Die (Un-)Fähigkeit zu trauern


Erinnerungsstätte an der Kirche Sankt Ludger in Neudorf, wo auch früher schon Zeichen gegeben wurden.
Weiße Rosen, ein Licht, eine Tafel.
Wer sich erinnern kann, kann begreifen, was er tut.

Ein „älteres Ehepaar“ ging hier vorbei, ich hörte sie unzufrieden grummeln. Unzufrieden nicht damit, daß hier Menschen abgeschlachtet wurden, nur weil sie anders waren als „alle“, sondern weil sie von Mitgefühl und Erinnerung verschont werden wollen. Die haben auch bestimmt „nicht gegen Ausländer“ – außer, daß es sie gibt.


Schnell noch fotografiert – und HIER unausgelöscht hingestellt, bevor treudumme Wegkratzer es wegkratzen.
Das Plakat rechts ist keine Werbung für die Bahn AG, sondern eine Denkaufgabe von Ende Gelände.

Kein Vergessen

Die Rede von Ismail Küpeli für die Demo am 19. Februar 2021 in Duisburg: Ein Jahr Hanau.
Ismail Küpeli sprach für die Partei Die Linke

Heute, am Jahrestag des rassistischen Anschlags in Hanau, wollen wir zuerst an die Opfer erinnern und dafür sorgen, dass sie nicht vergessen werden. „Tot sind wir erst, wenn man uns vergisst“ schrieb Ferhat Unvar fünf Jahre vor seiner Ermordung. Wir erinnern an und trauern um:
Ferhat Unvar
Mercedes Kierpacz
Sedat Gürbüz
Gökhan Gültekin
Hamza Kurtović
Kaloyan Velkov
Vili Viorel Păun
Said Nesar Hashemi
Fatih Saraçoğlu
Aber in die Trauer mischt sich auch Wut. Wut darüber, dass bis heute keine umfassende Aufklärung über die Tat selbst und das Verhalten der Polizei stattgefunden hat. Wut darüber, dass die Tat nicht verhindert wurde. Im Vorfeld der Tat gab es genug Hinweise auf die rassistische Einstellung des Täters. Wie konnte der Täter die Waffen besitzen, mit denen er am 19. Februar 2020 neun Menschen aus rassistischen Gründen ermordete? Das ist nur eine der zahlreichen Fragen. Inzwischen wissen wir, dass Vili Viorel Păun versuchte, den Täter zu stoppen und dabei immer wieder den Polizeinotruf 110 anrief. Aber die Notrufzentrale hob nicht ab. Diese „Panne“ kostete Vili Viorel Păun das Leben und weitere Pannen kosteten weitere Leben. Der Rassismus, der sich in der Tat von Hanau zeigte, ging nach der Tat weiter. So führte die Polizei mit Überlebenden und Angehörigen sogenannte „Gefährderansprachen“ und warnte sie dabei, Racheaktionen zu verüben. Als seien sie die Gewalttäter, als seien sie dafür verantwortlich, dass all diese Menschen am 19. Februar 2020 ermordet wurden. Bis heute müssen die Überlebenden und die Angehörigen dafür kämpfen, dass die Tat selbst und das Verhalten der Polizei aufgeklärt werden.
Leider ist dies nicht zum ersten Mal so abgelaufen. Seien es die Anschläge der 1990er Jahre in Solingen, Mölln und an vielen anderen Orten, seien es die NSU-Morde: Wir können uns nicht darauf verlassen, dass der Staat und seine Sicherheitsbehörden, tatsächlich alles unternehmen wird, um rassistische Gewalt möglichst zu verhindern und rassistische Taten vollständig aufzuklären. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass der Staat die Opfer, Überlebenden und Angehörigen angemessen unterstützt. Stattdessen wurden, wie etwa bei den NSU-Morden, die Angehörigen als mögliche Täter verdächtigt. Auch wissen wir bis heute nicht, wieweit staatliche Sicherheitsbehörden in die NSU-Morde verwickelt sind. Die Hintermänner der rassistischen Gewalttaten und die Schreibtischtäter, die mit ihrem Hass und ihrer Hetze den Boden für diese Taten vorbereitet haben, blieben ebenfalls unbehelligt.
So bleibt es unsere Aufgabe, die Aufgabe von allen Antifaschist_innen, allen Demokrat_innen, allen Menschen hierzulande, die sich nicht damit abfinden wollen, dass immer wieder Menschen aus rassistischen Gründen ermordet werden: Dafür zu sorgen, dass der Rassismus etwa gegen Roma und Sinti bekämpft wird. Dafür zu sorgen, dass rechte Netzwerke in Polizei und anderen Sicherheitsbehörden aufgedeckt und aufgelöst werden. Dafür zu sorgen, dass diejenigen, die im Visier der rassistischen Hetzer stehen, Solidarität erfahren. Dafür zu sorgen, dass sich Hanau nicht wiederholt. Das ist unsere Aufgabe, das ist unsere Verpflichtung.
Kein Vergessen, Schulter an Schulter gegen Rassismus!

Interview zur Diskriminierung Duisburger Sinti

Das Kultur- und Stadthistorischen Museum Duisburg veröffentlicht aus aktuellem Anlass auf youtube ein Interview zur Verfolgung und Diskriminierung Duisburger Sinti.

Interview mit Mario Reinhardt. Duisburger Sinto und Enkel des Auschwitzüberlebenden Franz Lehmann. Der Völkermord an den europäischen Sinti und Roma gilt als der vergessene Holocaust. Der Duisburger Sinto Franz Lehmann (1922–1992) überlebte den Völkermord. Sein Enkel, Mario Reinhardt, berichtet in diesem Video über die Verfolgung der Familie Lehmann, das Leben in der Nachkriegszeit und die Gegenwart rassistischer Diskriminierung. Das Interview wurde 2020 im Rahmen der Wanderausstellung „Rassendiagnose Z*: Der Völkermord an den Sinti und Roma und der lange Kampf um Anerkennung“ gezeigt. Das Zentrum für Erinnerungskultur präsentierte die Ausstellung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma im Kultur- und Stadthistorischen Museum.

Produktion: LVR-Zentrum für Medien und Bildung
Interview: Robin Richterich, Zentrum für Erinnerungskultur

[Video 1]
[Video 2]
[Video 3]

In der Buchhandlung Weltbühne noch vorrätig: Das Begleitheft zur Ausstellung „Rassendiagnose: Zigeuner“ – Der Völkermord an den Sinti und Roma und der lange Kampf um Anerkennung – vom Zentrum für Erinnerungskultur im Kultur- und Stadthistorischen Museum
Überall im Buchhandel erhältlich das in der Situationspresse erschienene Buch NICHTS GELERNT?! Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus, herausgegeben von Katharina Peters und Stefan Vennmann
Situationspresse (Duisburg) 2019. 212 Seiten, 18 Euro
ISBN 978-3-935673-46-4
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Angela Davis für Mumia Abu-Jamal


Die junge welt veröffentlicht in ihrer Montagsausgabe die Kolumne von Mumia Abu-Jamal.
Am letzten Montag erschien an dieser Stelle ein Kommentar von Angela Davis.

Durch internationale Solidarität wurde Angela Davis vor der rassistischen Justiz der USA gerettet. Auf diesem Bild: Bei einem Besuch in der DDR wurde sie von Erich Honecker empfangen.

„Rassendiagnose: Zigeuner“ – Begleitheft zur Ausstellung

Über die Ausstellung „Rassendiagnose: Zigeuner“ – Der Völkermord an den Sinti und Roma und der lange Kampf um Anerkennung – vom Zentrum für Erinnerungskultur im Kultur- und Stadthistorischen Museum wurde hier berichtet. Durch die Corona-Krise mußte die Ausstellung verschoben werden, das Begleitprogramm mit Vorträgen mußte ausfallen. Die werden vielleicht im nächsten Jahr nachgeholt.
Das Begleitheft (32 Seiten im Großformat mit zahlreichen Abbildungen und mit einer Graphic Novel von Hildegard Lagrenne ist erhältlich.
Zwei Ausschnitte:

Das Begleitheft ist in der Buchhandlung Weltbühne erhältlich. Preis: 5 Euro, im Versand: 6 Euro.

Ausstellung: „Rassendiagnose: Zigeuner“


Die Ausstellung sollte schon im April beginnen und wurde verschoben. Das vorgesehene Rahmenprogramm mit Vorträgen muß ausfallen. Die Vorträge sollen vielleicht im nächsten Jahr nachgeholt werden.

Bitte beachten Sie auch den Beitrag über Stolpersteine in Duisburg in DER METZGER Nr. 134.
Und bitte beachten Sie auch das im Januar in der Situationspresse erschienene Buch
NICHTS GELERNT?! Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus
Herausgegeben von Katharina Peters und Stefan Vennmann
Situationspresse (Duisburg) 2019. 212 Seiten, 18 Euro
ISBN 978-3-935673-46-4
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Kapitalismus tötet

Diese Erklärung wurde mir unterbreitet. Ich gebe sie hiermit weiter.
Bitte:

Kapitalismus tötet
Stellungnahme der DKP zu den Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA
Nach dem Mord an dem schwarzen US-Amerikaner George Floyd in Minneapolis durch vier Polizisten vor laufenden Kameras, breiten sich in zahlreichen Städten der USA wieder Proteste gegen rassistische Polizeigewalt aus.
Gegen die Proteste wird von Seiten der Polizei und inzwischen in vielen US-Bundesstaaten auch von Seiten der Nationalgarde mit großer Brutalität vorgegangen – Schusswaffen, Tränengas, Polizeifahrzeuge, die in friedliche Menschenmengen fahren. Inzwischen gibt es mindestens drei weitere Tote. Es ist dann kaum verwunderlich, dass dies zu noch mehr Wut und Hass auf Seiten vieler Demonstranten führt. Die Situation wird bewusst und auch durch Provokateure eskaliert. Es geht den Protestierenden nicht nur um George Floyd und viele andere Tote durch Polizeigewalt.
Es geht auch um den alltäglichen Rassismus und soziale Ausgrenzung, die jeden Tag töten: Schwarze US-Amerikaner sind nicht nur unverhältnismäßig oft Opfer von Polizeigewalt, sie leben auch weitaus öfter in Armut und ohne jegliche Krankenversicherung, haben oft entweder gar keine oder prekäre Jobs. Sie machen nur 12 Prozent der Bevölkerung der USA aus, aber 33 Prozent der Gefängnisinsassen. Die Sterberate durch die Corona-Pandemie ist bei ihnen um ein Vielfaches höher als bei anderen Bevölkerungsgruppen. So liegt die Sterberate für mit dem Corona-Virus infizierte Schwarze zum Beispiel in Chicago sieben Mal höher als für weiße Einwohner der Stadt. Das ist die Vorzeigedemokratie der Imperialisten, die täglich mit dem Finger auf die sozialen und demokratischen Verhältnisse in den Ländern zeigen, die sich ihnen nicht unterordnen.
Für diese Situation tragen sowohl die Trump-Regierung als auch ihre Vorgänger, gleichgültig ob Republikaner und Demokraten, die Verantwortung. Ernsthafte Versuche diese Verhältnisse zu ändern hat es nie gegeben. Beide Seiten nutzen die Situation für ihren Wahlkampf. Trump kündigt den Einsatz von Militär an, er ruft die Gouverneure zu größerer Härte auf, stellt Antifaschisten und Linksradikale als Verursacher der Gewalt dar. Die Demokraten beschuldigen Trump der Eskalation, die hinter ihnen stehende Kräfte stehen aber genauso für eine Fortsetzung von Rassismus, Armut und Ausbeutung.
Wieder einmal wird deutlich: Kapitalismus tötet auf vielfältige Weise – diese Situation kann nur durch gemeinsames Handeln verändert werden. Die DKP ist solidarisch mit allen, die gegen Rassismus, Armut, soziales Elend und Ausbeutung kämpfen, gleichgültig welcher Herkunft sie sind und welche Hautfarbe sie haben.

Neu in der Weltbühne: Schwarz sein in einer rassistischen Welt

Ijeoma Oluo: Schwarz sein in einer rassistischen Welt. Warum ich darüber immer noch mit Weißen spreche. aus dem amerikanischen Englisch von Carolin Burmester. Unrast-Verlag 240 S. Klappenbroschur. 16,00 €

Ijeoma Oluo hat mit Schwarz sein in einer rassistischen Welt einen New York Times-Bestseller geschrieben. Teils biografisch, teils anekdotisch, aber immer analytisch, behandelt sie in zugänglicher Sprache, mit Humor und Verstand Fragen, die sich viele nicht zu stellen trauen. Warum darf ich das ‚N-Wort‘ nicht benutzen? Warum darf ich deine Haare nicht anfassen? Hat Polizeigewalt wirklich etwas mit ‚Race‘ zu tun?
Oluo schreibt über das Gefühl, das sie hatte, als ihr Sohn seine Hand auf ihre legte und sagte: „Unsere Haut hat ja den gleichen Braunton“ – und über die Diskriminierung gegenüber Schwarzen jungen Männern. Darüber, dass eben diese so oft direkt oder indirekt von der Schule ins Gefängnis kommen, dass es schon eine eigene wissenschaftliche Bezeichnung dafür gibt: school-to-prison-pipeline. Über die Polizeigewalt in den USA und über Massenverhaftungen von Afro-Amerikaner*innen. Gleichzeitig schafft es Oluo, Diskurse über die Vor- und Nachteile identitätspolitischer Kämpfe verständlich und den Begriff der Intersektionalität einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Ein Buch, das sehr hart und sehr einfühlsam zugleich ist, Diskurse voranbringt und Verständnis schafft. Geschrieben für Menschen jeder Hautfarbe, um in allen Lebensbereichen eine gerechtere und antirassistische Gesellschaft zu schaffen.

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Neu in der Situationspresse: Nichts gelernt ?!

NICHTS GELERNT?! Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus

Herausgegeben von Katharina Peters und Stefan Vennmann
Situationspresse (Duisburg) 2019. 212 Seiten, 18 Euro
ISBN 978-3-935673-46-4

Antiziganismus hat Tradition. Er ist trauriges Zeugnis einer Kontinuität von ausgrenzenden und menschenverachtenden Verhältnissen. Die spezifische Form von Rassismus wirkt seit Jahrhunderten in Deutschland und Europa in zahlreichen Variationen der immergleichen Stereotype sowie den damit verbundenen Gedankenmustern und Diskriminierungspraktiken. Dabei zeichnet sich Antiziganismus durch eine enorme Anpassungsfähigkeit und eine hohe Widerständigkeit gegen seine Bekämpfung aus. Welche Wirkmechanismen und Strukturen lassen sich identifizieren? Welche Strategien und Lösungsansätze können diesem Ressentiment entgegengesetzt werden?

Inhalt

Katharina Peters und Stefan Vennmann: Vorwort. Nichts gelernt?! Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus
Dirk Wolff: ‚AIDD – Angekommen in Duisburg und Dortmund‘. Ein Projektbericht
Wibke Kleina: Zwischen Passfähigkeit und Besonderung. Eine Betrachtung der schulischen Situation von Sint*ezza und Rom*nja
Katharina Peters: „Sind wir zu intolerant?“ Die mediale Inszenierung von ‚Sinti und Roma‘ in Polit-Talkshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens
Joachim Krauß: Der Zukunft abgewandt. Duisburger Wege der Desintegration
Sylvia Brennemann und Joachim Krauß: Ein guter Ort wird schlechtgemacht — ein Gespräch zur Situation in Duisburg-Marxloh
Markus End: Die Dialektik der Aufklärung als Antiziganismuskritik. Thesen zu einer Kritischen Theorie des Antiziganismus
Sebastian Winter: ‚Femme fatale‘ und ‚Zwangsprostituierte‘. Über den Wandel antiziganistischer Weiblichkeitsbilder
Rafaela Eulberg: Das Bild der wahrsagenden ‚Zigeunerin‘ als ‚nicht-okzidentale Andere‘. Anmerkungen zum Magie-Diskurs in antiziganistischen Formationen
Merfin Demir: Antiziganismus, Kolonialismus und Neoliberalismus. Eine Analyse aus Sicht einer Selbstorganisation
Astrid Messerschmidt: Antiziganismuskritik in Auseinandersetzung mit Rassismus und Nationalismus. Geschichtsbewusst handeln und Diskriminierung abbauen
Stefan Vennmann: Der Nicht-Ort der Vernichtung. Zum Problem einer Analyse von Antiziganismus bei Giorgio Agamben
Drita Jakupi: Antiziganismus, Romaphobie, Gadje-Rassismus? Kritische Einwände.

Das Buch entstand als Gemeinschaftswerk von VIA (Verband für interkulturelle Arbeit) und DISS (Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung).
Erhältlich im Buchhandel – auch am Amazonas, am besten direkt (auch im Versand) in der Buchhandlung Weltbühne.
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Faschismus ist keine Meinung …

… sondern ein Verbrechen.

Die VVN erklärt:

Rassismus tötet!

Nach den bislang vorliegenden Informationen haben am Mittwoch mehrere Männer in Halle/Saale rassistisch motivierte Anschläge verübt. Begonnen hatten die Täter an der Synagoge in der Hallenser Innenstadt, deren Tür jedoch dem mit einer Maschinenpistole vorgetragenen Angriff standhielt. Am jüdischen Friedhof wurde die erste Person getötet. Anschließend schossen der bzw. die Täter an einer Döner-Imbiss-Bude auf eine weitere Person. Zwei weitere Personen wurden mit Schussverletzungen in die Universitätsklinik eingeliefert. Seit einigen Stunden sind die Täter auf der Flucht, ein Verdächtiger konnte festgenommen werden. Auch die Bundesanwaltschaft geht – nach Medienberichten – von einem extrem rechten Hintergrund der Täter aus.

Seit längerer Zeit müssen wir beobachten, dass die neofaschistische Szene sich zunehmend bewaffnet und gewaltbereit agiert. Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke war dafür ein deutliches Zeichen. Nun scheinen erneut Neonazis ihre Gewaltbereitschaft unter Beweis gestellt zu haben. Wenn die Bundesanwaltschaft ein solches Verbrechen nun unter „Amokgefahr“ kategorisiert, verharmlost sie die von extremen Rechten ausgehenden Gefahren. Es war erkennbar eine geplante Aktion, die am höchsten jüdischen Feiertag sich gegen jüdische Bürger unseres Landes und im nächsten Schritt gegen alle mit „Fremden“ verbundenen Menschen richtete. Solche Morde sind geplant und bewusst vorbereitet.

Wie schon bei dem Angeklagten Stefan Ernst im Fall Lübcke scheinen auch hier die Sicherheitsorgane dieser gewaltbereiten neofaschistischen Szene viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Ob der Anschlag dadurch hätte verhindert werden können, steht nicht zur Debatte. Die Freigiebigkeit der Behörden bei der Ausgabe von Waffenbesitzkarten für extreme Rechte muss auch in diesem Falle untersucht werden.

Die VVN-BdA erklärt ihr tiefes Mitgefühl gegenüber allen Opfern der Anschläge und ihren Familienangehörigen. Für uns ist eine zentrale Konsequenz: Keine Toleranz für Nazis! Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! Rassismus und Antisemitismus töten – dies zeigen die Vorgänge in Halle/S. in aller Deutlichkeit.

Was war am 26. August 1984?

Rassismus als Motiv untersuchen, Zuhören organisieren!
Gastgeber: Initiative DU 26. August 1984 und Lokal Harmonie

Samstag, 31. August 2019 von 13:30 bis 23:00

Lokal Harmonie
Harmoniestr. 41, 47119 Duisburg-Ruhrort

Am 31. August 2019 laden die Initiative DU 1984 und die Betroffenen der Famiilie Satir dazu ein, gemeinsam mit der Familie Satir der Brandstiftung von 1984 und ihrer verstorbenen sieben Familienmitglieder zu gedenken. Döndü Satır, Zeliha Turhan, Rasim Turhan, Tarık Turhan, Cigdem Satır, Ümit Satır und Songül Satır starben bei der Brandstiftung auf ihr Wohnhaus am 26. August 1984 in Duisburg-Wanheimerort. Rukiye Satir, Remziye Akkuş, Suat Akkuş, Aynur Satir Akca und Eylem Satir Özcan überlebten die Brandstiftung schwerverletzt. Staatsanwaltschaft, lokale Politik und Polizei schlossen schon zwei Tage nach der Brandstiftung ein „ausländerfeindliches“, somit politisches Motiv aus. Die anfänglich rege Berichterstattung im Sommer 1984 verebbte als die Tat nicht aufgeklärt werden konnte. Nur zwei Monate später schrieben die lokalen Zeitungen von einem tragischen Großbrand und einer Tragödie, obwohl feststand, dass es Brandstiftung war. Die Entpolitisierung setzt sich fort, und der Fall gerät in Vergessenheit.
Nur die Betroffenen, die Nachbarschaft und die migrantische Community können sich noch mit Trauer und vielen ungeklärten Fragen an die Brandstiftung erinnern. 1994 erst gesteht eine Täterin die Brandstiftung von 1984 und eine weitere Brandstiftung auf ein Geflüchtetenwohnheim in Duisburg. Ein ausländerfeindliches Motiv wird vor Gericht explizit ausgeschlossen, und eine psychische Störung und somit Schuldunfähigkeit festgestellt.
35 Jahre später will die Initiative DU 84 mit einer unabhängigen Kommission eine erneute Überprüfung des Motivs der Brandstiftung erreichen. Sie fordern Aufklärung darüber, wie die Sicherheitsbehörden das Motiv Rassismus und Hass gegen Migrantinnen und Migranten explizit untersucht haben. Mit den Betroffenen gemeinsam organisieren sie eine lokale Intervention und suchen eine würdevolle Form einer Anerkennungs- und Erinnerungskultur. Die Initiative kämpft darum, dass die Perspektive der Betroffenen rassistischer Gewalt in das kollektive Gedächtnis eingeht. Um dies zu erreichen, lädt die Initiative Aktivisten, Wissenschaftler, Initiativen und Künstlerinnen und Künstler zum Gedenktag ein. Und am wichtigsten – sie lädt Betroffene rechter und rassistischer Gewalt selbst ein, um gemeinsam zu sprechen, zu trauern und um sich zu organisieren.
Wir schreiben unsere Geschichte selbst! Gewalt, Rassismus und Ausschluss sind Teil dieser Geschichte. Wir wollen endlich über den Rassismus und über migrantische Leben in den 1980er Jahren sprechen. Es fehlt eine Sprache und Sichtbarkeit für dieses Dunkelfeld. Systematisch werden politische und rassistische Motive weder erwähnt noch strafrechtlich angemessen verfolgt. Seit den NSU-Prozessen wissen wir, wie behördliche Blindheit zur Entwertung von Rassismuserfahrungen, institutioneller Gewalt und Ohnmacht führen. Wir müssen davon ausgehen, dass in den 1980ern weit mehr Tote durch rechte Gewalt zu beklagen sind, als offizielle Zahlen berichten. Im Rahmen des Gedenktags wird eine juristische Neubewertung des Falles präsentiert und in zwei Podiumsgesprächen über Rassismus und migrantische Selbstorganisation in den 1980ern, sowie Erinnerungspraktiken diskutiert. Das Programm wird gerahmt von Kurzfilmen und Musik.

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Encore: So einer

Am Montag begann vor dem Duisburger Amtsgericht ein Strafverfahren gegen Henryk M. Broder. Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor hatte gegen ihn Strafantrag wegen Beleidigung gestellt.
In der WAZ war über den Prozeßtag zu lesen:
„… Henryk M. Broder (72) liebt die Provokation und wird besonders in der rechten Szene dafür gefeiert. Kritiker bescheinigen ihm ‚beifallsüchtigen Populismus‘. Heute stand der Publizist“ „Publizist“, steht da „in Duisburg vor Gericht – wegen einer angeblichen Beleidigung. Weil er über die in Duisburg lebende Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor (41) auf Anfrage der rechtskonservativen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ gesagt haben soll, dass sie ‚einen an der Klatsche‘ habe … Applaus der 100 Besucher brandete auf, als Broder mit seinem Anwalt Joachim Steinhöfel eintraf. ‚Das ist mir ja geradezu peinlich‘, sagte Broder und grinste. … Steinhöfel, dessen eigene Internetseite im rechten Spektrum mit großem Wohlwollen betrachtet wird, schätzt den öffentlichkeitswirksamen Auftritt.“

Das Foto in der Zeitung zeigt Broder und Anwalt Steinhöfel in dummdreist grinsender Selbstgefälligkeit.

Von der Sache war hier schon einmal die Rede, im Eintrag vom 8. Oktober 2016. Ich wiederhole:

„Wäre der Diskurs von Klarheit und Redlichkeit beherrscht,
müßte Henryk M. Broder das am meisten fürchten,
wonach er am meisten giert: Aufmerksamkeit.“
Lina Ganowski

Er hält sich für einen Publizisten. Schlimmer noch: auch andere halten ihn für einen Publizisten.
So ist Deutschland, daß das auch dann noch funktioniert, wenn er von der Jungen Freiheit seine Haßtiraden herumschleudern läßt; und er ergötzt sich an dem Beifall, der aus der Jauchegrube kommt.
Wenn Ihnen jemand erzählt, der Henryk M-punkt Broder wäre ein „Querdenker“, ein „Unabhängiger“, der „gegen den Strom schwimmt“, dann wissen Sie: Da redet ein Idiot. Das war schon immer so, aber mittlerweile müßte es auch der Dümmste gemerkt haben.
Lamya Kaddor tritt nicht nur nur den Salafisten deutlich entgegen, wodurch sie deren Haß auf sich gezogen hat. In ihrem Buch „Die Zerreißprobe. Wie die Angst vor dem Fremden unsere Demokratie bedroht“ spricht sie davon, daß hier im Lande des Pegida-Geschreis auch etwas getan werden müßte, um Zivilisationsdefizite abzubauen. Klar, daß einer wie Broder sich dadurch auf den Schlips getreten fühlt. Da spielt er gern den Stichwortgeber für den Mob.
Wie die Fanatiker der einen und der anderen Seite sich doch ähneln!
Hier ist es Tradition des Hauses, sich für Autoren zu verwenden, die von Reaktionären – oder, wie in diesem Fall, von einem besonders abstoßenden Haßprediger angegriffen werden. So war es mit Wiglaf Droste, so war es mit Katharina Rutschky, und so halten wir es auch mit Lamya Kaddor.
Im Streit um das Buch von Lamya Kaddor sollen nicht die Dreckschleuderer des letzte Wort haben, sondern Sie.

Lamya Kaddor: Die Zerreißprobe. Wie die Angst vor dem Fremden unsere Demokratie bedroht. Rowohlt Berlin. 240 S. 16,99 Euro

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Weltbühne muß bleiben.

Lesen Sie auch den Eintrag vom 29. Januar 2013 „Wie kommt der Broder in meine Zeitung?

Proteste gegen Zwangsräumungen

Die Zwangsräumungen in Duisburg waren Thema in diesem Weblog (siehe hier und hier).
Proteste kamen von den Wohlfahrtsverbänden, von den Grünen und von der Partei Die Linke.

Die WAZ berichtete online (5.4., 15.33 h) etwas ausführlicher:als in ihrer Print-Ausgabe:

Schrottimmobilien. Noch mehr massive Kritik an Räumungen in Duisburg-Marxloh
Räumungen in Duisburg- Marxloh: Wohlfahrtsverbände sprechen von künstlich erzeugter Obdachlosigkeit, die Grünen von menschenfeindlicher Politik.
Massive Kritik an der Zwangsräumung von vier Schrottimmobilien am vergangenen Mittwoch in Marxloh übt die Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege. Was hier geschehen sei, bilde inzwischen die Regel aller Task-Force-Einsätze. Der Bevölkerung werde vorgegaukelt, dass die Stadt etwas tue. Tatsächlich aber komme es immer wieder vor, dass die Menschen – im aktuellen Fall 174 und fast ausschließlich aus Südosteuropa – von einem verkommenen Wohnort zum nächsten vertrieben werden. Anschließend gehe die Task Force ihres Weges, und die Sozialverwaltung und Wohlfahrtsverbände dürften die hinterlassenen Scherben zusammenkehren.
Vorwurf: Planloser Aktionismus
Es gehe überhaupt nicht darum zu kritisieren, dass gegen kriminelle Hausbesitzer und unzumutbare Wohnverhältnisse vorgegangen wird. So, wie die Task Force aber in Duisburg agiere, handele es sich bloß um planlosen Aktionismus. Es gebe kein Konzept, was mit den betroffenen Menschen und den leer stehenden Häusern geschehen soll. Stattdessen werde künstlich Obdachlosigkeit erzeugt.
Auch die Grünen kritisieren die Zwangsräumungen scharf. Romeo Franz, Mitglied des Europäischen Parlaments, sieht darin den „Ausdruck menschenfeindlicher Politik“. Anstatt die Vermieter der maroden Gebäude zu belangen, seien die Bewohner regelgerecht verjagt worden. Nicht zum ersten Mal seien die Verantwortlichen der Stadt Duisburg „durch mutmaßlich willkürliche Maßnahmen dieser Art“ aufgefallen. Es liege nahe, einen antiziganistischen oder fremdenfeindlichen Hintergrund zu vermuten. Weiterlesen