Ein Blick in die nahe Zukunft


Ein 11 Monate altes Foto ist der Blick in eine nahe Zukunft.
Eine andere Frühlingsbotschaft habe ich heute gesehen.
Sie kündigten sich durch ihre Rufe an. Dann waren sie zu sehen.
Am Himmel. Eine riesige Schar von Wildgänsen, in Formation.
Sie überquerten die Großstadt in Richtung Norden.
Am Rhein habe ich schon oft Zugvögel gesehen. Sie orientieren sich an dem Fluß.

Christof Jansen organisiert einen Büchertisch

Der SHB bestellte ein Kontingent Bücher für seinen Büchertisch in Kommission bei mir. Ich überbrachte einen Karton Bücher samt Liste zum Semesterbeginn. Am Ende des Semesters sollte abgerechnet werden: Was nicht verkauft war, wollte ich zurücknehmen, für alles nicht Zurückgegebene sollte ich minus Rabatt Geld kriegen.
An vier Tagen in der Woche verkauften Magda und ich Bücher an unserem eigenen Uni-Büchertisch, an einem Tag in der Woche stand der SHB auch da, und so wurden nebenan auch noch meine Bücher verkauft. Allerdings nicht viele. Der Absatz am SHB-Büchertisch hielt sich in Grenzen.
Am Ende des Semesters sollte abgerechnet werden. Aber sieh an: Alle Bücher waren weg! Na gut, da brauchte ich also nichts zurückzunehmen und konnte für die ganze Lieferung Geld kassieren.
Christof Jansen fiel aus allen Wolken. 168 Mark wollte ich haben. Soviel war gar nicht verkauft worden.
„Ja, wenn die Bücher nicht verkauft worden sind, dann müssen sie ja noch da sein. Gib sie mir zurück oder bezahl.“
Christof Jansen, in seiner lautstarken, ausschweifigen, fuchteligen Art, versprach, die Sache zu klären: „Jaaaa, ööööh, klaaar, ööööh!“
Aber daraus wurde nichts. Christof Jansen konnte mir am Semesterende weder Remittenden, noch Geld geben, und speiste mich ab mit: „Jaaaa! Ööööh, dat wird geklärt.“
Am Beginn des nächsten Semesters drängte ich erneut auf Klärung der Angelegenheit: Bücher zurück oder Geld her!
Christof Jansen: „Wieso?“
„Ja, hör mal, ich hab Bücher für euren Büchertisch geliefert, und die sind weder zurückgegeben, noch bezahlt worden. Also: Wenn die Bücher, oder ein Teil davon, noch irgendwo rumliegen, dann gib sie mir wieder, und für den Rest gibst du mir Geld. Und für alles, watte mir nich zurückgeben kannz, musse bezahlen.“
„Ach so. Jajaaa, ööööh!“
Christof Jansen stand vor diesem einfachen Problem wie der Ochse vor dem Berg. Meine wiederholten Erinnerungen an eine unausgeglichene Rechnung beantwortete er mit einem immer länger gedehnten „Ööööhh!“
Eines Tages kam die Beate G. vom SHB an unseren Büchertisch. Sie machte die Kasse.
„Wat is eigentlich los?“ fragte sie. „Die Bücher müssen noch bezahlt werden? Wieviel krisse?“
„168 Mark und 40 Pfennig.“
Beate zog ihre Geldbörse aus der Tasche, zählte mir 168 Mark und 40 Pfennig auf den Tisch, ließ sich eine Quittung ausstellen, wir unterhielten uns noch fünf Minuten, dann verabschiedete sie sich und ging, und ich konnte, ihr nachschauend, ihren schönen Hintern betrachten.
Am nächsten Tag kam Christof Jansen freudestrahlend an: „Die Bücher von dir! Ich weiß jetz, wo die sind.“
„Ja, die gehören jetzt euch.“
„Wat?“
„Ja, die sind bezahlt.“
„Hö?“
Es stellte sich heraus: Christof Jansen hatte meine Bücher in eine ganz falsche Buchhandlung „zurück“gebracht, nämlich in die Kollektiv-Buchhandlung. Dort (!) könnte ich (!) sie abholen. Ha!
„Tja,“ sagte ich, „das sind nicht meine Bücher, das sind eure Bücher. Wenn ihr die verschenken könnt, dann freuen sich die Kollegen.“
„Hö? Wat?“

