Ein Verlag stellt ein Buch vor

Barbara Eder, Felix Wemheuer: Die Linke und der Sex. Klassische Texte zur wichtigsten Frage. Edition Linke Klassiker im Verlag Promedia, Wien 2011. 176 Seiten. 18,90 Euro – zu beziehen durch die (Versand-)Buchhandlung Weltbühne.


In der Verlagswerbung steht:
„Die Überwindung von autoritären Formen der Kindererziehung und monogamen, eheähnlichen Zweierbeziehungen war immer wieder integraler Bestandteil utopischer Gesellschaftsentwürfe auf Seiten der politischen Linken. Ebenso waren viele AktivistInnen“ (gemeint: Aktivistinnen und Aktivisten) „der 1968er-Bewegung“ (gemeint ist die sogenannte 68er-Bewegung) „der Überzeugung, soziale Revolution sei nicht ohne ‚befreite‘ Sexualität denkbar. Die Hoffnungen, die mit der Idee einer ’sexuellen Revolution‘ verbunden wurden, haben sich jedoch nicht erfüllt: Radikale Kommune-Projekte scheiterten […] Feministinnen kritisierten zu Recht, dass Fragen von Reproduktionsarbeit und Heterosexismus in gesellschaftsverändernden Entwürfen der Linken nur selten mitbedacht wurden.“

Was für ein Text aber auch!

Feministinnen äußern ihren Unmut darüber, daß über „Reproduktionsarbeit und Heterosexismus“ nicht genügend herumgelabert wurde. So müßte es heißen, wenn man es in Klartext übersetzt. Wer die Linken der 70er Jahre samt ihren „gesellschaftsverändernden Entwürfen“ aus nächster Nähe miterlebt hat und zudem Feministinnen „kritisieren“ gehört hat, versteht mich. Über so ein Wort-Getüm wie „Heterosexismus“ werde ich mich bei anderer Gelegenheit aufregen. Jedenfalls kann man dann, wenn Linke über Sex reden („debattieren“) nicht leicht auf die Idee kommen, daß Sex etwas mit Lust zu tun hat.
Die Hoffnungen, die mit der Idee einer „sexuellen Revolution“ verbunden wurden, haben sich nicht erfüllt? Tatsächlich nicht? Es mag sein, daß diese oder jene Hoffnung nicht in Erfüllung ging. Oft kommt es anders als man hofft. Oft sucht man etwas und findet es nicht. Dafür findet man etwas, wonach man gar nicht gesucht hat. Ist das schlecht? Die Sexuelle Revolution, die nun einmal eine Realität ist, sollte an ihren Resultaten gemessen werden, so unvollkommen sie auch geblieben sein mag. Man vergleiche bitte – bei aller Kommerzialisierung und Entfremdung, die geblieben sind – den gesellschaftlichen Umgang mit der Sexualität heute mit der Art und Weise, wie in den 50er Jahren damit umgegangen wurde. Wer darin nicht einen enormen Fortschritt zu erkennen vermag, dem kann ich auch nicht helfen. Jenen (Feministinnen), die die Sexuelle Revolution (mit unzähligen Zitaten belegbar) schlichtweg für die Wurzel allen Übels halten, attestiere ich eine Meise unterm Ponni.
(Wer lesen kann, dem empfehle ich den Aufsatz „Sie müssen nicht, was sie tun“ in DER METZGER 90, geschrieben von Lina Ganowski. Der gehört zum Besten, was in über 40 Jahren in DER METZGER erschienen ist. Dafür möchte ich sie küssen und ihr anerkennend auf den Hintern klatschen).

Hat Recht: Lina!

Bei den „utopischen Gesellschaftsentwürfen“ hat mich oft das Gefühl beschlichen, daß sie der Ablenkung dienen, der Täuschung, vor allem der Selbst-Täuschung. Vielleicht sollte man spaßeshalber vom anderen Ende her beginnen, indem man die eigenen Bedürfnisse erkennt und Widerstand leistet, wo Widerstand nötig ist, um das zu bekommen, was einem zusteht. Regelverletzungen begeht man dann nicht um der Regelverletzung willen, sondern man nimmt es auf sich, wenn es anders nicht möglich ist, Regeln zu verletzen, auch solche, die in den „Debatten“ von Linken beschlossen werden bzw. die ihnen von „kritisierenden“ Feministinnen aufoktroyiert werden.
(Kürzlich kaufte jemand den METZGER und lobte, das sei die einzige linke Zeitung, in der „Bilder von Titten“ zu sehen sind. Solch ein Bild ist ein Regelverstoß. Aber es erscheint nicht, WEIL es ein Regelverstoß ist, sondern um Leserinnen und Lesern eine Freude zu machen, die einen Sinn für Schönheit haben).

„Radikale Kommune-Projekte scheiterten“. Jaja, die Linken und ihr geliebtes Scheitern! Vielleicht scheitern sie deshalb so gern, weil die Verwirklichung der „utopischen Gesellschaftsentwürfe“ auch von denen gefürchtet werden muß, die sie entwerfen.
Ich habe in zwei Kommunen gelebt (1968-69 und 1970-73). Beide waren so radikal, wie sie nur sein konnten. Sie sind nicht gescheitert, sondern sie wurden beendet. Wenn der Herbst kommt, sage ich ja auch nicht „Der Sommer ist gescheitert.“

P.S.: An meiner Lust wird die Welt nicht zugrunde gehen. Im Gegenteil!
Jawohl!

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