Leon Weintraub an Friedrich Merz

Offener Brief des Auschwitz-Überlebenden an den Kanzler-Aspiranten.

„Bleiben Sie Mensch, Herr Merz“

Leon Weintraub (99) hat Auschwitz überlebt. Nun wendet er sich mit einem dringenden Appell an den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.

Sehr geehrter Herr Merz,
voller Schrecken verfolgen meine Frau und ich Ihre derzeitige Politik. Als 99-jähriger Überlebender vom KL-Auschwitz und Häftling in Flossenbürg-82702, sowie auch anderen Lagern wende ich mich an Sie, Herr Merz, mit der dringenden Bitte, dieses menschenfeindliche „Zustrombegrenzungsgesetz“ nicht weiter zu behandeln.
Dringende Korrekturen in der Migrationspolitik sind sicherlich notwendig. Aber doch bitte nicht in der von Ihnen durchgeführten, verfassungswidrigen und rechtsradikalen Form. Arbeiten Sie mit Vernunft, mit demokratischen Parteien und vor allen Dingen unter den geltenden Gesetzen des deutschen Staates und der Europäischen Union. Die Folgen Ihrer derzeitigen Politik führen bereits schon wieder zu einer Fremdenfeindlichkeit und Polarisierung in der Gesellschaft, die wir Überlebenden des Holocausts so bitter am eigenen Leibe erfahren mussten. Arbeiten Sie mit demokratischen Parteien und Menschen guten Willens. Wenden Sie sich ab von rechtsradikalen Parteien in Deutschland und tragen Sie nicht zu eventuellen Triumphen im rechtsradikalen Lager bei.
Ich habe als Überlebender sehr unter der Propaganda und der Verblendung der Mitläufer im sogenannten 1000-jährigen Reich gelitten, ein großer Teil meiner Familie wurde ermordet. Bitte hören Sie nicht auf die Lockrufe der Rechten und vor allen Dingen, nehmen Sie ernst, was diese von sich geben, sie meinen, was sie propagieren! Unser Grundgesetz deklariert: „Asylrecht ist Menschenrecht“. Wir sind als Menschen geboren, bleiben Sie Mensch, Herr Merz.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Leon Weintraub
Evamaria Loose-Weintraub

Dieser Offene Brief wurde von der taz veröffentlicht.
In dem taz-Bericht ist zu lesen:

Antisemiten ist es nicht zu empfehlen, mit Leon Weintraub Streit zu suchen. Einmal, bei einem Besuch in seiner alten Heimatstadt Warschau, begegnete der Auschwitz-Überlebende zwei rechtsradikalen Jugendlichen, die verlangten, dass alle Juden Polen zu verlassen hätten. Die Diskussion endete mit einem Faustschlag, der wohlgemerkt von dem damals 80-jährigen Leon Weintraub ausging.
Dabei ist Weintraub ein zutiefst friedlicher Mensch. Der Mediziner hält auch nichts von Rache an denjenigen, die ihn im Zweiten Weltkrieg gequält haben. „Ich fühle mich als Sieger, nicht als Opfer“, schreibt er in seiner vor drei Jahren erschienenen Autobiographie. Der 99-Jährige gehört zu der immer kleiner werdenden Gruppe von Holocaust-Überlebenden, die sich für Verständigung einsetzen, aber die Geschichte doch wach halten wollen. Und die sich in die Politik einmischen, wenn sie es für nötig halten.
Das hat Leon Weintraub an diesem Dienstag getan. In einem Brief an den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz protestierte er gegen das Zustrombegrenzungsgesetz, dessen Verabschiedung im Bundestag mithilfe der AfD nur knapp scheiterte. „Arbeiten Sie mit demokratischen Parteien und Menschen guten Willens“, forderte Weintraub Merz auf. Das Gesetz sorge für Fremdenfeindlichkeit und eine Polarisierung der Gesellschaft.
Weintraubs Worte haben Gewicht, denn seine Jugend war geprägt von Verfolgung und Mord. Aufgewachsen in einer armen jüdischen Familie im polnischen Łódź, erlebte er als 14-Jähriger die Einrichtung des jüdischen Ghettos durch die Nazis. Er erinnert sich an Leichen, die auf der Straße lagen, an den ständigen Hunger und an seine Zwangsarbeit in einer Werkstatt.
Von Auschwitz nach Groß-Rosen nach Flossenbürg
Im August 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert. Von dort kam er in ein Außenlager des KZ Groß-Rosen zur Zwangsarbeit im Stollen eines Berges, in den die Nazis Teile der Rüstungsindustrie verlagerten. Die Torturen gingen im KZ Flossenbürg weiter und endeten im Schwarzwald. Dort hatten sich die SS-Wachen verdrückt, französische Soldaten befreiten die Überlebenden. Leon Weintraub wog noch 35 Kilogramm.
Später studierte er Medizin in Göttingen und lebte ab 1950 in Warschau. Doch auch dort nahm nach dem Sechstagekrieg Israels der Antisemitismus zu. Weintraub verlor seine Stelle in einer Klinik. So wie Tausende Juden verließ er seine Heimat und fand in Schweden eine neue.
Am Dienstag war Weintraub auf der Heimreise von den Gedenkfeiern in Auschwitz nach Stockholm, als er an Merz appellierte: „Bleiben Sie Mensch, Herr Merz.“

Film im ZDF über die Wannseekonferenz

„Erinnern an Auschwitz“ – ein Gebot, das in diesen Tagen erörtert wird und bekräftigt werden muß – dazu gehört auch: sich Kenntnisse zu verschaffen – und zu vermitteln.
Ich verweise auf den Film „Die Wannseekonferenz“ von Matti Geschonneck, zu sehen in der ZDF-Mediathek.

Zu dem Film gehört eine 44minütige Dokumentation, in der die Auschwitz-Überlebende Margot Friedländer über ihre Erlebnisse berichtet.

