La Notte

„Niemand, dem das Me-Too-Spektakel nicht behagt, rechtfertigt sexuelle Belästigung und bagatellisiert Vergewaltigung, handelt sich aber solche Vorwürfe ein. Da müssen wir durch. Gegen die sexuelle Gewalt, der einerseits Frauen, andererseits Kinder ausgesetzt sind, zu agieren ist nötig – kulturell, publizistisch, juristisch, politisch, wobei der Blick auch mal weiter schweifen darf als auf den Fokus zu kurz gekommener Erfolgsmenschinnen. Doch wo im sexuellen Kontext Anklage erhoben wird, stellen sich Nebenwirkungen ein, die nicht vermieden werden, wenn sie nicht vermieden werden sollen. Was die Me-Too-Kampagne betrifft, sind die unangenehmen Nebenwirkungen die eigentliche Absicht.
Die Absicht ist nicht zu verkennen. Die Gelegenheit ist günstig, ein neues, altes Verhältnis der Geschlechter zu etablieren. Kern: Delegitimierung der Lust.
Wenn sich keiner mehr was traut, dann bleibt es dabei: Eine von Ästhetik und Erotik gereinigte, dafür umso korrektere Sexualordnung, gegen Risiken und Überraschungen abgesichert. Sexuelle Kontakte – wie schon vorgeschrieben an kalifornischen Universitäten – auf der Grundlage eindeutiger Willenserklärung – am besten noch notariell beglaubigt. Wer meint, daß ich übertreibe, der öffne die Ohren!
Leidtragende werden wieder die Frauen sein, die mehr wollen als einen unbeanstandeten Vertrags-Sex. Ihre Wünsche, Sehnsüchte und Phantasien, ihre Visionen von Glückseligkeit werden sie – hoffentlich nicht alle – der inneren feministischen Kontrolle opfern, vor dem feministischen Über-Ich verleugnen und niederringen.
Und soll ein Konkurrent aus dem Weg geräumt werden? Irgendeine, der er mal vor 20 Jahren die Tür aufgehalten oder in den Mantel geholfen hat, wird sich schon finden lassen.“

Lina Ganowski in DER METZGER Nr. 129 (La Notte).

Plastic People

Das war abzusehen, da hätte man Gift drauf nehmen können, darauf hätte man wetten können. Die „Wohlfühl-Empörer“, die „besorgten Bürger“, die wachsamen Nachbarn, die Aufpasser, die Emanzen und die ihnen hörigen Musterknaben, die Amokläufer der Moral, die Heuchler sind immer bereit, Entrüstung abzuliefern – und von ihren Mitmenschen Mit-Entrüstung einzufordern. Beim Verteufeln des Eros müssen und wollen sie alle (und sollen wir) nicht abseits stehen.
Denen werde ich nicht den kleinen Finger reichen. Tun Sie es auch nicht.

Die Reklame der Netto-Supermarktkette ist von einer geradezu rührenden Harmlosigkeit. Die könnte man, wenn es ein Film wäre, doch ab 6 Jahre freigeben. Aber alles, was irgendwie an Sex erinnert, führt zu reflexhaften Abwehr-Reaktionen. Alles, was irgendwie an Sex erinnert, ist „sexistisch“. Unterschiede werden nicht gemacht; jedes Maß für Verhältnismäßigkeit geht verloren.

Plastic People – oh Baby now you‘re such a Drag.

Remember September

Dieses Bild gefällt mir auch:

„Ja, ja, laßt den mal reden“,
scheinen die beiden Frauen links im Bild sich zu denken.
Doch das täuscht.
Im Wirklichkeit hören Ayse und Lütfiye vergnügt meinen Betrachtungen zur Zeit zu. Und diese drei Personen sind überhaupt gut aufeinander zu sprechen.

Foto (©Merkfoto) von der literarischen Stadtrundfahrt am 15. September.

Bücher bleiben / werden wieder aktuell …

… und die Anlässe sind oft unerfreulich.