Christof Jansen fuhr nach Marburg

Das war damals eine Wallfahrtsstätte der wirklichen Linken. Dort hatte Wolfgang Abendroth geforscht und gelehrt, der Prophet der SHBler, und dort forschte und lehrte immer noch Georg Fülberth. Christof Jansen kam aus Marburg zurück. Er brachte von dort Bücher für den Büchertisch des SHB mit, einen ganzen Stapel, für den er einen ganzen Stapel Geld dagelassen hatte. Es war aber nur ein einziger Titel: „Auseinandersetzungen über soziale Sicherungsmaßnahmen im Ruhrkohlebergbau 1870 bis 1890“, das Exemplar für 58 Mark. Der ganze SHB, meist ältere Semester, erfahren, reif, sympathisch, praktisch, schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Nur Christof Jansen blieb fest davon überzeugt, ein Bombengeschäft gemacht zu haben. Ruhrkohlebergbau – das sei doch für eine Univesität im Ruhrgebiet genau das Richtige.

Aus: Der Gartenoffizier – 124 komische Geschichten

Fortsetzung morgen (Zweiter Weihnachtsfeiertag)

Der SHB macht Glühwein

Einige der diversen linken Gruppen an der Uni hatten sich darauf verlegt, durch den Verkauf von Getränken ihre Kasse aufzubessern. Wir verkauften immer Kaffee, einen Becher für eine Mark, aber nur bei den Uni-Feten. Manche Gruppen verkauften auch Getränke an den ganz normalen Tagen an ihrem Infostand.
Der SHB (Sozialistischer Hochschulbund) verkaufte an den kalten Wintertagen Glühwein. Nun, wer sowas mag – . Glühwein wird aus Rotwein, Zimt, Nelke und Zucker gemacht. Man kann auch das Glühweingewürz in Teebeuteln in den Wein reinhängen. Dann fliegen danach überall diese ausgelaugten, feuchten Beutel herum. Es geht aber noch einfacher: Glühwein, fertig gemischt, in Literflaschen. Das muß man dann nur noch erhitzen.
Das Wintersemester ging dem Ende entgegen. Es war draußen gar nicht mehr kalt, es war schon Frühling. Der SHB hatte aber noch ein paar Liter Glühwein in Flaschen herumstehen. Was tun? Sie aufbewahren bis zum nächsten Winter? Das wäre eine Möglichkeit gewesen.
Aber man entschied anders. Der restliche Glühwein mußte unbedingt weg. Er sollte noch bis Ende des Semesters ausgeschenkt werden, damit er wegkommt.
Der SHB, an sich eine ganz passable Gruppe, meist ältere Semester, erfahren, reif, sympathisch, praktisch, nicht so kopflos-aktionistisch wie der MSB, hatte ausgerechnet Christof Jansen mit der Organisation der Infostände betraut. Der hörte also: Wir werden Glühwein ausschenken, und er sollte das in die Hand nehmen.
Und da dachte er sich: Wenn man Glühwein ausschenken will, was braucht man da? Glühwein. Also ging er in den Supermarkt und besorgte ein halbes Dutzend Flaschen Glühwein.
So greift eins ins andere. Keine Frage: Dieser Linken gehört die Zukunft!

Aus: Der Gartenoffizier – 124 komische Geschichten

Fortsetzung morgen (Erster Weihnachtsfeiertag)

Bilder einer Vergewisserung

???
Gartengestaltung, die mir zusagt. (Es gibt natürlich auch andere Arten, einen Garten zu gestalten).
Eine „meiner“ Lesebänke (wenn sie mal nicht besetzt ist)
„… so why not take a look now? Kick out the devil’s sin, pick up, pick up a good good book now.“
Die Zeit der hyperaktiven Studentenschaft ist ja wohl vorbei. Schaut nur diese völlig unbeklebten Garagen (war früher anders).
Aber den instandbesetzten Garten (neben der Bibliothek) gibt es immer noch. Hier wird die Wildheit gehegt.
Berührte Natur.
..

Frage an die Allgemeinheit

Erst war das die Filiale der Braunschen Buchhandlung. Die gibt es gar nicht mehr, auch das Hauptgeschäft nicht. In dieses Lokal an der Lotharstraße zog dann die Filiale der Essener Heinrich-Heine-Buchhandlung ein. Und dieses Foto (aufgenommen im Oktober 2019) ist aus deren letzten Tagen.
Frage an die Allgemeinheit: Gibt es die Heinrich-Heine Buchhandlung in Essen noch?
Was nun den hier abgebildeten Laden betrifft: Daß eine Buchhandlung in unmittelbarer Nähe der Universität geschlossen wurde – sagt das was über den Zustand aus, in den das wissenschaftliche Zeitalter geraten ist?
In dem Laden ist jetzt ein Restaurant, in dem man nur mit Karte zahlen kann. Im Falle eines Raubüberfalls könnte man höchstens ein veganes Sandweich erbeuten.

Zwei Häuser, was ist der Unterschied?

Zwei Häuser, nebeneinander, beide an der Kammerstraße. Was unterscheidet sie voneinander? (bitte genau).

Bitte, versuchen Sie herauszufinden, welches der beiden Gebäude eine Lagerstätte für wohnende Studenten und welches ein Weltkriegs-Bunker ist (und: woran haben Sie den Unterschied erkannt?).

Wieso ist eigentlich heute (3. Oktober) ein gesetzlicher Feiertag?

Am 3. Oktober feiert die Einheit den Tag der deutschen Einheit.
Das ist nämlich heute nicht mehr so wie früher.
Ich weiß noch, wie das war:
Um zur Ruhr-Universität zu kommen, brauchte ich zunächst mal eine Fahrkarte für den Bus bis zum Hauptbahnhof. Dann brauche ich eine Fahrkarte für den Zug nach Bochum, und schließlich eine Fahrkarte für die Fahrt vom Bochumer Bahnhof zur Uni (mit Umsteigen!).
Heute ist das alles einheitlich. Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Wenn das kein Grund zum Feiern ist!

P.S.: Später wechselte ich zur Duisburger Uni, zu Fuß hin. Die deutsche Vereinheitlichung wäre also gar so nötig gar nicht gewesen.
P.P.S: Dieser Eintrag, wortwörtlich, erschien hier schonmal im Oktober 2018. Daß es sich hier um eine Zweitverwertung handelt, fällt nach so langer Zeit bestimmt nicht auf.
Damals schon kommentierte der uns vertraute Verschwörungserkenner, in Wirklichkeit sei das ja alles von den Freimaurern eingefädelt worden.
Wo er recht hat hat er recht. Aber auch nur da! In diesem Fall wohl eher nicht.

Bruno Ruhrort

In dem Artikel von Pelikan zum hundertsten Geburtstag von H.C. Artmann, den ich hier verlinkt hatte (siehe Eintrag vom 12. Juni) wurde ich wieder an Bruno Ruhrort erinnert – und erfuhr, daß er nicht mehr unter den Lebenden ist.
Der ist da ganz gut beschrieben als „leicht verrückt intelligent“. Ich würde hinzufügen: von leichtfüßiger Eleganz, gebildet, angenehm im Ungang.
Dem begegnete ich an unterschiedlichen Orten. In der Weltbühne war er auch mal, aber nicht oft.
Was war der eigentlich von Beruf? Dachdecker oder sowas. Der war mal ein paar Tage in der Uni, Gebäude LA beschäftigt, da, wo wir jahrelang unseren Büchertisch hatten.
In dem Audimax-Foyer stand ein großer ungenutzter Stahlschrank herum. Ich meinte, wir könnten doch da unsere Bücher reinpacken, anstatt sie jeden Tag hin und her zu tragen. Aber der Schrank war mit einem Vorhängeschloß verschlossen. Ich versuchte, mit einer Feile den Bügel des Schlosses durchzufeilen. Da kam Bruno Ruhrort vorbei, sah das, zeigte mit dem Finger darauf und sagte: „Höhöhöhöhöhöhö!“. Eine Stunde später kam er mit einem Bolzenschneider. Damit ließ sich das Schloß wunderbar entfernen.
Die schöne Doris Steputat hatte an ihrem parkenden Auto eine Delle entdeckt. Jemand war ihr da reingefahren. Unter ihrem Scheibenwischer klemmte ein Zettel.
Doris war trotzdem verärgert: „Da hat sich aber einer einen besonderen Scherz erlaubt. Der nennt sich ‚Bruno Ruhrort‘.“
Ich sagte: „Bruno Ruhrort. Den kenn ich. Dochdoch, der heißt wirklich so. Das ist ein netter Mensch.“

Wo waren Sie gestern Abend?

