Dürrenmatt (100, morgen)

Über Friedrich Dürrenmatt lese ich, er habe auf dem Theater Techniken von Brecht angewandt, aber anders als Brecht keine Weltanschauung präsentiert.
Das sollte mich wundern, wo ich doch meine, daß ein Künstler mit jeder Äußerung eine Weltanschauung erkennen läßt.
Mit jeder? Ich höre schon den Einwand: „Und wenn er nur sagt, wie spät es ist?“
Aber das ist Unsinn. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Dürrenmatt ein solches Stück geschrieben hätte:
Vorhang auf. Auf der Bühne steht ein Mann. Der guckt auf die Uhr und sagt: „Es ist halbacht.“ Vorhang zu, die Leute geh‘n nach Hause.

Was ist das?

Was ist DAS? Was ist DAS?
Balkoenges1Wo kommen denn die Balkönges her? Die waren doch eben noch nicht da.
Dabei hatten diese Wohnungen doch schon Balkönges – anscheinend noch nicht genug.
Es gibt immer diese Leute: Wenn die was sehen, dann sagen die: So kann das nicht bleiben. Das muß anders.

Balkoenges2Dann guck ich doch lieber durch dieses Fenster. Dann seh‘ ich die Balkönges nicht.

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Unrechtsstaat

Ich spreche noch nicht einmal
– von Rechtsbeugung und Rechtsbruch im Kalten Krieg im Inneren,
– von Sondergesetzen im Deutschen Herbst,
– vom völkerrechtswidrigen Einsatz der Bundeswehr,
– von der chronique scandaleuse des Verfassungsschutzes (Urbach, Schmücker, Traube, Celler Loch etc.),
– von Hilfeleistungen für Nazis durch Verfassungsschutzämter.

Unzählige Personen, die als Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte und in sonstigen Funktionen dem Naziregime gedient haben, die sich der Verfolgung und des Mordes schuldig gemacht haben, wurden im Staatsapparat der Bundesrepublik Deutschland wieder verwendet: als Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte und in sonstigen Funktionen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat das Erbe des Naziregimes nicht ausgeschlagen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat das Erbe des Naziregimes angetreten.
Die Schuld an Verfolgung und Mord, begangen von wiederverwendeten Dienern des Naziregimes, hat sich auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen.

Ist der Präsident noch gescheit?

Der Herr Joachim Gauck ist zwar Bundespräsident, führt sich aber auf wie der Suppenkasper, weil sich in Thüringen die Bildung einer Regierung unter Bodo Ramelow (Linkspartei) als Ministerpräsident anbahnt.
Die Bildung einer Koalitionregierung von Linkspartei, SPD und Grünen ergibt sich als Option aus der Landtagswahl. Der Bundespräsident aber sagt:
„Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren.“
Dann soll er sich mal anstrengen!
Ich muß mich auch jeden Tag anstrengen, in meinem Alter! Und ich erlebe die BRD. Ist es etwa nicht anstrengend, den Gauck zu ertragen?

GauckKeineSuppeMacht man sowas, wenn man Bundespräsident ist?
Der Bundespräsident ist der oberste Repräsentant des Staates (nicht des Landes, nicht des Volkes, nicht der Bevölkerung, sondern: des Staates). Der Bundespräsident hat die ehrenvolle Aufgabe, in salbungsvollen Reden den Staat mit allerlei Zierrat zu behängen. Darum hat er sonntags nie frei. Er muß die „Werte“ feilhalten („Toleranz“, „Miteinander“, „Nichtwegschauen“). Er muß, wenn Krieg gemeint ist, „Verantwortung“ sagen. Er muß Anschein erwecken.
Die richtige Besetzung für das Amt des Bundespräsidenten wäre also ein Pragmatist, der über das Talent zum Herumsalbadern verfügt.
Aber ein Bundespräsident mit Sendungsbewußtsein? Das ist immer die falsche Sendung!
Der Bundespräsident muß, was ich nicht muß und was Sie auch nicht müssen: mitsingen, wenn die Nationalhymne erklingt. Aber für die Drecksarbeit, zum Beispiel: Feindschaft, die den Leuten im Kalten Krieg eingetrichtert wurde, wachhalten, dafür sind andere zuständig. In den „mittleren Führungsebenen“ arbeiten sich massenweise Fleißkärtchensammler damit ab.
Gut reagiert hat der Ramelow, als er sagte, er habe für Gaucks Vorbehalte durchaus „Verständnis“. Denn das heißt ja auf deutsch: Der Gauck hat ’nen Koller.

