Das Bild von der „kalten Terroristin“ ist falsch

Der Röhl-Clan konnte es nicht verhindern. Das Buch von Anja Röhl „Die Frau meines Vaters. Erinnerungen an Ulrike“ (Edition Nautilus, 160 Seiten, 18 Euro) ist ausgeliefert worden (und in der Buchhandlung Weltbühne eingetroffen). Wie angekündigt, sind einige Passagen des Buches geschwärzt. Siehe dazu den Eintrag vom 18. Februar.
CC_Roehl_Frau_75Auf Spiegel-online kommentiert Sebastian Hammelehle: „Bei Anja Röhl ist die RAF nur im Hintergrund präsent. Hier geht es um Meinhof als die einzige Erwachsene, die sich für das Mädchen Anja interessiert, mit ihr spielt, ihr alles erklärt, sie versteht und derart viel Geduld aufbringt, dass Klaus Rainer Röhl sie anherrscht: ‚Du lässt dich von den Kindern tyrannisieren.‘ Die Kinder, das sind auch Anjas Halbschwestern Regina und Bettina, die ihre Sicht auf ihre Eltern bereits öffentlich gemacht hat. Die sie betreffenden Passagen sind im Buch geschwärzt – Ergebnis einer juristischen Auseinandersetzung, die dem Buch einen Anschein von Skandal verleiht.
Ein Skandalbuch ist ‚Die Frau meines Vaters‘ deshalb nicht. Anja Röhls Tonfall ist leise, ihr Stil klar, auf eine literarisch stilisierte Weise fast kindlich. Sie beschränkt sich auf eine Darstellung der Ereignisse aus ihrer Sicht, verzichtet auf schrille Anklage oder Überhöhung – und zeigt, wie Meinhofs Opposition gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse in der jungen Bundesrepublik, die mit der RAF so brutal eskalierte, mit kleinen, feinfühligen Gesten begann: zum Beispiel, indem sie ein Kind anlächelte.“
Jörg Magenau im Deutschlandradio: „Erlebbar wird die bedrückende Enge der autoritären, postfaschistischen Bundesrepublik. Das ist die eigentliche Leistung dieses leisen, zurückhaltenden Textes, der sich in einem einfachen, fast kindlichen Nominalstil auf die Perspektive des Mädchens beschränkt. Ulrike Meinhof taucht in dieser Welt auf als die erste Person, die das Kind ernst nimmt und ihm einen eigenen Willen und Verstand zubilligt.
Anja Röhl beschreibt, aus welchem gesellschaftlichen Veränderungsdruck heraus Meinhof sich radikalisierte. Sie verehrt ihre Stiefmutter, auch wenn sie die zum Terrorismus führende Konsequenz ihres Handelns ablehnt. Doch sie hat Meinhof als Emanzipatorin und fürsorgliche Freundin erlebt. Diese Erfahrung ist geeignet, das Bild der kalten Terroristin zu ergänzen.
Hauptfigur des Buches ist dennoch der Vater mit seiner klebrigen Zuneigung. Er hätte sehr viel mehr Grund, sich gegen diese Publikation zu wehren, als die um Deutungshoheit (…) kämpfende Halbschwester Bettina.
Jenseits von all dem ist eine zarte, empfindsame Kindheitsgeschichte entstanden, die über die konkrete, komplizierte Familie hinaus eine Frühgeschichte der Bundesrepublik zu erzählen vermag. Es ist ein Text, der sich freimachen möchte von Zwängen und Wertung, der durch die äußeren Umstände aber dorthin zurückgezwungen wird.“
Bitte bestellen Sie dieses Buch in der Buchhandlung Weltbühne (die, wie man wissen sollte, auch eine VERSANDbuchhandlung ist).
Erinnern Sie sich stets an den Slogan:
„LIEBE leute BESTELLT bücher IN der BUCHHANDLUNG weltbühne UND sonst NIRGENDS.“
Weltbühne muß bleiben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert