Peter Sodann


Peter Sodann (1936-2024) war Schauspieler für das Theater, den Film und das Fernsehen. Er arbeitete in der DDR und im „wiedervereinigten“ Deutschland. Bekannt wurde er als „Kommissar Ehrlicher“ im Tatort (Dresden, Leipzig). (Wer hat sich den Namen ausgedacht? Mancher, der etwas erfindet, denkt sich nichts dabei. Manche, die es hören, denken sich was dabei). Er war aber auch aufmerksamen Zuschauern bekannt durch seine Rolle in der Verfilmung von Anderschs „Sansibar oder der letzte Grund“ (von Bernhard Wicki).
Er war auch Theaterleiter, und er war auch Kabarettist. Für das Programm seines Studenkabaretts wurde er 1961 aus der SED ausgeschlossen, für mehrere Monate in Untersuchungshaft genommen Und zu 10 Jahren verurteilt. (Die Hauptursache für die Unsicherheit in der DDR waren die Sicherheitsmaßnahmen der Partei). Nach 10 Monaten wurde er auf Bewährung freigelassen, kam später zum Berliner Ensemble unter der Intendantin Helene Weigel.
Nach dem Einkassieren der DDR engagierte sich Peter Sodann für die PDS (später Linkspartei) und wurde (ohne Parteimitglied zu sein) 2009 als deren Kandidat für die Wahl zum Bundespräsidenten aufgestellt. (In der Bundesversammlung erhielt er 91 Stimmen – zwei mehr als die Linke Delegierte hatte).
Nach dem Zusammenbruch der DDR (auch als Kulturstaat) sammelte er alle aufzutreibenden Bücher, die in der DDR gedruckt worden waren. Viele davon konnten auf Müllhalden eingesammelt werden (Deutsche Zustände). Es entstand die Peter-Sodann-Bibliothek mit 2 Millionen Bänden in Straucha (siehe Foto. © Wikimedia Commons). Aus den unzähligen Dubletten wurden Antiquariate beliefert. Auch die Buchhandlung Weltbühne konnte auf die Bücher-Sammlung gelegentlich zurückgreifen.
In einer Fernsehrolle nannte er mal die charakteristische Eigenschaft des Menschen: die Verletzlichkeit. Um dies als Tatort-Kommissar zu sagen mußte er sich nicht verstellen.

Keine Lösung? Keine Lösung.

Vorwort: Welches Thema wäre besser geeignet für das 3.000. (dreitausendste) Notat im Blog amore e rabbia?
Eigentlich jedes andere auch.

Erinnern Sie sich an den 17. Juni – nein nicht an den vor einem Jahr, sondern – sagen wir mal – an den vor 50 Jahren: 1973? Ein schöner Tag: Freibadbesuch, Ausflug, mindestens: ausschlafen. Denn das war ein Feiertag. Dessen offizieller Anlaß war eigentlich ein bierernster und lag gerade mal 20 weitere Jahre zurück. Aber das trübte die Freude an einem freien Frühsommertag nicht.
Am 17. Juni 1953 hatte es in Berlin-Ost und anderen Städten der DDR Straßenkämpfe gegeben, in denen sich massive Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der Staatsmacht entlud. Panzereinheiten der in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräfte verhinderten Schlimmeres. (Das muß ich so formulieren, damit Klopsman alias Linksman wieder einen Grund hat, sich aufzuregen. Und: Die Sowjetunion gibt es nicht mehr).
Der Volkssturm von 1953 wird derzeit wieder hervorgehoben. Er fügt sich in die Strömung aktueller Machtpolitik: Wiederbelebung des Kalten Krieges, Feindschaftspflege nach außen und im Inneren.
Zum 50. Jahrestag, 2003, erschien in DER METZGER Nr. 67 mein kritischer Kommentar, geeignet, Sympathien zu verscherzen ohne neue zu gewinnen. Die Überschrift „Keine Lösung“ mag mehrdeutig sein. Das Heft kann immer noch bestellt werden.
Hier die ersten beiden Seiten
Hier der ganze Artikel, auf dem Bildschirm leichter zu lesen.

Sammelt Briefmarken


Und damit das mal klar ist:
Das russische Reich von heute und Sowjetrussland sind nicht das gleiche. Sie unterscheiden sich voneinander wie Nationalismus vom Internationalismus.
Die politischen Herrscher des Landes sind nicht die Erben Lenins, sondern die Erben des Zaren.
Ihre Streitkräfte sind nicht die Rote, sondern die Weiße Armee.

Tag des Kaffees?

Was las ich heute in der Zeitung? Heute ist Tag des Kaffees?
Bei mir finden die Internationalen Kaffee-Tage statt, beginnend am 1. Januar und bis zum 31. Dezember; sie finden jährlich statt.

Läßt sich der (alltägliche) Kaffee-Genuß noch steigern? Ja. Mit Cubita-Kaffee aus Kuba.
Den kriegt man in der Buchhandlung Weltbühne, auch im Versand. (Eine Aktion der DFG-VK).
Eine der schönsten Annehmlichkeiten (Kaffee) mit einer der größten Nützlichkeiten (Internationale Solidarität) verbinden: Kuba-Kaffee-kaufen.

Thee-Trinker: Lasset ab vom Thee. Stattdessen: Kaffee aus Kuba.
Sowieso-Kaffee-Trinker: Ab nächste Woche Cubita. So ist das richtig.

Es muß was Wunderbares sein, Kuba-Kaffee aus einer DDR-Kantinen-Tasse zu trinken.

Alle meine Bücher: Streiten Sie nicht mit einem Deutschen …

…, wenn Sie müde sind.
Helmut Loeven: Streiten Sie nicht mit einem deutschen, wenn Sie müde sind. 21 Polemiken. Situationspresse 2001. 128 Seiten. ISBN . Preis: 10 €.

Angepriesen mit dem Slogan: „Sie können Gedanken lesen“.
Dieses Buch war nicht mein erstes, aber mein erstes selbstverlegtes. Und es ist VOR 20 JAHREN erschienen. Das wäre also Anlaß genug, daran zu erinnern.
Ein paar von den 21 Kapiteln sind sogar noch ein paar Jahre älter. Denn es handelt sich um eine Sammlung von Artikeln, die zuvor im METZGER erschienen waren (der älteste 1994). Für diese Edition wurden die Beiträge noch einmal durchgesehen.
Hauptthema der meisten Beiträge ist eine selbstkritische Auseinandersetzung mit fatalen Tendenzen, die sich im linken Milieu ausbreiteten: Der Mäßigungs-Kurs der TAZ, Schmutzkampagnen von Ex-Linken (etwa gegen Stefan Heym oder Alfred Hrdlicka), Versuche, auf Trittbretter der Wende-Zeit aufzuspringen. Der Ober-Wendehals und Ober-Haßprediger Biermann wird betrachtet, wie ihm das Gesicht von der Maske fiel.

These: „Die Diskriminierung, Kriminalisierung und Liquidierung des Antifaschismus ist derzeit das propagandistische Hauptanliegen der Herrschenden. Denn sonst käme die ‚innere Einheit der deutschen Nation‘ nicht zustande.“
Einer der ersten Leser, der unvergessene Ernst Ritter (DKP) urteilte: „Dieses Buch gehört in jeden Haushalt!“
Schauen Sie mal im Küchenschrank nach, ob Sie es schon haben.
Noch immer überall im Buchhandel oder sogar am Amazonas zu besorgen, oder hier.
P.S.: Der Titel geht zurück auf ein Zitat in einem (in deutsch verfaßten) Song von Grace Slick: European Song or Never argue with a German if you’re tired:
„Strighten zee nict mit einem duetchen venn zee mewden sint.“
..

Das alte Lied. Wolf Biermann zum 65. Geburtstag.

Letztens war schon wieder der Biermann im Fernsehen. Einen Anlaß gibt es zwar immer für dieses Gesicht, aber diesmal waren es sogar zwei: 1. Biermann wurde 65, 2. vor 25 Jahren verließ er die DDR.
1976 war Biermann in die Bundesrepublik gekommen, um in Köln ein Konzert zu geben, das im Radio live übertragen wurde. Einen Tag später gab der Ministerrat der DDR bekannt, Biermann werde die Rückreise in die DDR verweigert. Das Kölner Konzert wurde daraufhin im Fernsehen gezeigt. Man sprach von „Ausbürgerung“. Die Sache machte Furore.
25 Jahre später erinnert sich Günter Wallraff: „Es war damals innerhalb der Linken ’ne ganz klare Trennungslinie: Sage mir, wie du zu Biermann stehst, und ich sage dir, ob du einen menschlichen Sozialismus anstrebst oder mehr oder weniger einem Regime angehörst, das die größten Verbrechen auch gegen die Menschheit verbringt. Nur, muß ich heute sagen: Es ist rückblickend auch beschämend, daß es erst dieser Ausbürgerung eines so prominenten, bekannten Kollegen, Freundes bedurfte, um so eine eindeutige Haltung einzunehmen.“
Das Erstaunliche an dieser Aussage Wallraffs: Er scheint die Sache heute noch genauso zu bewerten wie vor 25 Jahren. Seit jenen Tagen, in denen er sich über die „Ausbürgerung“ seines ebenso bekannten wie prominenten Kollegen & Freundes empörte, ist ihm nichts aufgefallen. Aber wie es damals „innerhalb der Linken“ zuging, das hat er ganz treffend wiedergegeben: Sag mir wie du zu diesem und zu jenem stehst, und ich sage dir, ob du auf dem falschen Dampfer bist. Es war damals einfach unerläßlich, Stellung zu beziehen, sich zu bekennen. Es wurde aufmerksam nachkontrolliert, ob man die „richtige“ Meinung vertrat. Hatte man die, stand man auf der „richtigen“ Seite, dann war’s in Ordnung. Mit Kritik, Theorie, Analyse brauchte man sich gar nicht mehr abzugeben. Wozu sich Gedanken machen, wenn man doch eine Meinung hat. šberhaupt bestand das ganze Leben der Linken im Wesentlichen darin, einer Meinung zu sein.
Das ist fatal. Da kann einem dies und das entgehen. Wer immerzu meint und wenig denkt, merkt nicht viel.
Dem Günter Wallraff scheinen all die Neuigkeiten entgangen zu sein, die ihn davon abhalten müßte, eine Beurteilung, die vor 25 Jahren noch nachvollziehbar gewesen sein mag, heute noch aufrechtzuerhalten.
In den 80er Jahren distanzierte sich Biermann von der Friedensbewegung. Die CDU verbreitete Biermanns Bild samt Zitat auf Plakaten, ohne daß Biermann dagegen einschritt (siehe DER METZGER 37). Biermanns Ausfälle gegen die Linke wurden immer aggressiver, immer maßloser, immer geschmackloser, immer fanatischer. Siehe DER METZGER 42, 48, 51. Biermann trat bei der CSU auf. Biermann wurde Kolumnist bei der Springer-Zeitung „Die Welt“. Mittlerweile hat Biermann seine Zuneigung zu dem „Richter Gnadenlos“ Ronald Schill bekanntgegeben (dpa-Meldung am 4.11.01: „Biermann stellt sich bei Kriminalitätsbekämpfung hinter Schill“).
So viel intellektuelle Redlichkeit – ach, was sage ich: so viel Auffassungsgabe darf man von einem Publizisten verlangen, daß er zur Kenntnis nimmt, wie die Geschichte mit Biermann seit 1976 weitergegangen ist. Der „kritische Kommunist“, der einen „menschlichen Sozialismus“ anstrebt, hat sich als Kalter Krieger erwiesen, der sich in der Rolle der verfolgenden Unschuld wohlfühlt. Spätestens bei „Springer“ hätte dem Wallraff, der bei „Bild“ Hans Esser war, aufgehen müssen, daß er einem Schwadroneur, einem Blender aufgesessen ist. Nicht dem ach so kritischen Herrn Wallraff, sondern der WAZ blieb es vorbehalten, der Selbstinszenierung Biermanns mit einer gewisse Skepsis zu begegnen („Ausgerechnet Wolf Biermann…“). „Den Marx’schen Idealen hat der letzte wahre Kommunist der DDR inzwischen abgeschworen“, wird Biermann in der WAZ ironisch demontiert. Der, der sich zum Gralshüter des einzig wahren Kommunismus aufgespielt hatte, findet heute: „Als Kommunisten bezeichnen sich nur noch Leute, die nie welche gewesen sind. Das sind die falschen Witwen, die nie mit Lust, nie mit Orgasmen mit dem Kommunismus im Bett gelegen haben.“ In dem Moment, in dem die Kommunistische Weltbewegung für Biermann nicht mehr einträglich ist, hört sie auf zu existieren. Biermann hängt ein Schild dran: „geschlossen“. Biermann erkannte, daß die Linken mit dem „Ex-“ davor, die Abschwörer ein stetig wachsender Markt sind.
Immer noch ist von „Ausbürgerung“ die Rede, obwohl diese Legende erschüttert ist. Biermann zog in den Westen, um sich dort einzurichten. Er wußte sehr wohl, daß er nicht zurückkehren würde und tat so, als fiele er aus allen Wolken. Das Kölner Konzert brachte ihm eine sechsstellige Summe ein, ein feines Begrüßungsgeld. Das sei ihm nicht mißgönnt. Aber daß er sich mit jenen verglich, die von den Nazis ausgebürgert wurden, die, anders als er, zu Staatenlosen wurden und für die die Flucht aus Deutschland die Vernichtung ihrer Existenz bedeutete und nicht Karrieresprung mit sechsstelligem Startgeld – das ist nicht bloß eine Frechheit, es ist geschmacklos.
Daß Biermann in der DDR 11 Jahre lang Auftritts- und Berufsverbot hatte, ist ebenfalls Legende. Daß er – etwa in Kirchengemeinden – vor Publikum auftrat, wurde mir berichtet, ich kann es nicht überprüfen. Während des „Berufsverbots“ erschienen mehrere Bücher und Schallplatten in erklecklicher Auflage und ein Theaterstück kam in Westdeutschland auf die Bühne, nebenbei brachten Abdrucke von Texten und Interviews in der Presse Geld ein, und die GEMA zahlte. Berufsverbot geht anders.
Manche Legenden sind einfach zu nützlich, um sie an den Evidenzen zerschellen zu lassen. Den Kommunismus hält Biermann zwar pflichtschuldigst für eine Irrlehre, läßt sich aber anläßlich des Jubiläums immer noch als dessen einzig wahrer Hüter (mit dem „menschlichen Antlitz“) in dem Kultursendungen feiern. Lieber nach Bautzen hätte er gewollt statt in den Westen, prahlt er. Wolfgang Neuss erinnerte sich, schon 1965 hätte Biermann ihm vorgesponnen, er wolle seine Verhaftung provozieren, dann sein Gefängnistagebuch veröffentlichen und den Nobelpreis kriegen.
Jetzt gab es erstmal ein Jubiläumskonzert mit Thierse und Eppelmann in der ersten Reihe und vor allerlei Bürgerrechtsbärten, die den Barden anhimmelten. Da sang er die alten Lieder: Röchelnd, jauchzend, quietschend, gurgelnd, jedes Wort eine Grimasse, jeder Ton eine Übertreibung. Wolf Biermann sagt nicht einfach „Bratwurst“. Er sagt: „Bratwurst. Haben Sie das gehört? Ich, Wolf Biermann, habe ‚Bratwurst‘ gesagt!!!“ Und er sagt, wie seit je, gleichzeitig verschiedene Meinungen. Er, der den Kriegseinsatz der Bundeswehr gutheißt und gesagt hatte, die „selbsternannten Friedenskämpfer“ seien nicht „in Besitz einer höheren Moral“, sie dürften nicht im Namen der deutschen Intellektuellen sprechen, sang er „Soldat Soldat in grauer Norm“ und ließ sich dafür von Thierse und Eppelmann beklatschen. Es war einfach nur noch widerlich. (Ob der „Welt“-Kolumnist auch noch sang „Die Kugel Nummer eins kam aus Springers Zeitungswald“, habe ich nicht mehr abgewartet).
Wenn die alten Lieder wieder klingen, darf der Günter Wallraff auch noch Inquisitor spielen: Sage mir, wie du zu Biermann stehst, und ich sage dir, ob du „einem Regime angehörst, das die größten Verbrechen auch gegen die Menschheit verbringt“. Verbrechen verbringen? Auch gegen die Menschheit? Einem Regime angehörst? Hätte ich damals die falsche Antwort gegeben, wäre ich vielleicht noch Minister geworden! Mit so einem menschlichen Sozialismus á la Wallraff möchte ich allerdings nichts zu tun haben. Der steht nämlich unter dem Motto: „Sage mir, daß du anderer Meinung bist als ich, und ich sage dir, daß du ein Verbrecher bist“. Ich frage lieber: „Sage mir, was für dich die größten Verbrechen sind, und ich finde heraus, ob du noch alle Tassen im Schrank hast“. Was der Richter Ronald Schill mit dem menschlichen Sozialismus zu tun hat, habe ich nicht verstanden.

Aus DER METZGER Nr. 63 (Dezember 2001)

Die Mauer als Chance

Heute wird wieder über die Berliner Mauer geredet, weil sie heute vor 60 Jahren gebaut wurde.
Heute vor 10 Jahren wurde auch über die Berliner Macher geredet, weil sie damals vor 50 Jahren gebaut wurde.
Vor 10 Jahren, im März 2011 erschien in DER METZGER Nr. 94 eine vorweggenommene Antwort auf die Festreden.
Lesen Sie den ganzen Artikel.