Peter Weiss, geboren am 8. November 1916, heute vor hundert Jahren.
„Untrennbar von der ökonomischen Begünstigung war die Überlegenheit des Wissens. Zum Besitz gehörte der Geiz, und die Bevorteilten versuchten, den Unbemittelten den Weg zur Bildung so lange wie möglich zu verwehren. Ehe wir uns Einblick in die Verhältnisse verschafft und grundlegende Kenntnisse gewonnen hatten, konnten die Privilegien der Herrschenden nicht aufgehoben werden. Immer wieder wurden wir zurückgeworfen, weil unser Vermögen des Denkens, des Kombinierens und Folgerns noch nicht genügend entwickelt war. Der Beginn einer Veränderung dieses Zustands lag in der Einsicht, daß sich die Hauptkraft der oberen Klassen gegen unsern Wissensdrang richtete. Seitdem war es das Wichtigste, uns eine Schulung zu erobern, eine Fertigkeit auf jedem Gebiet des Forschens, unter der Verwendung aller Mittel, der Verschlagenheit und der Selbstüberwindung. Unser Studieren war von Anfang an Auflehnung. Wir sammelten Material zu unserer Verteidigung und zur Vorbereitung einer Eroberung.“
„Desinteresse für soziale, politische, wissenschaftliche und ästhetische Fragen der Zeit, matte Untätigkeit, geistige Verarmung, nichtssagende Meinungen waren häufiger bei Philistern und auch bei Angehörigen des Bürgertums zu finden, als bei den Massen derer, die von den Kulturinstitutionen abgeschnitten und durch schwere und einförmige Arbeit zermürbt wurden.“
„Wollen wir uns der Kunst, der Literatur annehmen, so müssen wir sie gegen den Strich behandeln, das heißt, wir müssen alle Vorrechte, die damit verbunden sind, ausschalten und unsre eigenen Ansprüche in sie hineinlegen. Um zu uns selbst zu kommen, sagt Heilmann, haben wir uns nicht nur die Kultur, sondern auch die Forschung neu zu schaffen, indem wir sie in Beziehung stellen zu dem, was uns betrifft.“
Peter Weiss: Ästhetik des Widerstands.