Jahrestage

Am 24. Juni 1922, heute vor hundert Jahren, wurde Walther Rathenau ermordet.

ADN-Zentralbild, Dr. Walther Rathenau – Bundesarchiv

Walther Rathenau (geboren 1867) war Chef der AEG, des seinerzeit weltweit grĂ¶ĂŸten Unternehmens der Elektrobranche. Es war Politiker (in der sozialliberalen DDP) und seit Februar 1922 Außenmminister der Weimarer Republik. Und er war in jenen Monaten der meistgehaßte Mann des Landes.
„Schlagt tot den Walther Rathenau, die gottverdammte Judensau“ , grölten Deutsche Studenten, und das haben die nicht nur gesungen, das haben die auch getan. Am Morgen des 24. Juni 1922 wurde Rathenau auf der Straße durch eine Maschinenpistolen-Salve und durch eine Handgranate getötet. Die Mörder und Mordgehilfen gehörten der rechtsextremen „Organisation Consul“ an, die mit der „Brigade Ehrhardt“ verbunden war.
Am Tag nach dem Attentat sagte der Reichskanzler Josef Wirth (Zentrum) im Reichstag einen Fundamentalsatz:
DER FEIND STEHT RECHTS.
Diesen Satz hatte auch schon Philipp Scheidemann (SPD) in der Weimarer Nationalversammlung gesagt.
Und so ist der Mord an Walther Rathenau in eine Reihe von rechtsextremen Verbrechen einzuordnen: Der Mord an Eugen LevinĂ©, Gustav Landauer, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die Attentate auf Philipp Scheidemann, auf den jĂŒdischen Schriftsteller Maximilian Harden. Tage vor dem Mord an Rathenau war der Finanzminister Matthias Erzberger bei einem Attentat getötet worden. Zu dieser Blutlinie faschistischer Verbrechen gehört auch der Kapp-Putsch von MĂ€rz 1920 und der Hitler-Putsch vom November 1923.
Die „Konservative Revolution“, wie der ideologische Hintergrund der faschistischen Blutlinie sich nannte, hat auch in diesen Tagen ihre Agitatoren. Götz Kubitschek schrieb in seiner Zeitschrift Sezession: „Die sogenannte ‚Konservative Revolution‘ von 1918 bis 1932 hat bis heute ihre Strahlkraft auch deshalb nicht verloren, weil sie in ihren Hauptvertretern radikal und kompromisslos war, so ganz und gar bereit fĂŒr etwas Neues, einen Dritten Weg, einen Umsturz, eine Reconquista, einen revolutionĂ€ren, deutschen Gang in die Moderne 
 Von Harmlosigkeit, zivilisierter ZurĂŒckhaltung, Zahnlosigkeit keine Spur.“
Der Amoklauf von Hanau und der Mord an dem Kasseler RegierungsprĂ€sidenten Walter LĂŒbcke (CDU) fĂŒhrt uns vor Augen, daß Mordrohungen und Todeslisten ernstzunehmen sind.

Am 24. Juni 1952, heute vor 70 Jahren, erschien die erste Ausgabe der Bildzeitung.
Diese Zeitung, von Axel Springer auf den Markt gebracht, wurde gegrĂŒndet, um Profit zu machen mit dem Appell an niedere Instinkte.
Allein die Schlagzeilen der 60er Jahre (die hier aus GrĂŒnden der Hygiene nicht zitiert werden) hĂ€tten ausreichen mĂŒssen fĂŒr ein paar hundert Jahre GefĂ€ngnis – wenn wir in einem Lande leben wĂŒrden, in dem es eine Pressefreiheit gibt. Wenn die Bildzeitung Presse ist, dann ist Betrug und Raub wohl Gewerbe. Wer eine Zeitung so gestaltet wie die Bildzeitung contra APO, ist ein Verbrecher.
So stehen also diese beiden Jahrestage in einem Zusammenhang: Auch die Bildzeitung hat zu einem Attentat aufgestachelt: zum Mordanschlag auf Rudi Dutschke am 11. April 1968.

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Trikont Verlag 2018. 172 Seiten. ISBN 978-3-945634-38-7. Subskriptionspreis: 12 Euro.

— Eine Ärztin findet das Wetter nicht schön — Meine Erlebnisse mit Merkel — Was ist ein Groko? — Mein „68“ — Heinrich Böll 100 Jahre — Das Hallenbad im Elysee-Palast — Anleitung fĂŒr Verschwörungstheoretiker — Die beste Idee vom lieben Gott — Warum können die Leute mich eigentlich nicht leiden? — Von der Nutzlosigkeit nĂŒtzlicher Erfindungen — Die FĂŒĂŸe der Gans oder Koch doch selber Kaffee — Gleichung mit einer Unbekannten — Kuhler Kaffee — SPD wĂ€hlen muß nicht sein — Keine Demo ist auch ‘ne Demo — Der Krieg soll verflucht sein! — MĂŒssen Pazifistinnen doof sein? — Ungeheuerliches aus dem Tatsachen-Universum — Frau am Steuer, Mann daneben — Fernsehgucken als Kunst — Bob Dylan und die Stasi — Je keiner die Ahnung desto rĂŒmpfer die Nase — Historische Haltestelle — Was wir heute bauen sind die Slums von morgen — Ein komisches Haus — Deutsches Sprache! — Die MĂ€rchentante greift zum Wort — Tongtong und der allerhöchte Ruhm des Sozialismus — Der Chor der Kassiererinnen — Über das Machen von Spaß — Deutsche als AuslĂ€nder — Die FlĂŒchtlinge und unsere Aktien — Und solche Leute dĂŒrfen wĂ€hlen — Die Dreifaltigkeit des Schreckens: Die Frau, der Fremde, der Eros — Die ÜberflĂŒssigkeit der VĂ€ter — Und der Söder hat uns auch gerade noch gefehlt — Wenn Frauen hassen — Der Busen in der Leistungsgesellschaft — Erinnerung an einen Striptease — Meine Probleme mit der Menschheit — Der Pudding im Wandel der Zeiten —

Sobald das Buch auf dem Tisch liegt, ist es unter der oben genannten ISBN ĂŒberall im Buchhandel und auch am Amazonas erhĂ€ltlich. Sie können es jetzt schon vorbestellen in der Buchhandlung WeltbĂŒhne (Gneisenaustraße 226, 47057 Duisburg, Tel. 0203 – 375121, bestellungen@buchhandlung-weltbuehne.de). Sie können das Buch abholen oder sich mit der Post schicken lassen, wie Sie wĂŒnschen.
Wer will, der kann es sich signieren lassen.

Kommt und holt euch den neuen METZGER

Das von mir herausgegebene satirische Magazin erschien 1968 zum ersten Mal und wird in diesem Jahr 50 Jahre alt.
Der JubilÀums-Jahrgang geht weiter mit der Nummer 126.

Und das steht drin:

Anton Maegerle: Vor 50 Jahren: Attentat auf Rudi Dutschke. Der SchĂŒtze und sein politisches Umfeld.