Unter uns gesagt: Ich will die Partei, die sich „links“ nennt, viel lieber in der Opposition sehen. Dort könnte sie eine nützliche Aufgabe erfüllen.
Ich wage mal die Vorhersage: Ramelow wird am Ende doch nicht Ministerpräsident. Warum? Die Mehrheit im Landtag ist sehr knapp. Und auf die SPD ist kein Verlaß. Die stehen ja noch nicht mal geschlossen hinter ihren eigenen Kandidaten. Erinnern Sie sich? Gesine Schwan, Heide Simonis, Andrea Ypsilanti.
Allerdings: Diesmal ist der Kandidat männlich, und er ist in einer anderen Partei. Ich fürchte also: Es könnte klappen.

Das ist aber ein komischer Bundespräsident!

Das ist aber ein komischer Bundespräsident!

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Über Mandela (Live)

Einige Passagen meiner Lesung in der Zeche Carl in Essen am 31. August wurden gefilmt. Heute zeige ich Euch: Eloge auf einen Terroristen.

Ton- und Bildaufzeichnung: Hafenstaedter.
Fortsetzung folgt.

Verstehen Sie das?

Heute habe ich in den Nachrichten gehört, daß die Bundesregierung – und überhaupt die ganze Europäische Union sich darüber empört, daß DAS ERGEBNIS der Abstimmung auf der Krim der ukrainischen Verfassung widerspricht.
Warum waren diese Hüter unserer „Werte“ denn nicht zu vernehmen, als der demokratisch gewählte Präsident gestürzt wurde und die derzeitige Regierung (mit Nazi-Beteiligung!) auf eine Weise zustande kam, die der ukrainischen Verfassung widerspricht?
Verstehen Sie das? (Mal ganz naiv gefragt).

Aus der Geschichte der Musik: „People try to put us down“

1965 wurde der Song „My Generation“ von The Who veröffentlicht, der zur Hymne der nach dem Krieg Geborenen wurde. Darin heißt es: „People try to put us down talking ‘bout my generation“.
Das beste Beispiel für das, was in dem Song von The Who angeklagt wird, ist ein deutsches Schlager-Lied, das im selben Jahr veröffentlicht wurde und als Gegenteil von „My Generation“ gelten darf: „Mit 17 hat man noch Träume“. Wenn hinter diesem Kulturgut wohl auch kaum eine andere Ambition steckte als die, damit Profit zu machen, so handelt es sich gleichwohl um Propaganda der Eindimensionalität. Da wurde „about my generation“ gesprochen – nicht mit schäumender Wut wie so oft, dafür aber mit klebriger Selbstgefälligkeit. Das Establishment schlug zurück – nein, es schmierte.
Die US-amerikanische Sängerin Peggy March, damals tatsächlich 17 Jahre alt, sang das:

„Mit 17 hat man noch Träume,
da wachsen noch alle Bäume
in den Himmel der Liebe.
Mit 17 kann man noch hoffen,
da sind die Wege noch offen
in den Himmel der Liebe.
Doch mit den Jahren wird man erfahren,
daß mancher der Träume zerrann.
Doch wenn man jung ist, so herrlich jung ist,
wer denkt, ja wer denkt schon daran!
Junge Leute fragen nicht, was man darf und kann.
Junge Leute seh‘n die Welt mit and‘ren Augen an.
Und ist diese Welt auch oft fern der Wirklichkeit,
wo ist der, der ihnen nicht lächelnd das verzeiht?“

Die Gewalt, die des Reimes willen der Grammatik angetan wurde (es hätte doch heißen müssen: man wird erfahren, daß mancher Traum zerronnen sein wird), soll mal übergangen sein. Was will der Künstler damit sagen?
Der Mann, der diesen Text fabriziert hat, hat sich wohl selbst nicht mehr daran erinnern können, das er selbst auch mal 17 Jahre alt gewesen ist. Stattdessen breitet er ein Klischee aus über das Leben und Empfinden 17jähriger, das nun tatsächlich fern der Wirklichkeit ist. Amnesie ist ein Kennzeichen des eindimensionalen Menschen. Die Wunschvorstellung vom 17jährigen Mädchen als etwas dümmliche, realitätsferne Person war eine Beleidigung aller, die im Jahre 1965 17 Jahre alt waren. Sie stand im krassen Gegensatz zur Realität, in der sich die nach dem Krieg geborene Generation angewidert oder gleichgültig von den Wertvorstellungen und Lebensvorstellungen der Generation abwandte, die ihre Erziehung in der HJ, im BDM und in der Wehrmacht genossen hatte.
Kein 17jähriger hätte von sich aus im Jahre 1965 gejuchzt: „wenn man jung ist, so herrlich jung ist“. Die Jugend wird nur von denen sentimental verherrlicht, die sie verplempert und, wie überhaupt das ganze Leben, durch die Finger haben rinnen lassen. In nichts war diese sexuell verklemmte Generation, die ihre Erziehung in der HJ, im BDM und in der Wehrmacht genossen hatte, so groß, wie in ihrer Eifersucht, mit der sie die Jungendlichen daran zu hindern versuchte, ihre Jugend zu gestalten und auszufüllen, in nichts so hartnäckig wie in ihrem Werk, Seelen zu zerstören. Nur als dumme Gänse, die vor lauter Verliebtheit gegen Laternen rennen, waren die 17jährigen Mädchen für sie erträglich. Nichts ignorierten und nichts fürchteten diese autoritätsfixierten Untertanen so sehr wie die Wirklichkeit, die von Peggy March als „Wärklichkeit“ prononciert wurde.
Wenn man 17 Jahre alt ist, dann „wachsen noch alle Bäume in den Himmel“, und zwar „in den Himmel der Liebe“. Das wirft allerdings die Frage auf, was die Ehepaare eigentlich zusammengehalten haben könnte. Die Langeweile ihres Daseins hielten sie für unabwendbare, alterungsbedingte Naturgesetzlichkeit, und die Inhaltsleere ihres Kopfes hielten sie für Lebenweisheit. Dabei war es doch nur Feigheit, die sie davon abhielt, über das Gegebene hinauszudenken.
Sich etwas mehr vom Leben zu erhoffen als Leere kostete den Preis, für dämlich gehalten zu werden. Dem Jugendlichen wurde Existenzberechtigung nur zugebilligt als Dorftrottel des Wirtschaftswunders. „Mit 17 kann man noch hoffen.“ Und wenn man nicht mehr 17 ist, dann breitet sich die ganze Hoffnungslosigkeit aus, was?
Dem Weltkrieg folgte als Echo eine alltagskulturelle Idiotie, die in dieser Hymne der Hoffnungslosigkeit manifestiert wurde. Da war es ebenso wohltuend wie wichtig, sie mit elektrischen Gitarren zu zerfetzen.
Sich etwas mehr vom Leben zu erhoffen als Leere war etwas, was lächelnd verziehen wurde. Wie gütig! In dem Verzeihen ist die anmaßende Anschuldigung enthalten. Ich habe es versäumt, dafür um Verzeihung zu bitten, daß ich die verachte, die die Resignation predigen. Was sie sich da lächelnd-verzeihend angemaßt haben, verzeihe ich nicht. Das läßt die Erfahrung eines Jahrhunderts nicht zu.
Auch die Resignation ist eine Utopie. Das ist die Utopie der Reaktionäre.