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80 Jahre nach der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee

Erklärung des es Auschwitz-Komitees zum 80. Jahrestag der Befreiung durch die Rote Armee am 27. Januar 1945

80 Jahre nach der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945
Ich appelliere an alle Menschen:
Bitte, bitte schweigt nicht, wenn ihr Unrecht seht.
(Esther Bejarano)

Denn das geht uns alle an.
Wir leben in einem Land, das Auschwitz geplant, gemacht, verursacht hat. In einem Land, das für Auschwitz verantwortlich ist. Das ist so. Ausflüchte gibt es da nicht. Und auch keine Vergleiche oder Relativierungen. Wer aber, wie wir, den Überlebenden der Shoah zugehört hat, und ganz besonders unserer langjährigen Vorsitzenden Esther Bejarano, fragt sich: Leben wir heute hier in einer Gesellschaft, die das, was geschehen ist, ein organisierter Massenmord, wieder geschehen lassen würde? Die Frage beunruhigt. Primo Levi hat sie beantwortet: Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.
Was ist aus den großen Hoffnungen der Menschheit geworden, jetzt, 80 Jahre nach der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945? Die großen Zukunftsfragen der Menschheit – der Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen, Migration, Hunger, Armut, soziale und finanzielle Spaltung – brauchen die gesamte Energie aller. Stattdessen: Antisemitismus, Rassismus und offener Hass in fast allen Gesellschaften weltweit, militärische Krisen und Kriege vielerorts, Egoisten und Autokraten sind an der Macht.
Sie reden vom Klimawandel, vertreten aber die Interessen der Erdöl-, Kohle- und Autoindustrie. Sie reden über Frieden, sind aber selbst die größten kriegführenden und rüstungsproduzierenden Staaten. Wir wissen doch: Kriege und Unterdrückung bedeuten Vertreibung und Flucht. Jede Waffe, die in Krisenregionen verkauft wird, schafft neues Leid, neue Vertreibungen.
Seit dem 24. Februar 2022 und dem 7. Oktober 2023 fragen wir uns, was aus unseren Hoffnungen auf ein Leben ohne Angst und ohne Kriege geworden ist. Krieg in der Ukraine – das Nachbarland Russland wirft Bomben auf ukrainische Städte. Menschen sterben. Völkerrecht und Menschenrechte werden missachtet. Ein Krieg in Zeiten des Kampfes gegen die Klimakrise! Ein Man-made-Desaster! Nein, wir wollen nicht lernen, die Bombe zu lieben! Und auch keine Panzer! Und wir wollen uns auch nicht an Hochrüstung und Kriegstüchtigkeit gewöhnen. Dann der Überfall, die Geiselnahmen und grausames Gemetzel der Hamas auf Feiernde in Israel.
Das israelische Militär schlug zurück: Gaza liegt in Trümmern. Wir trauern um die Toten und Verletzten auf beiden Seiten. Seit dem 7. Oktober 2023 steht die Welt Kopf. Wer will diesen Krieg? Wer will dieses Leid? Seit einigen Tagen schweigen die Waffen. Ein winziger Hoffnungsschimmer für friedlichere Zeiten.
Wir müssen uns weigern aufzugeben – wir müssen uns weigern, unseren Traum vom Frieden aufzugeben! Es ist Zeit für Diplomatie. Und mit all unserer Energie – und Militanz – sollten wir für die Ideale von Demokratie, sozialer Gerechtigkeit und für die Befreiung der Menschen von Unterdrückung, Hunger und Krieg eintreten. So jedenfalls hätten unsere Vorbilder, die Überlebenden der Shoah und des Widerstands gegen das NS-Regime gesprochen. Unsere weitsichtigen Gründungsmitglieder haben im Statut des Auschwitz-Komitees unsere Aufgaben festgelegt, große Aufgaben: Aufklärung über das Vermächtnis der in Auschwitz Ermordeten, Erwachsenenbildung, Völkerverständigung, Jugendbildung, Aufklärung über die Verbrechen des Faschismus, Bekämpfung seiner Ursachen und die Verteidigung demokratischer Rechte und Freiheiten. Eine andere Welt ist möglich! Eine Gesellschaft, in der alle ohne Angst verschieden sein können. Daran halten wir fest.
Wir sind nicht erst seit den Forderungen der AfD und ihres Vertreters Björn Hocke nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ und nach einem „Ende des Schuldkults“ zutiefst besorgt. Wir sehen doch alle, wie der rechte Nationalismus in Deutschland, in Europa und der ganzen Welt wächst. Antifa-Bashing, SA-Vergleiche, absurde Äußerungen zum Nationalsozialismus, Hitlergrüße bei der Inauguration des amerikanischen Präsidenten. Was kommt noch?
Wer hat den Überlebenden der Shoah und den Berichten aus dem Widerstand gegen das NS-Regime zugehört? „Die nächsten Jahre und Jahrzehnte werden zeigen, inwieweit durch das Wissen um die Abgründe der Geschichte die gesellschaftliche Resilienz und Resistenz gestärkt wurden.“ *
„Ich vertraue auf euch, ich vertraue auf die Jugend“, hatte Esther Bejarano immer wieder gesagt. Und auch viele andere Shoah-Überlebende haben das immer wieder bekräftigt.
Haben wir ihr Vertrauen verdient? Wir sind nicht allein. Wir sind viele. Macht mit, denn: „Wer schweigt, stimmt zu! Wegsehen ändert nichts. Schaut hin, handelt!“
Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e. V.

kontakt@auschwitz-komitee.de • mobil: 0175 – 9 374 446 • www.auschwitz-komitee.de

* Detlef Garbe (2014). ÜberLeben als Auftrag. In: Das Haus brennt. Esther Bejarano spricht. Hg. Auschwitz-Komitee,
Hamburg: Dölling und Galitz Verlag, S. 165.

