Wojna meint: Antifaschisten sind Faschisten (bitte anschnallen)

In seinem Blog hat der Stimmungssänger Wojna („Die Bandbreite“) unter der Überschrift „Schreibblockade“ sich wortreich geäußert. Dabei unternimmt er auch gleich eine Neueinteilung des politischen Spektrums. Ich zitiere:

„Heutzutage ist ja jeder rechts, wir ja angeblich auch. Auf so einen haltlosen Scheiß kann ich nur mit Abscheu reagieren.
Diese Antifa ist nichts weiter als ein faschistischer Freicorps, der im Einklang mit den Systemmedien steht und sich darübe nicht mal ein Stück wundert.
Mir kommt der Satz in den Sinn: ‚Was früher die SA ist heut die Antifa‘.Eine Schande seid ihr für die echten Sozialisten unter euch, die sich nun eindeutig als ‚rote Antifa‘ abgrenzen müssen, weil man sie sonst fälschlich in einem Atemzug mit euch als Faschisten bezeichnet.
Tu ich dieser antideutschen und rassistischen Antifa damit Unrecht, wenn ich sie als intellektuelle Hooligans bezeichne? Ja, denn von intellektuell kann da keine Rede sein.Dass solche Jugendverbände wie ‚Die Falken‘ ihre antiimperialistische Linie aus den 70er sukzessive abgelegt haben – oder sie von eben jenen ‚Antifa-Faschisten‘ unterwandert wurden ist mittlerweile offenkundig. Traurig um die vielen guten Seelen im Verband, die wie im Nazi-Deutschland damals daneben stehen und schweigen.“

Dem geht der Mund über, dem das Herz voll ist. Voll womit?
Wer der Mitwelt etwas Fundamentales mitzuteilen hat, aber damit auf Desinteresse stößt, wird laut und ergeht sich schließlich in maßlosen Übertreibungen.
„Was früher die SA ist heut die Antifa.“ Ich würde gern erfahren, wo Wojna diesen Satz aufgegriffen hat, wer ihn in Umlauf gebracht hat. In dem Milieu, in dem er heimisch ist, wird man wahrscheinlich fündig werden.
Er wird konkret und nennt den Verband SJD Die Falken beim Namen. Aus diesem Verband wurde er wegen seiner Rechts-Eskapaden ausgeschlossen. Und wieder einmal werden die „Antideutschen“ als Popanz vorgeführt.
Mit dem Phänomen der „Antideutschen“, einer von der Linken abgespaltenen, nach rechts tendierenden chauvinistischen Sekte, habe ich mich vor Jahren mal ausführlich beschäftigt, mich durch ihre unappetitlichen Publikationen gequält und mich darüber in mehreren Artikeln geäußert, was mich allerdings nicht davor schützte, daß dann und wann hinter meinem Rücken gemunkelt wurde, ich würde „antideutsche“ Positionen vertreten.
Meine gegenteilige Position wurde von der hiesigen Routine-Linken, wie alles, was ich sage und schreibe, ignoriert. Warum?
Man ist in diesen Kreisen an Aufklärung gar nicht interessiert. Ins Licht gestellt sind die Feinde unbrauchbar. Man benötigt sie als „Dunkelmänner“, denen man alles zuschieben kann, was man nicht verstehen will, und denen man jeden zurechnen kann, der lauter Fragen stellt, die nur jemand hören will, der stören will. Die Nebulösität der Begriffe ist Voraussetzung für die argumentlose Abwehr von Kritik.
Es gibt noch mehr solche Nebel-Wörter, die nichts Konkretes bedeuten und die man nach Bedarf mal mit diesem, mal mit jenem Inhalt auffüllen kann (zum Beispiel: „Feminismus“, „Pornographie“).

Ich empfehle, das Schlagwort „Bandbreite“ unter diesem Text (oder auch die anderen Schlagwörter) anzuklicken. Das ist meine Empfehlung an die Leute, die sich auskennen wollen.

Das Hier schiebt im Jetzt das Prob- auf ein anderes -blem (oder sowas in der Art)

Vorgestern. Tag der Oststraße.
Schönschön.
Die SPD war auch da mit einem Infostand. „Info“ ist die Kurzform von „Information“. Wenn man Informationen verkürzt, kommt „Info“ heraus. Komischerweise sah ich kein Bild von Steinbrück.
Die Parole lautete: „Das Wir entscheidet“.
WIR kenne ich als Personalpronomen (erste Person Plural, Nominativ). Was entscheidet denn da, wenn „das Wir“ entscheidet? Richtig müßte der Satz doch lauten: „Wir entscheiden.“ Ja, dann entscheidet euch doch mal für richtiges Deutsch. „Das Wir“ ist der Singular vom Plural. Quatsch!
Ich wähle doch keine Partei, die keine Pronomina deklinieren kann.

Ist das sprachliche Spitzfindigkeit? Neinnein. Wir haben es hier mit der Schaumsprache der Werbung zu tun. Die Partei stellt sich nicht selbst dar, sondern läßt sich von einer Werbeagentur darstellen. Sie informiert nicht, sie argumentiert nicht, sondern sie drischt Phrasen. Wo „das Wir entscheidet“, wird Agenda-Politik als das wohlige Gefühl für die armen Schlucker euphemisiert. Wo „das Wir entscheidet“, haben wir nichts zu entscheiden.

Siehe auch hier!

Aktion Mensch. Offener Brief.

Sie werben mit dem Slogan „Das Wir gewinnt“.
„Wir“ ist kein Substantiv, sondern ein Personalpronomen, und zwar: erste Person Plural. Auf Deutsch würde der Satz richtig lauten: „Wir gewinnen“.
Ich erinnere mich noch mit Grauen an den Slogan „Der Friseur gibt dem Ich neuen Schwung“. Der Dativ von „ich“ ist nicht „dem Ich“, sondern: „mir“.
Man sagt ja auch nicht: „Können Sie dem Ich sagen, wie spät es ist?“, sondern: „Können Sie mir sagen, wie spät es ist?“. Man sagt: „Morgen komme ich dich besuchen“, und nicht „Morgen besuche ich das Du“.
Hier will ich Ihnen jetzt mal sagen, daß man auch nicht „im Hier und Jetzt“ ganz entspannt sein kann. Man kann sich hier entspannen, man kann sich jetzt entspannen, aber „im Hier und Jetzt“ kann man sich nur verkrampfen.
Ich verstehe schon, was Sie sagen wollen. Irgendwas mit „Wir-Gefühl“ und so. Aber versuchen Sie das doch mal so auszudrücken, daß von der Grammatik noch etwas übrigbleibt. Sonst ich schmeißen in der Wasser du.

P.S.: Jetzt kommt auch noch der Steinbrück mit „Das Wir entscheidet“!

Lateinisches Sprache schweres Sprache

„In dubio pro reo“ – das ist ein Rechtsgrundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten. Aber das ist sprachlicher Unsinn.
Ist der Zweifel eine Schachtel? Steckt man im Zweifel wie in einem Anzug? Ist man, wenn man zweifelt, im Zweifel drin? Räumlich? In der deutschen Sprache drückt man das so aus. Man ist „im“ Zweifel. Aber das ist kein Latein.
„In dubio pro reo“ ist kein lateinischer Satz, sondern ein deutscher Satz, den man Wort für Wort ins Lateinische übersetzt hat, oder: ein deutscher Satz mit lateinischen Vokabeln.
„In dubio pro reo“ ist so lateinisch wie „Equal goes it loose“ englisch ist (oder „Know you what you me can?“).
Was heißt „im Zweifel“ auf Latein? „Dubio“. Ablativ ohne Präposition.
„In dubio pro reo“ ist eine Sprachkonstruktion vergleichbar mit „Ich bin am putzen (dran)“. Oder: „Ich bin am Kartoffeln am schälen“. Das kann man sagen, denn das ist Ruhrdeutsch und klingt schön. Aber „in dubio pro reo“ darf man nicht sagen, sondern man muß „dubio pro reo“ sagen, denn so ist das richtig.
„In vino veritas“ darf man allerdings sagen, denn die Wahrheit ist tatsächlich in dem Wein.

Sisyphus hat viel zu tun

Zwei Tage hintereinander ohne ein neues Notat! Die Produktion für dieses Weblog drohte zwischenzeitlich ins Hintertreffen zu geraten, weil ich mich einer anderen kulturwahrenden Aufgabe zuwenden mußte. Ich nahm mir vor, das blödeste aller Wörter aus der Internet-Enzyklopädie Wikipedia zu entfernen.
Letztendlich mußte mein Vorhaben scheitern, das Blöd-Wort „letztendlich“ zu entflechten.
„Letztendlich“ ist eine Sprach-Mutation, die aus der Floskel „letzten Endes“ hervorgegangen ist. Das ist Quatsch. Das Ende ist immer das letzte. Ein vorletztes Ende gibt es nicht.
Die Wikipedia-Autoren sollten sich entscheiden, ob sie „letztlich“ oder „endlich“ sagen wollen. Doch meistens kann man sich die Entscheidung sparen. „Nixon gewann letztendlich die Wahl.“ Nixon gewann die Wahl. Punkt. Da ist auch „letztlich“ und „endlich“ genauso überflüssig wie der Oberblödsinn „letztendlich“. Mit „letztendlich“ ist der Wegespfad gepflastert, auf dem der Sturzfall der Verbalsprache ins Hölleninferno der Hohlphrase gleitet.
Es gibt ein noch blöderes Quatschwort, nämlich „schlußendlich“.
Dank Wikipedia erfährt man, daß Rapid Wien im Jahre soundso „schlußendlich“ österreichischer Fußballmeister wurde und welcher Rennfahrer auf dem Nürburgring „schlußendlich“ gewonnen hat. Das ist der Höchstgipfel! Das ist der oberste Höhepunkt wortsprachlicher Doofverblödung!
Einer, der bei Wikipedia jedes Flüßchen Meter für Meter beschreibt, kommt am Ende dann auch immer zum Schluß: „Die Themse mündet schlußendlich in die Nordsee.“ „In Koblenz mündet die Mosel schlußendlich in den Rhein.“ Ja, wer hätte gedacht, daß am Ende Schluß ist mit dem Fluß? Auf diesen Denk-Gedanken wäre ich nie gekommen! Ich hätte gedacht, daß die Mosel durch den Rhein hindurchfließt und am anderen Ufer wieder rauskommt. Wenn das Schlußende eines Flusses die Mündung ist, dann ist die Quelle wohl der Anfangsbeginn.
Nach etwa 50 Tilgungen gab ich auf, weil mir gewahr wurde, daß die beiden Unwörter in Wikipedia mehr als 8.000 mal vorkommen. Da erschien auch eine Mitteilung auf meinem Monitor: „In der Sache hast Du ja Recht, aber du solltest die anderen Teilnehmer nicht so hemmungslos beleidigen.“ Dabei hatte ich meine Veränderungen doch bloß damit begründet, daß „letztendlich“ ein Idiotenwort, „schlußendlich“ ein Vollidiotenwort ist.
Erstaunlicherweise treffen zwei Phänomene aufeinander, die einander widersprechen. Wie paßt die zunehmend allgemein generelle Verwendung überflüssiger Füllsel zur zunehmend allgemein generellen Sprach-Trägheit? „Ini“, „Flugi“. „Sympi“ – diese Wörter haben wohl keine Zukunft, weil sie aus mehr als einer Silbe bestehen. Seit 20 Jahren dürfen die Leute aus Meck-Pomm Urlaub in der DomRep machen. Die Justizministerin heißt demnächst LeutSchnarr. Und der Philosoph des Pessimismus heißt bald nur noch „ArtSchop“.
Den Leuten von heute geht nur dann der Mund über, wenn sie nichts zu sagen haben.
Wenn ich Richter wäre und ein Zeuge mir etwas von der DomRep erzählen würde – den würde ich in Beugehaft nehmen, und zwar so lange, bis der sich durchringt, „Dominikanische Republik“ zu sagen! Ich fürchte aber, die gesetzliche Begrenzung der Beugehaft von sechs Wochen würde dafür nicht reichen.