Jakop Heinn: Der PrĂ€sident hat nur dumme Ideen. Mit seinem protektionistischen Amoklauf richtet US-PrĂ€sident Trump Schaden fĂŒr die US-amerikanische Industrie an.

Helmut Loeven: Das philosophische Kabarett. Diesmal: Mein „68“; Was ist eigentlich ein Groko?; Selbstbestimmung im Konsumrausch; Das Geheimnis einer guten Bowle; Erinnerung an einen Striptease („und sonst gar nichts“); MĂŒssen Ministerinnen doof sein?; Der Söder mit seinen Kreuzen hat uns auch gerade noch gefehlt; Die Reulla kriegt sich gar nicht mehr ein (ĂŒber Dummheit im Sex-Diskurs).

Heinz Kiwitz. Ein KĂŒnstler kĂ€mpfte gegen Hitler und Franco.

Lothar Röse: Eine kurze Geschichte der sechziger Jahre. Wie sich in einem Jahrzehnt der Alltag und die Beziehungen vollkommen verĂ€nderten. Vorabdruck aus „Rock und Zeit. Eine Tonspur im 20. Jahrhundert“.

Chinmayo: Larpurlar. Inflationsbanknoten als neue BildflÀchen. Geld & Kunst.

Lina Ganowski: La notte. Diesmal: #dumichauch. NatĂŒrlich mal wieder ein lesbischer SM-Porno.

Frank Baier: AuslÀnderfragen. Ein Songtext. Wo ist des Arbeiters Vaterland?

HEL (Herbert Laschet-Toussaint): Barrio Vertical. Ein Gedicht ĂŒber VorgĂ€nge in Caracas, Venezuela.

Das Heft kostet 3 Euro.
Besorgen! Bestellen! Schicken lassen! Oder in der Buchhandlung WeltbĂŒhne kaufen! Lesen! Weiterempfehlen! Draus zitieren! Und schließlich: Abonnieren! Denn: Wer abonniert, hat mehr von Metzger.

Mein „68“

Am 11. April 1968, heute vor 50 Jahren, wurde auf den bekanntesten Vertreter der Studentenbewegung Rudi Dutschke ein Pistolen-Attentat verĂŒbt, (das er schwer verletzt ĂŒberlebte und an dessen SpĂ€tfolgen er 12 Jahre spĂ€ter starb). Ich erfuhr davon, als ich die Königstraße entlang ging. Ich weiß nicht mehr, wer es mir zugerufen hatte. Hundert Meter weiter, vor Karstadt, traf ich Bernhard Klaas, der FlugblĂ€tter fĂŒr den Ostermarsch verteilte. „Werden die jetzt alle erschossen?“ fragte er. Denn wenige Tage zuvor war Martin Luther King ermordet worden.
Fast meine ganze Zeit in jenen Tagen verbrachte ich mit meinem Freund Werner Widmann, mit dem ich eine Zeitschrift grĂŒnden wollte (die jetzt noch erscheint). Er hatte eine große Schwester, die hieß Barbara.
Am kommenden Tag, Karfreitag, hockten wir auch wieder in WWs Neudorfer Dachkammer und sahen in dem Schwarzweißfernseher die Berichte ĂŒber spontane Demonstrationen in vielen europĂ€ischen StĂ€dten und Blockaden vor Druckereien des Springer-Konzerns. Wir sagten: Da fahren wir jetzt auch hin.
Wir fuhren in Barbaras klapperigen Opel nach Essen. Vor der Springer-Druckerei hatten sich bis dahin ca. 200 Personen versammelt, die die Ausfahrt der Druckerei blockierten. Die Auslieferung der Samstags-Ausgabe der Bildzeitung war nicht möglich.
Vor dem Tor stand eine Reihe von Polizisten, die das Eindringen in das GebĂ€ude verhinderten. In der ersten Reihe der Blockierer wurde ein Transparent hochgehalten. Was darauf stand, weiß ich nicht. Um das zu lesen hĂ€tte ich mich unter die Polizisten einreihen mĂŒssen.
Es war eine gewaltfreie Aktion. Weder die Polizisten, noch die Demonstranten waren gewalttĂ€tig. Die Blockierer redeten miteinander und begnĂŒgten sich damit, durch ihre bloße Anwesenheit die Auslieferung des Hetzblattes zu verhindern. Jemand benutzte ein Megaphon fĂŒr Mitteilungen. Uns dem GebĂ€ude nĂ€hernd hörten wir als ersten Satz: „Unser Vietnam ist hier.“
Daß Barbara immer von zwo MĂ€nnern begleitet wurde, fiel auf. Die beiden Begleiter hatten aber zu ihr verschiedene Beziehungen. Der eine war ihr Bruder, der andere ihr Verehrer.
Barbara studierte Jura in Bonn. Da ich mich schon immer fĂŒr Rechtswissenschaft interessierte, suchte ich ihre NĂ€he. Es vergingen nur noch ein paar Wochen, bis sie mir eine gewissen Ausschließlichkeit gewĂ€hrte.

Bonn, Kaiserstraße, 1968. Barbara kocht fĂŒr uns beide.

Unter den geschilderten UmstĂ€nden wĂŒrde ich das Projekt „68“ also als vollauf gelungen bezeichnen. Ich könnte Ihren noch viele Geschichten aus der Zeit erzĂ€hlen, die genau 50 Jahre her ist. Ich könnte Ihnen auch erzĂ€hlen, was 51 bzw. 46 Jahre her ist oder was in einem Jahr 24 Jahre her gewesen sein wird. RĂŒckblicke auf „68“ sind wertlos, wenn die VorgĂ€nge als abgeschlossen betrachtet werden.
Ich könnte Ihnen auch noch viele Barbara-Geschichten erzĂ€hlen. Sie war eiskalt, sie erkannte bei jedem die unangenehmen Seiten sofort. Mit einem ihrer sarkastischen SĂ€tze hĂ€tte sie das Mittelmeer in ein Eismeer verwandeln können. Wie sie MĂ€nner abblitzen ließ war einfach gekonnt. Ich erzĂ€hle das, damit Sie mich umso mehr um diese Frau beneiden.

..

Jutta Ditfurth ĂŒber Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof

Daß es eine „68er-Generation“ ĂŒberhaupt gegeben hat, habe ich wiederholt bestritten. Allein schon vom Begrifflichen: Der Zeitraum einer „Generation“ ist immer lĂ€nger als vom 1. Januar bis zum 31. Dezember eines einzigen Jahres. Wer Interessen folgend die Achsenzeit auf eine Saison reduzieren will, dem kommt die Mystifizierung der Ziffernfolge „68“ recht.
Wem man in der Reflexion des Themas vertrauen kann ist Jutta Ditfurth. Von ihr soll in diesem Monat ihr Buch ĂŒber die politische Freundschaft von Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof erscheinen.
Aus dem Vorwort:

Um „weiterzumachen“ (wozu, das weiß ich, nicht ich allein entschlossen bin) muß man nicht nur Ideen im Kopf behalten, sondern Strukturen erhalten. FrĂŒher hĂ€tte man eher gesagt „Strukturen stĂ€rken“. Heute muß man sagen „Strukturen retten“.
Um Vorbestellungen wird gebeten.
Das Buch ist nirgendwo besser zu kaufen als in der Buchhandlung WeltbĂŒhne. (Auch im Versand).
Bestelladresse: Gneisenaustraße 226, 47057 Duisburg.
Oder: bestellungen@buchhandlung-weltbuehne.de

Apo muß bleiben.
WeltbĂŒhne muß bleiben.

