Er konnte die Stimme wie ein Instrument einsetzen – und sein virtuoses Gitarrenspiel.
Und seine Vielseitigkeit: mit Sprache und Musik – und als bildender Künstler. Er schrieb und sang auch Kinderlieder. Seine Bühne warenm oft Demonstrationen und Kundgebungen, zum Beispiel beim Ostermarsch, der damals noch eine Aufbruch-Bewegung war.
Zusammen mit Gerd Semmer, Arno Klönne und Frank Werkmeister gründete Dieter Süverkrüp den Pläne-Verlag, ursprünglich ein Verlag für Liederbücher und Liederhefte. Später erschienen dort die Schallplatten, so auch Süverkrüps eigene Lieder, ebenso die Lieder der 48er-Revolution. Süverkrüp macht Erich Mühsam wieder bekannt, er sang und spielte auch die von Gerd Semmer übersetzten Lieder der Französischen Revolution.
Dieses kulturelle Erbe zu bewahren und überhaupt erst wiederzuentdecken ist von großem Wert – so wie Geschichtslosigkeit eine große Last wäre. Kampf für den Fortschritt muß immer auch ein Kampf sein gegen kollektive Gedächtnisschwäche.
Peggy Parnass 1927 – 2025
Noch gestern – zufällig – hatte ich ein altes Konkret-Heft aus den frühen 70er Jahren in der Hand. Darin eine Gerichts-Reportage über eine Frau, die ihr neugeborenes Kind getötet hatte. Die Gerichtsreporterin Peggy Parnass veruteilte diese Frau nicht, sondern fragte: was müssen das für Lebensumstände, was muß das für ein tragischer Lebenslauf sein, der einen Menschen so tief in den Abgrund stößt!
Noch vor wenigen Tagen sprach ich mit einer Freundin über Peggy Parnass, an die wir uns gut erinnerten und von der wir so lange nichts gehört hatten.
Peggy Parnass – der Name sagte vielen etwas, die nach und nach, vielleicht auch gar nicht von ihrem ungewöhnlichen Lebenslauf erfuhren.
Sie war jüdischer Herkunft. Ihre Eltern wurden 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Sie selbst entkam als Kind dem Mörder-Regime nach England, lebte später in Schweden, dann wieder in Deutschland, in ihrer Geburtsstadt Hamburg, arbeitete als Sprachlehrerin, Dolmetscherin und schließlich als Schauspielerin. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, gehörte sie auch mit Peter Rühmkorf und Klaus Rainer Röhl zum Studentenkabarett „Die Pestbeule“, aus dem 1955 die Zeitschrift Konkret hervorging.
Als Schauspielerin hatte sie kleinere Rollen in Episoden der Krimi-Serie „Stahlnetz“.
Zum ersten Mal sah ich sie in einer Sendung der Serie „Das Fernsehgericht tagt“. Es handelte sich um improvisierte Gerichtsverhandlungen. Richter und Anwälte waren Juristen, Zeugen und Angeklagte wurden von Schauspielern dargestellt. Peggy Parnass spielte die Nebenklägerin in einem Prozess gegen ein älteres Ehepaar, von dem sie beleidigt und verleumdet worden war. Wie alt war ich damals? Wohl 15 oder 16 Jahre alt. Das Thema: als „Außenseiter“ der Niedertracht der bigotten Spießer ausgesetzt zu sein, interessierte mich lebhaft.
Als der Staatsanwalt eine Haftstrafe forderte, intervenierte die „Nebenklägerin“ und appellierte an das Gericht: „Bitte keine Gefängnisstrafe.“
Die meisten der Beiträge, die Peggy Parnass über Jahre für Konkret schrieb, waren Gerichtsreportagen, über spektakuläre, ebenso über „alltägliche“ Fälle. Artikel von ihr erschienen in Sammelbänden im Konkret-Literaturverlag.
Ich sah Paggy Parnass in einer Fernseh-Diskussion, gemeinsam mit dem – ich darf sagen: legendären – Gerichtsreporter des Spiegel Gerhard Mauz. Sie hatte nicht das selbe juristische Fachwissen wie er. Aber den hohen Respekt vor seiner Kollegin merkte man ihm an.
Was Peggy Parnass über Prozesse in deutschen Gerichtssälen schrieb, waren Plädoyers für die Menschlichkeit.
Zeitung lesen am Internationalen Frauentag
Am „Weltfrauentag“ (wie er genannt wird von Leuten, die von seiner Herkunft nichts wissen wollen) wird der Frage erörtert „Was muss passieren, dass Frauen Karriere machen können“.
Bloß ein Irrtum? Oder ein absichtliches Täuschungsmanöver? Wer EMANZIPATION kennt, erkennt auch die Bedeutungslosigkeit von KARRIEREN.
Erst ein paar Seiten weiter, im Lokalteil nämlich, ist zu lesen: „Frauenhäuser dramatisch überlastet. Die Einrichtungen müssen Hunderten Gewaltopfern absagen“.
Was sind das für Zustände!
Frauen, die Gewalt ausgesetzt sind – oft unter Lebensgefahr – stehen monatelang auf einer Warteliste!
Man stelle sich vor: Das Haus brennt, man ruft die Feuerwehr – und bekommt die Antwort: In drei bis vier Wochen kommen wir mal gucken.
Auf der Kommentarseite der WAZ von heute kritisiert Peter Schink das „Schneckentempo“ bei der Gleichberechtigung: „Gleichberechtigung braucht emanzipierte Männer.“
Ja!
Emanzipierte Männer erkennt man daran, dass sie emanzipierte Frauen wünschen.
Lebenslauf in unseren Reihen
„Eigentlich wollte Tilman Fichter noch seine Autobiografie schreiben. „Widerständig“ sollte sie heißen.“
In der taz (6.3.2025) erinnerte Ute Scheub an Tilman Fichter.
Die Liebe in der Dschungelwelt
..
..
Der letzte Liberale
Leon Weintraub an Friedrich Merz
Offener Brief des Auschwitz-Überlebenden an den Kanzler-Aspiranten.
„Bleiben Sie Mensch, Herr Merz“
Leon Weintraub (99) hat Auschwitz überlebt. Nun wendet er sich mit einem dringenden Appell an den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.
Sehr geehrter Herr Merz,
voller Schrecken verfolgen meine Frau und ich Ihre derzeitige Politik. Als 99-jähriger Überlebender vom KL-Auschwitz und Häftling in Flossenbürg-82702, sowie auch anderen Lagern wende ich mich an Sie, Herr Merz, mit der dringenden Bitte, dieses menschenfeindliche „Zustrombegrenzungsgesetz“ nicht weiter zu behandeln.
Dringende Korrekturen in der Migrationspolitik sind sicherlich notwendig. Aber doch bitte nicht in der von Ihnen durchgeführten, verfassungswidrigen und rechtsradikalen Form. Arbeiten Sie mit Vernunft, mit demokratischen Parteien und vor allen Dingen unter den geltenden Gesetzen des deutschen Staates und der Europäischen Union. Die Folgen Ihrer derzeitigen Politik führen bereits schon wieder zu einer Fremdenfeindlichkeit und Polarisierung in der Gesellschaft, die wir Überlebenden des Holocausts so bitter am eigenen Leibe erfahren mussten. Arbeiten Sie mit demokratischen Parteien und Menschen guten Willens. Wenden Sie sich ab von rechtsradikalen Parteien in Deutschland und tragen Sie nicht zu eventuellen Triumphen im rechtsradikalen Lager bei.
Ich habe als Überlebender sehr unter der Propaganda und der Verblendung der Mitläufer im sogenannten 1000-jährigen Reich gelitten, ein großer Teil meiner Familie wurde ermordet. Bitte hören Sie nicht auf die Lockrufe der Rechten und vor allen Dingen, nehmen Sie ernst, was diese von sich geben, sie meinen, was sie propagieren! Unser Grundgesetz deklariert: „Asylrecht ist Menschenrecht“. Wir sind als Menschen geboren, bleiben Sie Mensch, Herr Merz.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Leon Weintraub
Evamaria Loose-Weintraub
Dieser Offene Brief wurde von der taz veröffentlicht.
In dem taz-Bericht ist zu lesen:
Antisemiten ist es nicht zu empfehlen, mit Leon Weintraub Streit zu suchen. Einmal, bei einem Besuch in seiner alten Heimatstadt Warschau, begegnete der Auschwitz-Überlebende zwei rechtsradikalen Jugendlichen, die verlangten, dass alle Juden Polen zu verlassen hätten. Die Diskussion endete mit einem Faustschlag, der wohlgemerkt von dem damals 80-jährigen Leon Weintraub ausging.
Dabei ist Weintraub ein zutiefst friedlicher Mensch. Der Mediziner hält auch nichts von Rache an denjenigen, die ihn im Zweiten Weltkrieg gequält haben. „Ich fühle mich als Sieger, nicht als Opfer“, schreibt er in seiner vor drei Jahren erschienenen Autobiographie. Der 99-Jährige gehört zu der immer kleiner werdenden Gruppe von Holocaust-Überlebenden, die sich für Verständigung einsetzen, aber die Geschichte doch wach halten wollen. Und die sich in die Politik einmischen, wenn sie es für nötig halten.
Das hat Leon Weintraub an diesem Dienstag getan. In einem Brief an den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz protestierte er gegen das Zustrombegrenzungsgesetz, dessen Verabschiedung im Bundestag mithilfe der AfD nur knapp scheiterte. „Arbeiten Sie mit demokratischen Parteien und Menschen guten Willens“, forderte Weintraub Merz auf. Das Gesetz sorge für Fremdenfeindlichkeit und eine Polarisierung der Gesellschaft.
Weintraubs Worte haben Gewicht, denn seine Jugend war geprägt von Verfolgung und Mord. Aufgewachsen in einer armen jüdischen Familie im polnischen Łódź, erlebte er als 14-Jähriger die Einrichtung des jüdischen Ghettos durch die Nazis. Er erinnert sich an Leichen, die auf der Straße lagen, an den ständigen Hunger und an seine Zwangsarbeit in einer Werkstatt.
Von Auschwitz nach Groß-Rosen nach Flossenbürg
Im August 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert. Von dort kam er in ein Außenlager des KZ Groß-Rosen zur Zwangsarbeit im Stollen eines Berges, in den die Nazis Teile der Rüstungsindustrie verlagerten. Die Torturen gingen im KZ Flossenbürg weiter und endeten im Schwarzwald. Dort hatten sich die SS-Wachen verdrückt, französische Soldaten befreiten die Überlebenden. Leon Weintraub wog noch 35 Kilogramm.
Später studierte er Medizin in Göttingen und lebte ab 1950 in Warschau. Doch auch dort nahm nach dem Sechstagekrieg Israels der Antisemitismus zu. Weintraub verlor seine Stelle in einer Klinik. So wie Tausende Juden verließ er seine Heimat und fand in Schweden eine neue.
Am Dienstag war Weintraub auf der Heimreise von den Gedenkfeiern in Auschwitz nach Stockholm, als er an Merz appellierte: „Bleiben Sie Mensch, Herr Merz.“
Leonard Peltier aus der Haft entlassen
Ehrung für Helene Weigel
Aus dem Loch
Otto Köhler – alles Gute zum 90. Geburtstag!
Freiheit für Leonard Peltier!
Bündnisse ?
Das Zitat von dem Tag
… hat Geburtstag. Trallerallala!
Von wem ist hier die Rede (88)?
Die junge welt schrieb heute:
„ … in der BRD angekommen wurde er recht zügig staatsertragend.
… Aus Mut gegen oben wurde Wut gegen unten.
… besoffen von der eigenen Weisheit …“
Vor drei Jahren fragte Renate Scheutin:
„Heißt der wirklich Biermann?“
Antworten von Jacobus Mayer:
„Zuerst hieß der Schnapsmann. Aber dann hat der sich etwas gemäßigt“
Zusatzfrage: „Ist das denn möglich, wenn man Schnapsmann heißt, sich danach Biermann zu nennen?“
Am Tag davor
Den Satz las ich in Konkret (Oktoberheft Seite 41):
„…in den USA, … wo die fundamentalopportunistische Lachmöwe Kamalena Herrisch sich mit ihrem Erzfeind Dagobert Dumm … um den Posten balgt …“
Ich mag solche halbstarken Ist-doch-einer-wie-der-andere-Sprüche nicht. Kamala Harris (so heißt sie wirklich) ist nicht Heilsbringerin, kann aber Unheilsverhinderin sein (was zu hoffen ist, weil nichts besseres zu erhoffen ist). Wer nichts bieten kann, sondern stattdessen sich (und darum allerwelt) einreden muß, „da drüber zu stehen“, soll sich nicht dicketun.