Bereits am 19. Februar wurde hier vorgestellt:
Ismail Küpeli (Hg.): Kampf um Rojava, Kampf um die Türkei. edition assemblage. 128 Seiten. 7.80 €
Der türkische Staat negiert seit seiner Gründung 1923 die Existenz der kurdischen Bevölkerung in der Türkei und im Nahen Osten. Und selbst heute zielt die türkische Innen- und Außenpolitik darauf ab, die Kurdische Bevölkerung weder in der Türkei noch in der Region über politische Macht verfügen zu lassen. Der Krieg in den kurdischen Gebieten der Türkei und die Angriffe der Türkei auf die syrisch-kurdische Autonomieregion Rojava sind Facetten der türkischen Politik, die zum Ziel hat, die Kurden in der gesamten Region zurückzudrängen. Während wir einerseits eine große Überscheidung in der gegenwärtigen Politik der AKP-Regierung und ihren Vorgänger erkennen können, ist gleichzeitig in der öffentlichen Debatte der Eindruck vermittelt worden, dass die Kurdenpolitik der Türkei in den letzten Jahren sich unvermittelt und unerklärlich mehrfach gewendet hätte. Dabei bleibt unbeachtet, dass der Friedensprozess von der AKP so geführt wurde, dass die Rückkehr des Krieges keine Überraschung ist. Ebenso wird vergessen, dass das „Zuckerbrot“ Friedensprozess immer begleitet war von der „Peitsche“, nämlich die massive Repression gegen die Kurden und die Androhung eines Krieges.
Rosa Burç, Meral Çınar, Axel Gehring, Alp Kayserilioğlu, Ismail Küpeli, Kerem Schamberger und Mahir Tokatlı richten mit ihren Beiträgen den Blick auf Zusammenhänge, die in der öffentlichen Debatte unterbelichtet bleiben. So werden sowohl die politische und gesellschaftliche Entwicklungen in der Türkei analysiert, wozu selbstverständlich auch eine intensive Debatte um die Frauenbewegung in der Türkei gehört. Ausgehend von der zentralen Bedeutung der „Kurdenfrage“ gerät dann die Perspektive auf die anderen Seite der nationalstaatlichen Grenzen, nach Rojava. Hier fragen wir einerseits danach, ob Rojava eine Alternative zum Nationalstaat darstellt. Und andererseits betrachten wir die Folgen des Afrin-Krieges sowohl für Rojava als auch für die Türkei
Der Herausgeber:
Ismail Küpeli ist Politikwissenschaftler und Historiker. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der politischen Situation in der Türkei, in Rojava und den Nahen und Mittleren Osten.

Ein anderer Titel – schon etwas älter und überall vergriffen, aber wir haben noch ein Exemplar:

Martin Dolzer: Der türkisch-kurdische Konflikt. Menschenrechte – Frieden – Demokratie in einem europäischen Land? Pahl-Rugenstein Verlag, 2. erweiterte Auflage 2012. 222 S. Pb. 19,90 Euro
Die historischen Wurzeln heutiger Ereignisse und die Politiken der beteiligten politischen Akteure zu analysieren hilft, die Kurdistanpolitik in der Türkei verstehen zu können und Lösungsvorschläge zu bewerten. Dieses Buch soll dazu beitragen, eine differenziertere Sichtweise des türkisch-kurdischen Konflikts zu eröffnen und das Schweigen über gravierende Menschenrechtsverletzungen und den andauernden Krieg des türkischen Militärs brechen. Neben der praktizierten Kriegs- und Assimilationspolitik des türkischen Staates sind dabei türkischer Nationalismus, rassistische Herangehensweisen und die Rolle des Militärs genauso Thema wie das Agieren der kurdischen Bevölkerung und die Politik der kurdischen Bewegung. In diesem Rahmen wird auch die hauptsächlich auf wirtschaftlichen Interessen beruhende Politik deutscher und internationaler Regierungen kritisch beleuchtet.

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Kabele


Die Tiefbauarbeiten auf der Gneisenaustraße verhalfen mir zu der Erkenntnis, wie viele Kabele an so einem Verteilerkasten dranhängen.
Kabele darf man nicht verwechseln mit Kabale.
Kabale darf man nicht verwechseln mit Liebe.
In dem Wort „sich käbbeln“ lebt der nicht mehr gebräuchliche Begriff wohl weiter.

Nein, ich wollte doch nur mal die südlich-niederrheinische Pluralbildung unterbringen:
Kabele, Messere, Gabele, Tellere, Koffere.
Meine Oma sprach so. Die stellte immer „Tellere“ auf den Tisch.
Meine Vorfahren stammten nämlich aus Mönchengladbach.
Das ist aber auch das einzige, was ich mit Joseph Goebbels gemeinsam habe. Ich hab auch nicht dem seinen Akzent, diesen rheinischen Singsang. Ich spreche vergnügt die verständlichste, deutlichste, poetischste, bestklingende Variante des Hochdeutschen, nämlich „Ruhrdeutsch“.
Immerhin: Fehler wie „bestklingendste“ und „einzigste“ vermeide ich.

Warum ich auf meinem Geburtstag (70) keine Rede gehalten habe

Warum habe ich auf meinem Geburtstag (70) keine Rede gehalten?
Weil ich das kann.
Vor Leuten zu sprechen traue ich mr zu. Das kann ich.
Aber es ist Teil der abendländischen Kultur, daß bei runden Geburtstagen, Dienst- oder Firmenjubiläen, Hochzeit der Tochter etc. Reden gehalten werden von Leuten, die das nicht können.
Darum sage ich jetzt gar nichts mehr.

Wie war das denn eigentlich am 15. September (Sonntag)?

Eine literarische Stadtrundfahrt wurde hier angekündigt für Sonntag, den 15. September. Und? Wie war‘s?
Es war ein sehr schöner Spätsommertag. Ich stand als erster auf dem Programmzettel: um 11 Uhr vor dem Rathaus. Dann ging es weiter nach Ruhrort, und zwar nicht, wie vorgesehen, mit der Straßenbahn, sondern mit dem Bus-Ersatzverkehr (oder so ähnlich hieß das) infolge Gleisarbeiten.
In Ruhrort dann zuerst am Vinckeplatz von Werner Muth ein Programm mit Texten, Bildern und Musik. Darauf dann im Damm-Café (auf der Terrasse – sehr schönes Café!) die Fußball-Texte von Ralf Koss. Man kann Fußball gleichermaßen mit Poesie und Zeitgeschichte/Alltagsgeschichte verbinden.
Im Café gab es zur Auswahl Apfelkuchen mit und Apfelkuchen ohne Sahne. Ich beschränkte mich auf einen Cappuccino (schreibt man das so? Lerne ich nie), obwohl die Gage mir einen üppigen Verzehr erlaubt hätte. Aber, so sagt man mir nach. Meine Genuß-Sucht wird nur noch von meiner Knickerigkeit übertroffen.
Manche Zuhörerinnen und Zuhörer haben die ganze Tour von morgens bis abends, von Rathaus bis Marxloh mitgemacht. Ich verabschiedete mich schon in Ruhrort, weil ich noch am Abend in den Panama-Salon mußte/wollte (Tom Liwa spielte).
Ruhrort an einem sonnigen Sonntag im Sommer (sososo) ist wunderschön. Wie aus einem Modellbaukasten. Außer den Tourneeteilnehmern kein Mensch auf den Straßen, schien es mir. Auch im Touristen-Bus, der sich durch die engen Gassen zwängte, waren keine Fahrgäste.
Endlich mal wieder gemeinsam in einem Programm mit Lütfiye Güzel. Links im Bild: Tournee-Veranlasser Klaus Brüggenwerth.
Nicht direkt eine Proklamation: Vor dem Rathaus-Portal spottete ich vom Blatt.
Bilder: (C) Merkfoto.

Neu in der Weltbühne: „Die andere Querfront“

Gerhard Hanloser: Die andere Querfront. Skizzen des antideutschen Betrugs. Unrast Verlag 2019. ca. 280 S. 18 €
Als 1989/90 die DDR unterging, geriet auch die bundesrepublikanische Linke ins Schlingern. Mit dem größer werdenden Deutschland verstärkten sich überwunden geglaubte reaktionäre Ideologien wie Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus. Im Glauben, diese Übel abzuwehren, trommelten einige Intellektuelle aus der Linken für den Golfkrieg 1991, formierten sich als leidenschaftliche Bellizisten anlässlich des »War on Terror«, des Kriegs gegen den Irak 2003 und gegen Libyen durch die NATO 2011. Ein Teil der Antideutschen befleißigt sich einer ›Islamkritik‹, der auch rassistische Invektiven nicht fremd sind. Vor allem fand ein markanter Wechsel in der Bündnispolitik statt.
In Zeiten der AfD und des neuen Rechtsrucks sind ausgerechnet die vormaligen ›Antideutschen‹ Fürsprecher neuer Grenzziehungen und einer restriktiven Flüchtlingspolitik. Dass der prominenteste Antideutsche der 90er Jahre, Jürgen Elsässer, mittlerweile zu dem Kopf einer neuen rechten nationalistischen Bewegung wurde, erstaunt nur jene, denen die Antideutschen ein Buch mit sieben Siegeln sind.
Aus antideutschen Linken wurden Flüchtlingsfeinde, Souveränisten oder Verteidiger der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung. In einer historischen Skizze soll dieser beispiellose Zerfall kritischen Denkens nachgezeichnet und aufgeklärt werden.

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Ebenfalls noch bei uns erhältlich (sonst überall vergriffen):
Gerhard Hanloser (Hg.): „Sie warn die ANTI-deutschesten der deutschen Linken“. Zu Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik. Unrast Verlag 2004. 294 S. 18 Euro
und
Robert Kurz: Die antideutsche Ideologie. Vom Antifaschismus zum Kriegsimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen theoretischen Propheten. Unrast Verlag 2003. 312 S. 18 Euro

Weltbühne muß bleiben.

Good old everlasting Sternbuschweg. Oktober 2019

Den Sternbuschweg entlang, kurz vor Erreichen der Mülheimer Straße („Mülleimerstraße), Blick nach links, hinter einem Gebrauchtwagenhof eine alte Fabrik.
Herbstlich-verfallend? Keineswegs. Denn es handelt sich um die höchst aktive Plüschweberei Schulte – Tochterunternehmen der Margarete Steiff GmbH.
Ich frage mich, wozu eine Plüschweberei einen Fabrikschornstein benötigt.

Teddybären herzustellen ist nicht der schlechteste Beitrag, diesen Planeten bewohnbar zu machen.
Das finden auch diese beiden.

Sang- und klanglos

Die Verwunderung darüber, daß die Heine-Buchhandlung auf der Lotharstraße zugemacht hat, wird vielleicht von der Verwunderung darüber, daß es sie überhaupt noch so lange gab, übertroffen.

Öffnungszeiten! Die Buchhandlung (Universität gegenüber) hat im Semester an zwei Tagen geöffnet, jeweils für 5 Stunden, in den Semesterferien nur an einem Tag in der Woche, auch nur für 5 Stunden. Oder: Betriebsferien 6 Wochen lang.

In den 70er Jahren hat die Braunsche Buchhandlung (Stammhaus: Königstraße, damals eine der zehn größten Buchhandlungen in der BRD – heute gar nicht mhr existent) hier eine ihrer zwei Filialen aufgemacht, die von der Universität den Titel „Universitätsbuchhandlung“ bekam (so darf man sich nicht selber nennen).
Als Braun sein Unternehmen aufgab, übernahm die renommierte Essener Heinrich-Heine-Buchhandlung die Filiale, die durch ihre Unambitioniertheit geprägt war. Hier wurden zuletzt nur noch leere Regale verwaltet. Die AOK-Studentenberatung als Untermieter brachte ein bißchen Frequenz.

Ein Buchladen unter Vermeidung jeglichen Anflugs von Romantik.
Was macht ein Hauseigentümer mit einem leeren Ladenlikal?
Fast Food (fast Food)? Oder: Boutique? Oder Friseur? Oder: Schmartfons der übernächsten Generation – are you ready?