Weihnachts-Botschaften

Soll heißen: ich nehme diplomatische ImmunitĂ€t in Anspruch.
Weihnachten ist ja bekanntlich die Gelegenheit fĂŒr Erinnerungen, RĂŒckblicke und Wiederholungen. Ist es nicht so? Glauben Sie es mir einfach.
WÀhrend ich mir ein paar Tage Privatissimum gönne, mache ich es Ihnen möglich, die UniversalitÀt zu wiederholen, und zwar durch diese Verlinkungen:
24. Dezember 2012
24. Dezember 2013
24. Dezember 2014
24. Dezember 2015
24. Dezember 2016

Wie sagte schon Karl Valentin:
WENN DIE STILLEN TAGE VORBEI SIND,
DANN WIRD ES AUCH WIEDER RUHIGER.

„Keine Lösung“ oder 60 Jahre 17. Juni



Brecht reagierte auf den fragmentarischen Abdruck seines Briefes mit einem zweiten Brief, den das Neue Deutschland am 23.6.1953 veröffentlichte: „Ich habe am Morgen des 17. Juni, als es klar wurde, daß die Demonstrationen der Arbeiter zu kriegerischen Zwecken mißbraucht wurden, meine Verbundenheit mit der Sozialistischen Einheitspartei ausgedrĂŒckt. Ich hoffe jetzt, daß die Provokateure isoliert und ihre Verbindungsnetze zerstört werden, die Arbeiter aber, die in berechtigter Unzufriedenheit demonstriert haben, nicht mit den Provokateuren auf eine Stufe gestellt werden, damit nicht die so nötige Aussprache ĂŒber die allseitig gemachten Fehler von vornherein gestört wird.“ Daß Walter Ulbricht an solcher Art von LoyalitĂ€t, die das EingestĂ€ndnis von Fehlern verlangt hĂ€tte, interessiert war, darf man bezweifeln.
Der bekannteste Kommentar von Bertolt Brecht zum „17. Juni“ ist das Gedicht „Die Lösung“ aus den Buckower Elegien. Es ist oft zitiert worden, meist in der Absicht, den Anspruch der DDR, ein demokratischer Staat zu sein, ebenso als ein Ding der Unmöglichkeit hinzustellen wie die Verbindung Brechts mit der DDR. Antikommunisten wollen den Klassiker literaturgeschichlich auf ihre Seite ziehen.

Dank euch, ihr Sowjetsoldaten!

Dank euch, ihr Sowjetsoldaten!

Foto: Bundesarchiv Wikimedia Commons



Die sozialistische Demokratie sollte die bĂŒrgerliche Demokratie ĂŒbertreffen. Wo die bĂŒrgerliche Demokratie aufhört, geht die sozialistische Demokratie weiter. Sie darf also hinter die bĂŒrgerliche Demokratie nicht zurĂŒckfallen. Zu den Standards der Demokratie gehört, daß die Regierung vom Volk gewĂ€hlt wird, dem Volk Rechenschaft schuldet, um das Vertrauen des Volkes bemĂŒht sein muß und dann, wenn sie dieses Vertrauen nicht verdient, abgelöst und durch eine andere Regierung ersetzt werden kann. Das ist der normale Fall. Es fragt sich allerdings, ob dieses Volk, das deutsche, ein normaler Fall ist. Der Gedanke, daß ein Volk, das erst wenige Jahre zuvor zu zwei bis drei Dritteln hinter Hitler hergelaufen ist, mißtrauisch macht und durch nĂŒtzliches Handeln wenigstens einen Teil des Schadens, den es angerichtet hat, wieder gutmachen sollte, erscheint mir nicht ganz abwegig. Vertrauen ist gut. Aber Kontrolle ist besser. Das hat Lenin zwar nie gesagt, aber es ist richtig, angesichts der Bilanz von 1945. Zu einem solchen EingestĂ€ndnis war auch die SED nicht in der Lage. Sie hatte – glaubte sie – dem Faschismus in Deutschland (Ost) die politisch-ökonomische Grundlage entzogen, und das Sein bestimmt das Bewußtsein. Ja. Aber wie schnell? Schon nach 8 Jahren?
Brechts zweiter Brief an die SED nimmt vorweg, was in dem Buch von Stefan Heym „Sechs Tage im Juni“ ausgefĂŒhrt wurde: Der 17. Juni hatte einen Doppelcharakter. Die Arbeiter in Berlin (und anderswo) hatten Grund zur Unzufriedenheit. Sie demonstrierten und streikten zurecht. Aber dann mischten sich Provokateure unter die Streikenden. Geheimdienstagenten, Saboteure, Halbstarke und antikommunistische Terrorzirkel nutzten die Gunst der Stunde. SelbstverstĂ€ndlich war es so! Die DDR, in die man durch das Brandenburger Tor einfach so hineinspazieren konnte, war bis zum Mauerbau und danach auch noch ein Tummelplatz von Spionen und Saboteuren, die eines Auftrags der westdeutschen Regierung nicht bedurften, aber immer deren Wohlwollen genossen. Sie handelten ganz im Einklang mit der westlichen Politik im Kalten Krieg, der von der „EindĂ€mmung“ zum „Roll back“ ĂŒbergegangen war.
GegenĂŒber der offiziellen Lesart im Westen, wo der 17. Juni als Nationalfeiertag begangen wurde, war die Darstellung in Heyms Buch ein großer Fortschritt. Ja, der 17. Juni hatte auch eine reaktionĂ€re, eine faschistische Dimension. Man muß allerdings bezweifeln, daß es wirklich möglich war, die „berechtigte Unzufriedenheit“ und die Provokateure sĂ€uberlich voneinander zu „isolieren“. Man muß bezweifeln, daß die antikommunistischen Hetzparolen den Demonstranten souffliert werden mußten.

BiedermÀnner als Brandstifter
Am 16. und 17. Juni 1953 haben AufstÀndische in (Ost-)Berlin und Weiterlesen

Äpfel, Pflaumen, Birnen (Dritter Teil)

Sie will noch mehr wissen: „Über die Liebe und so.“ Und ich kann ihr, ohne gar zu sehr ins Detail zu gehen, auch darĂŒber etwas erzĂ€hlen.
„Und du? Auch ein bißchen bi?“
„Bi? Nie! Ich bin Ultra-Hetero!“
Ich sage ihr dann noch (an dieser Stelle vielleicht etwas deplaziert?): „Ich muß sagen, Ingrid, ich war damals nicht wenig beeindruckt von dir. Du standest da immer so souverĂ€n im Getöse. Mit deinen flammenroten Haaren warst du ein Wahrzeichen. Du warst durch nichts aus der Ruhe zu bringen, hast alles ĂŒberblickt, und du hattest so ein ĂŒberlegenes, manchmal spöttisches LĂ€cheln auf den Lippen.“
„Ja. Beeindruckt warst du. Und du hast mir immer auf den Hintern gestiert. Bei jeder Gelegenheit. Meinst du, ich hĂ€tte das nicht gemerkt? Hast du doch vorhin auch wieder getan. Hör mal, das ist aber jetzt kein Grund, um rot zu werden! Mann! Das steht dir schließlich zu! Mann!“ Sie sieht zum Fenster und sagt leise: „Eigentlich fand ich das irgendwie nett von dir. Außerdem habe ich dich auch gern angesehen. Du hattest so schööne HÀÀnde.“
„Es ist doch erstaunlich, mit wie wenig die Frauen sich zufriedengeben.“
„Sag das nicht!“ sagt sie laut. „Eine schöne Hand ist wie ein Elefant.“
„Was??“
„Das ist zwar Unsinn, aber es reimt sich.“
Sie sieht mich scharf an: „Und? Dein Urteil? Gut in Form?“
„Was?“
„Das Urteil des Paris! Sprich!“
„Das Urteil?“
„Das! Wo! Du! Immer! So! Gern! Hin! Schaust! Und! Vorhin! Auch! Wieder! Hingeschaut! Hast!“
„Hm. Hm. Ich wĂŒrde sagen: Kallipygisch!“
„Kalli…? Ist wohl ein Kompliment?“
„Das bedeutet ins Deutsche ĂŒbersetzt das, was du hören wolltest.“
„Hm! Hm, hm, hm! hmhmhm! Wir haben uns, als die Zeit dafĂŒr am besten war, zu wenig mit den wesentlichen Dingen beschĂ€ftigt.“
„Ja! Es ging in Wirklichkeit doch gar nicht um die richtige Losung, sondern um das richtige Leben.“
„Ja! Das richtige Leben!“
„Ich meine: mit allem drum und dran.“
„Mit allem drum und dran. Mit allem Pipapo. Mit Pipa und: Po!“
Kling!
Kling!
Plötzlich schweigen wir. Ist es Verlegenheit? TÀusche ich mich? Es kommt mir vor, als wÀre sie jetzt den TrÀnen nahe. Es kommt mir vor, als hÀtte sie es nicht gern, wenn ich sehe, wenn sie weint.
„Was ist mit deinem alten Zimmer?“
Sie wacht auf. „Mein altes Zimmer! Ja! Komm! Ich zeig es dir. Komm mit rauf. Wir nehmen die GlĂ€ser mit. Die Flasche ist leer. Ich nehm diese mit: Pflaumenwein. Aber komm erst mit in die KĂŒche. Hier, steck dir das ein: Pflaumenmus. Und Birnenkompott, mit ein bißchen Honig, viel Zimt und wenig Nelken. Du erinnerst dich?“
„Erinnern ist meine HauptbeschĂ€ftigung.“
„Die GlĂ€ser muß du mir zurĂŒckbringen. Jedes Einweckglas in diesem Haus ist mindestens hundert Jahre alt.“
Sie geht mir voraus die Treppe hinauf. Wir kommen in ihr Zimmer.
„Hier ist ja gar nichts verĂ€ndert.“
„Nicht ganz. Schau mal da.“
Da hÀngen die Plakate von Dutschke und Che, und dazwischen ein leerer DIN-A-2-Bogen.
„Ich habe den MLern geschworen, das Mao-Bild nie von der Wand zu nehmen. Da hab ich es einfach verkehrt herum aufgehĂ€ngt, mit dem Gesicht zur Wand. Soll der sich doch die Tapete nĂ€her ansehen. Außerdem: Mao ist tot. Die beiden anderen leben noch.“
Jetzt fĂŒllt der Pflaumenwein die GlĂ€ser.
„Auf Mao!“
„Auf den Großen Steuerberater!“
Kling!
Kling!
„Die haben ein Theater gemacht die MLer damals, weil hier noch ein Bild von Dutschke hing. Bei Che waren sie sich nicht sicher. Aber Dutschke: unmöglich! Ich dachte: Jetzt muß ich denen noch etwas ĂŒber Juliette GrĂ©co erzĂ€hlen, damit sie darauf noch wĂŒtender werden. Die mußten mich rausschmeißen, konnten aber nicht. Ich habe viele Rote Morgens verkauft, von denen ist keiner jemals einen Roten Morgen losgeworden. Weil die wußten, daß sie mich brauchten, habe ich mir einige Frechheiten erlaubt. Ich mußte mal ein Referat halten in einer öffentlichen Versammlung. Ich habe mir den Spaß gemacht, ĂŒber was ganz anderes zu reden, ein völlig zusammenhangloses Referat. Es war schlimm, daß ich das in einer öffentlichen Versammlung gemacht habe, obwohl gar keine Öffentlichkeit gekommen war, bloß der eine, der nicht in die Partei eintreten durfte, damit wir eine Massenbasis haben, eine Ausstrahlung nach außen. Ich hatte aber mit einem Lenin-Zitat begonnen. Gegen Lenin konnten sie ja nichts sagen.“ Und ganz plötzlich ist sie wieder ernst und melancholisch: „Ich hab mich so allein gefĂŒhlt. Ich hĂ€tte einen Komplizen gebraucht.“
„Wir hĂ€tten es weitertreiben mĂŒssen. Wir hĂ€tten eine gefĂ€lschte Roter-Morgen-Ausgabe in Umlauf bringen mĂŒssen, mit der Schlagzeile: ‚Eine schöne Hand ist wie ein Elefant‘.“
Sie lacht mehr als dieser Witz wert ist. Die Apfel-Pflaumen-Birnen-Weine haben uns schon weit getragen.
„Ach Ingrid! Warum haben wir eigentlich nicht geheiratet?“
„Ja, stimmt“, sagt sie nachdenklich, „das haben wir kein einziges mal gemacht. Wenn ich mich richtig erinnere, warst du aber schon in festen HĂ€nden.“
„Warum haben wir nicht einfach trotzdem geheiratet?“
„Du hast mir ja auch nie einen Antrag gemacht, trotz meiner Calypso-VorzĂŒge oder wie du das genannt hast, du Poet! Du Komplize, der nicht da war! Ich bin auf der Treppe vor dir her gestiegen, fĂŒr dich Genießer! Aber nur schauen, nicht anfassen, heute noch nicht. Ich schprĂ€sche als Antanz- als An-Stanz-Tante – danke – als Stanz-Dame in eigener Sache.“
TĂ€usche ich mich? Es kommt mir so vor, als hĂ€tte sie es lieber, wenn mein Besuch nun nicht lĂ€nger dauert, jetzt, wo ihre Haltung und ihr Sprechen ins Schwanken gekommen sind. Sie fĂŒhrt mich wieder nach unten, aber nicht zurĂŒck ins Zimmer, sondern zur TĂŒr.
Wir stehen in der offenen HaustĂŒr und schauen zum verdunkelten Himmel dieses FrĂŒhherbsttages.