„Was haben Sie 1968 gemacht?“ - „Von was ganz anderem geträumt.“

„Was haben Sie 1968 gemacht?“ – „Von was ganz anderem geträumt.“

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Eloge auf einen Terroristen

Die Bundeskanzlerin hat den verstorbenen Nelson Mandela einen Titanen der Gerechtigkeit oder Giganten der Menschlichkeit oder sowas in der Art genannt. Andere Würdenträger äußerten sich ähnlich.
Irren sie sich da nicht?
Als Nelson Mandela noch im Gefängnis war, hörte man von den Staatsfiguren, die sich jetzt elogierend gegenseitig überbieten, nichts dergleichen. Damals war Nelson Mandela ein Terrorist, der sein Volk zum gewaltsamen Umsturz des Apartheidregimes anstachelte. Seine Freilassung zu fordern war der kleinen radikalen Minderheit überlassen, den sogenannten Sympathisanten, also uns.
Wir Staatsfeinde unterscheiden uns von den Staatsträgern dadurch, daß wir schon gegen die Apartheid waren, als es sie noch gab. Sie unterscheiden sich von uns dadurch, daß sie die Freilassung Mandelas erst richtig fanden, als sie erfolgt war.
MandelaBriefmarkeSUBei der Demonstration gegen Apartheid und für die Freilassung Mandelas auf dem Münsterplatz in Bonn trat der Staat in Erscheinung, aber anders als jetzt. Die Polizei trat so martialisch auf, wie ich es zuvor noch nie gesehen hatte.
Die jederzeit in der Lage sind, politisches Widersprechen mit der Polizei einzudämmen, sind nicht schlauer geworden. Das erkennt man daran, daß sie sich für ihr Diktum von einst nicht entschuldigen. Sie irren sich nie, sondern folgen immer der Opportunität, die es ihnen heute nahelegt, Abglanz aufzusaugen. Sie können nicht aufhören zu lügen.
Als wir mit dem Bus der Bonner Verkehrsbetriebe zum Ausgangspunkt der Demonstration fuhren, sagte der Busfahrer die Station an, und er fügte hinzu: „Ich würde am liebsten mitgehen.“

Schwarzgrün?

In Hessen entsteht wohl eine schwarzgrüne Landesregierung, die durchaus zum Modell einer schwarzgrünen Koalition auf Bundesebene werden könnte – dann nämlich, wenn die CSU/CDU/SPD-Koalition letztlich am Mitgliedervotum der SPD scheitern sollte. Zwar haben es die SPD-Mitglieder so an sich, (und sei es zähneknirschend und unter weiterem Verlust von Enthusiasmus) den Anordnungen ihrer Anführer überallhin zu folgen. Aber die Sozialdemokraten 2013 haben nichts mehr zu verlieren und könnten … Naja, ist nur so‘n Gedanke.
Meinen Kommentar zur schwarzgrünen Bundesregierung habe ich schon 1995 geschrieben. Auszug:

Die Feierlichkeiten zum Zusammenwachsen des in einen Topf Gehörenden wären nicht komplett, wenn nicht auch das taz-grüne Milieu seinen Senf dazugegeben hätte:
„Noch vor zehn Jahren bügelten die Nachgeborenen die Berichte ihrer Eltern über Flucht und Vertreibung als politisch unkorrekt ab. Ihre Erzählung über Vergewaltigung, Mord und Totschlag schienen einer Generation, die gerade erst entdeckt hatte, daß ihre Eltern Täter waren, peinliche Lappalien zu sein im Verhältnis zu dem, was die Deutschen der halben Welt antaten. Jede Erzählung, die nicht mit deutscher Schuld begann, galt als neuerlicher Beweis für Verdrängung und Relativierung. In diesen Monaten aber hörten die Enkel den Großeltern zu, und die durch Lebenserfahrung und Wissen milder gewordenen 68er kramten in Tagebüchern und Fotoalben, ohne gleich zu moralisieren. Dieses Niveau ist nicht rückgängig zu machen.“ (Anita Kugler in der „Taz“).
Wieviel Lebenslüge doch in ein paar Zeilen paßt – und wieviel sich durch falsches Deutsch entlarvt. Wo sie sagen wollte „…was die Deutschen der halben Welt angetan hatten“, verwechselt sie die Tempi und sagt versehentlich etwas Wahres. Eine gesellschaftliche Auseinandersetzung wird nachträglich verniedlicht zum Mißverständnis zwischen den Generationen, von denen die eine nur aus Flüchtlingen und Vertriebenen, die andere nur aus „68ern“ besteht. Als hätte es junge Chauvinisten und ältere Widerstandskämpfer nicht gegeben. Wer eine solche Lesart der Zeitgeschichte auftischt, sollte wenigstens darauf achten, daß nicht innerhalb weniger Sätze Eltern zu Großeltern und Kinder zu Enkeln mutieren. „Die Nachgeborenen“ bezieht sich wohl weniger auf Brechts Gedicht „An die Nachgeborenen“, wohl mehr auf Kohls „Gnade der späten Geburt“, von der diese Nachgeratenen nun auch etwas abhaben wollen.
Jetzt erfahren wir auch, wodurch die sogenannten „68er“ geworden sind, was Anita Kugler „milder“ nennt: „durch Lebenserfahrung und Wissen“.
Sie konnten sich immer schon gut verstellen, die verlorenen Söhnchen und Töchterchen, die jetzt mit der Taz unterm Arm heimgekehrt sind. Früher taten sie sich groß, ihrem Verdruß über ihre mißratenen Eltern den Anschein politischer Haltung zu geben. Jetzt tarnen sie ihren Opportunismus als Lebenserfahrung und Wissen. Dabei nehmen sie ihre Haltung wider besseres Wissen ein. Aber es ist ja gerade nicht das bessere Wissen, das da gemeint ist, nicht das Wissen von und über etwas. Es ist das geheimnisumwitterte „Wissen um…“, das zur Attitüde der Abgeklärtheit gehört.
Durch erworbenes Wissen und Lebenserfahrung gar nicht milder geworden, stelle ich fest: die haben sich überhaupt nicht geändert, jene „68er“, die ohne zu moralisieren in Fotoalben blättern. Sie verstehen es nur mal wieder, im richtigen Moment die richtigen Sprüche aufzusagen. Diese sogenannten „68er“ haben ihren Eltern verziehen, und hinter dieser Pose der Großherzigkeit steckt nichts anderes als das Begehren, beim Aufstieg Deutschlands nicht abseits zu stehen. Dazu bedurfte es keines Bruchs ihrer Identität.
Daß die Mainstream-“68er“ nach „Sieg im Volkskrieg“ und „Macht kaputt was euch kaputtmacht“ jetzt die Kurve gekriegt haben hin zu schwarzgrüner Option, „ökologischer Marktwirtschaft“, „Politikfähigkeit“ und vaterländischer Opferbereitschaft, ist nicht das Resultat der deutschen Einheit. Die Niederlage des realen Sozialismus hat diese Entwicklung allerdings verstärkt und beschleunigt. An der Konstruktion gegenwärtiger Machtpolitik hat diese Ex-Linke mitgewirkt. Sie hat in ihrer Klamottenkiste, die sie durch die Weltgeschichte schleppt, genügend Zeugs gesammelt, mit dem man auf dem Weg nach oben gut gerüstet ist.
Die „Kritik“ am realen Sozialismus diente angeblich dazu, den wirklichen, authentischen, „echten“ Sozialismus herauszuarbeiten, in Wirklichkeit aber, den diskreditierten Antikommunismus des Establishments rundzuerneuern. Auf diesen Kern beschränkten sich die Alterativen in den 80er Jahren. Sie hörten pünktlich damit auf, ihre Parolen vom „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ herumzuposaunen. An die Stelle dieser idealistischen Phrase trat eine „Menschenrechtspolitik“, die sich von der Linie der CDU nicht mehr unterschied. Schwarzgrün gibt es schon lange.

kaffeemannaus „Sie müssen mich gern haben“ in DER METZGER 49 (1995), enthalten in „Streiten Sie nicht mit einem Deutschen, wenn Sie müde sind“ 21 Polemiken, Situationspresse 2001 ISBN 978-3-935673-15-0, beide noch erhältlich.

Neu in der Weltbühne: Mutter Blamage

Ich empfehle:
Stephan Hebel: Mutter Blamage. Warum die Nation Angela Merkel und ihre Politik nicht braucht. Westend Verlag 2013. 160 S. 13,99 Euro.
Hebel_Mutter_BlamageDer Verlag stellt sein Buch vor:
Die Pflichtlektüre für den Wahlkampf 2013
Angela Merkel blamiert Deutschland, und wir merken es nicht einmal. Hinter nebulösen Äußerungen und vermeintlich zögerlichem Handeln verbirgt sich in Wahrheit eine Politik, die sich an den Interessen der Wirtschaft orientiert. Anders als allgemein angenommen, so zeigt Stephan Hebel, ist Deutschland in den Merkel-Jahren unbedeutender, unberechenbarer und ungerechter geworden.
Deutschlands beliebteste Politikerin verdankt ihren Erfolg einem permanenten Betrugsmanöver. Ihre politische Agenda hat keinen Namen und kein Gesicht, ganz Deutschland glaubt deshalb, es gäbe sie nicht. Das ist ein Irrglaube: Es gibt eine Agenda, die aber in erster Linie auf Erhalt von Macht ausgerichtet ist. Inhalte werden untergeordnet. Merkel hinterlässt uns – sollte sie abgewählt werden – ein Land im Reformstau. Ein Land, das sich auf Kosten anderer in kleinkariert nationaler Interessenpolitik ergeht und sich damit letztlich selbst schadet. Ein Land, das wichtig tut, aber ständig an Gewicht verliert. Ein Land, in dem die Ungerechtigkeit wächst und Millionen Bürger in Armut leben, auch wenn sie Arbeit haben. Ein Land, in dem die Politik sich selbst zur Erfüllungsgehilfin ökonomischer Interessen degradiert.
Stephan Hebel, langjähriger Redakteur der Frankfurter Rundschau und politischer Autor, ist seit zwei Jahrzehnten Leitartikler und Kommentator. Er schreibt unter anderem auch für die Berliner Zeitung sowie für Deutschlandradio, Freitag, Publik Forum und weitere Medien. Er ist zudem ständiges Mitglied in der Jury für das „Unwort des Jahres“.

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Ein Stück von Dürrenmatt

Über Friedrich Dürrenmatt lese ich, er habe auf dem Theater Techniken von Brecht angewandt, aber anders als Brecht keine Weltanschauung präsentiert.
Das sollte mich wundern, wo ich doch meine, daß ein Künstler mit jeder Äußerung eine Weltanschauung erkennen läßt.
Mit jeder? Ich höre schon den Einwand: „Und wenn er nur sagt, wie spät es ist?“
Aber das ist Unsinn. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Dürrenmatt ein solches Stück geschrieben hätte:
Vorhang auf. Auf der Bühne steht ein Mann. Der guckt auf die Uhr und sagt: „Es ist halbacht.“ Vorhang zu, die Leute geh‘n nach Hause.