Das Frau-Rat-Goethe-Gymnasium war ein Mädchengymnasium. Die Mädchen vom Frau-Rat-Goethe-Gymnasium galten was. Wer ein Mädchen von Frau-Rat-Goethe zur Freundin hatte, konnte damit angeben. Meine damalige Freundin, die Anne, war auch von Frau-Rat-Goethe! Auch die bekannte Faschismusforscherin Ulrike Hörster-Philipps war damals auf dem Frau-Rat-Goethe. Die kommt übrigens auch aus Neudorf, wie ich. Das habe ich aber erst später erfahren, als ich sie mal kennenlernte.
In der Aula des Frau-Rat-Goethe-Gymnasiums fand eine Veranstaltung des Republikanischen Clubs statt. Auf dem Podium saß u.a. der Pfarrer Querl, der seinem Namen Ehre machte. Man nannte ihn auch „Apo-Pfarrer“. Auf dem Podium saß auch die schöne Barbara Unseld. Damals war sie noch eine ganz linke. Mit der bin ich mal über die Königstraße gegangen und wir haben am hellichten Tag überall Plakate hingeklebt mit dem Slogan „Sieg im Volkskrieg“. Die hat mich auch im Auto zur Vietnam-Demonstration mitgenommen. Später heiratete sie den Günter Zieling und wurde Oberbürgermeisterin von Duisburg.
Wer sonst noch auf dem Podium saß, weiß ich nicht mehr. Ich weiß auch nicht mehr, was das Thema der Veranstaltung war. Jedenfalls wurde auch über die NPD geredet. Das war natürlich nicht gerade schmeichelhaft, was da über die Partei der häßlichsten der häßlichen Deutschen geredet wurde.
Ein junger Mann aus dem Publikum meldete sich zu Wort, ein kleiner, schmaler junger Mann mit Scheitel und Hornbrille und Konfirmationsanzug. Er sprach: „Ich bin für die NPD!“
Unruhe. Man setzte sich auseinander: Soll man den Burschen einfach rausschmeißen oder soll man ihn reden lassen? „Rausschmeißen!“ – „Nein, reden lassen!“ – „Rausschmeißen!“ – „Reden lassen!“ Schließlich durfte er reden. Aber „Ich bin für die NPD!“ war schon fast alles gewesen, was er vorzubringen wußte.
Jetzt meldete sich eine überaus dicke Dame von etwa 50 Jahren zu Wort. Sie rief: „Wenn man heutzutage jemanden anruft, dann meldet sich ‚Hier Schmitz Europa‘. Ja, sind wir denn keine Deutschen mehr?“
Haben Sie sowas schon mal gehört? „Hier Schmitz Europa“? Klingt aber gut. Vielleicht rufe ich mal beim Rat der Stadt an und verlange, die Oberbürgermeisterin zu sprechen.
„Hier Schmitz Europa. Wir haben ein Problem: Die Kartoffeln sind alle, aber es ist noch Sauce da.“
Obwohl der Anruf nicht die Bitte enthält, sie solle eine Lösung des Problems finden, sondern nur das Problem geschildert wird, ist die Oberbürgermeisterin irritiert.
Zwei Stunden später rufe ich die Oberbürgermeisterin nochmal an: „Hier Schmitz Europa. Frau Zieling, wir haben jetzt das umgekehrte Problem. Jetzt haben wir genug Kartoffeln, aber die Sauce ist alle.“
aus: Helmut Loeven: Der Gartenoffizier. 124 komische Geschichten. Situationspresse Duisburg 2008. 268 S. Pb. ISBN 978-3-935673-24-2
P.S.: Die Bärbel Zieling ist inzwischen, wie ich gehört habe, gar nicht mehr Oberbürgermeisterin. Auch ihr Nachfolger (Winterberg oder so ähnlich) ist inzwischen abgetreten. Den jetzigen Amtsinhaber braucht man nicht zu kennen.