Neu in der Weltbühne: John Lennons revolutionäre Jahre

Heute empfehle ich:
James A. Mitchell: Das Walross und die Elefanten. John Lennons revolutionäre Jahre. Edition Nautilus, März 2015, 224 S., 24 Seiten Fotos, Gb. 24,90 Euro
sonderformatDer Verlag über das Buch:
Wie John Lennon zum Staatsfeind Nr. 1 wurde.
1971 verließ John Lennon London und zog nach New York, um dort nach der Trennung der Beatles als Solokünstler und Produzent zu arbeiten und den Kampf der US-Bürgerrechts-und Antikriegsbewegung zu unterstützen. Er setzte sich öffentlich für diverse soziale Kämpfe ein und wurde schnell zu einer Stimme der Bewegung. Die Nixon-Regierung sah in Lennons Engagement und seinem Einfluss eine Gefahr für ihre Wiederwahl, ließ ihn vom FBI überwachen und versuchte mehrfach, ihn als unerwünschten Ausländer auszuweisen.Gleichzeitig trieb Lennon auch seine musikalische Karriere voran, gab Benefiz- und Solidaritätskonzerte und entdeckte die bis dahin wenig bekannte New Yorker Band Elephant’sMemory, die er zu seiner Begleitband machte und mit der er das Solo-Album Some Time in New York City aufnahm.
James A. Mitchell hat für dieses Buch Interviews mit den Mitgliedern von Elephant’s Memory und anderen Ikonen der 1970er Jahre geführt: u.a. mit Gloria Steinem, Mitarbeitern der Nixon-Regierung, Rennie Davis und John Sinclair.

Bitte bestellen Sie dieses Buch in der Buchhandlung Weltbühne (die, wie man wissen sollte, auch eine VERSANDbuchhandlung ist).
Erinnern Sie sich stets an den Slogan:
„LIEBE leute BESTELLT bücher IN der BUCHHANDLUNG weltbühne UND sonst NIRGENDS.“
Weltbühne muß bleiben.

Encore, encore!

Aus der Serie „Komische Gespräche“

„Was haben Sie für ein Hobby?“
„Ich sammle Spechte.“
„Sie sammeln Spechte?“
„Ja. Gestern habe ich ein sehr seltenes Exemplar eines Glasspechts erworben.“
„Ein Glasspecht?“
„Jawohl. Sie haben sicherlich schon einmal vom Schwarzspecht, vom Grünspecht und vom Buntspecht gehört. Diese drei Species der Familie Spechte bilden zusammen die Obergattung der Baumspechte, auch Holzspechte genannt. Die Baumspechte beziehungsweise Holzspechte hacken Höhlen in Baumstämme, um darin ihre Nester zu bauen. Im Wald ist das charakteristische Geräusch, das durch das Aushöhlen von Holz entsteht, kilometerweit zu hören. Auch wenn man einen Specht selten sieht, hat man doch schon oft Spechte beim Holzbearbeiten gehört. Auch der Glasspecht macht sich durch sein artspezifisches Geräusch bemerkbar: ‚Teckteckteck‘ hört man, wenn der Glasspecht mit seinem Schnabel auf Fensterscheiben klopft. Die Glasspechte und die Holzspechte bilden zusammen die Unterfamilie der Realspechte. Wohingegen die Unterfamilie der Raketenspechte…“
„Realspechte? Holzspechte? Glasspechte? Raketenspechte? Teckteckteck? Jetzt hören Sie mal zu!“
Tipptipptipp! (tippt mit dem Zeigefinger der linken Hand gegen die Stirn).

Sagense mal, kommt Ihnen das nicht irgendwie bekannt vor? Ja, richtig!

„Raketenspecht“ könnte auf einen Vorfall in dem US-amerikanischen Weltraumraketenabschußzentrum Cape Canaveral zurückzuführen sein. Dort hatte bei einer startbereiten Rakete ein Specht in den Hitzeschild über hundert Löcher reingepickt. Der Start mußte verschoben werden.

Neu in der Weltbühne: „Illegal“

Nicht oft kommt es vor, daß in der Buchhandlung Weltbühne von einem Titel binnen drei Wochen mehr als zehn Exemplare verkauft werden. So ist es geschehen mit der heutigen Empfehlung. (Daß es sich dabei um ein Werk am Rande des literarischen Betriebs handelt, verwundert umso weniger).
Ich stelle vor:
Bernd Hendricks: Illegal. Roman. Epubli Verlag. 188 S. 14,90 Euro
HendricksIllegalDer Verlag stellt sein Buch vor:
Neil Winter will nur für ein paar Wochen der Krise seines Lebens entfliehen, weg von Scheidung und Jobproblemen. Er hofft, in Mexiko auf neue Gedanken zu kommen. Aber in der ersten Nacht seiner Reise wird er ausgeraubt, und verliert alles: Gestern noch war er ein Ingenieur aus Colorado, stolzer Bürger der mächtigsten Nation der Welt. Heute ist er ein Mann ohne Geld, ohne Reisepass, ohne Kreditkarte, ein dokumentenloses Nichts. Verzweifelt sucht er Hilfe, und findet das Mitgefühl von Fremden, Liebe und Hoffnung. Doch was auch immer er unternimmt, um nach Colorado heimzukehren – vor ihm erhebt sich ein Hindernis, mit dem er am wenigsten gerechnet hat: sein eigenes Land.
Mit „Illegal“ präsentiert uns der Autor eine moderne Parabel. Was wie die Odyssee eines einzelnen Mannes scheint, der nur zurück in sein altes, gut situiertes Leben will, ist in Wirklichkeit die Geschichte von Millionen, die sich auf den Weg machen und eine neue, bessere Zukunft suchen.

Anderswo vergriffen, nur noch bei uns erhältlich ist auch der erste Roman von Bernd Hendricks: Menschen mit Flagge. Epubli Verlag 2011. 604 S. 29,50 Euro – ein Buch über das World-Trade-Center-Attentat.

Bestellen Sie dieses Buch (diese Bücher) in der Buchhandlung Weltbühne.
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LIEBE leute BESTELLT bücher IN der BUCHHANDLUNG weltbühne UND sonst NIRGENDS.
Weltbühne muß bleiben.
Buchhandlung Weltbühne, eine gute Angewohnheit.

Gegen Atomwaffen!

Eben, vor einer Minute, kam ein Anruf vom Duisburger Friedensforum (Sieh an!). Für die Protestaktion gegen Atomwaffen in Büchel am 11. und 12. August will das Friedensforum hier mit einem Flugblatt werben und fragt an, ob mein Artikel, den ich für die DFG-VK geschrieben habe (2007) dafür nachgedruckt werden darf.
Selbstverständlich!
Der Text geht so:

Das Zeitalter der Atombombe ist noch nicht beendet

Am 6. August 1945 zerstörte eine amerikanische Atombombe die japanische Stadt Hiroshima. Am 9. August 1945 wurde die zweite Atombombe über der japanischen Stadt Nagasaki abgeworfen. Durch die beiden Atomexplosionen kamen mehr als 100.000 Menschen ums Leben. In den Jahren danach – bis heute – haben die radioaktiven Spätfolgen vielen Menschen Krankheit und Leid gebracht, noch tausenden das Leben gekostet.
Mit dem Einsatz dieser fürchterlichen Waffe endete der Zweite Weltkrieg, und es begann ein neues Zeitalter. In den Jahrzehnten nach 1945 schwebte die Gefahr eines Atomkriegs als ein Damoklesschwert über der Menschheit.
Mit den Atombombenabwürfen – so wird gesagt – sollte der Zweite Weltkrieg zu einem schnelleren Ende geführt werden, und es sollte das Risiko einer verlustreichen US-Invasion in Japan vermieden werden. Doch der eigentliche Grund verbirgt sich dahinter: Nach dem Sieg über Nazi-Deutschland fiel die Anti-Hitler-Koalition, in der die Großmächte USA und Sowjetunion verbündet waren, auseinander. Die beiden Länder, die gegensätzliche Gesellschaftssysteme verkörperten, wurden zu Gegnern. Mit der Atombombe wollten die USA ihre Überlegenheit signalisieren. In Hiroshima und Nagasaki begann der Kalte Krieg.
Der Glaube, mit der Bombe ein politisches und militärisches Druck- und Drohmittel zur Durchsetzung ihrer weltpolitischen Ziele in der Hand zu haben, ließ die US-Administration eine Politik der Friedenssicherung durch Verhandlungen zugunsten einer „Politik der Stärke“ zurückstellen. Mit der oft beschworenen „sowjetischen Gefahr“ war immer die Infragestellung des Hegemonialanspruchs der USA und der Zukunftsperspektiven des kapitalistischen Gesellschaftssystems gemeint. Die US-Strategie der „Eindämmung“, des „Roll Back“ und der „Massiven Vergeltung“ basierte auf dem Atomwaffenmonopol der USA. Sie gründete sich auf die Voraussetzung, daß ein termonuklearer Krieg möglich, vorstellbar und vertretbar ist und daß er im klassischen Sinn gewonnen und verloren werden kann. Zu diesem Zweck wurde, erst recht nachdem die USA nicht mehr allein über Atomwaffen verfügten, die Atomwaffentechnologie weiterentwickelt: durch Atombomben-Flugzeuge mit großer Reichweite, durch mit Atomwaffen ausgerüstete U-Boote, durch Militärstützpunkte, Mittelstreckenraketen, Marschflugkörper, Interkontinentalraketen und schließlich durch das Programm der Weltraumrüstung SDI.
Die Bundesrepublik Deutschland wurde zum Vorposten der US-amerikanischen Atomstrategie. Allein die in der BRD stationierten Atomwaffen hätten ausgereicht, die gesamte Menschheit auszulöschen. Einigen Politikern reichte das nicht. Sie wollten die BRD selbst zur Atommacht machen. 1957 wurde die Frage der Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen von der Bundesregierung aufs Tapet gebracht. Der seinerzeitige Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß damals: „Ein Verzicht auf Kernwaffen unter den gegebenen Umständen … würde militärisch eine Preisgabe Europas an die Sowjetunion bedeuten.“
1958 heißt es in einer Entschließung des Deutschen Bundestages, es sei notwendig, „daß die Streitkräfte der Bundesrepublik mit den modernsten Waffen so ausgerüstet werden, daß sie den von der Bundesrepublik übernommen Verpflichtungen im Rahmen der NATO zu genügen vermögen.“ Als 1968 der Atomwaffensperrvertrag abgeschlossen wurde, weigerte sich die Bundesregierung lange, diesem Abkommen, das die Weiterverbreitung von Atomwaffen einschränken sollte, beizutreten.
Der Kampf gegen die atomare Aufrüstung in den 50er und 60er Jahren war der Ausgangspunkt der Ostermarschbewegung, der Friedensbewegung, der Außerparlamentarischen Opposition und der systemkritischen Linken in unserem Land.
Mit dem Ende der Systemauseinandersetzung ist die Gefahr eines Atomkrieges keineswegs beseitigt. Heute verfügen mehr Länder über Atomwaffen als je zuvor, einige weitere Länder streben danach. Im Dauerkonflikt im Nahen Osten könnten Atomwaffen schon bald eine Rolle spielen.
In den sechs Jahrzehnten des „Atomzeitalters“ haben sich die USA stets geweigert, einem Abkommen beizutreten, das die Atombombe ächtet. Sie haben sich stets geweigert, sich zu verpflichten, Atomwaffen nicht als erste einzusetzen und nicht gegen Länder einzusetzen, die ihrerseits nicht über Atomwaffen verfügen und die USA nicht mit Atomwaffen bedrohen. Die USA beanspruchen für sich, Atomwaffen wann und gegen wen einzusetzen, wie es ihnen opportun erscheint. Der US-Kongreß beschloß, „das Sicherheitsdispositiv im gesamten Nuklearwaffenprogramm neu zu beleben und das Bekenntnis der Nation zur Aufrechterhaltung der nuklearen Abschreckungsfähigkeiten der Vereinigten Staaten zu erneuern“.
Das Atomzeitalter ist nicht beendet. Der Kampf gegen die Atombombe kann daher auch nicht beendet sein.

Eine Anekdote aus den 90er Jahren

Das Ehepaar Hillary und Bill Clinton fuhr den Highway entlang. Sie hielten an einer Tankstelle. Der Tankwart erkannte die beiden und sagte: „Mrs. Clinton! Ich habe Sie immer verehrt. Ich habe sogar davon geträumt, mit Ihnen verheiratet zu sein.“
Sie fuhren weiter, und Clinton sagte zu seiner Frau:
„Wenn er mit dir verheiratet wäre, dann wärst du jetzt die Frau eines Tankwarts.“
„Nein,“ sagte sie, „dann wäre ER jetzt Präsident.“

Morgen ist es soweit, und übermorgen wissen wir es

Der ZDF-Sonderkorrespondent Claus Kleber in der Frankfurter Rundschau:
„Die amerikanischen Medien haben die Ideologisierung und Polarisierung, die die Gesellschaft seit Clintons Präsidentschaft entzweit, weiter verstärkt. […] Die kommerziellen Medien der USA haben erkannt, daß Polarisierung ein gutes Geschäftsmodell ist. Sender wie Fox News haben gelernt, daß sie treuere Zuschauer haben, die sich zu höheren Preisen vermarkten lassen, wenn sie ihnen das predigen, was sie ohnehin schon denken. Das alles treibt den Keil, der Amerika zur Zeit spaltet, immer tiefer in das Land hinein. Dabei wird alles aufs Spiel gesetzt, was Amerika an politischer Kultur über Generationen hinweg aufgebaut hat. […] Die Medien, die sich noch bemühen, objektiv zu berichten […] wie der Sender CNN oder National Public Radio oder New York Times und Washington Post, werden marginalisiert und verlieren Hörer und Leser. […]
Früher oder später übernimmt Deutschland jeden Blödsinn, den Amerika vormacht.“

Nicht die Tat macht dich zum Täter, sondern das Urteil

Der Deutsche Jens Söring (45) wurde 1990 im US-Bundesstaat Virginia wegen zweifachen Mordes zu lebenslangem Gefängnis verurteilt. Das Bemühen der Verteidigung, den Mann an die deutsche Justiz zu überstellen (wo er mit seiner baldige Entlassung rechnen könnte) ist jetzt, 22 Jahre nach dem Urteil, erneut gescheitert. Der Begnadigungsausschuß in Richmond lehnte den Antrag ab.
Laut Urteil soll Söring die Eltern seiner Lebendgefährtin getötet haben. Er hat die Tat gestanden. Später widerrief er sein Geständnis. Er habe seine Freundin, die die Tat begangen habe, durch sein Geständnis schützen wollen.
Bei der achten Anhörung vor dem Begnadigungsausschuß, so berichtet die WAZ, hätten „mehrere hochkarätige Ermittler ausgesagt, daß er unschuldig sei“. Und der Schlußsatz lautet: „Warum der Ausschuß diese Einlassungen unberücksichtigt ließ, ist nicht bekannt“.
Dabei ist die Antwort ganz einfach:
Weil es nach US-amerikanischem Recht bei der Überprüfung eines Urteils gar keine Rolle spielt, ob jemand schuldig ist oder nicht. So jedenfalls ist die Rechtspraxis.
Die US-Justiz ist konservativ – noch konservativer als die deutsche. Aus der Sicht konservativer Juristen ist ein Justizirrtum gar nicht möglich. Das Urteil eines Richters ist eine Tatsachenentscheidung. Eine Tatsachenentscheidung wird Tatsachenentscheidung genannt, weil Tatsachen dabei unerheblich sind. Die Entscheidung ist über Tatsachen erhaben. Eine Tatsachenentscheidung richtet sich nicht nach Tatsachen, sondern schafft welche. Wer verurteilt ist, ist schuldig. Wo kämen wir denn hin, wenn man das Urteil eines Richters, einer Autorität, einfach so anzweifeln dürfte! Das wäre ja die reinste Anarchie!
In den USA ist eine solche Praxis besonders ausgeprägt. Aber auch in der deutschen Rechtsgeschichte gibt es Beispiele dafür.
Das konservative Diktum lautet nicht „fiat justitia“, sondern „Ordnung muß sein“. Für die Konservativen hat bei der Rechtsprechung nicht Gerechtigkeit und Wahrheit höchsten Rang, sondern das Ansehen der Justiz. Dieses wird nicht durch einen Justizirrtum beschädigt, sondern durch das Eingeständnis eines solchen.
Würde man einem Romney-Wähler sagen, daß in den USA viele Unschuldige im Gefängnis sitzen, dann würde der antworten: „Na und?“

Oder sehe ich das falsch?

Offener Brief an den Chefredakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung

Sehr geehrter Herr Reitz.
In der Ausgabe Ihrer Zeitung vom 30. August 2012 auf der letzten Seite (der Kinderseite) ist zu lesen: „Wie wird gewählt? Die Menschen in den USA wählen den Präsidenten nicht direkt. Sie stimmen für sogenannte Wahlmänner. Diese Vertreter wählen später den Präsidenten. Damit die Amerikaner den Präsidenten bekommen, den sie haben wollen, müssen sie sich bei der Wahl für Wahlmänner entscheiden, die später in ihrem Sinne stimmen werden.“
Wie können Sie es dulden, daß in Ihrer Zeitung ein solcher Blödsinn verzapft wird? Dazu noch auf der Kinderseite! Kinder mit falschen Informationen zu verwirren gehört sich nicht.
Bei der Wahl zum Präsidenten können die als Wähler registrierten Bürger der USA einem Kandidaten ihre Stimme geben. Die eigentliche Wahl des Präsidenten erfolgt danach durch Electors („Wahlmänner“. Es können auch Frauen sein). Jeder Bundesstaat hat so viele Electors wie Abgeordnete im Kongreß (Repräsentantenhaus und Senat). Hinzu kommen drei Electors für den Distrct of Columbia (Hauptstadt Washington), der zu keinem Bundesstaat gehört.
Die Electors werden nicht gewählt, sondern ernannt, und zwar vom Parlament ihres Bundesstaates. Electors dürfen nicht Abgeordnete und Regierungsmitglieder sein und in kein Amt gewählt sein (Sheriff, Ankläger, Richter etc.). Die Wähler haben keinen Einfluß darauf, wer als Elector den Präsidenten wählt.
Die Electors treten nach der Wahl in der Hauptstadt ihres Bundesstaates zusammen und geben ihre Stimme ab. Die einzelnen Abstimmungsergebnisse werden in die Hautstadt Washington übermittelt und dort zusammenaddiert.
Es ist Tradition, daß alle Electors ihre Stimme dem Kandidaten geben, der – ob mit deutlicher oder mit knapper Mehrheit – in ihrem Bundesstaat die meisten Stimmen von den Wählern bekommen hat, und so geschieht es in der Regel. Es geschieht aber auch immer wieder, daß einzelne Electors eine abweichende Stimme abgeben und einen anderen Kandidaten wählen – oder sogar jemanden, der gar nicht kandidiert hat. Dazu sind sie in fast allen Bundesstaaten berechtigt. Nur in wenigen Bundesstaaten sind sie gesetzlich verpflichtet, sich an das Votum des Wahlvolks zu halten.
So ist das und nicht anders. Aber wenn ich solche Nachrichten wie die zitierte lese, dann könnte ich vor Wut die Wand hochgehen, aber nicht bei mir, sondern in Ihrem Büro. Dazu müßten wir einen Termin vereinbaren.
Bis dahin sollten Sie Ihre Leser richtig informieren und zumindest die zuständigen Ressorts in Ihrem Hause anhalten, keine falschen Sachverhalte zusammenzuphantasieren.
Und da wir schon mal dabei sind:
Nein, Rainer Langhans hat nicht die Kommune I gegründet, Ronald Biggs war nicht der Anführer der Posträuber, Lenin hat nie gesagt „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ und in der Bibel gibt es keine heiligen drei Könige und keine zehn Gebote.

Wer nichts zu verbergen hat ist ein Idiot

In der Sendung von Anne Will ist immer einer dabei, der für das Quatschreden zuständig ist. Meistens nimmt man dafür Arnulf Baring. Der erfüllt diese Rolle zuverlässig, und nach spätestens 40 Minuten flippt er aus. Letztens, beim Thema Terrorgefahr, war es Don Jordan, Deutschlandkorrespondent, Deutschlandkenner, US-Amerikaner und Patriot. Als solcher hat er für den patriot act was übrig. Die Deutschen, so meinte er, bräuchten den patriot act ja nicht wortwörtlich zu übernehmen. Aber, so sagte er, „zu sozial ist unsozial und zu liberal ist auch unsozial“. Es wäre doch besser, mal auf ein paar Grundrechte zu verzichten als in die Luft zu fliegen. Und wer nichts zu verbergen hat…
Der Argwohn, daß Freiheit unsicher mache, begleitet die Patrioten ebenso durchs Leben wie die Idee, daß Sicherheit durch den Verzicht auf so ein paar lumpige Grundrechte zu erreichen sei und daß die Nation einem so viel wert sein müßte, daß man ihr seine persönliche Freiheit gern in den Rachen schmeißt. Es will mir allerdings nicht einleuchten, daß ich die Gefahr, in die Luft zu fliegen, dadurch heraufbeschwöre, daß ich in meinen vier Wänden mache was ich will, und daß die Gefahr, in die Luft zu fliegen, dadurch gebannt werden könnte, daß die Regierung weiß, mit wem ich wann und wie oft und wie lange telefoniert habe. Die Formel je-mehr-Freiheit -desto-weniger-Sicherheit-und-je-weniger-Freiheit-desto-mehr-Sicherheit ist nicht nur unsympathisch, sondern auch illusionär. Und wer nichts zu verbergen hat ist ein Idiot.
Freiheit und Demokratie sind nicht sehr beliebt beim deutschen Menschendurchschnitt. Denn die Freiheit stellt Ansprüche. Freiheit strengt beim Denken mehr an als Unfreiheit. Die Freiheit der Meinung schützt zwar vor der Zensur, aber nicht vor der Kritik. Die Freiheit der Meinung ist die Freiheit der Intelligenz, die als störend oft empfunden.
Der legendäre Kleine Mann hat an der Freiheit der Meinung keine rechte Freude, weil sie mir die Freiheit gibt, ihm das Herumschwadronieren seiner Gehässigkeiten übel zu nehmen. Dann mault er: „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“ Soll heißen: „Das wird man doch nicht kritisieren dürfen“.
Eine bestimmte Sorte Mensch, die im Inneren des Landes keineswegs eine kleine Randgruppe bildet, kann sich mangels besserer Einsicht unter der Freiheit der Meinung nichts anderes vorstellen als das Recht, Sauereien von sich zu lassen. Und dann wird dauernd gefragt, ob die Menschen, die den schnauzbärtigen Haßprediger verachten, sein Machwerk überhaupt gelesen haben. Nein. Ich habe das Buch von Thilo Sarrazin nicht gelesen. Ich muß es auch nicht lesen. Es ist viel daraus zitiert worden, und ich kann mich nicht entsinnen, daß der Autor jemals reklamiert hätte, seine Kernthesen seien falsch dargestellt worden. Darum bin ich befugt, das, was ich über das Buch von Hörensagen kenne, beim Wort zu nehmen.
Es ist auch Quatsch, wenn der Duisburger Museumsdirektor Raimund Stecker erzählt, man dürfe „diese Themen nicht totschweigen“ und dem Sarrazin im Lehmbruck-Museum ein Forum bietet (WAZ: „Bühne für Haß“). Über das Indiskutable nicht zu diskutieren hat nichts mit Totschweigen zu tun. Ich diskutiere auch nicht mit einem Handtaschenräuber darüber, wem die Handtasche gehört.
Die Phrasen des Stammtisches und solche Ansichten wie der Herr Sarrazin von sich gibt waren noch nie der Zensur unterworfen. Darum hat der legendäre Kleine Mann gegen Zensur nichts einzuwenden.
Viele sind bereit, auf Freiheit zu verzichten. Nicht weil sie mehr Sicherheit wollen, sondern weil sie weniger Freiheit wollen.

aus DER METZGER 93 (2011)