Wo Sie gestern Abend waren, spielt hier jetzt keine Rolle.
Wahrscheinlich WÄREN Sie gestern Abend im Syntopia gewesen bei der Veranstaltung der DFG-VK im Rahmen der Duisburger Akzente zum Thema „Mauern“.
Unsere Veranstaltung HÄTTE den Titel „Die Mauer als Chance“ gehabt und wurde auch vom Festivalbüro angenommen. Aber dann sind – Sie wissen es – die ganzen Akzente Krohna-bedingt abgesagt worden.
Um Sie nicht ganz leer ausgehen zu lassen, und damit Sie sich ungefähr vorstellen können, was gestern zu sehen/hören gewesen WÄRE, hier nochmal ein paar Ausschnitte der Syntopia-Lesung vom 17. September 2015.

..

Den Schwörern auf der Spur

Ein Vogelhäuschen, könnte man meinen.
Oder in Wirklichkeit eine Überwachungskamera von Bill Gates. In San Francisco hat die Golden-Gates-Britsch angefangen zu summen.
Aber das ist gar keine heimliche Kamera. Das Vogelhäuschen soll nur davon ablenken, daß die richtige Kamera ganz woanders hängt. Das ist ja das Raffinierte. In Wirklichkeit ist das ein als Überwachungskamera getarntes Vogelhäuschen.

Überall von Schwörungen umzingelt. Aber wir sind ihnen auf der Spur.
Schonungslose Fakten über die Tatsachen, offen gelegt in der nächsten METZGER-Ausgabe!
Nr. 136!
Jetzt schon drauf freuen!

Karfreitag ist ein schöner Freitag (Bildbericht)

Karfreitag ist für gläubige Menschen vielleicht ein trauriger Tag. Darum als „stiller Feiertag“ sogar gesetzlich geschützt.
Für mich Ungläubigen ist die Stille nicht traurig.
Früher, viele Jahre lang, waren wir den ganzen Karfreitag, bis in die späten Abendstunden mit den Vorbereitungen unserer Ostermarsch-Aktion beschäftigt, den Antimilitaristischen Buchbasar der DFG-VK. Auch darüber freute ich mich. Ich bin immer mit Freude bei der Arbeit.
Diesmal konnte ich – mit ebensoviel Freude – an der Stille teilhaben, die sich an diesem Tag ausbreitet / ausbreiten sollte.
Der Karfreitag in diesem Jahr in der Stadt: kaum ein Auto auf den Straßen, kaum ein Mensch zu sehen. Menschenleere Stadt, so schien es.

Doch: Autos auf den Straßen, aber geparkt.
Der Weg führte mich die Koloniestraße entlang. Die wurde aber wohl nicht nach dem Kolonialreich so genannt, sondern nach der Veteranensiedlung („Kolonie“) im 18. Jahrhundert.
Das hohe Gebäude rechts ist oder war mal ein Hotel, beherbergte zwischenzeitlich aber Abteilungen der Uni-Verwaltung, z.B. den zuständigen Sachbearbeiter für die Erteilung einer Sondernutzungsgenehmigung zum Aufstellen von Büchertischen. So wollten die die wilden Verkaufsstände hinausdrängen, aber ich hab gesagt. Guuut, dann gründen wir eben einen Studentenverband und lassen den beim Amtsgericht ins Vereinsregister eintragen. Den Situationistischen Studentenbund gibt es immer noch (klicken Sie ins Blaue, da erfahren sie alles).

Ford Schneider.
Willst du kaufen dir ‘nen Ford,
bleib von diesem Ort nicht fort.

Das ist auch ein Hotel.
Mal ehrlich, Kumpanen, wer von uns möchte da logie-hi-hi-hierten?
Einer gibt rot-schwarzes Fenster-Signal.
Lidl hatte ich noch nie.

Koloniestraße genug (ist sowieso bald zu Ende).
Gelegenheit, in die Kommandantenstraße abzubiegen, empfangen von gelben Baugeräten.
Öffnungszeiten auf einem Wegweiser! Öffnungszeiten als Richtung.
Wenn schon Koloniestraße, dann auch Kommandantenstraße.
Magda hat in einer ihrer Geschichten eine Straße „Kapazitätenstraße“ genannt.

Sogar auf einer Straße, die Kommandantenstraße heißt, geht sowas. Warum sollte das nicht gehen?