Eine Ausstellung über Josef Wintjes

WAZWintjesEine Ausstellung über Josef Wintjes kündigt die WAZ also an (siehe Faksimile, anklicken zum Vergrößern). Dazu:
„Anarcho-Papst“ ist unpassend. „Kulturrocker“ ist Quatsch. Klischee! „Schillernde Figur der Gegenkultur“ und „Neckermann der Subkultur“ trifft aber zu.
Von Selbstzweifeln geplagt hörte Josef Wintjes früh damit auf, seine lyrischen Ambitionen in Verse umzusetzen. (Dabei war der wortgewandte und sprachgewaltige Mann gewiß begabter als die meisten Dichter, die er förderte). Er resignierte nicht einfach, sondern fand eine andere und wirksamere Methode literarischen Engagements: Er wurde Zeitschriftenhändler.
Er stellte ein Sortiment der verschiedensten und verschiedenartigsten Zeitschriften des Underground und der Avantgarde zusammen. Das war 1969. (Bücher, auch selbst produzierte, kamen erst später ins Angebot).
Das Ulcus-Molle-Info (ein absichtlich unsinniger Name) war ursprünglich eine knapp kommentierte Angebotsliste opponierender Zeitschriften, die an keinem Kiosk hätten gefunden werden können. Die später das Sortiment erweiternden Bücher wurden mit dem treffenden Slogan „Bücher, die man sonst nicht findet“ angeboten.
Sein enormes Verdienst war es nicht allein, daß er vielen Editionen und Ideenträgern Wege zum Publikum öffnete, sondern unterschiedliche Strömungen – vom „ultracosmischen Törn“ über radikallinke Verweigerung bis zum avantgardistischen Experiment – auf einem Markt der (Un-)Möglichkeiten zusammenwirken ließ.
Kommune- und Landkommunebewegung, Beat und Cut-up fanden sich da in erstaunlichen Nachbartschaften wieder. Die Frauenbewegung nahm in diesem Forum zum Glück nur geringen Platz in Anspruch, Esoterik (und andere reaktionäre Rückzüge, wie die spießbürgerliche Neue Innerlichkeit) leider umso mehr. Josef Wintjes ließ sich ausnutzen und – so hatte man den Eindruck – von jedem beschwatzen. Das Ulcus-Molle-Info, in den späteren Jahrgängen oft mit über 100 Seiten, wurde auf seine (Druck-)Kosten gefüllt von talentlosen Vielschreibern, fragwürdigen Missionaren, wortreichen Besserwissern, Selbstdarstellern und komischen Heiligen.
Ich konnte Josef Wintjes einiges verdanken. Er mir allerdings auch.
Wenn eine neue METZGER-Ausgabe erschien, habe ich die 60 Exemplare nicht mit der Post nach Bottrop geschickt. Ich bin hingefahren. Der wußte viel und konnte mir viel wertvolle Informationen geben: wer ist pleite, wer hat sich mit wem verkracht, wer hat mit wem was Neues vor.
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Zwischen Wintjes und mir wurde eine besonders langlebige und intensive und beidseitig wirksame Zusammenarbeit gepflegt. In jeder METZGER-Ausgabe und in jedem Titel der Situationspresse erschien ein Ulcus-Molle-Inserat (Beispiele siehe oben) mit entsprechender Gegen-Anzeige, was meinen Produkten einen soliden Absatz (und ihm einen soliden Umsatz) verschaffte. Ich (als der wohl raffiniertere Geschäftsmann) gab ihm unzählige Hinweise, wie man Kosten reduzieren, Werbung wirksamer gestalten kann, die er alle toll fand, aber nur selten umsetzte – aus einer für ihn typischen Fahrigkeit. Immerhin konnte ich ihn davon überzeugen, das Beschaffungsgeschäft über den Barsortimentsanschluß der Buchhandlung Weltbühne abwickeln zu lassen. Dadurch konnte er seine Leistungspalette erweitern.
Daß Spuren dieses Zusammenwirkens in der Ausstellung zu sehen sein werden, kann ich mir kaum vorstellen. Das ist wohl nix für Leute, denen Wortschöpfungen wie „Anarcho-Papst“ und „Kulturrocker“ etwas sagen. Wir haben nie zusammen gesoffen.Wir haben nur praktisch zusammen gearbeitet.
Über Josef Wintjes hätte ich viel erzählen können. Wenn mich mal jemand fragen würde.

Der Nachruf erschien in DER METZGER 50

Der Nachruf erschien in DER METZGER 50

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