Dresdner Antifa-Prozess: VVN meldet sich zu Wort

Die VVN-BdA in Kassel erklärt:

Zum Urteil im Dresdener Antifa-Prozess
2. Juni 2023
Die VVN-BdA ist empört über das Urteil des Dresdener Oberlandesgerichts im Fall der angeklagten Antifaschistin Lina E und ihrer Mitangeklagten. Über fünf Jahre Haft für sie als „Rädelsführerin“ einer „kriminellen Vereinigung“ ist ein Urteil, das nicht nur bezogen auf die Vorwürfe überzogen ist, sondern angesichts des Prozessverlaufs nur als skandalös zu bezeichnen ist.
Es ist ungeheuerlich, dass der Senat um Richter Hans Schlüter-Staats ein solch drastisches Urteil auf der Basis von Indizien, haltloser Aussagen militanter Neonazis und eines dubiosen Kronzeugen fällte. Vor Gericht kamen immer wieder grundlegende Zweifel an der Arbeit der Bundesanwaltschaft auf, die den Fall an sich gezogen hatte. Falsche Interpretationen von vorgelegten Materialien, widersprüchliche Aussagen und fehlende Beweise prägten das Verfahren. Es gab lediglich ein Konvolut an Indizien, die als »Belege« für die Täterschaft von Lina E. angeführt wurden: Nicht einmal DNA-Spuren konnten eindeutig zugeordnet werden, ein Foto vom Tatort bei Lina E. wurde als Beleg ihrer Anwesenheit gerechnet. Auch der Kronzeuge Johannes Domhöver konnte nichts Substanzielles beitragen. Vielmehr ist es erkennbar, dass er seinen Freispruch erkauft hat mit einer Aussage, die die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft stützen sollten. Aussagen militanter Neonazis wurde Glauben geschenkt – „Zeugen“, die in einem eigenen Prozess in Eisenach wegen krimineller Handlungen verurteilt wurden.
Selbst die Bundesanwaltschaft musste eingestehen, »nicht den einen, erdrückenden Beweis« zu haben. Trotzdem forderte sie acht Jahre Haft. Für sie sei es »die Gesamtschau«, die die Vorwürfe erhärtete. Die Verteidigung hat vollkommen zurecht das Vorgehen der Dresdner Justiz als politisch motiviert beschrieben. Es ist ein Gesinnungsurteil, dass ein Exempel gegen (militanten) Antifaschismus statuieren soll.
Dieses Urteil weckt unliebsame Erinnerungen an die Justiz in der Endphase der Weimarer Republik, als bei Auseinandersetzungen zwischen Nazis und Nazigegnern in aller Regel die Antifaschisten mit schweren Verurteilungen rechnen mussten, während die SA und andere gewalttätige Nazis mit Milde der Richter rechnen konnten.
Wenn Innenministerin Nancy Faeser angesichts des Urteils betont, dass es auch im Handeln gegen Neonazis keine Selbstjustiz geben dürfe, da solch ein Verhalten das Vertrauen in den Rechtstaat beschädige, dann betonen wir, dass dieses Urteil in noch viel größerem Maße das Vertrauen in die Justiz und die Regeln des Rechtstaates beschädigt. Wir erwarten, dass bei einer rechtlichen Prüfung dieses Urteil aufgehoben wird.

Neu in der Weltbühne: Hanna Mittelstädt arbeitet nie

Hanna Mittelstädt: Arbeitet nie! Die Erfindung eines anderen Lebens. Chronik eines Verlags. Edition Nautilus. 360 Seiten Broschur, Umschlag aus Archivkarton, 50 S/W-Abbildungen. 360 Seiten. 28,00 €

Zehn Jahre nach dem Tod Lutz Schulenburgs blickt Hanna Mittelstädt zurück auf vier Jahrzehnte Edition Nautilus und erzählt eine kollektive Geschichte

Über ihr politisches Engagement sind Hanna Mittelstädt, Lutz Schulenburg und Pierre Gallissaires Anfang der 1970er Jahre eher zufällig in die Verlegerei eingestiegen. Denn eigentlich sollte die Revolution gemacht werden und nicht Lektorat, Vertrieb oder PR! So hat die von ihnen gegründete Edition Nautilus immer im Spannungsfeld zwischen politischem Wollen und den Zwängen der Realität gearbeitet.
Zehn Jahre nach Lutz Schulenburgs plötzlichem Tod 2013 blickt Hanna Mittelstädt zurück auf die ersten vierzig Jahre Nautilus. Entlang zahlreicher Dokumente und Fundstücke aus der Verlagskorrespondenz erzählt sie eine so persönliche wie kollektive Geschichte. Inspiriert vom Pariser Mai 68 ging es stets um den Reichtum an Lust, Wissen und Autonomie, um die Loslösung von herkömmlichen Vorstellungen der »politischen Arbeit«, der »politischen Literatur«. Es ist die Geschichte der Erfindung eines anderen Lebens.

Das Buch ist im Programm der Buchhandlung Weltbühne (auch im Versand zu beziehen).
Gneisenaustraße 226, 47057 Duisburg (Neudorf)
Emil-Adresse: bestellungen@buchhandlung-weltbuehne.de
WELTBUEHNE MUSZ BLEIBEN !

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1. Mai: FAU hat was vor

Die FAU schickte mir diese Mitteilung, die ich gern weitergebe:

FAU am 1. Mai in Duisburg
Verbringt den 1. Mai mit uns im und ums Syntopia. Fahrt vormittags mit uns gemeinsam zur Gewerkschftsdemo nach Hamborn und/oder schaut ab 14 Uhr im Syntopia vorbei.
Wir treffen uns um 10 Uhr am Syntopia und fahren gemeinsam mit der Straßenbahn zur Gewerkschaftsdemo in Hamborn. Schließt euch gerne an und lasst uns gemeinsam auf die Straße gehen!
Ab 14 Uhr ist die Tür des Syntopias dann geöffnet. Die Basisgewerkschaft FAU und die Stadtteilgruppe „Hochfeld Solidarisch“ stellen sich in kurzen Vorträgen vor (um 16 Uhr). Euch erwarten Infostände und ein Büchertisch. Tauscht euch mit uns bei Kuchen, Kaffee und Kaltgetränken aus.
Für einen kämpferischen Tag der Arbeiter*innenbewegung, – gerade in Zeiten von Krise, Teuerungen und des sozialen Kahlschlags! Für eine starke soziale Bewegung von unten!

Programm
10 Uhr: Treffpunkt am Syntopia zur gemeinsamen Fahrt zur 1. Mai Demo in Hamborn
10:18 Uhr 903 von Pauluskirche, Zustiegmöglichkeit um 10:26 Uhr am HBF

11 Uhr: Gemeinsame Teilnahme an der 1. Mai Demonstration, Hamborn Rathaus
Ihr findet uns bei den schwarz-roten Fahnen

14-18 Uhr: 1. Mai Get-together im und ums Syntopia.
Mit Infoständen und Büchertisch, Kaffee, Kuchen und Kaltgetränken.

16 Uhr: Die Basisgewerkschaft FAU und die Stadtteilgruppe „Hochfeld Solidarisch“ stellen sich in kurzen Vorträgen vor.

Syntopia, Gerokstr. 2, 47053 Duisburg

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Der Ostermarsch setzte sich in Gang – die Reportage

Der Ostermarsch 2023 begann heute früh in Duisburg.
Auf dem Platz vor der Bühne zeigen sich einige fortschrittliche Organisationen (z.B. DFG-VK, IG Metall, VVN) mit Fahnen oder mit Infoständen.
Unter dem roten Zeltdach: Die Rote Hilfe.
Rote Fahnen sieht man besser.
Die Kreuze erinnern an die Kriegs-Toten nach 1945!
EX! TRA! BLATT!
Auch eine (wiederbelebte) Ostermarsch-Tradition: Das „Extrablatt aus der linken Ecke“, präsentiert von der DFG-VK Duisburg.
„Vorwärts, der Marsch geht los.“
Fotos © DFG-VK

Aha. Aha? Aha!

Soso! „Aha“ ist wieder da!
Sehr beliebt (oder unbeliebt, je nach dem) waren die „Extrablätter aus der linken Ecke“, herausgegeben von der DFG-VK-Gruppe Duisburg in den 90er Jahren: In den Jahren 1995 bis 1998 erschienen sie zum Ostermarsch.
Jetzt wurde es also höchste Zeit, den Ostermarsch wieder zu einem Aha-Erlebnis zu verhelfen. Das Extra-Blatt wurde an den Adressen-Verteiler der Duisburger DFG-VK-Gruppe (also nicht nur an Duisburger Adressen) verschickt (Mail-Art!), es wird am Ostersamstag beim Ostermarsch in Duisburg verteilt und es wird – wie auch bei den früheren Ausgaben so gehandhabt – der nächsten METZGER-Ausgabe als Supplement beigelegt.
(Vielleicht bleiben noch ein paar Blätter übrig, die dann in der Buchhandlung Weltbühne ausliegen).
Man kann sich auch – gegen Portospende – auf die Adressenliste der DFG-VK-Gruppe Duisburg setzen lassen und/oder für die Boulevard-Presse der etwas anderen Art was springen lassen:
DFG-VK Gruppe Duisburg
IBAN DE34 4306 0967 4006 1617 04

Luisa Neubauer hat mir eine E-mail geschickt

Luisa Neubauer hat mir – und sicherlich vielen anderen – eine gleichlautende E-mail geschickt:

Hallo Helmut,
Mit Fridays for Future engagiere ich mich mit aller Kraft für den Klimaschutz. In wenigen Tagen ist es wieder soweit. Am Freitag, den 3. März, gehen wir im ganzen Land auf die Straße. Ich bin sicher: Nur unser gemeinsamer Druck kann den Klima-Stillstand in der Koalition noch beenden.
In den letzten Jahren haben wir mehr bewegt, als viele je gedacht hätten. Es gibt heute eine breite gesellschaftliche Mehrheit für mehr Klimaschutz – doch auf den großen Durchbruch warten wir bis heute. Das ist vor allem die Schuld der FDP. Sie hält sich weder an die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag noch ans Klimaschutzgesetz.
Lange haben die Grünen versucht, die Koalition konstruktiv zu gestalten. Dafür sind sie immer wieder Kompromisse eingegangen. Doch mit ihrer Fundamentalopposition hat die FDP die Ampel in eine Sackgasse getrieben. Jetzt muss Olaf Scholz endlich Farbe bekennen und einlösen, was er im Wahlkampf versprochen hat: ein „Klimakanzler” sein.
Anfang März treffen sich die Ampel-Parteien zum Koalitionsgipfel; dort wollen sie ihren Streit beilegen.[1] Kurz zuvor findet unser Klimastreik statt – auch bei Dir in Duisburg. Damit er sich auf die richtige Seite stellt, darf Scholz keine Sekunde lang glauben, die Menschen in diesem Land interessieren sich nicht mehr fürs Klima. Dafür müssen die Demos wieder richtig groß werden. Deshalb schreibe ich Dir heute, Helmut. Gemeinsam machen wir dem Kanzler klar: Er muss dafür sorgen, dass unsere Zukunft nicht an einer bockigen FDP scheitert. Bitte komme am 3. März mit auf die Straße!
Ort: Forum, Duisburg
Zeit: 16 Uhr

Fast hätte ich mich an meinem Kaffee verschluckt, als ich vom Streit las, den Christian Lindner mit Robert Habeck gerade austrägt. „Die politischen Vorhaben des Koalitionsvertrags” seien „verfassungsrechtlich nachrangig” gegenüber seinem Spardiktat, schreibt der Finanzminister in einem öffentlich gewordenen Brief an den Wirtschaftsminister. Klimaschädliche Subventionen abzuschaffen, komme für ihn nicht in Frage. Auch für mehr Investitionen in Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit sei kein Geld da, so der FDP-Chef.[2]
Boykottieren statt regieren, das ist der aktuelle Kurs der FDP. In den letzten Monaten hat sie viele gute Klimaschutz-Ideen wie das Tempolimit verhindert. Nun gehen die Liberalen einen Schritt weiter – und torpedieren den Koalitionsvertrag. Hier konnten die Grünen wichtige Punkte wie den Ausbau der erneuerbaren Energien und des Bahnnetzes durchsetzen. Mit Verweis aufs Geld will Lindner das nun stoppen.[3] Gegen diesen erpresserischen Trick des Finanzministers kommt Habeck nicht an.
Wo die Grünen nicht mehr weiter wissen, haben wir von Fridays for Future einen Plan. Am Freitag, den 3. März, bringen wir zehntausende Menschen im ganzen Land auf die Straße und erinnern den Bundeskanzler: Er darf das „Problem Lindner” nicht länger einfach aussitzen. Als Regierungschef ist es seine Aufgabe, diesen Koalitionsstreit jetzt zu lösen – und für mehr Klimaschutz zu sorgen.
Seit Wochen sind wir im Dauereinsatz, um die Demos im ganzen Land vorzubereiten. Damit der Klimastreik ein Erfolg wird, brauchen wir am 3. März Menschen wie Dich auf der Straße. Bitte komm vorbei und bring Deine Freund*innen oder Familie mit. Wenn wir richtig viele werden, wird Scholz handeln und den Klimaschutz aus dem Würgegriff der FDP befreien.
Herzliche Grüße
Luisa Neubauer, Fridays for Future

PS: Sich schnell aus der Affäre ziehen – das war die Strategie des Bundeskanzlers, als ich ihn bei der Klimakonferenz in Ägypten traf. Auf der Bühne sprach er vom Klimaschutz, doch hinter den Kulissen schloss er dreckige fossile Deals ab.[4] Als ich ihn damit konfrontierte, wich er aus, musste schnell weiter. Mit unseren Demos machen wir ihm am 3. März klar: Vor der größten Krise der Menschheit kann er nicht einfach weglaufen!

[1]„Infrastruktur-Konflikt: Lösung bei Koalitionsausschuss Anfang März?”, Eurailpress, 9. Februar 2023
[2]„Diese beiden Briefe zeigen den Streit zwischen Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner”, Business Insider Online, 17. Februar 2023
[3]„Zwist mit Wirtschaftsminister Habeck: Lindners schlagkräftiges Argument im Etat-Streit”, Der Tagesspiegel, 20. Februar 2023
[4]„Klimaschutz: Luisa Neubauer fordert mehr Ehrgeiz und ein ‚Machtwort’ von Scholz”, Redaktionsnetzwerk Deutschland, 8. November 2022

Campact e. V. Artilleriestraße 6 · 27283 Verden

Luisa Neubauer mit Plümmelsmütz’

Neu in der Weltbühne: Über Frankreichs radikale Rechte

Demnächst in dieser Buchhandlung:
Sebastian Chwala: Frankreichs radikale Rechte. Geschichte, Akteure und Gefolgschaft. PapyRossa Verlag. Ca. 350 Seiten. 22,90 €
Erscheint im März 2023
Erosion des etablierten Parteiensystems, Spaltung des Landes und, mal wieder, eine »Schicksalswahl«, so die Befunde rund um die Präsidentschaftswahl 2022 in Frankreich. Einmal mehr war es an Marine Le Pen und ihrem Rassemblement National, dem einstigen Front National, der politischen Debatte den Stempel aufzudrücken – und die ›Grande Nation‹ weiter nach rechts zu verschieben. Wo liegen die Ursachen für den Aufstieg der radikalen Rechten? Inwieweit wurden die Geister mit einer neoliberalen Politik erst gerufen? Welche Rolle spielen Abstiegs- und Entfremdungserfahrungen der classes populaires? Wer wählt rechts? So fragt Sebastian Chwala und blickt auf Klassenerfahrungen der Mittelschichten wie der »Ausgestoßenen«. Er geht der Geschichte und Strategie der radikalen Rechten nach, nimmt Hochburgen und soziale Zusammensetzung in den Blick. Für den rechten Aufstieg macht er eine »multiple Krise« als Ursachenbündel aus, darunter auch der Niedergang der Linksparteien. Davon ausgehend fragt Chwala nach Alternativen zu einer Rechtsentwicklung, wie sie etwa bei den Protesten der gilets jaunes aufschienen.

Das Buch ist im Programm der Buchhandlung Weltbühne (auch im Versand zu beziehen).
UM VORBESTELLUNG WIRD GEBETEN.
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Kahlschlag in Duisburg

——– Weitergeleitete Nachricht ——–
Betreff: Eil: Not-Baumbesetzung in Duisburg zur Rettung der 26 gesunden Bäume an der Wedauer Straße
Datum: Sat, 18 Feb 2023 07:42:06 +0100
Von: Klimacamp <klimacamp@systemli.org>

Pressemitteilung vom 18.2.2023
Eil: Not-Baumbesetzung in Duisburg zur Rettung der 26 gesunden Bäume an der Wedauer Straße
Nach massiven Protesten von Bürger*innen erreichte das umstrittene Baumfällungsvorhaben von Oberbürgermeister Sören Link (SPD) sogar den Landtag [1]. Wie der WDR berichtete, sollte es am heutigen Samstag (18.2.2023) soweit sein: 26 gesunde, knapp 100 Jahre alte Bäume an der Wedauer Straße wollte „Sägen-Sören“ fällen lassen [2]. Doch in der Früh besetzen unerwartet Klimaaktivist*innen die Bäume und verhindern aktuell die Fällung.

UNFREIWILLIGE FEUERWEHR
Kurz nach 19:00 Uhr, erzählt der Mathematiker und Klimaaktivist Ingo Blechschmidt (34), erhielt er am gestrigen Freitagabend einen Anruf einer 60-jährigen Anwohnerin aus Duisburg-Wedau. „Ich weiß mir nicht mehr anders zu helfen, können wir zusammen noch irgendwie die Bäume verteidigen?“, fragte sie ihn. Blechschmidt leistet für verschiedene Klimagerechtigkeitsinitiativen Telefondienst, bedient zusammen mit anderen eine Art Notfalltelefon [3]. Er selbst lebt in Augsburg, deswegen war er mit dem vielfach kritisierten Rodungsvorhaben nicht vertraut. „Die Anwohnerin war den Tränen nahe. Die Bäume kühlten schon die Umgebung, als sie zur Schule ging. Da wusste ich, dass die Klimagerechtigkeitsbewegung sofort Unterstützung leisten musste.“
Hektisch wurde eine Telefonkette in Gang gesetzt, Aufrufe über WhatsApp gestartet. „Wer hat aktivistische Kontakte nach Duisburg? Kennt wer eine Anwältin, die jetzt noch erreichbar ist?“ [4] Zugverbindungen wurden herausgesucht, Kletterausrüstung zusammengestellt. Nach kurzer Zeit war klar: Es findet sich ein buntes Team aus Aktivist*innen, welche mit den Duisburger Anwohner*innen die Bäume retten möchte. Ehrenamtliche von Fridays for Future, Extinction Rebellion, Letzte Generation und dem Augsburger Klimacamp sind bei der Notbesetzung dabei. „Das Wochenende über wollte ich auf eine wichtige Klausur lernen“, erklärt Aktivistin Anna K. (22), die Lehramt studiert und aus Sorge vor Führungszeugniseinträgen ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Doch es ist mir wichtiger, gemeinsam mit den Anwohner*innen die Bäume zu beschützen.“
Die Strategie der Aktivist*innen: Sie verbinden in mehreren Meter Höhe Bäume mit einer sog. Traverse, einem langen Seil aus einem besonderen baumschonenden Material (Polypropylen, Durchmesser 12 mm, Traglast 1.415 kg), und begeben sich dann an ihren Klettergurten selbst in diese Querverbindung. So kann die umstrittene Baumfällung erst dann durchgeführt werden, wenn die Klimaaktivist*innen wieder auf dem Boden sind. Doch freiwillig werden sie nicht gehen, erklärten sie schon vorab.

IHR ZIEL: ECHTE BÜRGERBETEILIGUNG
Mit der Aktion möchten sie, wie schon die Bürgerinitiative seit nun fast zwei Jahren, den Bäumen einen Aufschub gewähren, so lange, bis ein echtes Bürgerpartizipationsverfahren über die Baumaßnahmen in der Wedauer Straße entschieden hat. „Die Regierung hat die Klimakrise nicht im Griff“, erklärt Anna. „In Zeiten der Klimakrise gesunde Bäume zu fällen, ist grotesk. Auf spekulative Neupflanzungsexperimente ist kein Verlass!“ Falls solche Experimente gedeihen, dauere es 80 bis 100 Jahre, bis die anfangs winzigen Setzlinge dieselben Funktionen übernehmen können wie die wertvollen Bestandsbäume. Wie das Handelsblatt berichtete [5], bestätigt eine vielzitierte Studie der Universität Hamburg [6] diese Aussage über die Schutzfunktion der CO₂-Bindung.
Die umstrittenen Baumfällungspläne hatten vielfältige Protestaktionen aus der Zivilgesellschaft auf den Plan gerufen. An einer Menschenkette beteiligten sich mehr als 250 Personen [7]. Unterschriften wurden gesammelt, eine Petition auf den Weg gebracht [8]. Zahlreiche Gründe für den Erhalt führt eine Bürgerinitiative auf, die sich extra für den Schutz der Bäume gründete [9]. Der wichtigen Schutzfunktionen der Bäume komme angesichts steigender Verkehrszahlen eine besonders hohe Bedeutung zu, die Bäume prägen den Charakter der Straße und sind wertvolle Naturdenkmäler.
Dass der Rat der Stadt die Fällung schon beschlossen hat, überzeugt weder die Anwohner*innen noch die unterstützenden Aktivist*innen: „Es ist gut, wichtig und richtig, sich an Gesetze, Regelungen, Normen und Vereinbarungen zu halten. Wenn wir das konsequent durchziehen, brechen wir aber eine andere Vereinbarung, nämlich das demokratisch beschlossene Pariser Klimaabkommen. Die Gesellschaft muss aushandeln, welche früheren Verträge sie brechen möchte, um die Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen zu sichern“, so Blechschmidt. Damit bezieht er sich auf einen Aufsatz der bekannten Klimaaktivistinnen Luisa Neubauer und Carola Rackete [10].

EINSATZ DES SPEZIALEINSATZKOMMANDOS
Da die Aktivist*innen nicht freiwillig die Bäume verlassen werden, ist ein Einsatz des Spezialeinsatzkommandos der Polizei wahrscheinlich. Speziell ausgebildetete Klettereinheiten der Polizei seilen dann die Aktivist*innen ab. „Wenn Oberbürgermeister Link schlau ist, nimmt er die Rodung vorerst von der Tagesordnung“, hofft Blechschmidt. Verantworten werden sich die Aktivist*innen trotzdem vor Gericht: Ihre Aktion kann als so genannte „verwerfliche Nötigung“ strafbar sein.
Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation, stand erst am Donnerstag für eine Protestaktion vor Gericht. „Ich halte mein Verhalten nicht für strafbar“, erklärte sie der taz [11]. „Wenn ich mir die Gesetze angucke, dann braucht es für eine Nötigung ein verwerfliches Verhalten. Verwerflich finde ich, dass unsere Regierung uns über die Klippe bringt. Es ist die größte Krise, die ich mir vorstellen kann.“ Diese Überzeugung teilen die Aktivist*innen, die die Notbesetzung an der Wedauer Straße durchführen. „Das halte ich nicht für verwerflich. Diese Frage müssen sich die Gerichte stellen. Und wenn sie das dann trotzdem für verwerflich halten, dann sollen sie mich dafür einsperren.“

[1] https://www.lokalkompass.de/duisburg/c-politik/erhalt-der-wedauer-baeume-als-petition-im-landtag_a1828309
[2] https://www1.wdr.de/fernsehen/lokalzeit/duisburg/videos/video-lokalzeit-aus-duisburg—2136.html
[3] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-wie-viel-hat-das-klimacamp-mit-den-aktivisten-der-letzten-generation-zu-tun-id64483841-amp.html
[4] https://www.speicherleck.de/iblech/stuff/.unfreiwillige-feuerwehr.png (Screenshot zur freien Verwendung)
[5] https://www.handelsblatt.com/technik/energie-umwelt/klima-orakel-wie-viele-baeume-sind-noetig-um-eine-tonne-co2-zu-binden/3201340.html
[6] https://www.uni-hamburg.de/newsroom/presse/2017/pm63.html
[7] https://www.waz.de/staedte/duisburg/sued/menschenkette-fuer-wedauer-platanen-so-geht-es-jetzt-weiter-id235586987.html
[8] https://rp-online.de/nrw/staedte/duisburg/duisburg-wedauer-kaempfen-gegen-die-faellung-von-26-platanen_aid-76781789
[9] https://www.openpetition.de/petition/online/bewahrt-26-gesunde-grosse-baeume-in-duisburg-wedau-vor-der-baumfaellung-faellung-in-kuerze-geplant
[10] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/luisa-neubauer-und-carola-rackete-ueber-protest-im-dannenroeder-forst-a-7cae1bae-331f-48d3-a231-cf25dd076bcd
[11] https://taz.de/Angeklagte-Klimaaktivistin-ueber-Blockaden/!5916322/

HINWEIS
Kurz vor 7:00 Uhr begann die Kletteraktion. Mit Absenden dieser Mail befinden sich die Aktivist*innen bereits in den Bäumen.
Aller Voraussicht nach wird es in Kürze zu Polizeikontakt kommen. Wie die Behörden reagieren werden, können wir vorab nicht sicher einschätzen. Alle beteiligten Aktivist*innen werden gegenüber der Polizei ihre Personalien angeben. Das nächstgelegene SEK befindet sich in Essen, könnte also mitunter schnell zu gegen sein.
Es ist auch möglich, dass der Oberbürgermeister diese Bilder vermeiden möchte. Er erhält diese Pressemitteilung in Kopie.
Wir versuchen, Fotos der Aktion zur freien Verwendung unter https://t.me/s/notaktionduisburg zu veröffentlichen.
Adresse: 47279 Duisburg-Wedau, Wedauer Straße.

KONTAKT
Ingo Blechschmidt (+4917695110311)
Baumtelefon (+4915750786633)

https://t.me/s/notaktionduisburg

Neu in der Weltbühne: Leben und Zeit von Lucy Parsons

Jacqueline Jones: Göttin der Anarchie. Leben und Zeit von Lucy Parsons. Biografie.
Aus dem Englischen von Felix Kurz. Edition Nautilus. Großformatige Broschur mit 16-seitigem Bildteil. 448 Seiten. 34 €

In die Sklaverei geboren, wurde sie zur berühmtesten Schwarzen Anarchistin ihrer Zeit: Lucy Parsons (1851–1942)
Lucy Parsons, nie gehört? Nun, sie war eine der bekanntesten Anarchistinnen Amerikas, Wortführerin der US-Arbeiterbewegung, eine der radikalsten Schwarzen Frauen des späten 19. Jahrhunderts. Trotzdem ist sie hierzulande höchstens als Witwe von Albert Parsons bekannt, einem der fünf Anarchisten, die nach dem Haymarket-Aufstand von 1886 hingerichtet wurden. Dabei hat sie ihren Mann um Jahrzehnte überlebt und war viel mehr als bloß „die Witwe“: Mitgründerin der IWW, Gewerkschafterin, Rednerin, Autorin, Herausgeberin, Briefpartnerin von Pjotr Kropotkin, Errico Malatesta, Johann Most, Emma Goldman und vielen anderen. Zu ihrem Schwarzsein hatte sie jedoch ein ambivalentes Verhältnis, die Klassenfrage stand für sie zeitlebens im Vordergrund.
Jacqueline Jones zeichnet nicht nur das fesselnde Porträt der politischen Kämpferin, unerschrockenen Revolutionärin und Zeitgenossin in all ihren Facetten und Widersprüchen. Es gelingt ihr auch, das wechselvolle Jahrhundert dieses Lebens zu erfassen sowie die verschiedenen Strömungen der Arbeiterbewegung – zwischen Reform und Revolution, zwischen Paternalismus und Propaganda der Tat – differenziert darzustellen. Ihre Biografie schlägt eine Brücke zu widerständischen politischen Bewegungen der Gegenwart.

Das Buch ist in der Buchhandlung Weltbühne erhältlich (auch im Versand)
Gneisenaustraße 226, 47057 Duisburg (Neudorf)
Emil-Adresse: bestellungen@buchhandlung-weltbuehne.de
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Eilmeldung von Maggy: Mit dem Bus nach Lützerath

Diese Meldung von Maggy Wösthoff traf soeben bei mir ein:

Liebe Freund:innen des solidarischen Lebens!
Liebe Freund:innen der Menschenrechte!

Die Räumung von Lützerath steht bevor. Das Bündnis Lützerath Unräumbar!, #Alle Dörfer bleiben!, der BUND, Greenpeace, Attac, Seebrücke und andere mobilisieren zu D E R Demo am Samstag, 14.01.2023.

Wir wollen mit dieser großen Demonstration einstehen
für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens,
für Klimagerechtigkeit,
für eine konsequente Erzeugung und den Einsatz Erneuerbarer Energien,
für die Bekämpfung von Fluchtursachen

Heute hat mich diese Info erreicht, die ich an euch weiterleite.

Liebe Attacies, liebe Freund:innen von Attac und alle Klimaschützer:innen,
da die beiden vom BUND Duisburg organisierten Busse für die Fahrt nach Lützerath bereits ausgebucht(!) sind hat Attac Duisburgr kurzfristig einen dritten Bus von Duisburg aus organisiert.
Abfahrt wie die Busse vom BUND Duisburg um 10.00 Uhr am Fernbusbahnhof in Duisburg, Rückfahrt ab Lützerath/Keyenberg gegen 16.30 Uhr (Fahrzeit ca. 1 Stunde). Wir bitten die Mitfahrenden um eine Spende zur Finanzierung der Buskosten (natürlich kann auch spenden, wer leider nicht mitfahren kann!)
Da die Entscheidung jetzt kurzfristig gefallen ist bitten wir Euch alle dringend, Werbung in Eurem Umfeld dafür zu machen!! Laut Hans Dieter Gimbel waren heute Nachmittag um 15.30 Uhr noch 34 Plätze frei.

Reservierungen bitte an Hans Dieter Gimbel
per Mail: info@systemberatung-gimbel.de
oder per Tel: 0179-4807617

Wer gerne über die aktuellen Vorkommnisse in Lützerath informiert werden möchte: in google eingeben wdr liveticker lützerath
Es grüßt euch Maggy Wösthoff

Wolfgang Eppler in memoriam

Flohmarkt in Ruhrort. Siebziger Jahre. Es ist noch früh, noch gar nicht richtig hell. Viel heller wird’s auch nicht. Es hat geregnet, und der Himmel hängt immer noch voller dunkelgrauer Wolken. Es ist usselig. Es ist kühl. Man steht da in seinem Regenzeug und friert ein bißchen.
Da kommt noch ein Jüngsken angelaufen, klein, schmal, strähnige Haare, große Nase. Der findet zwischen zwei Ständen Platz, wo er eine Decke auf dem Boden ausbreitet, auf der er seine Waren legt. An sich kein Grund, davon besonders Notiz zu nehmen.
Bis Strähler mich aufmerksam macht: „Äh, hast du gesehen, was der da liegen hat?“
Ja, tatsächlich! Das ist doch ein Ding! Der hat da lauter Hitlerbilder und Naziklamotten.
Wolfgang Eppler und sein Bruder haben das auch gesehen: „Der packt Naziklamotten aus.“
Wir stellen uns zu viert um den Knaben herum und schauen uns das eine Minute an, wie er Stück für Stück weitere Hitlerporträts, Orden mit Hakenkreuz und „Mein Kampf“ aus seiner Kiste holt.
Dann ergreife ich das Wort: „Äh!“
Der Knabe schaut verwundert hoch. „Ja?“
„Pack dat weg!“
„Was?“
„Dat Nazizeug.“
„Warum?“
„Weil wir dat sonst wegpacken.“
Wir haben vom Regen und Wind zerzauste Haare. Strähler hat um seine Glatze einen buschigen Haarkranz. Wir tragen Friesennerze, an unseren Schuhen klebt Matsch. Eppler ist von uns der Größte, und sehr breit. Sein Bruder ist klein, aber sehr drahtig. Wir haben alle eine selbstgedrehte filterlose Zigarette im Mundwinkel und schauen sehr ernst.
Augenblicklich beginnt der Knabe, Stück für Stück seine Naziklamotten wieder einzupacken. Eine halbe Minute später hat er das Feld geräumt. Das hätten wir erledigt.
Später wird uns gewahr, daß der Knabe am anderen Ende des Platzes doch noch seinen Stand aufgebaut hat. Epplers Bruder schlendert zu ihm hin und kommt bald darauf wieder zu uns. Der Nazi-Knabe hat seine Sachen wieder gepackt und ist endgültig verschwunden.
„Wie hast du das denn gemacht?“
„Ich hab dem gesagt: ‚Hör mal, ich geb dir‘n guten Rat. Die Jungs da eben, die sind von der ganz harten Sorte. Die lassen überhaupt nicht mit sich spaßen. Es ist besser, du verschwindest jetzt.‘“

Diese Geschichte erschien in dem Buch „Der Gartenoffizier – 124 komische Geschichten“ (Situationspresse 2008). Der darin erwähnte Wolfgang Eppler erzählte gern von diesem Vorfall. Diese Geschichte ist nicht nur komisch, sondern auch typisch: Ernst nie ohne Unernst, Unernst nie ohne Ernst.
Wolfgang Eppler begann seine Tätigkeit als Buchhändler im Eschhaus-Buchladen. Später war er tätig im Buchladen Die Brücke (erst Ruhrort, dann Hochfeld). Nach der Vereinigung mit der Buchhandlung Agora (am Dellplatz) machte er sich als Antiquar selbständig, einige Zeit auf dem Pulverweg in dem Laden, in dem jetzt der traditionsreiche Musikladen Die Schallplatte residiert. Ich erinnere mich gern an die Gespräche und Fachsimpeleien dort im Hinterzimmer.
Es wurden nicht nur Geschichten und Erfahrungen ausgetauscht. Wolfgang Eppler war immer mit engagierter, wirksamer, uneigennütziger kollegialer Hilfe bei der Hand. Die Buchhandlung Weltbühne hat ihm viel zu verdanken.
Vorgestern, am Silvestertag, ist Wolfgang Eppler, unser Kollege und Genosse, 66jährig nach langer schwerer Krankheit gestorben.