1
„Die sozialistische Demokratie sollte die bürgerliche Demokratie übertreffen. Wo die bürgerliche Demokratie aufhört, geht die sozialistische Demokratie weiter. Sie darf also hinter die bürgerliche Demokratie nicht zurückfallen. Zu den Standards der Demokratie gehört, daß die Regierung vom Volk gewählt wird, dem Volk Rechenschaft schuldet, um das Vertrauen des Volkes bemüht sein muß und dann, wenn sie dieses Vertrauen nicht verdient, abgelöst und durch eine andere Regierung ersetzt werden kann. Das ist der normale Fall. Es fragt sich allerdings, ob dieses Volk, das deutsche, ein normaler Fall ist. Der Gedanke, daß ein Volk, das erst wenige Jahre zuvor zu zwei bis drei Dritteln hinter Hitler hergelaufen ist, mißtrauisch macht und durch nützliches Handeln wenigstens einen Teil des Schadens, den es angerichtet hat, wieder gutmachen sollte, erscheint mir nicht ganz abwegig. Vertrauen ist gut. Aber Kontrolle ist besser. Das hat Lenin zwar nie gesagt, aber es ist richtig, angesichts der Bilanz von 1945. Zu einem solchen Eingeständnis war auch die SED nicht in der Lage. Sie hatte – glaubte sie – dem Faschismus in Deutschland (Ost) die politisch-ökonomische Grundlage entzogen.“
2
„Am 16. und 17. Juni 1953 haben Aufständische in (Ost-)Berlin und anderen Orten der DDR Geschäfte geplündert und Brände gelegt. Unbeteiligte Passanten – oder auch Mitdemonstranten – wurden grundlos als „Spitzel“ angegriffen – nur, um irgendjemanden zusammenzuschlagen. Es gab Tote und Schwerverletzte. Es wurden – wieder einmal in Deutschland – Bücher verbrannt, Bücher, die von den Brandstiftern nicht verstanden, aber als Werke der Aufklärung sicher identifiziert wurden. Büros der SED gingen in Flammen auf. Dabei kamen Menschen ums Leben, Menschen, die in den Hitler-Tyrannei knapp mit dem Leben davongekommen waren, fielen den Totschlägern des 17. Juni in die Hände. Aus Gefängnissen wurden „politische Gefangene“ befreit: SS-Leute, die wegen schwerster Verbrechen verurteilt worden waren. Ein Polizist wurde, mit einem Seil an einem Auto festgebunden, durch die Straßen zu Tode geschleift. Wer es wagte, sich der wütenden Menge entgegenzustellen, sei es, um zu verhindern, daß Läden geplündert und – wieder einmal in Deutschland – Schaufensterscheiben zerschlagen wurden, hatte Glück, wenn er mit dem Leben davonkam.“
3
„Der 17. Juni steht, wie jedes politische Datum, im Kontext mit anderen politischen Stichtagen der deutschen Zeitgeschichte, der 17. Juni mit dem 8. Mai, der 13. August mit dem 30. Januar, der 9. November mit dem 9. November.
Man sollte nicht vergessen, daß es in der DDR (als sie schon keine DDR mehr war) einen zweiten 17. Juni gegeben hat: Das war, als in Rostock das Ausländerwohnheim brannte, eine johlende Menschenmenge die Brandstifter anfeuerte, die Feuerwehr hinderte, einzugreifen, und die Polizei sich mit den Aufständischen tatenlos solidarisierte.
Am 8. Mai 1945 ist im Berlin das Deutsche Reich in den Flammen verbrannt, die deutsche Kriegsverbrecher entzündet hatten. Am 17. Juni 1953 loderten die Flammen wieder auf. Und wieder waren es die Soldaten der Roten Armee, die die Flammen ersticken mußten. Als die T-34-Panzer rollten, waren die Normenerhöhungen längst zurückgezogen. Als die T-34-Panzer rollten, spielte die berechtigte Unzufriedenheit von Bauarbeitern schon keine Rolle mehr. Sondern: Das Volk war aufgestanden, der Sturm losgebrochen. Die Panzer der Roten Armee drückten nieder, was nach 1945 bis in den letzten Winkel der Welt Alarm auslösen muß: einen deutschen Volksaufstand! (Man hätte gewünscht, die Panzer wären auch schon am 9. November 1938 dagewesen). Die Zerschlagung des Umsturzversuchs durch die Soldaten der Roten Armee gehört zu den Großtaten der Weltgeschichte!“
Drei Zitate aus dem Aufsatz „Keine Lösung“, geschrieben 2003 und gedruckt in DER METZGER Nr. 67, anläßlich des 50. Jahrestages des „Volksaufstandes“ am 17. Juni 1953 in der DDR.
Auch heute, am 65. Jahrestags, lassen die Krokodile wieder ihre Tränen kullern.
Der komplette Text ist dort zu lesen:
http://www.buchhandlung-weltbuehne.de/metzger-67-keine-loesung.html
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