Leberwurst. Das Leben der Männer.

(Fortsetzung von gestern)

Daß der Mann immer im Mittelpunkt weiblichen Erlebens stehen muß, beklagte Christa Bernuth im Spiegel als Reduzierung der Handlungsmöglichkeiten in „Frauenromanen“ (siehe gestern). Ob nicht nur derlei Romane, sondern auch das wahre Leben derart reduziert ist, oder anders gesagt: ob Frauen eines gewissen Alters wirklich dauernd nur über Männer reden (über sie herziehen, von ihnen schwärmen oder beides gleichzeitig) weiß ich nicht. Daß der Umkehrschluß nicht zutrifft, weiß ich. Entgegen der weitverbreiteten Annahme von Frauen eines gewissen Alters reden Männer nicht dauernd über Frauen. Sie reden eigentlich nie über Frauen – und über Sex schon mal gar nicht (das tun nur den Mund vollnehmend pubertierende Knaben). Männer, die über Sex reden, gehen damit anderen Männern auf die Nerven. Männer reden auch nicht fortwährend über Fußball und über Autos. Über Autos wird nur geredet, wenn die Karre mal wieder in die Werkstatt mußte oder wenn eine Neuanschaffung ansteht. Über Fußball wird kaum mehr gesagt als etwa: „Kuxe heute abend auch Schalke gegen Intermailand?“ Mehr kaum.
Wenn über Politik geredet wird, wird meistens nicht mehr gesagt als daß „die dat Geld zum Fenster rauswerfen“.
Worüber reden Männer also, wenn sie unter sich sind?
Ein beliebtes Thema ist: der Beruf.
Ein weiteres beliebtes Thema ist: der Urlaub.
Das Thema, worüber Männer sich stundenlang unterhalten können, ist: die alten Bekannten.
„Weisse, wen ich getroffen hab? Den Heinz.“ – „Ach! Wat macht der denn? Is der noch bei Thyssen?“ – „Nä. Der is jetz auch in Rente.“ – „Weisse, wann ich den zum letzten Mal gesehen hab? Beim Geburtstag von dem Kurt. Da war der Herbert doch auch dabei. Der is jetz Oppa geworden.“
So – etwa – verläuft das Leben der Männer.

aus DER METZGER 92 (2010)

Leberwurst. Ein Kult-Seller tauchte mal wieder auf.

Jedes Jahrzehnt bringt seine eigenen Verrücktheiten hervor. Es war in den 80er Jahren, da stürmte ein Trüppchen junger Damen auf dem Sonnenwall in einen „Sex-Shop“, veranstaltete darin allerhand Remmidemmi, beschädigte wohl auch den einen oder anderen Gegenstand.
Ein paar Minuten später nahm die Polizei die Personalien auf.
Die Mädels hatten sich nämlich nicht etwa aus dem Staub gemacht, sondern sich in etwa 40 Metern Entfernung in einem Straßencafé niedergelassen und mit Ausgelassenheit und Lautstärke ihre „Aktion“ gefeiert.
Die sich als „Frauenbewegung“ mißverstanden, waren eigentlich eine Töchterbewegung, und in diesem Fall hatten sie die Redensart vom „Vater Staat“ zu wörtlich genommen. Der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Zerfall befindlichen bürgerlichen Familie entstammend, wähnten sie sich sicher, daß kleine und große Dummdreistigkeiten kaum größere Sanktionen nach sich ziehen könnten, als hätten sie zu ihrem taschengeldzahlenden Herrn Papa „Du nervst, Alter!“ gesagt.
Als eine, die ebenfalls meinte, sich alles herausnehmen zu können, erlangte eine Hamburger Pubertätsperpetuiererin namens Svende Merian Berühmtheit. Aus Enttäuschung über einen Liebhaber schmierte sie mit Farbe für alle Welt sichtbar auf ein Fenster seiner Wohnung den Spruch „Hier wohnt ein Frauenfeind“.
Es wäre weniger hochtrabend, dafür zutreffend (aber immer noch strafbar) gewesen, hätte sie mitgeteilt, daß dort einer wohnte, von dem als Liebhaber sie enttäuscht war – wobei dann aber immer noch eine Reflexion darüber gefehlt hätte, ob die Enttäuschung aus dem Angebot des Liebhabers oder aus eigenen falschen Erwartungen resultierte. Aber nein: der Beziehungsknatsch mußte als Weltereignis präsentiert werden. In dem Wahn, alle Frauen der Welt zu verkörpern, erklärte sie als mangelhaft empfundene Zuwendung zur Feindlichkeit und den enttäuschenden Liebhaber zum Feind aller Frauen, etwa nach dem Motto: Was du mir vorenthalten hast, hast du allen Frauen vorenthalten – ohne einen Gedanken darauf zu verschwenden, ob eine oder alle Frauen das, was ihnen da durch die Lappen gegangen sein mag, überhaupt verlangen können.
Sie hat es aber nicht bei dieser einen Schmiererei belassen, sondern ein Buch geschrieben, dem sie den sinnigen Titel „Der Tod des Märchenprinzen“ gab.
Der „Märchenprinz“ hat allerdings keineswegs den Tod erlitten – weder im wahren Leben, noch hat sie ihre dichterische Freiheit dahingehend genutzt, ihn abweichend vom wahren Geschehen eines fiktionalen Todes sterben zu lassen. Hatte sie eine literarische Abschlachtung im Sinn, einen Ruf-Mord? Seltsam ist der Titel auch deshalb, weil die Autorin, die sich als emanzipiert und progressiv geriert, unfreiwillig Weiterlesen

Die Erde ist rund, und es gibt „Debatten“

Daß die Erde nicht flach, sondern rund ist, ist hie und da sogar schon zu einer simplen Doktrin geworden. Da kann die Jungle World nicht untätig bleiben, die seit über einem Jahrzehnt als Dogmen-Spezialist wirksam ist. Sie brachte eine als „Dossier“ titulierte sechsseitige Wortanhäufung unter dem Titel „Ein Plädoyer für einen Feminismus in der antideutschen Gesellschaftskritik“, verfaßt von Leuten, die, anstatt sich mit Vor- und Nachnamen vorzustellen, als „Antifaschistischer Frauenblock Leipzig“, abgekürzt „AFBL“ in Erscheinung treten. Und so hört sich das auch an. So redet kein Mensch. So redet eine Gruppe.
So geht es los:
„Der antideutschen Kritik ist es unter anderem zu verdanken, daß in einem langwierigen Prozeß bis dato zumeist selbstverständliche linke Standards nicht unreflektiert blieben.“ Ach nee! „Diese Banalität (das steht da wirklich: „Banalität“) ist weiterreichend, als sich auf den ersten Blick vermuten läßt. … Es wurde mit der die Linke zweifellos spaltenden Diskussion möglich, … die erworbenen Theorieversatzstücke grundlegend infragezustellen. … Antisemitismus auf die Agenda insbesondere einer Linken in Deutschland zu setzen, war nur möglich mit dem Aufgeben bisheriger Sicherheiten, die hie und da schon zu Dogmen geworden waren.“
Was hat diese „eine Linke in Deutschland“ in den letzten Jahrzehnten denn anderes veranstaltet als einen Wettbewerb, wer zuerst die „bisherigen Sicherheiten“ aufgibt? Diese „eine Linke in Deutschland“ wechselt die Meinungen schneller als die Hemden. Umso konstanter ist ihr geschwollener Jargon, das einzige, das nicht über Bord geht. Die sorgsam satzverlängernden Partizipien sind die Nippes-Figuren ihrer Sprache. Floskeln wie „unter anderem“, „zumeist“, „insbesondere“ dienen nicht nur dazu, den Sätzen die Länge eines Bandwurms und dem ganzen Text die Quantität einer theoretischen Abhandlung zu geben, sondern auch dazu, die Aussagen einzuschmieren, damit sie aalglatt werden und jeder Widerspruch abrutscht. Dabei passieren dann solche Satzbeinbrüche wie der, der Antisemitismus sei „auf die Agenda zu setzen“.
In dem „Dossier“ geht es wohl irgendwie um die weltbewegende Frage „Wie halten es die Antideutschen mit dem Feminismus“. Als ob das nicht piepegal wäre, wie die Antideutschen es mit dem Feminismus halten!
Umgekehrt wird ein Pantoffel draus: Wie halten es die letzten Mohikanerinnen des Feminismus mit den Antideutschen?
Die Manie, überall unbedingt dabeisein zu müssen, wo die letzten Mohikaner der „undogmatischen“ Linken „Debatten“ zelebrieren, treibt sie an. Wenn irgendwo ein Tisch steht, an dem drei Leute sitzen, müssen die sich unbedingt dazusetzen, um ihren Sermon aus abgestandenen Phrasen anzubringen. Alles schon hundert mal gelesen, alles schon hundert mal gehört und alles schon hundert mal begähnt und beschnarcht. Die sind vor gar nichts fies und schrecken noch nicht einmal davor zurück, sich bei der Idiotensekte der Bahamiten anzubiedern.
Nun ja. Wer weiß, wozu es gut ist.
aus DER METZGER 83 (2009)

DER METZGER wird 100: Der schönste Arsch der Welt

Ein weiterer Auszug aus „‚Über sowas könnte ich mich kaputtlachen.‘ 33 1/3 Fragen an den METZGER-Herausgeber Helmut Loeven, ersonnen von A.S.H. Pelikan und Heinrich Hafenstaedter“ in DER METZGER Nr. 100 (Mai 2012):

Pelikan: Ist DER METZGER ein Sex-Blatt?

Ja selbstverständlich!

Pelikan: Hattest du eine Leserreaktion zu dem Thema?

Ich erinnere mich: Ich begegnete mal, das war 1972, auf dem Bahnhofsvorplatz dem Herrn Walter Schabronat. Das war ein Zufall, da war irgendwas los, irgendsoeine Zusammenkunft oder irgendsoeine Kundgebung. Ich ging da entlang, und da traf ich den Herrn Schabronat, seines Zeichens Kriminalhauptkommissar, für das politische Ressort zuständig. Es verband sich zwischen ihm und den Leuten, die er beobachtete, so eine Haßliebe. Ich wußte damals noch nicht, daß er außerdem noch tätig war als Kundschafter der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik. Und der sagte mir: Na, Herr Loeven, Sie haben aus Ihrer Zeitung ja jetzt so eine Sankt-Pauli-Zeitung gemacht. Da war gerade die Nummer 18 erschienen, vielleicht sollte man die sich mal angucken, was ist denn da so Sankt-Paulihaftes dabei?
Viele Jahre später erschien mal jemand bei mir in der Buchhandlung, der war Mitarbeiter von „Who is who“, diesem Prominentenlexikon, und gab mir einen Fragebogen. Er sagte, es wäre ein Vorschlag gewesen, ich sollte in das „Who is who“ als Prominenter hinein. Ich habe den Fragebogen allerdings nie abgeschickt. Da war auch eine Rubrik: Hobby. Da hab ich überlegt: was schreibe ich denn unter Hobby. Da wollte ich reinschreiben: das Fotografieren nackter Frauen.

Das Original: Stefanie H. (in der Buchhandlung Weltbühne)

Ich habe zum Beispiel gern Fotografien gedruckt von der 18jährigen Stefanie H., die in mehreren Ausgaben unbekleidet zu bewundern ist in meiner Zeitung. Und daraufhin bekam ich erheblichen Ärger mit der Mitarbeiterin Erika B., die ja, wie bereits erwähnt, eine Zeitlang in der Emma-Redaktion gearbeitet hatte.

Das andere Original: Erika B. (selbstporträtiert)

Die fand das nicht gut, und zwar, daß nicht SIE da abgebildet worden ist. Ich hab ihr gesagt: Ja, meinegüte! Du warst doch schon öfter nackig in meiner Zeitung. Aber: „Egal! Eine andere hat da gar nichts zu suchen“, meinte sie, „wieso nimmst du da eine andere?“ SIE hätte doch den schönsten Arsch der Welt! Was ich ihr dann auch bestätigt habe. Das habe ich allerdings auch anderen gesagt. Sie schickte mir daraufhin eine Zeichnung, ein Selbstporträt von sich, eine Aktzeichnung, und sie schrieb darunter: Das ist gute alte linke Publizistik. Sie sprach darauf an, daß es früher in linken Blättern wohl üblich war, daß da auch Sex-Fotos erschienen sind, und das wäre eben eine gute Tradition, die leider verlorengegangen sei und nur noch in einer einzigen linken Zeitschrift weitergeführt wird.

Konkret entschuldigt sich ja alle Vierteljahre für ihre pornografische Vergangenheit.

Erika als Covergirl

Ein kluger Mann hat mal gesagt (ich zitiere aus einer unveröffentlichten Rede):
„Ich stehe dafür ein, die Sexualität von Doppelmoral, Angst, Sünde und Schulgefühlen zu befreien, das Schuldprinzip durch das Lustprinzip zu ersetzen, der Sexualität einen Raum in der Öffentlichkeit zu reklamieren, für die Sexualität einen Raum auch außerhalb fester Partnerbeziehungen zu reklamieren. Befreiung der Sexualität ist gleichbedeutend mit Reflexion und Ästhetisierung… Der Angriff auf die von Schulgefühlen und Tabus beladene bürgerliche Sexualmoral ist eine der besten Traditionen der Linken. Diese Tradition wurde verraten, oder besser gesagt: schlichtweg vergessen. Die Linke kriecht der Frauenbewegung hinterher oder hastet ihr mit vorauseilendem Gehorsam voraus, und merkt nicht, daß die Frauenbewegung an den tradierten weiblichen sexuellen Konservatismus appelliert.“
Der kluge Mann war ich.

„Der schönste Arsch der Welt“

Ein anderer kluger Mann hat mir einen Brief geschrieben: Ich sollte nicht solche Theorien verbreiten. Ich sollte das einfach machen, weil es schön ist und weil es geil ist.
Hat er recht oder hat er Unrecht? Ich finde, er hat recht. Aber so wie ich das mache ist auch richtig. Nämlich indem ich sage: indem ich mich auf die Debattenebene begebe, stecke ich euch auch alle in die Tasche.
Die Magda hat mal eine Zeitlang immer wieder den Satz gesprochen, wenn wir mal wieder zu tun hatten mit linkem Dogmatismus, mit wahnhaft gesteigerter Vernageltheit des Feminismus oder mit der Selbstsicherheit der Ignoranten: „Da hilft nur noch eine pornografische Offensive.“ Wo man mit Argumenten, Informationen und Fakten überhaupt nichts mehr ausrichten kann, da muß man reizen. Da bleibt einem gar nichts anderes übrig. Und das ist immer noch wirksam. Man möchte ja die einen erfreuen und die anderen schockieren. Und dazu bedarf es nur einer einzigen Strategie.
Von Obelix (Ripperger) stammt der Satz: „Politik ist wichtig, muß aber auch Spaß machen.“ Und ich sage: „Pornografie ist wichtig, muß aber auch schön sein“.

Das ganze Gespräch ist auf Papier nachzulesen in DER METZGER Nr. 100,
und im Netz bei Gasolin Connection.
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Die Ausgaben ab Nr. 18 (1972) sind noch erhältlich. Die Ausgaben Nr. 1-17 (1968-1972) sind vergriffen.