Alice Schwarzer rettet dem Dativ

Alice Schwarzer und die deutsche Sprache – eine auf Gegenseitigkeit beruhende Abneigung!
In der März-April-Ausgabe 2010 von Emma hat die Anführerin der deutschen Damenbewegung geschrieben: „Jedes der sieben Kinder hat eierförmig seinen Fotokopf ausgeschnitten und aufgeklebt – damit Muttern nicht vergisst, wie sie aussehen.“ Damit wem nicht vergißt?
Sie verwendet eine antiquierte Form des Dativ, wie es zu Zeiten von Goethen und Schillern üblich war. Sie will wohl ihrem Text eine Farbe geben. Hemdsärmeligkeit kann man das schlecht nennen, eher ist so eine Art Küchenschürzigkeit beabsichtigt. „Muttern“ – das klingt irgendwie nach „Berliner Schnauze“, jovial und anbiedernd. Allerdings, das sollte sie wissen, steht das Subjekt eines Satzes im Nominativ.
Es scheint ein März-April-Phänomen zu sein; Emma-Ausgabe März-April 1993: „Fortan hielt der Liebling den Mund und hörte zu – zumindest solange Muttern lebte.“ Solange wem lebte?
Geärgert hat sie sich in Emma März/April 2006, weil ein jugendliches Liebespaar nicht bei ihr angefragt hatte, ab welchem Alter sexuelle Aktivität statthaft sei und eine „Muttern“ noch Beihilfe leistete: „Die Geschichte ihrer tollen Nachbarin …, deren 15-jähriger Sohn ein Verhältnis mit einer 13-Jährigen hat, und dem Muttern immer fürsorglich Kondome besorgt.“
Dem wem Kondome besorgt?
Wenn sie sich ärgert, wird sie kathoolsch. Hier liest man ja nicht zum ersten Mal davon, daß Fürsorglichkeit in Gestalt von Kondomen einer Moral widerspricht, die ein Übel – sei es die Ausbreitung von Aids, sei es die unerwünschte Schwangerschaft einer 13jährigen – lieber in Kauf nimmt als dessen „unmoralische“ Verhütung. Die unerwünschte Schwangerschaft einer 13jährigen soll eher hingenommen werden als deren Verhütung mit „unmoralischen“ Mitteln, weil nicht sein darf was nicht sein darf.


Die „Journalistin aus Leidenschaft“ glaubt leider, daß Leidenschaft die Fertigkeiten des Berufs verzichtbar macht. Zu solchen Fertigkeiten gehört die Grammatik, also auch die Fähigkeit, die Casus des Substantivs voneinander zu unterscheiden. Die leidenschaftliche Journalistin, die es fertigbringt, mit allem, was sie sagt, falsch zu liegen, drückt das Falsche auch noch falsch aus.
Um es frei nach Goethen zu sagen: Es irrt der Alice Schwarzern, solang ihr schreibt.

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung spottet

„Schön, daß das Thema jetzt wieder in den Schlagzeilen ist… Unterhaltung auf niedrigem Niveau hat bei uns schließlich traditionell starke Quoten.“ Worüber spottet die Kommentatorin in der WAZ? „Frau Schröder und Frau Schwarzer streiten sich über Emanzipation. Und Schluß. Eigentlich ist das doch schon Glosse genug.“
Contra Kristina Schröder: „Wenn die Ministerin sich nun gegen Frauenquoten wendet, ist das nicht eigentlich unglaublich dumm? … Man sollte doch nicht den Ast absägen, auf dem man sitzt.“
Contra Alice Schwarzer: „Wer hätte das gedacht, daß Alice Schwarzer sich noch mal mit so einer Diskussion abgibt – die hat doch wahrlich genug anderes zu tun. Der Kachelmann-Prozeß, die ganzen Spiel-Shows. Und jetzt wieder Frauenrechte? Das ist ja fast so, als würde Rosi Mittermaier wieder auf die Skier steigen.“
Das kann man so nicht sagen. Rosi Mittermaier, immerhin, konnte was.

Nicht nur die WAZ, auch die Rote Fahne der MüllPD ist auf Alice Schwarzer nicht mehr gut zu sprechen: „Als Alice Schwarzer in den 1970er Jahren mit vielen anderen Frauen zusammen gegen den §218 mobil machte, Pornographie … anprangerte, da wurde sie von den reaktionären Geistern dieser Republik noch übel beschimpft. Dagegen solidarisierten wir uns mit ihr. Sie selbst aber führte sich mit zunehmender Penetranz als Oberlehrerin sämtlicher Frauen auf, erklärte den ‚Geschlechterkrieg‘ zum einzig wesentlichen Widerspruch in der Gesellschaft und fand dafür zunehmende“ (schon wieder: „zunehmend“!) „Anerkennung – nur immer weniger bei kämpferischen Frauen – dafür aber bei den Herrschenden. Ein auf diese Weise zahnlos gewordener, von anderen sozialen Bewegungen … abgesonderter Feminismus ließ sich hervorragend ins gesellschaftliche System integrieren.“
Die merken aber auch alles! Aber Erkenntnisse, die reichlich spät kommen, kommen zu spät, wenn man nicht merkt, daß sie reichlich spät kommen. Andere haben jedenfalls erkannt, daß sie der Frau Schwarzer früher mal auf den Leim gegangen sind, daß die zunehmende Oberlehrerin nie etwas anders war als die Selbstdarstellerin in eigener Sache, ein Klischee, und immer schon reaktionär (DER METZGER 28, 29, 30 – 1978/79). Das könnte man wissen (wenn man nur die richtigen Zeitungen lesen würde). Für ihr „Anprangern der Pornographie“ wurde sie keineswegs von irgendwelchen Geistern (reaktionären solchen) „beschimpft“, sondern von Künstlerinnen und Publizistinnen kritisiert (siehe DER METZGER 41).
Kristina Schröder, derzeit Ministerin, wurde mit 12 Jahren bei der Jungen Union vorstellig, weil sie für Helmut Kohl schwärmte. Hatte die sie noch alle auf dem Kastenmänneken? Bei der hat man den Eindruck, daß die zwölfjährig geblieben ist. Das ist doch gar nicht so unemmamäßig! Wie sagte einst Katharina Rutschky: „Alle Emmas treffen sich an einem Ort, wo sie ewig zwölf Jahre alt sind.“
Die Aufgeregtheit der Frau Schwarzer über die 12jährige des Kabinetts reizt zum Mißtrauen. Hat Alice Schwarzer nicht einst die Kanzlerschaft von Frau Merkel als den „wahren Systemwechsel“ gefeiert?

Der Aufstand

Ich erzähle Ihnen zwei Geschichten.
Ich ging an einem frühen Sonntagmorgen durch Neudorf, um eine Freundin zum Bahnhof zu bringen. Der Weg zum Bahnhof führt, wie Sie wissen, am Gertrud-Bäumer-Berufskolleg vorbei, und meine Freundin wollte wissen, wer denn eigentlich Gertrud Bäumer gewesen sei.
Gertrud Bäumer, antwortete ich, war eine prominente Publizistin zur Zeit der Weimarer Republik, sehr patriotisch und so eine Art Reichs-Anstandsdame, die sich für ein Schmutz-und-Schund-Gesetz einsetzte.
„Aha“, sagte meine Freundin, „so eine Art Alice Schwarzer der 20er Jahre.“
Ich konnte das weder verneinen noch bejahen, denn meine Freundin kannte Alice Schwarzer besser als ich, weil sie eine Zeitlang in deren Kölner Verlagsunternehmen gearbeitet hatte, bevor sie dort im Streit ausschied (siehe DER METZGER 54).
Die zweite Geschichte ist etwas länger her. Das war zu Zeiten des Eschhaus-Buchladens. Da erschienen eines Abends zwei junge Frauen mit zweierlei Anliegen.
Erstens: Sie wollten mich dafür engagieren, eine von der Gruppe, für die sie sprachen, herausgegebene Infobroschüre zu verbreiten.
Zweitens: Sie teilten mir mit, daß es in ihren Kreisen mißbilligend registriert worden sei, daß im Eschhaus-Buchladen kaum beziehungsweise überhaupt nicht „Literatur der Frauenbewegung“ zu finden sei, und sie wirkten auf mich ein, diesem Übelstand abzuhelfen. Sie redeten mit sehr ernsten Gesichtern und erklärten mir ihr Anliegen, so wie man einem kleinen Kind etwas erklärt (und ich zweifelte nicht daran, daß sie beizeiten ihren Tonfall ändern würden).
Der Inhalt der besagten Infobroschüre war nicht originell: Daß an allem, was in der Welt schiefläuft, die Männer schuld sind (sowas nehme ich grundsätzlich persönlich), und außerdem sind die Linken die Allerschlimmsten, weil es sich bei denen um eine „Männerbewegung“ handelt – also etwas, was man schon hundertmal gelesen hatte.
Trotzdem war ich erstaunt: Darüber, daß sie mit dem sonnigsten Gemüt von der Welt für ihren Feldzug gegen die Linke deren Instrumentarium in Anspruch nehmen zu können glaubten (sofern man den Eschhaus-Buchladen diesem Instrumentarium zurechnen mag).
Das habe ich denen aber nicht gesagt. Ich habe sie nur gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, den METZGER in Frauenläden und Frauenzentren auszulegen. Da guckten sie mich an, als wäre ich vom anderen Stern. Die Verhandlung war beendet.
Das muß man sich mal vorstellen: Die kommen zu mir mit diesem Anliegen: „Guten Tag, wir  wollen Ihre Pläne durchkreuzen, und wir möchten gerne in der Welt verbreiten, daß Sie ein Arschloch sind. Würden Sie uns dabei bitte behilflich sein?“ Und wenn ich dann antworte: „Nein, dabei möchte ich Ihnen nicht behilflich sein“, dann fallen die aus allen Wolken und verstehen die Welt nicht mehr. Die scheuen sich nicht, mich zu verleumden, aber sie wollen trotzdem von mir liebgehabt werden. Diese Frauen sind vor allem Töchter: der Alte Herr ist ihnen „total peinlich“, aber für ihre Klamotten soll Papi die Kohle rausrücken. Ist alles „nicht so gemeint“, alles nur ein Gesellschaftsspiel. Schlimm nur, daß ich grundsätzlich jeden beim Wort nehme.


Alice Schwarzer hat in der Frankfurter Rundschau für die Abschaffung des Internationalen Frauentages plädiert: „Woher kommt der eigentlich? Von der Frauenbewegung auf jeden Fall nicht. In den 1970er Jahren kannten wir keinen 8. März.“ Das ist Quatsch. Seit der Einführung des Gregorianischen Kalenders hat es jedes Jahr einen 8. März gegeben, auch in den 70er Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts. Sie will – mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln – auf etwas anderes hinaus: Weiterlesen

Leberwurst. Das Leben der Männer.

(Fortsetzung von gestern)

Daß der Mann immer im Mittelpunkt weiblichen Erlebens stehen muß, beklagte Christa Bernuth im Spiegel als Reduzierung der Handlungsmöglichkeiten in „Frauenromanen“ (siehe gestern). Ob nicht nur derlei Romane, sondern auch das wahre Leben derart reduziert ist, oder anders gesagt: ob Frauen eines gewissen Alters wirklich dauernd nur über Männer reden (über sie herziehen, von ihnen schwärmen oder beides gleichzeitig) weiß ich nicht. Daß der Umkehrschluß nicht zutrifft, weiß ich. Entgegen der weitverbreiteten Annahme von Frauen eines gewissen Alters reden Männer nicht dauernd über Frauen. Sie reden eigentlich nie über Frauen – und über Sex schon mal gar nicht (das tun nur den Mund vollnehmend pubertierende Knaben). Männer, die über Sex reden, gehen damit anderen Männern auf die Nerven. Männer reden auch nicht fortwährend über Fußball und über Autos. Über Autos wird nur geredet, wenn die Karre mal wieder in die Werkstatt mußte oder wenn eine Neuanschaffung ansteht. Über Fußball wird kaum mehr gesagt als etwa: „Kuxe heute abend auch Schalke gegen Intermailand?“ Mehr kaum.
Wenn über Politik geredet wird, wird meistens nicht mehr gesagt als daß „die dat Geld zum Fenster rauswerfen“.
Worüber reden Männer also, wenn sie unter sich sind?
Ein beliebtes Thema ist: der Beruf.
Ein weiteres beliebtes Thema ist: der Urlaub.
Das Thema, worüber Männer sich stundenlang unterhalten können, ist: die alten Bekannten.
„Weisse, wen ich getroffen hab? Den Heinz.“ – „Ach! Wat macht der denn? Is der noch bei Thyssen?“ – „Nä. Der is jetz auch in Rente.“ – „Weisse, wann ich den zum letzten Mal gesehen hab? Beim Geburtstag von dem Kurt. Da war der Herbert doch auch dabei. Der is jetz Oppa geworden.“
So – etwa – verläuft das Leben der Männer.

aus DER METZGER 92 (2010)

Leberwurst. Ein Kult-Seller tauchte mal wieder auf.

Jedes Jahrzehnt bringt seine eigenen Verrücktheiten hervor. Es war in den 80er Jahren, da stürmte ein Trüppchen junger Damen auf dem Sonnenwall in einen „Sex-Shop“, veranstaltete darin allerhand Remmidemmi, beschädigte wohl auch den einen oder anderen Gegenstand.
Ein paar Minuten später nahm die Polizei die Personalien auf.
Die Mädels hatten sich nämlich nicht etwa aus dem Staub gemacht, sondern sich in etwa 40 Metern Entfernung in einem Straßencafé niedergelassen und mit Ausgelassenheit und Lautstärke ihre „Aktion“ gefeiert.
Die sich als „Frauenbewegung“ mißverstanden, waren eigentlich eine Töchterbewegung, und in diesem Fall hatten sie die Redensart vom „Vater Staat“ zu wörtlich genommen. Der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Zerfall befindlichen bürgerlichen Familie entstammend, wähnten sie sich sicher, daß kleine und große Dummdreistigkeiten kaum größere Sanktionen nach sich ziehen könnten, als hätten sie zu ihrem taschengeldzahlenden Herrn Papa „Du nervst, Alter!“ gesagt.
Als eine, die ebenfalls meinte, sich alles herausnehmen zu können, erlangte eine Hamburger Pubertätsperpetuiererin namens Svende Merian Berühmtheit. Aus Enttäuschung über einen Liebhaber schmierte sie mit Farbe für alle Welt sichtbar auf ein Fenster seiner Wohnung den Spruch „Hier wohnt ein Frauenfeind“.
Es wäre weniger hochtrabend, dafür zutreffend (aber immer noch strafbar) gewesen, hätte sie mitgeteilt, daß dort einer wohnte, von dem als Liebhaber sie enttäuscht war – wobei dann aber immer noch eine Reflexion darüber gefehlt hätte, ob die Enttäuschung aus dem Angebot des Liebhabers oder aus eigenen falschen Erwartungen resultierte. Aber nein: der Beziehungsknatsch mußte als Weltereignis präsentiert werden. In dem Wahn, alle Frauen der Welt zu verkörpern, erklärte sie als mangelhaft empfundene Zuwendung zur Feindlichkeit und den enttäuschenden Liebhaber zum Feind aller Frauen, etwa nach dem Motto: Was du mir vorenthalten hast, hast du allen Frauen vorenthalten – ohne einen Gedanken darauf zu verschwenden, ob eine oder alle Frauen das, was ihnen da durch die Lappen gegangen sein mag, überhaupt verlangen können.
Sie hat es aber nicht bei dieser einen Schmiererei belassen, sondern ein Buch geschrieben, dem sie den sinnigen Titel „Der Tod des Märchenprinzen“ gab.
Der „Märchenprinz“ hat allerdings keineswegs den Tod erlitten – weder im wahren Leben, noch hat sie ihre dichterische Freiheit dahingehend genutzt, ihn abweichend vom wahren Geschehen eines fiktionalen Todes sterben zu lassen. Hatte sie eine literarische Abschlachtung im Sinn, einen Ruf-Mord? Seltsam ist der Titel auch deshalb, weil die Autorin, die sich als emanzipiert und progressiv geriert, unfreiwillig Weiterlesen

Die Erde ist rund, und es gibt „Debatten“

Daß die Erde nicht flach, sondern rund ist, ist hie und da sogar schon zu einer simplen Doktrin geworden. Da kann die Jungle World nicht untätig bleiben, die seit über einem Jahrzehnt als Dogmen-Spezialist wirksam ist. Sie brachte eine als „Dossier“ titulierte sechsseitige Wortanhäufung unter dem Titel „Ein Plädoyer für einen Feminismus in der antideutschen Gesellschaftskritik“, verfaßt von Leuten, die, anstatt sich mit Vor- und Nachnamen vorzustellen, als „Antifaschistischer Frauenblock Leipzig“, abgekürzt „AFBL“ in Erscheinung treten. Und so hört sich das auch an. So redet kein Mensch. So redet eine Gruppe.
So geht es los:
„Der antideutschen Kritik ist es unter anderem zu verdanken, daß in einem langwierigen Prozeß bis dato zumeist selbstverständliche linke Standards nicht unreflektiert blieben.“ Ach nee! „Diese Banalität (das steht da wirklich: „Banalität“) ist weiterreichend, als sich auf den ersten Blick vermuten läßt. … Es wurde mit der die Linke zweifellos spaltenden Diskussion möglich, … die erworbenen Theorieversatzstücke grundlegend infragezustellen. … Antisemitismus auf die Agenda insbesondere einer Linken in Deutschland zu setzen, war nur möglich mit dem Aufgeben bisheriger Sicherheiten, die hie und da schon zu Dogmen geworden waren.“
Was hat diese „eine Linke in Deutschland“ in den letzten Jahrzehnten denn anderes veranstaltet als einen Wettbewerb, wer zuerst die „bisherigen Sicherheiten“ aufgibt? Diese „eine Linke in Deutschland“ wechselt die Meinungen schneller als die Hemden. Umso konstanter ist ihr geschwollener Jargon, das einzige, das nicht über Bord geht. Die sorgsam satzverlängernden Partizipien sind die Nippes-Figuren ihrer Sprache. Floskeln wie „unter anderem“, „zumeist“, „insbesondere“ dienen nicht nur dazu, den Sätzen die Länge eines Bandwurms und dem ganzen Text die Quantität einer theoretischen Abhandlung zu geben, sondern auch dazu, die Aussagen einzuschmieren, damit sie aalglatt werden und jeder Widerspruch abrutscht. Dabei passieren dann solche Satzbeinbrüche wie der, der Antisemitismus sei „auf die Agenda zu setzen“.
In dem „Dossier“ geht es wohl irgendwie um die weltbewegende Frage „Wie halten es die Antideutschen mit dem Feminismus“. Als ob das nicht piepegal wäre, wie die Antideutschen es mit dem Feminismus halten!
Umgekehrt wird ein Pantoffel draus: Wie halten es die letzten Mohikanerinnen des Feminismus mit den Antideutschen?
Die Manie, überall unbedingt dabeisein zu müssen, wo die letzten Mohikaner der „undogmatischen“ Linken „Debatten“ zelebrieren, treibt sie an. Wenn irgendwo ein Tisch steht, an dem drei Leute sitzen, müssen die sich unbedingt dazusetzen, um ihren Sermon aus abgestandenen Phrasen anzubringen. Alles schon hundert mal gelesen, alles schon hundert mal gehört und alles schon hundert mal begähnt und beschnarcht. Die sind vor gar nichts fies und schrecken noch nicht einmal davor zurück, sich bei der Idiotensekte der Bahamiten anzubiedern.
Nun ja. Wer weiß, wozu es gut ist.
aus DER METZGER 83 (2009)