Buchholz03„Weißt du noch, als wir Kinder waren, sagte man uns: wenn der Himmel am Abend rot ist, dann backt das Christkind PlĂ€tzchen fĂŒr Weihnachten.“
„Ja. Da drĂŒben im Westen, hinter den BĂ€umen. Wenn bei Mannesmann Abstich war, leuchtete der Himmel. Das Abendrot unserer Heimat.“
„Du kannst ja nochmal zu mir kommen“, sagt sie leise. „Besuch mich. Aber nicht zu oft. Nicht jeden Tag. Nicht oft. Es könnte … ich wĂŒrde … vielleicht … Ich mag dich. Aber versteh mich bitte.“
Trotzdem gebe ich ihr einen Kuß auf die Wange, schau sie an, und dann bin ich schnell verschwunden, auf der Straße zu der EisenbahnbrĂŒcke, die in der DĂ€mmerung kaum noch zu sehen ist.

Äpfel, Pflaumen, Birnen (Erster Teil)

Man verliert Menschen aus den Augen, mit denen man mal viel zu tun hatte. Man hat lange nichts mehr von ihnen gehört. Und dann, nach langer Zeit, bekommt man eine traurige Nachricht. Manchmal aber ist diese Nachricht falsch. Das ist erleichternd, aber ein Rest von Verstörtheit bleibt.
Ich war in die Klassensprecherin verliebt. Sie war blond, sehr gescheit und sehr ordentlich. Ich wußte nicht, wie ich einem MĂ€dchen sagen sollte, daß ich in sie verliebt war. Sie wußte also nichts davon. Meingott, wie alt war ich? Elf Jahre. Ich nenne ihren Namen nicht, sie könnte es lesen. Es wĂ€re zu spĂ€t, wĂŒrde sie es jetzt erfahren.
Sie wechselte zum Gymnasium, ein Jahr frĂŒher als ich. Weg war sie. Da blieb mir nichts anderes ĂŒbrig, als mich in ihre Nachfolgerin zu verlieben. Das war Ingrid Ulmer. Sie hatte flammenrotes Haar, wirres, wildes Haar, das in alle Richtungen stand, und sie war sehr gescheit und sehr ordentlich. Sie hatte ein rundes Gesicht, und ein Vorderzahn stand ein bißchen schief. Sie hatte ein bißchen mehr Temperament als ihre VorgĂ€ngerin und lachte mehr. Ein paar Jungens in der Klasse sagten immer „jaa, jaa!“, wenn ich den Namen Ingrid aussprach. „Jaa, jaa! Du und die Ingrid!“ Die fanden, Ingrid und ich mĂŒĂŸten ein Paar sein. Das wĂŒrde sich so gehören, daß wir ein Paar sind.
Als wir dann auf „Höhere Schulen“ (wie man damals sagte) wechselten, auf verschiedene, denn es gab damals nur Jungens- und MĂ€dchensgymnasien, waren wir getrennt. Ich zog auch noch in einen anderen Stadtteil, wir wußten nichts mehr voneinander. Aber dann begegneten wir uns wieder, ein paar Jahre spĂ€ter, und zwar auf einer Demonstration.
„He, du! Auch hier?“
Es war die Zeit gekommen, in der eine intelligente junge Frau, um ihre Intelligenz nicht zu verraten, demonstrieren mußte, und zwar fĂŒr ein Ganzes gegen ein Ganzes. Da war ich dann manchmal wieder bei ihr zu Besuch. Da waren viele zu Besuch, die wenigsten kannte ich. Es wurde viel und schnell geredet. Manchmal waren außer mir nur ein oder zwei Besucher da. Da wurde weniger und langsamer geredet.

Buchholz01Sie hatte immer noch ihr Zimmer unter dem Dach des alten Hauses, wo wir auch schon mal Kindergeburtstag gefeiert hatten. Jetzt hatte das Zimmer eine weiß-rote Tapete mit großem Muster. An der Wand hing ein Plakat von Rudi Dutschke und ein Plakat von Che Guevara. SpĂ€ter hing da auch ein Plakat von Mao, neben einem Plakat von Juliette GrĂ©co.
Bevor wir uns dann wieder aus den Augen verloren (ich nahm an, daß sie wohl in eine andere Stadt gezogen war, um zu studieren), sahen wir uns öfter auf der Straße, wenn etwas los war, bei Demonstrationen etwa oder sonstigen Happenings. Unsere Kommunikation war allerdings blockiert, denn wir hatten uns beide in die KPD/ML verirrt. Sie war eine fleißige und sehr ordentliche KPD/MLerin.
„He, du! Wann kommst du denn mal wieder mich besuchen?“ fragte sie. Das irritierte mich. Denn wir gehörten zu zwei verschiedenen Fraktionen der KPD/ML, waren also Feinde. Ihre Freundlichkeit konnte nichts Gutes verheißen, dachte ich (so ein Idiot war ich mal).
„Komm doch einfach mal vorbei. Es gibt Birnenkompott“, sagte sie mit etwas Spott in der Stimme.
Ich mußte mir wehmĂŒtig eingestehen, daß die bewundernswert war, wie sie immer da stand, alles ĂŒberblickte, sich nie aus der Ruhe bringen ließ, manchmal ĂŒberlegen lĂ€chelte. Ach, wĂ€re sie doch bloß nicht in dem falschen Verein! Sondern bei uns! (Dann wĂ€re sie in einem genauso falschen Verein gewesen).
Das alte Haus, in dem sie mit ihren Eltern wohnte, war typisch fĂŒr dieses Viertel am sĂŒdlichen Rand der Stadt. Da gab es nur alte HĂ€user und noch ein paar Bauernhöfe. Die HĂ€user hatten große GĂ€rten mit HĂŒhnerstĂ€llen, GemĂŒsebeeten und ObstbĂ€umen. Hinter Ingrids Haus war eine große Wiese mit hohem Gras und einige Apfel-, Birnen- und PflaumenbĂ€ume, dazwischen StrĂ€ucher mit Himbeeren, Stachelbeeren, roten und schwarzen Johannisbeeren, ein Kirschbaum. FĂŒr die Äpfel mußte man in die BĂ€ume klettern; die Birnen fielen herunter, und man mußte sie aufheben. Viele Birnen blieben im hohen Gras liegen, es war ein Überfluß an FrĂŒchten, aus denen alles gemacht wurde, was man sich nur vorstellen konnte: Apfelkuchen, Pflaumenkuchen, Birnenkompott, Marmeladen, Gelees, Pflaumenmus, sogar Liköre, SchnĂ€pse und ein Birnenwein. Im Herbst und im Winter, wenn es schon nachmittags dunkel wurde, dann gab es was zu genießen: Pflaumenkuchen mit Sahne und schwarzem Kaffee, vorher ein Glas Birnenwein, danach ein Glas von dem Birnenschnaps, der einem fĂŒr einen Moment die Stimme raubte. Der wurde im Keller schwarz gebrannt. Alle Nachbarn wußten das. Das Zollamt brauchte es nicht zu erfahren. Hinter dem Fenster wiegten sich die Zweige der kahlen BĂ€ume in der AbenddĂ€mmerung, und wir waren selig von den GenĂŒssen, die GesprĂ€che wurden leiser und langsamer. manchmal wurde sogar geschwiegen.
„Die Ingrid Ulmer ist tot.“ Das sagte mir einer, und zwar unser Lehrer von damals, den ich zufĂ€llig getroffen hatte und der mir von denen berichtete, von denen er noch etwas wußte. „Die Ingrid Ulmer ist tot.“
Ich hörte es und sagte dann nichts. Man fragt dann immer: „Woran ist sie…“ Ich wollte es nicht erfahren. Ich erinnerte mich wieder daran, daß ich sie bewundert hatte, und daß ich in sie verliebt war, mit der Herzensglut eines zwölfjĂ€hrigen Jungen. Ich erinnerte mich an den Schmerz einer Liebe, die sprachlos bleibt.
Ich erinnerte mich daran, daß ich in dem Zimmer unter dem Dach, von wo man die schwarzen Äste und Zweige der BĂ€ume vor dem Abendhimmel sah, einen Frieden gespĂŒrt hatte, der so zerbrechlich und verletzlich war wie alle Kreatur.
Ich hĂ€tte gern gewußt, ob das alte Haus noch da steht, ob hinter dem Haus noch das Gras wĂ€chst und ob die BĂ€ume noch in den Abendhimmel ragen.
In dem dörflichen Viertel am sĂŒdlichen Rand der Stadt war ich lange nicht mehr gewesen. Ich fĂŒrchtete, hier könnten meine Erinnerungen beschĂ€digt worden sein von Abrißbaggern und Baulanderschießern. Ich war wieder da und war beruhigt. Die Bauernhöfe gibt es zwar nicht mehr (wozu auch). Mehr Autos an den StraßenrĂ€ndern, statt der HĂŒhnerstĂ€lle sind jetzt da Garagen, hinter den HĂ€usern wĂ€chst kein GemĂŒse mehr. Aber sonst hat sich wenig verĂ€ndert.
Vor einem der HĂ€user, mitten auf dem Gehweg, steht ein kleiner Tisch, darauf ein paar Stapel mit BĂŒchern und ein Schild: „Bitte mitnehmen!“ Was sind das fĂŒr BĂŒcher? Lenin! Stalin! Dietz-Verlag!Aufbau-Verlag! Wer soll das hier mitnehmen?
„He, du! Die hab ich extra fĂŒr dich da hingelegt, Helmut!“
Jetzt sehe ich, daß eine Frau hinter der wohl zwei Meter hohen Hecke steht. Flammenrotes Haar sehe ich zwischen den Zweigen, und ein rundes Gesicht, das mich angrinst.
„Ingrid! Ingrid! Ich dachte, du wĂ€rst…“ Ich breche den Satz rechtzeitig ab.
„Da bist du also doch noch! Komm rein!“ sagt sie. Sie dreht sich zu mir um: „Komm mit rein auf ein Glas Birnenwein. Du erinnerst dich.“
„Jaa. Äpfel, Pflaumen, Birnen.“
„Genau! Apfel! Pflaumen! Birnen!“

FORTSETZUNG FOLGT.

Edith und ich und die Jungens und die MĂ€dchens

Ich weiß nicht, wie das heute ist. FrĂŒher war das jedenfalls so: Wer noch nicht volljĂ€hrig war, durfte trotzdem schon heiraten, Jungens schon mit 18, MĂ€dchens schon mit 16 Jahren. VolljĂ€hrig wurde man erst mit 21. Wenn so eine minderjĂ€hrige Person heiraten wollte, mußte das Vormunschaftsgericht zustimmen.
Die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend galten nicht fĂŒr verheiratete MinderjĂ€hrige. Die 16jĂ€hrigen MĂ€dchen durften all die Filme ab 18 sehen und die indizierten BĂŒcher lesen. Das war doch wohl ein Grund zu heiraten!
„Was meinst du wohl, warum ich dich geheiratet habe? Damit ich endlich die Geschichte der O lesen kann.“ – „Aber dann hĂ€ttest du doch auch in der Buchhandlung sagen können, daß du schon 21 bist.“ – „Quatsch nicht! Und zieh bloß keine falschen SchlĂŒsse aus dem Thema meiner LektĂŒre!“ Ehealltag 1967.
In der zweiten Kommune, in der ich lebte, war kaum jemand volljĂ€hrig, und keiner verheiratet. Wir haben und wurden stĂ€ndig mißbraucht (wĂŒrde man heute sagen). Was es da noch alles zu enthĂŒllen und anzuprangern gibt!
Als 1969 der Bundestag gewÀhlt wurde, durfte ich noch nicht wÀhlen. Ich war 19. Ich hÀtte ADF gewÀhlt. Kennen Sie nicht? Das war die DFU, nannte sich aber plötzlich ADF.
Als ich 21 und volljĂ€hrig wurde, hatte ich Dienst: Zivildienst im Marienhospital in Herne. Die Schwester Oberin hat mir gratuliert. Aber erst, nachdem Schwester Edith ihr gesagt hatte, daß ich Geburtstag hatte. Schwester Edith wollte nĂ€mlich immer schon mal der Schwester Oberin ein‘n reinwĂŒrgen.
Wir haben das so hingekriegt, daß Schwester Edith den Wochenenddienst mit mir zusammen machte. Wir waren bestens miteinander eingespielt. Wir konnten ein Bett komplett neu beziehen in acht Sekunden.
Schwester Edith war von aparter AttraktivitÀt: schlank und aufrecht und flink. Sie Àhnelte der Tennisspielerin Chris Evert (falls Sie die kennen. Aber gucken Sie jetzt nicht bei Wikipedia nach. Auf dem Bild sieht sie sich gar nicht Àhnlich).

Nein, das ist nicht Schwester Edith. Das ist Edith Cadivec.

Sie blĂ€tterte grinsend und kopfschĂŒttelnd in den St-Pauli-Nachrichten, die damals ĂŒberall herumlagen. Mit quietschvergnĂŒgter Mißbilligung lĂ€sterte sie ĂŒber die „Jugend von heute“, hielt Miniröcke, Blue Jeans (bei MĂ€dchens), lange Haare (bei Jungens), die laute Musik und das alles fĂŒr „neumodischen Firlefanz“, vergnĂŒgte sich gleichwohl am Betrachten von Jungens mit langen Haaren und MĂ€dchens in engen Jeans. In ihren Reden ĂŒber die jungen MĂ€dchens („die jungen Dinger“) ließ sie eine AffinitĂ€t mit ihrer Namensvetterin Edith Cadivec erkennen („Allen höheren Töchtern sollte man einmal in der Woche den Hintern versohlen!“).

Ediths Rezept fĂŒr eine bessere Welt: „Allen höheren Töchtern einmal in der Woche …“

Es gibt Bischöfe und Erzbischöfe. Es gibt Frachter und Erzfrachter. Es gibt Konservative und Erzkonservative. Schwester Edith war erzkonservativ. Eine Preußin. Deutschnational bis ins Mark. Da ließ sie nichts im Unklaren.
Die Regierung verachtete sie. Denn die Regierung hatte Ostpreußen dem Iwan geschenkt.
Den Iwan aber fand sie gut. Weil in Rußland ein autoritĂ€res Regime herrschte, und nicht so ein pflaumenweicher Liberalismus wie bei uns.
Die antiautoritĂ€ren Studenten aber fand sie wiederum gut. Weil das „ganze Kerle“ waren, die es „denen da oben“ mal so richtig zeigten. Die erzkonservative Preußin schwĂ€rmte fĂŒr Rudi Dutschke.
Mich nahm sie in dieser Hinsicht aber gar nicht ernst. Wenn ich mal was Linkes und AntiautoritĂ€res sagte, meinte sie: „Ich lach‘ mich schief!“
Aber sie hatte großen Respekt vor mir, weil ich Kriegsdienstverweigerer war. Verweigern – das wĂ€re ĂŒberhaupt das einzig VernĂŒnftige. Denn: Die Bundeswehr – das wĂ€re ja sowieso gar keine richtige Armee!

Neu in der WeltbĂŒhne: Rudi Dutschke in der „Bibliothek des Widerstands“

Im Laika-Verlag erscheint die Reihe „Bibliothek des Widerstands“. Jedem Buch liegt eine DVD bei.
Neu erschienen ist der Band „Rudi Dutschke – Aufrecht Gehen. 1968 und der libertĂ€re Kommunismus“.

320 S. und DVD. 29,90 Euro

Der Verlag stellt das Buch vor:
Am 11. April 1968 wurde Rudi Dutschke, die Symbolfigur der antiautoritĂ€ren Bewegung und neben Hans-JĂŒrgen Krahl der theoretische Kopf der Außerparlamentarischen Opposition, auf dem KurfĂŒrstendamm von dem 24-jĂ€hrigen Josef Bachmann niedergeschossen und lebensgefĂ€hrlich verletzt. Bachmann sagte nach seiner Festnahme: „Ich möchte zu meinem Bedauern feststellen, daß Dutschke noch lebt. Ich hĂ€tte eine Maschinenpistole kaufen können. Wenn ich das Geld dazu gehabt hĂ€tte, hĂ€tte ich Dutschke damit zersĂ€gt.“ Bachmann hatte seine Schießausbildung von dem NPD-Mitglied Wolfgang Sachse erhalten und enge persönliche Kontakte zu Mitgliedern der spĂ€teren Wehrsportgruppe Hoffmann. Die auf das Attentat folgenden bundesweiten Proteste, insbesondere gegen den Springer-Verlag, erschĂŒtterten tagelang die Republik. Rudi Dutschke erholte sich nie mehr völlig von den Schusswunden und starb am 24. Dezember 1979 in DĂ€nemark an den SpĂ€tfolgen des Attentats. Der Sozialforscher und Philosophie-Professor Helmut Reinicke, einer der WeggefĂ€hrten von Rudi Dutschke, ĂŒber den frĂŒhen Dutschke und die Bedeutung von Hans-JĂŒrgen Krahl – in diesem zwölften Band der Bibliothek des Widerstands.
Ein LAIKA-Mediabook endet nicht mit der letzten Seite: Im hinteren Innendeckel erwartet Sie wie immer eine DVD, diesmal mit vier Filmen.
Aufrecht gehen, Rudi Dutschke – Spuren. Von Helga Reidemeister, BRD 1988, ca. 92 Minuten. Die Dokumentation zeigt, wie sich die persönliche Lebensgeschichte Rudi Dutschkes mit den gesellschaftlichen Entwicklungen und WidersprĂŒchen ĂŒberschneidet. Die neuen sozialen Bewegungen sind ohne die Revolte der Sechziger Jahre nicht vorstellbar. Helga Reidemeisters Film enthĂ€lt GesprĂ€che mit WeggefĂ€hrten Rudi Dutschkes und Freunden aus dem damaligen SDS, die bezeugen, daß Einfluß und Wirkung der damaligen Protestbewegung anhalten, daß die Geschichte der Neuen Linken bis heute fortwirkt.
Dutschke, Rudi, Rebell. Von JĂŒrgen Miermeister, D 1998, ca. 35 Minuten. Nach Reidemeisters Film das zweite Dutschke-PortrĂ€t, das im deutschen Fernsehen gezeigt wurde – 1998 im ZDF.
Zu Protokoll: GĂŒnter Gaus im GesprĂ€ch mit Rudi Dutschke. Interview. BRD 1967, ca. 43 Minuten. Ein denkwĂŒrdiges Fernsehinterview, das der Journalist GĂŒnter Gaus am 3. Dezember 1967 mit Rudi Dutschke fĂŒhrte. „Kann der Mensch die Geschichte selbst in die Hand nehmen?“, fragt Gaus Dutschke damals. Rudi Dutschke antwortet ohne lange zu ĂŒberlegen: „Er hat sie schon immer gemacht. Er hat sie bloß noch nicht bewusst gemacht. Und jetzt muss er sie endlich bewusst machen.“
Rudi Dutschke – sein jĂŒngstes Portrait. Von Wolfgang Venohr, BRD 1968, 55 Minuten. Wenige Tage vor dem Attentat auf ihn kĂŒndigt Rudi Dutschke an, fĂŒr einige Zeit politisch aus der Bundesrepublik wegzugehen, um im Ausland politisch zu arbeiten. Konkret wollte Rudi Dutschke nach Kuba. Dutschke begrĂŒndet diesen Schritt damit, daß „unsere Revolution nur erfolgreich sein kann, wenn es uns gelingt, den revolutionĂ€ren Prozeß zu internationalisieren“. Der Film von Venohr zeigt diese Rede und ein umfangreiches Interview mit Dutschke, in dem er sich zur Frage der Gewalt Ă€ußert und den Partisanenkampf auch in der BRD ab Anfang der 70er Jahr fĂŒr möglich hĂ€lt. Dieser Film von Wolfgang Venohr ist einmal im deutschen Fernsehen gelaufen und heute weitgehend, auch bei KampfgefĂ€hrten von Dutschke, unbekannt. Der LAIKA-Verlag stellt dieses fĂŒr die historische Bewertung von Dutschke unerlĂ€ssliche Dokument erstmalig einem breiten Publikum zur VerfĂŒgung.