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Esther Bejarano

1924 .- 2021

 

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Die VVN erklärt zum Jahrestag:

Verhandlungen und eine Konfliktlösung auf der Grundlage des Völkerrechts statt Krieg in Nahost!
Am 7. Oktober 2023 hat mit dem antisemitischen Massaker und der Verschleppung hunderter israelischer Geiseln durch die Hamas und ihre Verbündeten eine neue Eskalation der Gewalt in der Region begonnen. Die danach von der israelischen Regierung propagierte „vollständige Vernichtung der Hamas“ mit Flächenbombardements in Gaza hat inzwischen zehntausende zivile Opfer gekostet und zu einer humanitären Katastrophe in Gaza geführt. Mit den Bombardierungen Beiruts und der Bodenoffensive im Libanon droht sich dies zu wiederholen. Auch eine weitere Eskalation der Situation in der Region ist nicht auszuschließen – durch keinen der Akteure.
Seit dem Beginn der israelischen Angriffe auf Gaza ist es weltweit und auch in Deutschland zu Bedrohungen und Angriffen gegen jüdische Menschen und Einrichtungen gekommen. Die VVN-BdA steht an der Seite der Betroffenen. Jüdische Menschen für die kriegerische Reaktion Israels auf den Angriff der Hamas verantwortlich zu machen, ist antisemitisch.
Für die VVN-BdA ist das Verhältnis zu Israel in erster Linie davon bestimmt, dass dort eine große Zahl von Überlebenden des Holocaust und deren Nachkommen leben. Israel war und ist Zufluchtsort für jüdische Menschen aus aller Welt. Wer wie die Hamas und ihre Verbündeten diese grundsätzliche Konsequenz nach dem Holocaust infrage stellt und alle jüdischen Israelis zu Terror-Zielen erklärt, kann für uns kein Bündnispartner sein. Das gilt ebenso für die Hisbollah und das iranische Mullah-Regime.
Unsere Bündnispartner sind die Kräfte der Demokratie und des Friedens in Israel und Palästina, die für Verhandlungen und eine Konfliktlösung auf der Grundlage
des Völkerrechts eintreten.

In diesem Sinne erklären wir:
• Die VVN-BdA erkennt das Recht Israels auf Selbstverteidigung an. Gleichzeitig hat Israel wie alle Staaten die Verpflichtung, völkerrechtliche und humanitäre Standards einzuhalten und eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, was unter anderem die Ermöglichung sicherer Fluchtwege und des Zugangs zu Wasser, Nahrung und medizinischer Versorgung für die Zivilbevölkerung in Gaza umfasst.
• Wir verurteilen alle Bestrebungen rechter und rechtsextremer Kräfte in Israel nach Annexion palästinensischer Gebiete und Vertreibung palästinensischer Bevölkerungsteile.
• Wir verurteilen die Politik Israels hinsichtlich der gegen Völkerrecht und israelisches Recht verstoßenden Siedlungen im Westjordanland und der dortigen menschen- und völkerrechtswidrigen Besatzungspraxis. Die Siedlungs- und Besatzungspolitik und die mit ihr verbundene Entrechtung, Enteignung und Vertreibung palästinensischer Einwohner*innen stehen einer Konfliktlösung im Sinne von Frieden, Sicherheit und Gleichberechtigung für alle Bevölkerungsgruppen der Region entgegen.
• Die VVN-BdA bekräftigt ihre Unterstützung für die Kräfte der Demokratie und des Friedens auf israelischer und palästinensischer Seite, wie z.B. עומדיםביחדنقفمعًا standing together, die für Verhandlungen und eine Konfliktlösung auf der Grundlage des Völkerrechts eintreten.

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Grob unsportlich

Oder „Protest“ gegen die Angegriffenen.

Was gibt es denn sonst noch auf (manchen) Fußball-“Rängen“ zu hören, in Italien und anderswo?
Ich weiß, daß viele Fußballfreunde, Fanclubs, Fanprojekte und aktive Sportler nicht einfach „weghören“, sondern dagegen aktiv werden, wenn manche Zeitgenossen sich zusammenrotten, um den Fußballsport als Vorwand für das Rauslassen niederer Impulse zu mißbrauchen.
Und darum, so unterstelle ich, handelt es sich auch bei diesem Beispiel.
Was ist es denn in Wirklichkeit, was sich da als „Protest gegen den Krieg“, „gegen eine Regierung“ verkleidet?

Ausstellung abgesagt


Der Bahnhof Langendreer ist eigentlich & zweifellos eine gute Adresse!
Doch ist nie jemand gefeit vor dem Dilemma zwischen gerechtem Schweigen und ungerechtem Verschweigen.
Konkret: Der Vorwurf des Antisemitismus dient sehr (!) oft gar nicht dem Zweck, den Antisemitismus zu bekämpfen und zu besiegen, sondern anderen, unlauteren Zwecken der Verdrängung.

Ich zitiere aus DER METZGER Nr. 145 (Juli 2022):

Die ebenso zwangsläufige wie instrumentalisierte Empörung über fragwürdige Ausstellkungsstücke auf der Kasseler Documenta XV läßt Nebenwirkungen sichtbar werden. Ich werde den Eindruck nicht los, daß es denen, die bei der Verurteilung antisemitischer Bildelemente einander das Wort erteilen, vor allem darum geht, auf der sicheren Seite anzulangen.[…]
Der Bildserie Guernica Gaza des palästinensischen Künstlers Mohammed Al-Hawajri wird Antisemitismus vorgeworfen: Denn er setze das Vorgehen der israelischen Armee im von der Hamas regierten Gazastreifen mit dem Vorgehen der Legion Condor im spanischen Bürgerkrieg gleich: 1937 wurde dabei die baskische Stadt Guernika durch einen Luftangriff zerstört. Picasso schuf daraufhin sein Gemälde Guernica.
Das hat man oft gehört: Israel in der Nachfolge derer, die die Juden ausrotten wollten. So schleicht sich mit Unschuldsmiene der Antisemitismus in den Diskurs. Aber ist das Thema damit erledigt? Der als „Politikwissenschaftler“ vorgestellte Stephan Grigat sprach von einem „Parade-Beispiel für einen Israel-bezogenen Antisemitismus“. Schade, daß ihm sonst nichts dazu einfällt.
Das indonesische Künstlerkollektiv Taring Padi wurde wegen seines großformatigen dreiteiligen Banners mit dem Titel People’s Justice kritisiert, weil darauf unter anderem eine Figur dargestellt ist, die eine „Art ‚Judenhut‘ mit SS-Runen … Schläfenlocken, blutunterlaufene Augen, spitze Zähne und eine krumme Nase“ hat. Ebenfalls gezeigt wird auf dem Bild ein Soldat mit Schweinsgesicht, der „ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift ‚Mossad‘“ trägt. Das Kollektiv zeigte sich überrascht, aber auch nicht uneinsichtig und hat sich mittlerweile mehrfach entschuldigt. Es sieht ein, daß diese „Bildsprache im historischen Kontext Deutschlands eine spezielle Bedeutung bekommen“ habe. Es ist ernüchternd, daß die Shoah sich noch nicht auf der ganzen Welt herumgesprochen zu haben scheint, noch nicht einmal bei Künstlern, die sich als progressiv verstehen. Das ist ein immer noch nicht aufgearbeitetes Defizit. Antiimperialismus und Antifaschismus als untrennbare, identische Zielsetzungen zu verbinden muß erst noch gelingen!
Das Bild „Peoples Justice“ („Gerechtigkeit des Volkes“) entstand vor 20 Jahren, in der „Reformasi-Ära“, kurz nachdem die Schreckensherrschaft des Diktators Suharto beendet war.
„Um 1998 herum haben sich viele aktivistische Künstlerkollektive in Indonesien gegründet. Es ging um eine politische und gesellschaftliche Neuorientierung“, sagt Vanessa von Gliszczynski vom Museum der Weltkulturen in Frankfurt. „Daß Suhartos Regime und seine Hetzjagd auf Kommunisten und Kommunistinnen von der westlichen Welt – auch von Israel, aber auch unter anderem von der Bundesrepublik Deutschland – unterstützt wurde, ist kein Geheimnis.“ Taring Padi erklärt, es habe versucht, „die komplexen Machtverhältnisse aufzudecken“ die im Massenmord an 500.000 Menschen in Indonesien Mitte der 60er Jahre gipfelten. So sind neben Mossad auch der australische Geheimdienst ASIO und der britische MI-5 als Schreckensfiguren abgebildet. Thema ist, kurz gesagt, eines der scheußlichsten Verbrechen des Westens nach 1945.
Dieses Anliegen ist berechtigt und zu fördern. Aber das darf nicht in einer solchen Bildsprache geschehen. Das ist nicht weniger dumm als wenn auf Bildern dem Putin oder der Merkel Hitler-Bärtchen gemalt werden. Als Krickeleien auf Plakaten bei Dummdeutsch-Demos ist sowas eine lästige Albernheit. Auf einer Weltausstellung der Kunst ist das ein Desaster.
Aber so wie man unter dem Vorwand, dem Antisemitismus entgegenzutreten, den Antimilitarismus verleumdet, kann man auf dieselbe Art das lästige Thema Dritte Welt argumentlos entsorgen.

Aus: Lina Ganowski: Von der Dämlichkeit im Fortschritt und die Misshelligkeiten des Lebens so ganz im Allgemeinen. DER METZGER Nr. 145 Seite 16.

150 Jahre Karl Kraus

Bild (C) wikimedia commons

Am 28. April 1974, gestern vor 150 Jahren, wurde Karl Kraus geboren. Er lebte bis 1936, hat also den Weltkrieg erlebt und ebenso das Herannahen eines zweiten.
Er gab seit 1899 in Wien die Zeitschrift Die Fackel heraus, in der er auf tausenden von Seiten als ein konsequenter (man könnte sagen: radikaler) und gefürchteter Kultur-, Gesellschafts- und Sprachktritiker wirkte. Eines seiner Werke erschien unter dem Titel „Untergang der Welt durch schwarze Magie“. Mit der schwarzen Magie ist die Druckerschwärze der Zeitungen gemeint, denn Kraus sezierte und kritisierte die Presse als menschheitsgefährdende Phrasendrescherei. Unter „Sittlichkeit und Kriminalität“ wird die zerstörerische spießbürgerliche Moral überführt.

Auf zwei Werke verweise ich, die neben der Fackel als Hauptwerke gelten können (und wahrgenommen werden sollten):

Die letzten Tage der Menschheit.
Dieses wohl unspielbare Theaterstück – eine Aufführung würde mehrere Tage dauern, und es müßten mehrere hundert Personen auftreten – berichtet: Der Weltuntergang hat schon stattgefunden, nämlich von 1914 bis 1918.

Dritte Walpurgisnacht.
„Mir fällt zu Hitler nichts ein“ – so lautet der erste Satz in dieser umfangreichen Dokumentation, oft zitiert und oft mißverstanden, wie auch „Ich bleibe stumm und sage nicht warum“ womit er eine Unterbrechung des Erscheinens der Fackel begründete.
Beschrieben wird das „Erwachen einer Nation“ in den ersten Monaten des sog. „Dritten Reiches“, aufgezählt aus öffentlich zugänglichen Quellen. Die Schtift wurde posthum, nämlich 1952 veröffentlicht. Sie widerlegt die Legende, man habe „von alledem ja nichts gewußt“ und das Unheil wäre ja erst später sichtbar geworden.


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Neu in der Weltbühne: Meron Mendel über Israel und …


Meron Mendel: Über Israel reden. Eine deutsche Debatte. Shortlist des Deutschen Sachbuchpreises 2023
Verlag Kiepenheuer & Witsch. 224 S. 22 €
Über kaum ein anderes Land wird in Deutschland so viel geredet und gestritten: Zu Israel hat jeder eine Meinung. Warum ist das so? Wieso hat der Nahostkonflikt eine solche Bedeutung? Und warum ist die Debatte so emotional – und oft so vergiftet?
Als Meron Mendel vor zwanzig Jahren nach Deutschland kam, stellte er überrascht fest, welche Bedeutung sein Heimatland Israel hier im öffentlichen Diskurs hatte. Schon damals konnten nahezu alle, mit denen er sprach, klare Positionen zu Israel und seiner Politik formulieren.
Heute werden die Debatten noch heftiger geführt. Zuletzt haben sich Skandale aneinandergereiht – vom öffentlichen Streit um den antiisraelischen Philosophen Achille Mbembe im Jahr 2020 bis zur Documenta-Debatte von 2022. Einerseits wird eine Art „Freundschaftspflicht“ aufgrund der NS-Vergangenheit und dem andauernden Antisemitismus in Deutschland proklamiert. Andererseits stellt sich die Frage, wie Deutschland auf den sich verschärfenden Rechtskurs der Regierung in Jerusalem reagieren soll.
Meron Mendel schildert in diesem Buch, wie das Verhältnis zu Israel und zum Nahostkonflikt in Deutschland verhandelt wird, in der Politik und in den Medien, unter Linken, unter Migranten und unter Juden.
Deutschlands Verhältnis zu Israel steht vor großen Herausforderungen: Meron Mendel zeigt, wie wir ihnen mit Mut und Offenheit begegnen können.

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Bei uns auch noch erhältlich:

Heiko Kauffmann, Jobst Paul, Klaus Holz (Hg.): Die Verneinung des Judentums. Antisemitismus als religiöse und säkulare Waffe

Andreas Pehams: Kritik des Antisemitismus

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Neu in der Weltbühne: Ausstellungskatalog »Menschen die noch hätten leben können«

Neu in der Weltbühne:
»Menschen die noch hätten leben können« Opfer nationalsozialistischer Verbrechen in der Sammlung Prinzhorn. Herausgegeben von Thomas Röske und Maike Rotzoll. Smmlung Prinzhorn. 208 Seiten. 30 €

Über dieses Buch
Der Katalog begleitet die gleichnamige Ausstellung, die das Gedenken an Opfer nationalsozialistischer Verbrechen in der Sammlung Prinzhorn fortsetzt, das diese bald nach Eröffnung des Museums mit der Schau »Todesursache: Euthanasie« 2002/2003 begonnen hat. Wie der Titel der damaligen Ausstellung deutlich macht, konzentrierte sie sich auf Künstler*innen der Sammlung, die Opfer der nationalsozialistischen Patient*innenmorde geworden waren. Die aktuelle Ausstellung erweitert die Perspektive auf Zwangssterilisierte, auf Häftlinge nationalsozialistischer Konzentrationslager und Opfer der Shoah. Wie bei dem ersten Projekt haben die Herausgeber*innen eine kleine Autor*innengruppe gewinnen können, die betroffenen Männer und Frauen mit ihren Werken im Katalog vorzustellen. Insgesamt werden 24 Einzelschicksale geschildert, zum Großteil auf Grundlage neuer Recherchen und illustriert mit vielen bislang unveröffentlichten Werken und Dokumenten. Die Einleitung gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Komplexe nationalsozialistischer (Medizin-)Verbrechen, denen die Künstler*innen zum Opfer fielen. Die gezeigten Arbeiten vermitteln einen Eindruck von den Persönlichkeiten hinter den Schöpfungen. Über sie ist eine Form der Annäherung an Opfer nationalsozialistischer Verbrechen möglich, die Zahlen, Fotos oder dürre Fakten nicht erlauben. Die Ausstellung versteht sich insofern als einen Betrag zur Erinnerungskultur.
Mit Beiträgen von Christoph Beckmann, Ingrid von Beyme, Ana-Kathrin Hintz, Sabine Hohnholz, Gudrun Jäger, Maike Rotzoll, Thomas Röske.
Die Ausstellung kann bis 31. März 2024 in der Sammlung Prinzhorn besucht werden.

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Ein Buch für die, denen es dabei ernst ist …

… und ein Buch, das es schon lange gibt und in diesen Tagen öfter zur Hand genommen werden muß:
Heiko Kauffmann, Jobst Paul, Klaus Holz (Hg.): Die Verneinung des Judentums. Antisemitismus als religiöse und säkulare Waffe
Edition DISS im Unrast-Verlag 2009. 184 Seiten, softcover. 22,00 €
Der Band umfasst eingehende Analysen antisemitischer Positionierungen auf den Diskursebenen der Medien, der Politik, der Wissenschaft, der Religion und des Alltags. Thematisiert wird die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und dessen gegenwärtige Wiederbelebung im Islamismus. Einen Schwerpunkt bildet die jüdische Perspektive auf das Phänomen des Antisemitismus und auf ihr Gegenprogramm der gerechten Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund wird die Flüchtlingspolitik der Gegenwart betrachtet. Dies geschieht anlässlich des 70. Jahrestages der Konferenz von Evian und deren Umgang mit jüdischen Flüchtlingen (1938).

Aus dem Inhalt
Teil I: Historische Analysen
Kurt Lenk: Die Geburt des modernen politischen Antisemitismus
Gregor Hufenreuter & Uwe Puschner: Antisemitismus und völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich
Teil II: Jüdische Perspektiven
Jobst Paul: Die christliche Übertrumpfung des Judentums als Paradigma der Ausgrenzung. Deutsch-jüdische Analysen zum Syndrom der Judenfeindschaft
Andreas Disselnkötter: Die Bedeutung jüdischer Medien bei der Bekämpfung von Antisemitismus
Yves Kugelmann im Gespräch mit Jobst Paul. »›Antisemitismus‹ ist für uns Pflicht und nicht Kür im redaktionellen Alltag«
Siegfried Jäger: Die jüdische Vorstellung einer »gerechten Gesellschaft« zwischen religiös begründeter und profaner Ethik. Eine diskurstheoretische Spurensuche 81
Teil III: Aktuelle Analysen
Moshe Zuckermann: Verdinglichte Sühne. Von Interessen und Befindlichkeiten. Anmerkungen zu den deutsch-israelischen Beziehungen
Klaus Holz: Die Paradoxie der Normalisierung. Drei Gegensatzpaare des Antisemitismus vor und nach Auschwitz
Regina Wamper: Antisemitismus und Antijudaismus in Diskursen der Rechten. Brüche und Kontinuitäten
Jochen Müller: »Warum ist alles so ungerecht?« Antisemitismus und Israelhass bei Jugendlichen. Die Rolle des Nahostkonflikts und Optionen der pädagogischen Intervention
Heiko Kauffmann: Von Evian nach Brüssel. Menschenrechte und Flüchtlingsschutz 70 Jahre nach der Konferenz von Evian

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Hilfestellung zur Abwehr des alltäglichen Antisemitismus

Antisemitischen Ressentiments widersprechen.
Dazu hat Campact gemeinsam mit der Bildungsstätte Anne Frank einen Leitfaden erarbeitet, der hier zu finden ist:

https://www.campact.de/antisemitismus/

Mehr über die Bildungsstätte Anne Frank erfährt man dort:

https://www.bs-anne-frank.de/

Neu in der Weltbühne: „Der nichtjüdische Jude“ von Isaac Deutscher

Isaac Deutscher: Der nichtjüdische Jude. Aus dem Englischen von Eike Geisel und Mario Offenberg. Verlag Klaus swagenbach 2023 (Reihe WaT). 208 Seiten. 15 €.
Ein Klassiker linken und jüdischen Denkens: Essays über Geschichte, Identität, Kunst und Israel – beeindruckend scharfsinnig und radikal humanistisch.
1968 zum ersten Mal veröffentlicht, kommt diesen Essays zur Frage jüdischer Identität jenseits von Religion und Nationalbewusstsein geradezu prophetische Aktualität zu. Isaac Deutscher formuliert darin klarsichtige Analysen zur Problematik »Wer ist Jude?«, zum Verhältnis von Linkssein und Herkunft, zu Antisemitismus und Zionismus, zur Rolle der Juden in der Sowjetunion und zum Nahost-Konflikt sowie zur Tragik Israels, dessen Unmöglichkeit als jüdischer Nationalstaat wie auch Notwendigkeit als Schutzraum vor Judenhass er mit großer Empathie beschreibt.
In einem Schtetl als Spross einer orthodoxen Familie aufgewachsen, schildert Deutscher voller Zuneigung, aber nie verklärend die untergegangene ostjüdische Welt, deren Grenzen der nichtjüdische Jude überschritt, die aber doch ständiger Bezugspunkt für sein späteres universalistisches Engagement bleiben sollte: »Ich bin Jude kraft meiner unbedingten Solidarität mit den Verfolgten und Ausgerotteten.«

„Ich bin Jude, weil ich die jüdische Tragödie als meine eigene empfinde.“
Isaac Deutscher, geboren 1907 in Westgalizien, war vor dem Zweiten Weltkrieg in der polnischen Arbeiterbewegung aktiv, brach aber mit dem Parteikommunismus und wurde nach dem Krieg zu einem der wichtigsten linken Intellektuellen englischer Sprache. Bekanntheit erlangte er durch seine Biografien von Trotzki und Stalin sowie durch seine politischen Interventionen. 1967 starb er in Rom.

Diese Essay-Sammlung erschien zuerst 1988 im Rotbuch-Verlag.
Von dem umfangreichen Werk Isaac Deutschers ist derzeit sonst nur noch das Standardwerk „Die unvollendete Revolution“ im Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) enthalten. Die beiden als Standardwerk geltenden Biografien über Stalin (1966) und Trotzki (1963) sind dort nicht mehr verzeichnet. Die wachsende Wichtigkeit des Antiquariats im linken Buchhandel wird mit solchen Beispielen deutlich.

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Kritik des Antisemitismus

Zur Lage:
Andreas Pehams: Kritik des Antisemitismus
Schmetterling Verlag 1. Auflage 2022. Reihe theorie.org. 240 Seiten, kartoniert. 12 €
Verlagstext:
Seit jeher helfen Juden mit den ihnen zugeschriebenen bösen Taten oder Absichten, das Unerklärliche erklärbar zu machen und Sinn zu stiften. Mit der antisemitischen Feindbildproduktion lässt sich insbesondere in Krisen- und Umbruchzeiten die Sehnsucht nach einfachen, klaren Antworten befriedigen.
Auch aus linker Perspektive hat ein Erkenntnisinteresse am Antisemitismus schon aus historischen Gründen zu bestehen, stellt doch der zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufkommende politische Antisemitismus, der sich gegen Juden als Repräsentanten wie Agenten noch unbegriffener kapitalistischer Modernisierung richtet, einen der Gründungsmakel der deutschsprachigen Linken dar. In der Agitation gegen Israel und dem Absprechen des nationalen Selbstbestimmungsrechtes für Jüdinnen und Juden werden antisemitische Traditionen von Teilen der Linken fortgeschrieben. Gleiches gilt für jenen Antikapitalismus, der an der Oberfläche verharrt und auf die Zirkulationssphäre fixiert ist.
Vor diesem Hintergrund bietet diese kritische Einführung umfassendes Basiswissen für das Verständnis des Antisemitismus und bettet es inhaltlich in den Kontext linken Denkens und emanzipatorischen Handelns ein.
Sie zeigt Geschichte, Formen, Inhalte und Bilder des Antisemitismus auf, angefangen von der Antike, über Christentum und Mittelalter sowie die bürgerliche Gesellschaft bis hin zu Nationalssozialismus und dem «Neuen Antisemitismus» der Postmoderne. Sie interessiert sich für Funktionen und Wirkungsweisen des Antisemitismus, der seine aktuellen Motive vor allem aus einer spezifischen Bearbeitung des Nationalsozialismus und des Nahostkonfliktes bezieht, zeigt dabei gängige Theorien auf und setzt sich mit Israelfeindschaft, Antizionismus, islamischem Antisemitismus sowie dem Verhältnis Geschlecht/Sexismus und Antisemitismus auseinander.
Schließlich werden Ansätze und Konzepte zur Bekämpfung des Antisemitismus sowie Grundzüge antisemitistischer Arbeit in unterschiedlichen Bereichen kritisch beleuchtet.

Reihe: «theorie.org»
Die Publikationsreihe trägt sowohl dem neu erwachenden Interesse an theoretischen Grundlagen linker Politik als auch dem Bedürfnis nach Reflexion politischer Praxis Rechnung. Die Autorinnen und Autoren nähern sich ihrem Gegenstand sachlich, nüchtern und ohne Nostalgie, aber stets mit emanzipatorischem Anspruch. Dabei verpflichten sie sich einem hohen Maß an Verständlichkeit. «theorie.org» arbeitet die zentralen Themen linker Debatte kritisch auf, fasst Resultate zusammen und versucht zentrale Gedanken für die Zukunft festzuhalten. Die Reihe bietet fundiertes Überblickswissen, will Orientierungshilfe geben und Perspektiven aufzeigen.

Es ist gerade diese Nüchternheit, dieses geduldige Bemühen um Sachkenntnis, das hilfreich sein kann, sich in der Turbulenz gegenwärtiger Ereignisse nicht zu verirren. Sachlichkeit und Nüchternheit gehen nicht zulasten der Leidenschaft im steten Kampf für eine menschliche Gesellschaft.
Ein Mann, bekannt für seinen klaren Standpunkt und seinen Weitblick (eine gute Kombination!), Robert Steigerwald, urteilte in den Marxistischen Blättern über die Reihe theorie.org:
„Ich habe schon einige Bücher dieser schönen Reihe theorie.org des Verlags besprochen, der ein klares Profil hat, also nicht nach dem Motto druckt «Egal was, Hauptsache, es bringt Gewinn». Es ist zwar nicht ganz mein eigenes Profil, aber diese Reihe schöner, handlicher, preiswerter Bücher ist geeignet, sich im Laufe der Zeit eine Grundlagenliteratur in Sachen Marxismus aufzubauen.“

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25. August 1933: Die erste Liste der Ausgebürgerten

Am 25. August 1933, heute vor 90 Jahren, wurde im amtlichen Reichsanzeiger die erste Liste von Personen veröffentlicht, denen auf ganz scheinlegale Art die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen wurde. Es folgten in den nächsten Jahren weitere Listen.
Die genannten Personen waren im Reichsgebiet rechtlos. Da ihr im Inland aufzufindendes Vermögen geraubt („beschlagnahmt“) wurde, waren sie mittellos.
Im „Deutschen Club“ in London wurden wurden Bilder der 33 Ausgebürgerten ausgestellt mit dem Zusatz „Wenn ihr einen trefft, schlagt ihn tot!“. Der niedrigste Instinkt war mit der Staatsmacht eine enge Allianz eingegangen.
16 der 33 „Ausgebürgerten“ haben das Ende des NS-Regimes noch erlebt. Deren „Ausbürgerung“ war mit dem 8. Mai 1945 keineswegs null und nichtig. Sie blieben Staatenlose.
Die Namen auf dieser Liste dürfen nicht vergessen werden.

Neu in der Weltbühne: Graphic Novel über Primo Levi

Matteo Mastragostino, Alessandro Ranghiasci: Primo Levi. Graphic Novel. Aus dem Italienischen von Georg Fingerlos. bahoe books Wien. 120 Seiten Hardcover im Großformat. 24 €.

Herbst 1986. Wenige Monate vor seinem Tod traf Primo Levi die Schüler der Volksschule Rignon in Turin. Es war die gleiche Schule, die er als Kind besuchte. So begann die lange Reise des Wissens, in dem der Schriftsteller die Kinder an der Hand nahm und sie ruhig in sein persönliches Drama begleitete und mit sanfter Festigkeit zu erklären versuchte, was der Holocaust war, und wie er es geschafft hat, die Hölle von Auschwitz zu überleben. Fragen über Fragen: Die Schüler öffneten ihre Augen und sahen die schwärzeste Seite der menschlichen Geschichte, geführt durch die Stimme und die Gesten eines ihrer maßgeblichsten Zeugen, einem Meister der Klarheit und des Widerstands, der Entschlossenheit und der Tat.
Primo Levis Biographie als berührende Graphic Novel zählt nicht nur zu den zugänglichsten Werken über die Deportation und Ermordung der Juden in Auschwitz, sondern gewinnt durch die zurückgenommene Erzählweise in Kombination mit den präzisen, unaufdringlichen Zeichnungen den Rang von Weltliteratur.

Die dritte Auflage erscheint in diesen Wochen. Um Vorbestellung wird gebeten.

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Neu in der Weltbühne: Standardwerk von Leo Löwenthal

Neu in der Weltbühne: Leo Löwenthal: Falsche Propheten. Studien zur faschistischen Agitation. Aus dem Englischen von Susanne Hoppmann-Löwenthal. Mit einem Nachwort von Carolin Emcke. Suhrkamp Verlag 2021. 254 S. 15 €
Lautstark schwingen sich selbsternannte Tribunen des Volkes, esoterische »Querdenker« und autoritäre Demagogen zu Verteidigern der demokratischen Ordnung auf, deren Werte sie eigentlich ablehnen. Um Gefolgschaft zu organisieren, schüren sie Ängste vor drohendem Chaos und spinnen Verschwörungstheorien über anonyme Mächte, die das Schicksal der Nation bestimmen. Vorschläge zur Lösung komplexer gesellschaftlicher Probleme sind ihre Sache nicht. Vielmehr verlegen sie sich auf eine aggressive Rhetorik des Kampfes gegen »die Politiker«, »die Linken«, »die Flüchtlinge« und immer wieder: »die Juden«.
Was sich wie eine Kurzbeschreibung von Aspekten der politischen Kultur unserer Tage liest, ist Gegenstand eines Buches, das vor mehr als siebzig Jahren geschrieben wurde. In Falsche Propheten analysiert Leo Löwenthal Themen und Techniken politischer Demagogie. Er fragt, warum die immergleichen Phrasen und Phantasmen verfangen, legt dar, weshalb dem Agitator so schwer beizukommen ist, und warnt vor Unterschätzung. Denn nicht selten ist die Agitation »Generalprobe fürs Pogrom«. Falsche Propheten ist ein Klassiker der politischen Psychologie. Inwiefern es auch ein Buch für unsere Gegenwart ist, zeigt Carolin Emcke in ihrem Nachwort zu dieser Neuausgabe.

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Hundert Jahre Georg Kreisler

Heute, am 18. Juli 2022, ist der hundertste Geburtstag von Georg Kreisler – geboren am 18. Juli 1922 in Wien. 1938 nach dem „Anschluß“ Österreichs an Nazi-Deutschland Flucht der jüdischen Familie in die USA.
Kreisler fand in Hollywood Verbindung zum Film, arbeitete mit Charlie Chaplin und Hanns Eisler zusammen. 1943 US-amerikanische Staatsbürgerschaft und gleich Einziehung in die Armee, dort ausgebildet als Übersetzer und Verhör-Spezialist. Gleich nach Kriegsende lernte er Deutschland von seiner unappetitlichsten Seite kennen: Er begegnete den festgenommenen Hermann Göring und Ernst Kaltenbrunner, er verhörte Julius Streicher.
Kreisler wollte nicht als Österreicher gesehen werden. Auch wenn er nach 1945 in Europa lebte, stellte er sich als Bürger der USA vor.
Man kann dagegen einwenden, daß Kreisler sehr österreichisch wirkte, wenn man seinen Namen in eine Reihe stellt mit Landsleuten wie Karl Kraus, Peter Altenberg, Helmut Qualtinger, Joseph Roth, Egon Fridell, Georg Stefan Troller, André Heller, Helmut Zenker, Fritz Muliar, die das NEIN als Element österreichischer Kultur garantieren. Allerdings bemerkte Kreisler:
„Aber auf keinen Fall bin ich Österreicher, denn im Jahre 1945, nach Kriegsende, wurden die Österreicher, die 1938 Deutsche geworden waren, automatisch wieder Österreicher, aber diesmal nur diejenigen, die die Nazizeit mitgemacht hatten. Wer unter Lebensgefahr ins Ausland geflüchtet wurde, also auch ich, bekam seine österreichische Staatsbürgerschaft nicht mehr zurück.“

Man sollte Georg Kreisler nicht vergessen, man sollte ihn hören.
Ich weiß immer noch nicht, was ein Bluntschli ist. Es wurde mir oft erklärt, aber ich glaube, daß keine der Erklärungen zutrifft.
Georg Kreisler soll, seine Kunst bilanzierend, sinngemäß gesagt haben: Man hat es heute schwerer, wenn man erreichen will, daß die Leute vor Ende des Konzerts den Saal verlassen und beim Hinausgehen die Tür zuknallen.

Jahrestage

Am 24. Juni 1922, heute vor hundert Jahren, wurde Walther Rathenau ermordet.

ADN-Zentralbild, Dr. Walther Rathenau – Bundesarchiv

Walther Rathenau (geboren 1867) war Chef der AEG, des seinerzeit weltweit größten Unternehmens der Elektrobranche. Es war Politiker (in der sozialliberalen DDP) und seit Februar 1922 Außenmminister der Weimarer Republik. Und er war in jenen Monaten der meistgehaßte Mann des Landes.
„Schlagt tot den Walther Rathenau, die gottverdammte Judensau“ , grölten Deutsche Studenten, und das haben die nicht nur gesungen, das haben die auch getan. Am Morgen des 24. Juni 1922 wurde Rathenau auf der Straße durch eine Maschinenpistolen-Salve und durch eine Handgranate getötet. Die Mörder und Mordgehilfen gehörten der rechtsextremen „Organisation Consul“ an, die mit der „Brigade Ehrhardt“ verbunden war.
Am Tag nach dem Attentat sagte der Reichskanzler Josef Wirth (Zentrum) im Reichstag einen Fundamentalsatz:
DER FEIND STEHT RECHTS.
Diesen Satz hatte auch schon Philipp Scheidemann (SPD) in der Weimarer Nationalversammlung gesagt.
Und so ist der Mord an Walther Rathenau in eine Reihe von rechtsextremen Verbrechen einzuordnen: Der Mord an Eugen Leviné, Gustav Landauer, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die Attentate auf Philipp Scheidemann, auf den jüdischen Schriftsteller Maximilian Harden. Tage vor dem Mord an Rathenau war der Finanzminister Matthias Erzberger bei einem Attentat getötet worden. Zu dieser Blutlinie faschistischer Verbrechen gehört auch der Kapp-Putsch von März 1920 und der Hitler-Putsch vom November 1923.
Die „Konservative Revolution“, wie der ideologische Hintergrund der faschistischen Blutlinie sich nannte, hat auch in diesen Tagen ihre Agitatoren. Götz Kubitschek schrieb in seiner Zeitschrift Sezession: „Die sogenannte ‚Konservative Revolution‘ von 1918 bis 1932 hat bis heute ihre Strahlkraft auch deshalb nicht verloren, weil sie in ihren Hauptvertretern radikal und kompromisslos war, so ganz und gar bereit für etwas Neues, einen Dritten Weg, einen Umsturz, eine Reconquista, einen revolutionären, deutschen Gang in die Moderne … Von Harmlosigkeit, zivilisierter Zurückhaltung, Zahnlosigkeit keine Spur.“
Der Amoklauf von Hanau und der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) führt uns vor Augen, daß Mordrohungen und Todeslisten ernstzunehmen sind.

Am 24. Juni 1952, heute vor 70 Jahren, erschien die erste Ausgabe der Bildzeitung.
Diese Zeitung, von Axel Springer auf den Markt gebracht, wurde gegründet, um Profit zu machen mit dem Appell an niedere Instinkte.
Allein die Schlagzeilen der 60er Jahre (die hier aus Gründen der Hygiene nicht zitiert werden) hätten ausreichen müssen für ein paar hundert Jahre Gefängnis – wenn wir in einem Lande leben würden, in dem es eine Pressefreiheit gibt. Wenn die Bildzeitung Presse ist, dann ist Betrug und Raub wohl Gewerbe. Wer eine Zeitung so gestaltet wie die Bildzeitung contra APO, ist ein Verbrecher.
So stehen also diese beiden Jahrestage in einem Zusammenhang: Auch die Bildzeitung hat zu einem Attentat aufgestachelt: zum Mordanschlag auf Rudi Dutschke am 11. April 1968.