Heute vor 90 Jahren: 28. Februar 1933

Am Donnerstag, 23. Februar 1933, notierte Harry Graf Kessler in seinem Tagebuch:
Wieland Herzfelde erzählte mir, daß nach unbezweifelbaren Informationen die Nazis ein gestelltes Attentat auf Hitler planen, das das Signal zu einem allgemeinen Blutbad geben solle.“
Am Montag, 27. Februar, schrieb er:
„Das geplante Attentat hat heute stattgefunden. Aber nicht auf Hitler, sondern auf das Reichstagsgebäude.“
Am Abend des 27. Februar stand durch Brandstiftung das Reichstagsgebäude in Berlin in Flammen.
Joseph Goebbels erklärte sofort: „Es besteht kein Zweifel, daß die Kommunisten versuchen, durch Brand und Terror die Macht an sich zu reißen.“
Innerhalb weniger Stunden wurden tausende verhaftet, jeder von ihnen „beschuldigt“, Brandstifter zu sein.

Erich Mühsam

„Es spitzt sich alles zu. Diesmal wird es noch bitterer werden“, sagte Erich Mühsam bei seiner Verhaftung in den frühen Morgenstunden. An jenem Tag wollte er abreisen.

Carl von Ossietzky

„Kopf hoch, ich komme bald wieder“, waren die Worte von Carl von Ossietzky, als er abgeführt wurde. Auch er war nicht schnell genug, sich in Sicherheit zu bringen.
Dieses „Attentat“, allem Anschein nach von den Nazis selbst als Provokation herbeigeführt, war in der Tat das Signal zu einer allgemeinen Terrorwelle. Verhaftet wurden auch Reichstagsabgeordnete. Die SA wurde als „Hilfspolizei“ hinzugezogen; die Verhafteten wurden der SA überlassen.
Mit deutscher Gründlichkeit hatte Hermann Göring diesem staatlichen und halbstaatlichen Exzess vorsorglich etwas mitgegeben, was wohl den Anschein einer Rechtsgrundlage haben sollte, jedenfalls den Charakter eines Befehls hatte. Er hatte als „Reichskommissar“ schon am 17. Februar einen „Erlaß“ losgeschickt, in dem er verfügte: „Polizeibeamte, die von der Schußwaffe Gebrauch machen, werden ohne Rücksicht auf die Folgen von mir gedeckt. Jeder Beamte hat sich stets vor Augen zu halten, daß die Unterlassung einer Maßnahme schwerer wiegt als begangene Fehler in der Ausübung.“
Am 1. März 1933 trat dann die berüchtigte Notverordnung des Reichspräsidenten Hindenburg in Kraft, die der – den Nazis zugeschobenen – Staatsmacht uneingeschränkte Willkür und Gewalt erlaubte.

Aus einem Gedicht von Walter Mehring:

Mühsam: Poet und Promethid,
Erdrosselt wie ein räudiger Hund –
Ossietzky, den man so zerschund,
Dass er voltairisch lächelnd schied …
Als man den Friedenspreis ihm bot,
Schloss er grad Frieden mit dem Tod.
Der beste Jahrgang deutscher Reben
Ließ vor der Ernte so sein Leben.

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