Peggy Parnass 1927 – 2025

Bild (C) Wikimedia Commons

Noch gestern – zufällig – hatte ich ein altes Konkret-Heft aus den frühen 70er Jahren in der Hand. Darin eine Gerichts-Reportage über eine Frau, die ihr neugeborenes Kind getötet hatte. Die Gerichtsreporterin Peggy Parnass veruteilte diese Frau nicht, sondern fragte: was müssen das für Lebensumstände, was muß das für ein tragischer Lebenslauf sein, der einen Menschen so tief in den Abgrund stößt!
Noch vor wenigen Tagen sprach ich mit einer Freundin über Peggy Parnass, an die wir uns gut erinnerten und von der wir so lange nichts gehört hatten.
Peggy Parnass – der Name sagte vielen etwas, die nach und nach, vielleicht auch gar nicht von ihrem ungewöhnlichen Lebenslauf erfuhren.
Sie war jüdischer Herkunft. Ihre Eltern wurden 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Sie selbst entkam als Kind dem Mörder-Regime nach England, lebte später in Schweden, dann wieder in Deutschland, in ihrer Geburtsstadt Hamburg, arbeitete als Sprachlehrerin, Dolmetscherin und schließlich als Schauspielerin. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, gehörte sie auch mit Peter Rühmkorf und Klaus Rainer Röhl zum Studentenkabarett „Die Pestbeule“, aus dem 1955 die Zeitschrift Konkret hervorging.
Als Schauspielerin hatte sie kleinere Rollen in Episoden der Krimi-Serie „Stahlnetz“.
Zum ersten Mal sah ich sie in einer Sendung der Serie „Das Fernsehgericht tagt“. Es handelte sich um improvisierte Gerichtsverhandlungen. Richter und Anwälte waren Juristen, Zeugen und Angeklagte wurden von Schauspielern dargestellt. Peggy Parnass spielte die Nebenklägerin in einem Prozess gegen ein älteres Ehepaar, von dem sie beleidigt und verleumdet worden war. Wie alt war ich damals? Wohl 15 oder 16 Jahre alt. Das Thema: als „Außenseiter“ der Niedertracht der bigotten Spießer ausgesetzt zu sein, interessierte mich lebhaft.
Als der Staatsanwalt eine Haftstrafe forderte, intervenierte die „Nebenklägerin“ und appellierte an das Gericht: „Bitte keine Gefängnisstrafe.“
Die meisten der Beiträge, die Peggy Parnass über Jahre für Konkret schrieb, waren Gerichtsreportagen, über spektakuläre, ebenso über „alltägliche“ Fälle. Artikel von ihr erschienen in Sammelbänden im Konkret-Literaturverlag.
Ich sah Paggy Parnass in einer Fernseh-Diskussion, gemeinsam mit dem – ich darf sagen: legendären – Gerichtsreporter des Spiegel Gerhard Mauz. Sie hatte nicht das selbe juristische Fachwissen wie er. Aber den hohen Respekt vor seiner Kollegin merkte man ihm an.
Was Peggy Parnass über Prozesse in deutschen Gerichtssälen schrieb, waren Plädoyers für die Menschlichkeit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert