Campact will was gegen die Knallköppe unternehmen

Campact schickte mir diesen E-Brief:

Nacht des Grauens
Zahlreiche Verletzte, mehrere Tote, Angriffe auf die Feuerwehr – die Knallerei an Silvester ist komplett außer Kontrolle geraten. Innenministerin Nancy Faeser darf sich nicht länger sperren: Sie muss die gefährliche Böllerei endlich stoppen! Mach mit und unterzeichne jetzt unseren Appell.
Hallo Helmut,
ein Mann verliert beim Böllern beide Unterarme. Einem zweijährigen Kind gerät ein Knallkörper in die Kapuze, es wird schwer verletzt. Ein Jugendlicher stirbt.[1] Seit Jahren gibt es schwere Unfälle an Silvester. Doch dieses Mal ist die Ballerei völlig aus dem Ruder gelaufen – in Berlin wurden Feuerwehrleute sogar gezielt in Fallen gelockt und mit Pyrotechnik angegriffen.[2]
Die Lösung liegt auf der Hand: ein Verbot der gefährlichen Böllerei. Die Mehrheit der Deutschen ist dafür, doch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) lehnt das ab.[3][4] Dabei sind die Folgen der ausufernden Knallerei ausreichend bekannt – entkräftetes Personal in Krankenhäusern und auf Feuerwachen, gigantische Müllberge, zu Tode verängstigte Haus- und Wildtiere.
Nach der verheerenden Silvesternacht darf sich die Innenministerin einfach nicht länger drücken. Mit einem Appell fordern wir von Nancy Faeser: Schützen Sie Mensch, Tier und Umwelt – verbieten Sie die gefährlichen Knallkörper! Wenn Hunderttausende mitmachen, wird es für die Ministerin schwer, unseren Protest zu ignorieren. Bitte sei dabei, Helmut. Gemeinsam stoppen wir die Ballerei.

Unterzeichne jetzt für ein Böllerverbot

Herzliche Grüße
Luise Neumann-Cosel, Teamleiterin Kampagnen
PS: Die AfD und auch CDU-Mann Jens Spahn wollen ablenken und die Böller-Exzesse Migrant*innen in die Schuhe schieben.[5][6] Dabei steht längst fest, dass überwiegend Deutsche an Silvester Einsatzkräfte angegriffen haben.[5] Lass uns gemeinsam dafür sorgen, dass der rechte Bluff scheitert – und die gefährlichen Knaller endlich verboten werden.

[1]„Viele Verletzte und ein Toter durch Raketen und Böller“, n-tv Online, 2. Januar 2023
[2]„Einsatzkräfte und Passanten in Berlin mit Böllern attackiert“, rbb Online, 1. Januar 2023
[3]„Mehr als die Hälfte der Deutschen ist für ein Böllerverbot an Silvester“, ARD-Magazin Brisant, 1. November 2022
[4]„Faeser lehnt bundesweites und generelles Böller-Verbot ab – Politik verurteilt Krawalle“, Handelsblatt Online, 2. Januar 2023
[5]„Spahn macht Migrationspolitik mitverantwortlich für Silvesterrandale“, ZEIT Online, 2. Januar 2023
[6]Twitter-Nachricht der AfD (@AfD) vom 2. Januar 2023, 15.01 Uhr, eingesehen am 3. Januar 2023

Neu in der Weltbühne: Über (Post-)Pandemische Normalitäten

Neu in der Weltbühne: Guido Arnold, Helmut Kellershohn, Margarete Jäger: (Post-)Pandemische Normalitäten. Zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise.
Eduition DISS im Unrast Verlag. 160 Seiten, 19,80 €
»Nicht die Viren sind ungerecht, sondern die Strukturen, auf die sie treffen« (Christa Wichterich)

Einhergehend mit rassistischen und nationalistischen Entsolidarisierungsprozessen, veränderten Gerechtigkeitsvorstellungen und einer zunehmenden Entwicklung sozialer Ungleichheitsverhältnisse – nicht zuletzt aufgrund eines technokratisch geleiteten ›Solutionismus‹ im automatisierten Bevölkerungsmanagement – hat die Corona-Krise ›neue Normalitäten‹ generiert, die gesellschaftsverändernde Wirkung auf die post-pandemische Zukunft haben.
In 13 lesenswerten Beiträgen geht dieser Sammelband des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) der Frage nach, welchen Einfluss die Krise auf die Geschlechterverhältnisse hatte (und immer noch hat), auf den desolat ausgehöhlten Gesundheitssektor, auf die Digitalisierung im Bildungs- und Arbeitsbereich oder die zunehmende Bedeutung von Verschwörungsmythen.
Doch die Autor:innen sezieren nicht nur die spezifischen Merkmale der Pandemie. Sie nehmen auch möglicherweise kausale Zusammenhänge zwischen der pandemischen und der sich parallel zuspitzenden ökologische Krise in den Blick und analysieren die gesellschaftlichen Auswirkungen im Hinblick auf eine sich möglicherweise katastrophisch verschärfende Krisendynamik.

Das Buch ist in der Buchhandlung Weltbühne erhältlich (auch im Versand)
Gneisenaustraße 226, 47057 Duisburg (Nezudorf)
Emil-Adresse: bestellungen@buchhandlung-weltbuehne.de
WELTBUEHNE MUSZ BLEIBEN !

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Wolfgang Eppler in memoriam

Flohmarkt in Ruhrort. Siebziger Jahre. Es ist noch früh, noch gar nicht richtig hell. Viel heller wird’s auch nicht. Es hat geregnet, und der Himmel hängt immer noch voller dunkelgrauer Wolken. Es ist usselig. Es ist kühl. Man steht da in seinem Regenzeug und friert ein bißchen.
Da kommt noch ein Jüngsken angelaufen, klein, schmal, strähnige Haare, große Nase. Der findet zwischen zwei Ständen Platz, wo er eine Decke auf dem Boden ausbreitet, auf der er seine Waren legt. An sich kein Grund, davon besonders Notiz zu nehmen.
Bis Strähler mich aufmerksam macht: „Äh, hast du gesehen, was der da liegen hat?“
Ja, tatsächlich! Das ist doch ein Ding! Der hat da lauter Hitlerbilder und Naziklamotten.
Wolfgang Eppler und sein Bruder haben das auch gesehen: „Der packt Naziklamotten aus.“
Wir stellen uns zu viert um den Knaben herum und schauen uns das eine Minute an, wie er Stück für Stück weitere Hitlerporträts, Orden mit Hakenkreuz und „Mein Kampf“ aus seiner Kiste holt.
Dann ergreife ich das Wort: „Äh!“
Der Knabe schaut verwundert hoch. „Ja?“
„Pack dat weg!“
„Was?“
„Dat Nazizeug.“
„Warum?“
„Weil wir dat sonst wegpacken.“
Wir haben vom Regen und Wind zerzauste Haare. Strähler hat um seine Glatze einen buschigen Haarkranz. Wir tragen Friesennerze, an unseren Schuhen klebt Matsch. Eppler ist von uns der Größte, und sehr breit. Sein Bruder ist klein, aber sehr drahtig. Wir haben alle eine selbstgedrehte filterlose Zigarette im Mundwinkel und schauen sehr ernst.
Augenblicklich beginnt der Knabe, Stück für Stück seine Naziklamotten wieder einzupacken. Eine halbe Minute später hat er das Feld geräumt. Das hätten wir erledigt.
Später wird uns gewahr, daß der Knabe am anderen Ende des Platzes doch noch seinen Stand aufgebaut hat. Epplers Bruder schlendert zu ihm hin und kommt bald darauf wieder zu uns. Der Nazi-Knabe hat seine Sachen wieder gepackt und ist endgültig verschwunden.
„Wie hast du das denn gemacht?“
„Ich hab dem gesagt: ‚Hör mal, ich geb dir‘n guten Rat. Die Jungs da eben, die sind von der ganz harten Sorte. Die lassen überhaupt nicht mit sich spaßen. Es ist besser, du verschwindest jetzt.‘“

Diese Geschichte erschien in dem Buch „Der Gartenoffizier – 124 komische Geschichten“ (Situationspresse 2008). Der darin erwähnte Wolfgang Eppler erzählte gern von diesem Vorfall. Diese Geschichte ist nicht nur komisch, sondern auch typisch: Ernst nie ohne Unernst, Unernst nie ohne Ernst.
Wolfgang Eppler begann seine Tätigkeit als Buchhändler im Eschhaus-Buchladen. Später war er tätig im Buchladen Die Brücke (erst Ruhrort, dann Hochfeld). Nach der Vereinigung mit der Buchhandlung Agora (am Dellplatz) machte er sich als Antiquar selbständig, einige Zeit auf dem Pulverweg in dem Laden, in dem jetzt der traditionsreiche Musikladen Die Schallplatte residiert. Ich erinnere mich gern an die Gespräche und Fachsimpeleien dort im Hinterzimmer.
Es wurden nicht nur Geschichten und Erfahrungen ausgetauscht. Wolfgang Eppler war immer mit engagierter, wirksamer, uneigennütziger kollegialer Hilfe bei der Hand. Die Buchhandlung Weltbühne hat ihm viel zu verdanken.
Vorgestern, am Silvestertag, ist Wolfgang Eppler, unser Kollege und Genosse, 66jährig nach langer schwerer Krankheit gestorben.