Wenn Sie bestellen wollen, dann hier.
Die anderen BĂ€nde der Bibliothek des Widerstands sind in der Buchhandlung WeltbĂŒhne vorrĂ€tig oder werden schnellstens besorgt und sind, wie alle unsere Angebote, auch im Versand erhĂ€ltlich.
Erinnern Sie sich stets an den Slogan:
„LIEBE leute BESTELLT bĂŒcher IN der BUCHHANDLUNG weltbĂŒhne UND sonst NIRGENDS.“
WeltbĂŒhne muß bleiben.

Der Aufstand

Ich erzÀhle Ihnen zwei Geschichten.
Ich ging an einem frĂŒhen Sonntagmorgen durch Neudorf, um eine Freundin zum Bahnhof zu bringen. Der Weg zum Bahnhof fĂŒhrt, wie Sie wissen, am Gertrud-BĂ€umer-Berufskolleg vorbei, und meine Freundin wollte wissen, wer denn eigentlich Gertrud BĂ€umer gewesen sei.
Gertrud BĂ€umer, antwortete ich, war eine prominente Publizistin zur Zeit der Weimarer Republik, sehr patriotisch und so eine Art Reichs-Anstandsdame, die sich fĂŒr ein Schmutz-und-Schund-Gesetz einsetzte.
„Aha“, sagte meine Freundin, „so eine Art Alice Schwarzer der 20er Jahre.“
Ich konnte das weder verneinen noch bejahen, denn meine Freundin kannte Alice Schwarzer besser als ich, weil sie eine Zeitlang in deren Kölner Verlagsunternehmen gearbeitet hatte, bevor sie dort im Streit ausschied (siehe DER METZGER 54).
Die zweite Geschichte ist etwas lÀnger her. Das war zu Zeiten des Eschhaus-Buchladens. Da erschienen eines Abends zwei junge Frauen mit zweierlei Anliegen.
Erstens: Sie wollten mich dafĂŒr engagieren, eine von der Gruppe, fĂŒr die sie sprachen, herausgegebene InfobroschĂŒre zu verbreiten.
Zweitens: Sie teilten mir mit, daß es in ihren Kreisen mißbilligend registriert worden sei, daß im Eschhaus-Buchladen kaum beziehungsweise ĂŒberhaupt nicht „Literatur der Frauenbewegung“ zu finden sei, und sie wirkten auf mich ein, diesem Übelstand abzuhelfen. Sie redeten mit sehr ernsten Gesichtern und erklĂ€rten mir ihr Anliegen, so wie man einem kleinen Kind etwas erklĂ€rt (und ich zweifelte nicht daran, daß sie beizeiten ihren Tonfall Ă€ndern wĂŒrden).
Der Inhalt der besagten InfobroschĂŒre war nicht originell: Daß an allem, was in der Welt schieflĂ€uft, die MĂ€nner schuld sind (sowas nehme ich grundsĂ€tzlich persönlich), und außerdem sind die Linken die Allerschlimmsten, weil es sich bei denen um eine „MĂ€nnerbewegung“ handelt – also etwas, was man schon hundertmal gelesen hatte.
Trotzdem war ich erstaunt: DarĂŒber, daß sie mit dem sonnigsten GemĂŒt von der Welt fĂŒr ihren Feldzug gegen die Linke deren Instrumentarium in Anspruch nehmen zu können glaubten (sofern man den Eschhaus-Buchladen diesem Instrumentarium zurechnen mag).
Das habe ich denen aber nicht gesagt. Ich habe sie nur gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, den METZGER in FrauenlÀden und Frauenzentren auszulegen. Da guckten sie mich an, als wÀre ich vom anderen Stern. Die Verhandlung war beendet.
Das muß man sich mal vorstellen: Die kommen zu mir mit diesem Anliegen: „Guten Tag, wir  wollen Ihre PlĂ€ne durchkreuzen, und wir möchten gerne in der Welt verbreiten, daß Sie ein Arschloch sind. WĂŒrden Sie uns dabei bitte behilflich sein?“ Und wenn ich dann antworte: „Nein, dabei möchte ich Ihnen nicht behilflich sein“, dann fallen die aus allen Wolken und verstehen die Welt nicht mehr. Die scheuen sich nicht, mich zu verleumden, aber sie wollen trotzdem von mir liebgehabt werden. Diese Frauen sind vor allem Töchter: der Alte Herr ist ihnen „total peinlich“, aber fĂŒr ihre Klamotten soll Papi die Kohle rausrĂŒcken. Ist alles „nicht so gemeint“, alles nur ein Gesellschaftsspiel. Schlimm nur, daß ich grundsĂ€tzlich jeden beim Wort nehme.


Alice Schwarzer hat in der Frankfurter Rundschau fĂŒr die Abschaffung des Internationalen Frauentages plĂ€diert: „Woher kommt der eigentlich? Von der Frauenbewegung auf jeden Fall nicht. In den 1970er Jahren kannten wir keinen 8. MĂ€rz.“ Das ist Quatsch. Seit der EinfĂŒhrung des Gregorianischen Kalenders hat es jedes Jahr einen 8. MĂ€rz gegeben, auch in den 70er Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts. Sie will – mit den ihr zur VerfĂŒgung stehenden Mitteln – auf etwas anderes hinaus: Weiterlesen

Chonique Scandaleuse

Mit der Einrichtung von Bundesamt und LandesĂ€mtern fĂŒr Verfassungsschutz 1950 begann eine Chronik der Skandale und MerkwĂŒrdigkeiten. Eine Übersicht (Stand: Februar 2012).

1953: Die „ Vulkan-AffĂ€re“. Aufgrund eines Dossiers des Verfassungsschutzes wurden in einer Operation mit dem Decknamen „Vulkan“ ĂŒber dreißig Personen verhaftet, denen Wirtschaftsspionage fĂŒr die DDR vorgeworfen wurde. Die VorwĂŒrfe erwiesen sich als haltlos. Einer der zu Unrecht VerdĂ€chtigten beging in der Haft Selbstmord.

1954: Die John-AffĂ€re: Otto John,  erster Chef des Verfassungsschutzes, floh in die DDR. Johns Motive wurden nie geklĂ€rt. John kehrte in die BRD zurĂŒck und erklĂ€rte – wenig glaubhaft –, er sei entfĂŒhrt worden.
Sein Nachfolger, Hubert SchrĂŒbbers, wurde in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, weil seine Verwicklung in die Terrorjustiz des Naziregimes herausgekommen war.

1956 ff: Das KPD-Verbot. Das vom Bundesverfassungsgericht erlassene Verbot der KPD wurde von herrschenden Kreisen in der BRD dazu genutzt, den Kalten Krieg im Inneren des Landes zu fĂŒhren und alle oppositionellen fortschrittlichen Bestrebungen zu kriminalisieren (siehe DER METZGER 78 et al). Hunderttausende Ermittlungsverfahren wurden eröffnet, tausende Verhaftungen durchgefĂŒhrt. Die VerfassungsschutzĂ€mter versorgten Polizei, Justiz und Presse mit „Informationen“.

1963: Die Telefon-AffÀre. Das Kölner Amt hatte Weiterlesen