Demnächst in der Weltbühne: Unbeugsam und widerständig

Ein monumentales Werk ist auf den Weg gebracht und wird in den nächsten Tagen eintreffen:
UnbeugsamUlrich Peters: Unbeugsam und widerständig. Die radikale Linke in Deutschland seit 1989/90. Unrast Verlag. 728 Seiten. 29,80 Euro.
So kündigt der Verlag das Buch an:

Als die Mauer fiel und „das glücklichste Volk der Welt“ die sogenannte „Wiedervereinigung“ zelebrierte, wurde der Klassenkampf samt dem „Zeitalter der Ideologien“ offiziell für beendet erklärt. Die salbungsvollen Worte erwiesen sich aber als inhaltsleer, der deutsche Imperialismus feierte fröhliche Urständ, aber auch die radikale Linke, die sich als Fundamentalopposition versteht, verschwand nicht von der Bildfläche. Über 20 Jahre später bietet sich nun die Gelegenheit, Bilanz zu ziehen und den Werdegang jener politischen Minderheit zu untersuchen, die sich einst gegen die Annexion der DDR gestemmt hatte.
Der Autor zeigt auf, wie sich der Epochenbruch von 1989/90 politisch und organisatorisch auf die verschiedenen Strömungen der radikalen Linken (Kommunisten, Anarchisten, Autonome) auswirkte, widmet sich dem Pro und Contra der antideutschen Orientierung und analysiert die praktischen Aktivitäten der Antikapitalisten, um der Frage nachgehen zu können, welchen Platz sie heute in der politischen Landschaft der zur Weltmacht aufgestiegenen BRD einnehmen. Zudem wird der Entwicklung der radikalen Linken ideengeschichtlich nachgespürt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Bemühungen, eine zeitgenössische Imperialismustheorie zu erarbeiten, Lehren aus der historischen Niederlage des Sozialismus zu ziehen und diese in Entwürfe eines zukünftigen Gesellschaftsmodells zu integrieren. Thematisiert werden auch Debatten zur Frage eines revolutionären Subjekts und die Stellung der radikalen Linken zum Islam.

Der Preis ist, gemessen am Umfang, doch recht günstig!
Für so dicke Bücher habe ich was übrig. Da muß man zu einer dauerhaften Beziehung bereit sein. Schade, daß die meisten Bücher im Herbst erscheinen. Dann kann man kaum noch die Samstagnachmittage damit im Botanischen Garten zubringen und muß das elektrische Licht zuhilfe nehmen.
Welches „Pro“ der „antideutschen Orientierung“ zu attestieren ist, wird sich mir auch nach der Lektüre nicht erschließen. Die „Antideutschen“ (die sich inzwischen auch nicht mehr so nennen) sind doch am ehesten mit der (ebenfalls der Linken entsprungenen) LaRouche-Sekte vergleichbar, bloß haben sie mehr Leute angefixt.
Nebenbei bemerkt: Wer in dieser allumfassenden Geschichte der radikalen Linken in Deutschland wieder mal nicht zitiert wird und nicht vorkommt, kann ich mir jetzt schon denken. Sollte ich mich irren, werde ich das melden. Zu wünschen wäre mal eine Geschichte der Minderheit in der Minderheit.

Und damit wären wir beim Thema:
Bestellen Sie dieses Buch (solche Bücher) in der Buchhandlung Weltbühne.
Wir besorgen jedes lieferbare Buch. Wir liefern jedes Buch an jeden Ort.
LIEBE leute BESTELLT bücher IN der BUCHHANDLUNG weltbühne UND sonst NIRGENDS.
Weltbühne muß bleiben.
Buchhandlung Weltbühne, eine gute Angewohnheit.

Keine Antwort ist auch ’ne Antwort. Keine Demo ist auch ’ne Demo.

Vor einem Monat wurde ich per E-mail darüber informiert, daß für den 18. Juli in Essen eine Demonstration gegen die Bombardierung Gazas durch Israel geplant sei, und ich wurde gebeten, diese Information weiterzuleiten.
Das habe ich nicht getan. Weder bin ich zu der Demonstration hingegangen, noch habe ich die Information weitergegeben. Es mag angemessen sein, gegen den israelischen Kriegsterror Einspruch zu erheben. Aber ich konnte mir an fünf Fingern abzählen, daß scharenweise auch Antisemiten, Haßprediger, islamistische Fanatiker, Holocaustleugner und -verharmloser, Rechtsradikale und Verschwörungsbeschwörer angezogen werden. Und so ist es ja auch gekommen.
Ich gehe auch nicht zu Demonstrationen gegen Antisemitismus. Es mag angemessen, es mag sogar bitter nötig sein, gegen den grassierenden Antisemitismus ein deutliches Zeichen zu setzen. Aber ich weiß nur zu gut, welches Pack sich da ebenfalls anlocken läßt.

FreiheitFuerDie Botschaft in Dunkelrot: Freiheit für Palästina. Nagut. Warum nicht. Freiheit ist immer gut.
Die hellroten Widersacher sind gegenteiliger Ansicht. Freiheit für wen auch immer. Aber „Palästina“ ist durchgestrichen.
Für die Sicherheit Israels („Save“) kann die Unfreiheit Palästinas ja wohl kaum Voraussetzung sein. Eher ist das Gegenteil der Fall. Das müßten die Israel-„Freunde“ doch wissen. Aber darum geht es denen ja gar nicht. Sondern: Daß Menschen zum allerhöchsten Ruhm von irgendwas unterdrückt und abgeschlachtet werden. Daran geilen die sich auf. Den scheinbaren Widersachern gemeinsam ist das Bedürfnis nach einem Großen Bruder.
Hier üben sich die Weltstrategen in der Fortsetzung des Krieges mit farbpsychologischen Mitteln. Wenigstens an Duisburger Mauern herrscht Waffengleichheit.

Zwei Seelen, ach!

„Der Nahost-Konflikt, dessen Grundwiderspruch der Konflikt ist zwischen dem jüdischen Staat, dessen Existenz gefährdet ist, und der arabisch/islamischen Welt, die Israel als Stachel im Fleisch empfindet, scheint heute einer Auflösung ferner denn je. Israels Gaza-Invasion hat die geringen Hoffnungen weiter verringert. Was hat Israel erreicht? Mehr Sicherheit? Nein.“

Dieser Kommentar zur aktuellen Lage wurde vor fünf Jahren geschrieben – von einer jüdischen Schriftstellerin, die es einfach keinem recht macht – gedruckt in DER METZGER 83 und als Flugblatt verteilt beim Ostermarsch.
Es geht in dem Kommentar um Israel/Palästina, aber mehr noch um die Wirkungen eines Konflikts auf die hiesigen Verhältnisse:

„Die Völker, die weit hinter der Türkei aufeinander schlagen, führen einen Stellvertreterkrieg für die zwei Seelen, die – ach – in deutscher Brust wohnen. Für die einen sollen die Palästinenser den Preis für das entrichten, was den Juden angetan wurde, und sie sollen als Sündenbock im wahrsten Sinne des Wortes in die Wüste geschickt werden. Die anderen wollen deutsche Schuld den Juden vererben („selber Völkermord!“). Dem dienen solche Formulierungen wie „Holocaust an den Palästinensern“ oder, der Gazastreifen erinnere heute an das Warschauer Ghetto. Man spürt die Absicht, und man ist verstimmt.“

Lesen Sie den ganzen Kommentar:
Lina Ganowski: Gaza und die Identität
..

Richtich!

RichtichRichtich! Anarchie muß her! Damit entlich widder Ortnung herrschd!
(Ich hab‘s befürchtet).

P.S.: Englisch à la Lübke?
Der Blau-Schreiber, der die Mitteilung „Ich BIN nie aufgewachsen“ unbedingt in Englisch hinschreiben mußte, hätte dann aber auch wissen müssen, daß es dann korrekterweise „I have (bzw. I’ve) never grown up“ heißen müßte.

Gleichung mit einer Unbekannten

Wenn man den lieben langen Tag damit beschäftigt ist, die Zwischenmenschlichkeit mit Kritischer Theorie, dem Prinzip Hoffnung, wissenschaftlichem Sozialismus, französischer Aufklärung, empathischer Amoralität, Beat, Politik der Erfahrung, der Großen Verweigerung, Humanitätsduselei, Poesie, Komik, Törn, Hedonismus, Sex-Appeal, Ästhetik & Widerstand und zivilem Ungehorsam zu durchdringen, kann einem die eine oder andere neue Heilsbotschaft mal entgehen.

AplusEMan will ja auf dem laufenden sein. Kann mir mal jemand erklären, was der Künstler, der die Fabrikmauer der Plüschweberei Schulte auf der Holteistraße in Neudorf (Hauptlieferant der Margarete-Steiff-GmbH) beschriftete, mit großem Bogen sagen will? Was hab‘ ich verpaßt?

BerndUndTeddiDas interessiert auch diese beiden.

Signal fatal oder Letzte Mahnung

1972 kandidierte erstmals die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) für den Bundestag. Und erstmals konnte ich bei einer Bundestagswahl eine Stimme abgeben. Ich stand vor der Entscheidung: Wähle ich DKP oder wähle ich Willy Brandt?
Ich und Willy Brandt (vulgo: SPD) wählen? Wie konnte ich sowas überhaupt in Betracht ziehen?
Die Sozialliberale Koalition, die doch ein bißchen mehr Demokratie wagen wollte und den Begriff „Lebensqualität“ aufbrachte – von der haben wir uns allzuviel auch nicht versprochen. Aber, wenn man „alles“ will, aber „alles“ nicht (sofort) geht, nimmt man, was man (erstmal) kriegen kann (wenn man klug ist). Aber das war nicht Grund genug. Entscheidend war: Die Sozialliberale Koalition wurde von rechts unter Druck gesetzt. Das Mißtrauensvotum war knapp abgewehrt. Eine stark nach rechts gerückte, aggressive CSU/CDU stand Gewehr bei Fuß. Also habe ich „Willy gewählt“. Gegen Strauß zu stimmen erschien mir vorrangig.
Heute finde ich meine Entscheidung von damals nicht mehr richtig. Ich hätte DKP wählen sollen. Es geht bei einer Wahl ja weniger darum, wer regiert und wer nicht regiert. Es ging damals ja auch darum, die wieder zur Legalität gelangte Kommunistische Partei als Größe in die politische Auseinandersetzung einzufügen. Bei Wahlen darf Taktik wohl eine Rolle spielen, aber nicht Überhand nehmen. Wer links ist in einer bürgerlichen Gesellschaft, sollte sich weniger um eine nicht ganz so schlechte Regierung, sondern mehr um eine halbwegs gute Opposition sorgen.

Bei der Wahl zum Europäischen Parlament kandidieren die Linkspartei und die DKP. Ich weiß nach dem, was ich in den letzten Tagen gehört habe, daß manche hin und her überlegen: DKP ist ja eigentlich schöner, aber die Linkspartei ist sowas wie der Spatz in der Hand.
Dazu fällt mir nur ein: An ihrer Verzagtheit werden die Linken nochmal zugrunde gehen (wenn sie nicht sowieso schon zugrunde gegangen sind, und wir haben es nur noch nicht gemerkt).
Wer für einen Spatz in der Hand die weitere Marginalisierung des Marxismus in Deutschland in Kauf nimmt, sendet ein Signal aus mit fatalen Langzeitfolgen.

Es gibt viele gute Gründe, der Linkspartei die Stimme zu entziehen. (Und denk ich an Duisburg in der Nacht, dann fallen mir auch noch ganz persönliche Gründe ein). Aber eine Stimme für „Die Linke“ ist auch immer eine Stimme gegen rechts.
Ein Wahlergebnis bildet nicht nur eine Stimmung ab. Es stellt auch eine Stimmung her. Wenn „Die Linke“ auf den absteigenden Ast gerät, dann ist das schlecht für uns alle – und mögen wir noch so sehr Gründe haben, diese Partei NICHT ins Herz zu schließen. Verluste für die Linkspartei werden in der allgemeinen Wahrnehmung eben nicht als Quittung für fragwürdige Entscheidungen, Abgehobenheit und Hochnäsigkeit und unsolidarisches Verhalten gewertet, sondern als ein fatales Signal, daß „links“ überhaupt nur noch ein Rudiment der Vergangenheit ist. Wenn einem sonst nichts übrigbleibt, soll man „Die Linke“ wählen.

Aber wo man die Wahl hat zwischen Linkspartei und DKP (bei der Europawahl und in einigen Städten auch bei der Kommunalwahl), sollte man sich doch für das Konzentrat und nicht für die Verdünnung entscheiden. Die Entscheidung zwischen Linkspartei und DKP kommt einer Entscheidung zwischen der Mayerschen und der Weltbühne gleich.

Und jetzt werde ich mal pötisch:
Die DKP ist wie eine Orange.
Die Linkspartei ist wie Sinalco.

Die SPD ist leere Flasche.
Und die Grünen sind wie Tritop – auch verdünnt ungenießbar.

Was will die CDU damit sagen?

Was will die CDU damit sagen?

Der Weg nach oben

Die Partei Die Linke, Duisburger Kreisverband, gibt die Zeitung Standpunkt heraus. Darin veranstaltet sie Preisausschreiben. Und was kann man gewinnen?
Büchergutscheine.
Aber nicht, wie Sie vielleicht noch denken, von der linken Buchhandlung am Ort. Sondern: von der Mayerschen Buchhandlung.
Das kam uns in der Buchhandlung Weltbühne doch etwas seltsam vor – ebenso dem Kunden, der uns kopfschüttelnd diese Nachricht überbrachte („Kann doch wohl nicht wahr sein“).
Ist aber wahr (und ick wundere mir über jarnischt mehr).
Gebeten (per E-mail), diese Entscheidung gegen links zu erläutern, kam die Antwort ein bißchen schnell: DASS DIESE ENTSCHEIDUNG NICHT ZU ERLÄUTERN SEI.

P.S.: Die Partei Die Linke, Duisburger Kreisverband, ist sicherlich gespannt auf Kommentare:
kreisverband@dielinke-du.de

Im Ernst

SchwemmSieh an! Die haben den Schwemm hervorgekramt.
Duisburg ist „erneuerbar“.
Genauso erneuerbar wie die Grünen?

Im Ernst:
Der Personalverschleiß bei den Grünen – verursacht a) durch aufreibende Flügelkämpfe und b) durch das „Rotationsprinzip“, das eingeführt wurde, damit jeder mal drankommt – hat mir nicht gefallen.
Darum ist es gar nicht so schlecht, daß die Grünen jetzt (nebst nichtssagender Parole) ein vertrautes Gesicht zeigen.
Auch wenn der so guckt, als wollte er uns alle hypnotisieren.

Was ist ein 68er?

Wat is en 68er? Ich bin kein 68er. Wenn Sie mich so nennen wollen, tun Sie’s. Wenn Sie das anerkennend meinen: gut. Wenn Sie das abwertend meinen: auch gut. Ich bezeichne mich nicht so. Ich kenne 68er. Mir sind viele über den Weg gelaufen, aber ich habe immer das Gefühl, denen über den Weg gelaufen zu sein.
Was ist ein richtiger 68er? Das ist einer, der mir im Februar 1968 gesagt hat: „Mensch, geh mir doch weg mit deinem Vietnam! Dat will doch keiner hören. Du bist ein unverbesserlicher Idealist! Bleib mir vom Leib mit Politik. Politik ist was für Proleten.“ – um mir dann im April 1968 zu attestieren, daß ich vom Widerstand des vietnamesischen Volkes gegen den US-Imperialismus nichts begriffen hätte, ich sei ein unverbesserlicher Pazifist, dem für die Strategie des antiautoritären Lagers gegen die Repression durch das Establishment vollends der Durchblick fehlt. Im Januar 1969 zeigte der richtige 68er mir einen Vogel, als er mich beim Lesen einer maoistischen Zeitung antraf, und im März 1969 erklärte er mir, daß ich, als typischer Kleinbürger, eine antiautoritaristische Macke hätte, aus mir würde nie ein anständiger Marxist-Leninist, weil mir für die proletarische Strategie vollends der Durchblick fehlt.
1971 erklärte mir der richtige 68er, daß ein unverbesserlicher 68er bin, der nur Politik im Kopf hat, anstatt im inneren Raum nach dem inneren Licht zu suchen. Für die psychedelische Katharsis fehlte mir einfach der Durchblick. 1973 erklärte mir der richtige 68er, daß ich ein unverbesserlicher Hippie und ständig bekifft bin. 1976 riet er mir, Dieter Duhm und das Neue Lote Folum zu lesen, ich sei nämlich 30 Jahre zurück. In den letzten Jahren habe ich vom richtigen 68er immer öfter gehört, daß Widerstand und Opposition Kinderkram ist, mit dem man nichts bewirkt.
Der richtige 68er hat mir attestiert, daß ich Reformist, Anarchist, Revisionist, unpolitisch, politisch, Dogmatiker, Abweichler, Sexist, Mitläufer, Außenseiter, Individualist, Stalinist und Pornograf bin, und zwar alles „unverbesserlich“. Der richtige 68er war immer schon „weiter“. Aber dahin wollte ich nie.

Wie kommt denn dieser Text hierher? Geschrieben habe ich ihn am 25. Februar 2001.
Das ist nämlich so: Mit Windows xp ist Schluß. Jetzt kommt Windows 7. Also muß ich unzählige Uralt-Text-Dateien, die noch in Uralt-Formaten gespeichert sind (TXT, sdw) hervorkramen und in einem neuen Format speichern, damit sie in Windows 7 überhaupt noch sichtbar gemacht werden können. Da tauchen im Keller die längst vergessenen Fragmente und Entwürfe auf, so auch dieses Dokument einer allgemeinen Verärgerung, das immerhin zwar zu Ende geschrieben, aber dann doch liegengelassen wurde – wohl für nicht gut genug gehalten. Naja, zum Besten, was ich geschrieben habe, gehört das ja auch nicht.
Ich zitiere es als Dokument meines beharrlichen Bemühens, dem Klischee von „68“ entgegenzuwirken. Das ist mir besser gelungen in dem Aufsatz „Es gibt keine 68er-Bewegung“, abgedruckt im Katalog der Ausstellung zur Jugendkultur des Kultur- und stadthistorischen Museums. Denn die Ziffer „68“ ist ein feindseliges Gerücht, weil damit eine Epoche zur Saison verkleinert wird. Wer sich selbst als „68er“ bezeichnet, ist keiner.
Die Verdikte Reformist, Anarchist, Revisionist, … Stalinist“ et cetera pepé (er)trage ich gelassen, vermisse es aber sehr, daß ich immer noch nicht als Trotzkist entlarvt worden bin. Besonders gefällt mir „Pornograf“.

Ich kann Ihnen übrigens versichern, daß es sich bei dem zitierten „echten 68er“ tatsächlich immer um ein- und dieselbe Person handelt – der einmal einem über mich erzählte, ich würde ja ständig meine Meinung ändern.

Barbara-1„Was haben Sie 1968 gemacht?“
Barbara-2
Wir haben uns die Freiheit genommen.
Barbara-HFP(Bild aus „Nummer 4“, Hut-Film).

Rot? Oder rot?

Die Streitigkeiten in der Linkspartei in Duisburg, die in der Affäre um die Zinkhüttensiedlung (siehe Notat vom 17.2.) sichtbar wurden, sind zu einem Machtkampf ausgewachsen. So meldete es gestern die WAZ: „Machtkampf bei den Linken. Fraktionsliste setzt sich bei der Kandidatenaufstellung durch. Parteispitze spricht von Schockstarre. Bekannte Gesichter sehen sich ausgebootet.“
Die Duisburger Linkspartei ist gewissermaßen bipolar. Auf der einen Seite der „links-linke“ Vorstand (Vorsitzende: Edith Fröse), auf der anderen Seite die „reformistisch-linke“ Ratsfraktion (Vorsitzende: Martina Ammann-Hilberath), die in Treue zum „rotrotgrünen“ Rathausbündnis steht.
Bei der Mitgliederversammlung, in der die Listenplätze für die Kommunalwahl aufgestellt wurde, wurde Martina Ammann-Hilberath als Spitzenkandidatin aufgestellt. Aber auch auf den folgenden aussichtsreichen Listenplätzen (z.Zt. 6 Ratsmandate) stehen nur Vertreter der „Fraktionslinie“. Thomas Keuer, der sich um Listenplatz 2 bewarb, guckte in die Röhre. OB-Kandidatin Barbara Laakmann winkte ab, weil sie sich „kaltgestellt fühlte“. Edith Fröse: „Das hat mit der Geschichte der Linken nichts mehr zu tun. Eine zweite SPD brauchen wir nicht.“
„Auffällig viele Neumitglieder“ hätten die Versammlung bevölkert. Das kommt einem doch bekannt vor. Bei Versammlungen, auf denen gewählt wird, sieht man oft viele neue Gesichter, die man vorher noch nicht gekannt hatte (und wenn die „Neuen“ Verheerungen hinterlassen haben, sieht man sie nie wieder).
Klug ist das ja nicht, wenn ein Parteiflügel den anderen hinausdrängt. Die Frage ist, ob die Fraktionsstrategen klug sein WOLLTEN. Wer so vorgeht, zeigt kein sonderliches Interesse am Zusammenhalt der Partei – und auch kein sonderliches Interesse an den Stimmen kritischer Wähler, die die Linkspartei wählen würden, wenn die Kritiker des Zinkhüttensiedlungs-Skandals in der Partei noch Gewicht hätten. In der Linkspartei gibt es Leute, die den „Erfolgskurs“ der Grünen vor Augen haben: Daß eine Partei sich gut halten kann, die auf ihre Grundsätze pfeift. Sie sollten dann aber auch sehen, was davon übrigbleibt.
Die Kandidaten auf den Plätzen 3 bis 10 kenne ich nicht. Ich habe ihre Namen noch nie gehört. Ich weiß nur: Das sind alles Analphabeten (die kaufen keine Bücher).

Wojna meint: Antifaschisten sind Faschisten (bitte anschnallen)

In seinem Blog hat der Stimmungssänger Wojna („Die Bandbreite“) unter der Überschrift „Schreibblockade“ sich wortreich geäußert. Dabei unternimmt er auch gleich eine Neueinteilung des politischen Spektrums. Ich zitiere:

„Heutzutage ist ja jeder rechts, wir ja angeblich auch. Auf so einen haltlosen Scheiß kann ich nur mit Abscheu reagieren.
Diese Antifa ist nichts weiter als ein faschistischer Freicorps, der im Einklang mit den Systemmedien steht und sich darübe nicht mal ein Stück wundert.
Mir kommt der Satz in den Sinn: ‚Was früher die SA ist heut die Antifa‘.Eine Schande seid ihr für die echten Sozialisten unter euch, die sich nun eindeutig als ‚rote Antifa‘ abgrenzen müssen, weil man sie sonst fälschlich in einem Atemzug mit euch als Faschisten bezeichnet.
Tu ich dieser antideutschen und rassistischen Antifa damit Unrecht, wenn ich sie als intellektuelle Hooligans bezeichne? Ja, denn von intellektuell kann da keine Rede sein.Dass solche Jugendverbände wie ‚Die Falken‘ ihre antiimperialistische Linie aus den 70er sukzessive abgelegt haben – oder sie von eben jenen ‚Antifa-Faschisten‘ unterwandert wurden ist mittlerweile offenkundig. Traurig um die vielen guten Seelen im Verband, die wie im Nazi-Deutschland damals daneben stehen und schweigen.“

Dem geht der Mund über, dem das Herz voll ist. Voll womit?
Wer der Mitwelt etwas Fundamentales mitzuteilen hat, aber damit auf Desinteresse stößt, wird laut und ergeht sich schließlich in maßlosen Übertreibungen.
„Was früher die SA ist heut die Antifa.“ Ich würde gern erfahren, wo Wojna diesen Satz aufgegriffen hat, wer ihn in Umlauf gebracht hat. In dem Milieu, in dem er heimisch ist, wird man wahrscheinlich fündig werden.
Er wird konkret und nennt den Verband SJD Die Falken beim Namen. Aus diesem Verband wurde er wegen seiner Rechts-Eskapaden ausgeschlossen. Und wieder einmal werden die „Antideutschen“ als Popanz vorgeführt.
Mit dem Phänomen der „Antideutschen“, einer von der Linken abgespaltenen, nach rechts tendierenden chauvinistischen Sekte, habe ich mich vor Jahren mal ausführlich beschäftigt, mich durch ihre unappetitlichen Publikationen gequält und mich darüber in mehreren Artikeln geäußert, was mich allerdings nicht davor schützte, daß dann und wann hinter meinem Rücken gemunkelt wurde, ich würde „antideutsche“ Positionen vertreten.
Meine gegenteilige Position wurde von der hiesigen Routine-Linken, wie alles, was ich sage und schreibe, ignoriert. Warum?
Man ist in diesen Kreisen an Aufklärung gar nicht interessiert. Ins Licht gestellt sind die Feinde unbrauchbar. Man benötigt sie als „Dunkelmänner“, denen man alles zuschieben kann, was man nicht verstehen will, und denen man jeden zurechnen kann, der lauter Fragen stellt, die nur jemand hören will, der stören will. Die Nebulösität der Begriffe ist Voraussetzung für die argumentlose Abwehr von Kritik.
Es gibt noch mehr solche Nebel-Wörter, die nichts Konkretes bedeuten und die man nach Bedarf mal mit diesem, mal mit jenem Inhalt auffüllen kann (zum Beispiel: „Feminismus“, „Pornographie“).

Ich empfehle, das Schlagwort „Bandbreite“ unter diesem Text (oder auch die anderen Schlagwörter) anzuklicken. Das ist meine Empfehlung an die Leute, die sich auskennen wollen.

Ungeheuerliches aus dem Tatsachen-Universum (bitte anschnallen)

Unter der Überschrift „Schreibblockade“ (?) macht Wojna („Die Bandbreite“) uns mit Tatsachen bekannt, die erklären, warum die Welt so ist wie sie ist:

„Nanopartikel werden ohne Studien und tiefere Erkenntnisse ihrer Wirkung überall in unseren Lebensbereichen eingesetzt und beeinträchtigen unsere Gesundheit.
Gibt es einen Grund warum Aluminium nur in der unbelebten Natur vorkommt? Warum erlaubt man es dann in Deodorants genau diese Metall an die Stelle zu sprühen, die dafür bekannt ist Ionen-Austausch mit der Außenwelt zu betreiben – unsere Achselhöhle?
Ich habe nie an die NWO glauben wollen, mittlerweile jedoch bin ich eines besseren belehrt. Durch die Enteisung unserer Mineralwässer wird künstlicher Eisenmangel hervorgerufen. Es scheint mir wirklich, als sei die Vergiftung der Menschen in diesem Land Agenda.
Denn nur so sind wir als Individuen dem Kapitalismus gefällig.“

Was soll man dazu noch sagen? Ich sage: Ei ei potzblitz!

Schwarzgrün?

In Hessen entsteht wohl eine schwarzgrüne Landesregierung, die durchaus zum Modell einer schwarzgrünen Koalition auf Bundesebene werden könnte – dann nämlich, wenn die CSU/CDU/SPD-Koalition letztlich am Mitgliedervotum der SPD scheitern sollte. Zwar haben es die SPD-Mitglieder so an sich, (und sei es zähneknirschend und unter weiterem Verlust von Enthusiasmus) den Anordnungen ihrer Anführer überallhin zu folgen. Aber die Sozialdemokraten 2013 haben nichts mehr zu verlieren und könnten … Naja, ist nur so‘n Gedanke.
Meinen Kommentar zur schwarzgrünen Bundesregierung habe ich schon 1995 geschrieben. Auszug:

Die Feierlichkeiten zum Zusammenwachsen des in einen Topf Gehörenden wären nicht komplett, wenn nicht auch das taz-grüne Milieu seinen Senf dazugegeben hätte:
„Noch vor zehn Jahren bügelten die Nachgeborenen die Berichte ihrer Eltern über Flucht und Vertreibung als politisch unkorrekt ab. Ihre Erzählung über Vergewaltigung, Mord und Totschlag schienen einer Generation, die gerade erst entdeckt hatte, daß ihre Eltern Täter waren, peinliche Lappalien zu sein im Verhältnis zu dem, was die Deutschen der halben Welt antaten. Jede Erzählung, die nicht mit deutscher Schuld begann, galt als neuerlicher Beweis für Verdrängung und Relativierung. In diesen Monaten aber hörten die Enkel den Großeltern zu, und die durch Lebenserfahrung und Wissen milder gewordenen 68er kramten in Tagebüchern und Fotoalben, ohne gleich zu moralisieren. Dieses Niveau ist nicht rückgängig zu machen.“ (Anita Kugler in der „Taz“).
Wieviel Lebenslüge doch in ein paar Zeilen paßt – und wieviel sich durch falsches Deutsch entlarvt. Wo sie sagen wollte „…was die Deutschen der halben Welt angetan hatten“, verwechselt sie die Tempi und sagt versehentlich etwas Wahres. Eine gesellschaftliche Auseinandersetzung wird nachträglich verniedlicht zum Mißverständnis zwischen den Generationen, von denen die eine nur aus Flüchtlingen und Vertriebenen, die andere nur aus „68ern“ besteht. Als hätte es junge Chauvinisten und ältere Widerstandskämpfer nicht gegeben. Wer eine solche Lesart der Zeitgeschichte auftischt, sollte wenigstens darauf achten, daß nicht innerhalb weniger Sätze Eltern zu Großeltern und Kinder zu Enkeln mutieren. „Die Nachgeborenen“ bezieht sich wohl weniger auf Brechts Gedicht „An die Nachgeborenen“, wohl mehr auf Kohls „Gnade der späten Geburt“, von der diese Nachgeratenen nun auch etwas abhaben wollen.
Jetzt erfahren wir auch, wodurch die sogenannten „68er“ geworden sind, was Anita Kugler „milder“ nennt: „durch Lebenserfahrung und Wissen“.
Sie konnten sich immer schon gut verstellen, die verlorenen Söhnchen und Töchterchen, die jetzt mit der Taz unterm Arm heimgekehrt sind. Früher taten sie sich groß, ihrem Verdruß über ihre mißratenen Eltern den Anschein politischer Haltung zu geben. Jetzt tarnen sie ihren Opportunismus als Lebenserfahrung und Wissen. Dabei nehmen sie ihre Haltung wider besseres Wissen ein. Aber es ist ja gerade nicht das bessere Wissen, das da gemeint ist, nicht das Wissen von und über etwas. Es ist das geheimnisumwitterte „Wissen um…“, das zur Attitüde der Abgeklärtheit gehört.
Durch erworbenes Wissen und Lebenserfahrung gar nicht milder geworden, stelle ich fest: die haben sich überhaupt nicht geändert, jene „68er“, die ohne zu moralisieren in Fotoalben blättern. Sie verstehen es nur mal wieder, im richtigen Moment die richtigen Sprüche aufzusagen. Diese sogenannten „68er“ haben ihren Eltern verziehen, und hinter dieser Pose der Großherzigkeit steckt nichts anderes als das Begehren, beim Aufstieg Deutschlands nicht abseits zu stehen. Dazu bedurfte es keines Bruchs ihrer Identität.
Daß die Mainstream-“68er“ nach „Sieg im Volkskrieg“ und „Macht kaputt was euch kaputtmacht“ jetzt die Kurve gekriegt haben hin zu schwarzgrüner Option, „ökologischer Marktwirtschaft“, „Politikfähigkeit“ und vaterländischer Opferbereitschaft, ist nicht das Resultat der deutschen Einheit. Die Niederlage des realen Sozialismus hat diese Entwicklung allerdings verstärkt und beschleunigt. An der Konstruktion gegenwärtiger Machtpolitik hat diese Ex-Linke mitgewirkt. Sie hat in ihrer Klamottenkiste, die sie durch die Weltgeschichte schleppt, genügend Zeugs gesammelt, mit dem man auf dem Weg nach oben gut gerüstet ist.
Die „Kritik“ am realen Sozialismus diente angeblich dazu, den wirklichen, authentischen, „echten“ Sozialismus herauszuarbeiten, in Wirklichkeit aber, den diskreditierten Antikommunismus des Establishments rundzuerneuern. Auf diesen Kern beschränkten sich die Alterativen in den 80er Jahren. Sie hörten pünktlich damit auf, ihre Parolen vom „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ herumzuposaunen. An die Stelle dieser idealistischen Phrase trat eine „Menschenrechtspolitik“, die sich von der Linie der CDU nicht mehr unterschied. Schwarzgrün gibt es schon lange.

kaffeemannaus „Sie müssen mich gern haben“ in DER METZGER 49 (1995), enthalten in „Streiten Sie nicht mit einem Deutschen, wenn Sie müde sind“ 21 Polemiken, Situationspresse 2001 ISBN 978-3-935673-15-0, beide noch erhältlich.

„Der Wurzel auf den Grund gehen“

Wer möchte in der Haut von Daniel Cohn-Bendit stecken? Er selbst ja auch nicht.
Man stelle sich vor, man hätte, als Zeitreisender, den Leuten, die 1968 von dem Linksüberholer kolossal beeindruckt waren, seine heutigen Zitate vorlegen, seine heutige Haltung referieren können. Eine unglaubliche Geschichte wäre das gewesen. Cohn-Bendit aber versteht sich in der Kunst, seine – na sagen wir mal: establishmentkompatiblen Auffassungen von heute zu verkünden und zugleich seinen Nimbus als Aufrührer im Pariser Mai zu wahren.
Doch die Geschichte hat einen Knacks bekommen, weil die verfolgende Unschuld mit seiner Offenbarung hausieren geht, er habe in den roaring Seventys Mädchen im Vorschulalter seinen Pillemann gezeigt (siehe DER METZGER 106). Na sowas!
Es gibt allerdings Bescheidwisser, denen schon, als Cohn-Bendit die Bühne der Zeit betrat, klar war, wie es mit dem mal enden wird.
„Warum geht er (Cohn-Bendit) der Wurzel seines Verhaltens nicht auf den Grund?“ fragt die Rote Fahne der MLPD. (Wenn man die Denkweise im Griff hat, kommt es auf die Schreib-Weise nicht so sehr an, und auch eine Doppel-Metapher ist statthaft).
Cohn-Bendits Windungen – und vor allem seine Wendungen haben nach Meinung der Roten Fahne ihre Wurzel in der Weltanschauung. Weil er nicht die richtige hatte, sondern eine falsche, und weil er nicht zur richtigen gefunden hat, mußte sein Weg der falsche sein.
„Wie soll eine Aufarbeitung (von Cohn-Bendits Kinderkram) aussehen? Wird sie wirklich kritisch-selbstkritisch durchgeführt und vertieft – auch bis zu ihrem weltanschaulichen Kern?“ fragt die Rote Fahne.
Den „weltanschaulichen Kern“ hat die MLPD patentiert: „Willi Dickhut … kritisierte Daniel Cohn-Bendit bereits 1970 grundsätzlich in seinem Buch ‚Antiautoritarismus und Arbeiterbewegung‘.“ Zitat: „Cohn-Bendit proklamiert offen den (bürgerlichen) Individualismus. Es geht hier gar nicht darum, ihm persönlich bösen Willen zu unterstellen – es kommt nur darauf an, objektiv festzustellen, daß er eindeutig eine bürgerliche und keinesfalls eine proletarische Auffassung vertritt.“
CohnBenditAlso: Eine Proklamation ist immer „offen“. Sonst wäre es keine. Eine Geheim-Proklamation gibt es nur in „Arsen und Spitzenhäubchen“.
Dafür, daß die „richtige Weltanschauung“ vor Torheit schützt, ist diese Beweisführung untauglich, führt man sich nur vor Augen, welchen Weg so mancher gegangen ist, der in der KPD/ML und im KABD die „proletarische Denkweise“ mit Löffeln gefressen hat.
Kleine Pikanterie am Rande: Ein Buch mit dem Titel „Antiautoritarismus und Arbeiterbewegung“ von dem Autor Willi Dickhut gibt es gar nicht. Es handelt sich um ein dünnes Heft aus der Reihe „Revolutionärer Weg“ (Theoretisches Organ der KPD/ML). Zwar war Willi Dickhut das einzige Mitglied des Redaktionskollektivs, aber just diese Nummer 3 hat er nicht geschrieben, sondern ein anderer: ein Hochschullehrer, dessen aus einer Silbe bestehender Name hier nicht erwähnt wird, der übrigens auch mal einen Beitrag für den METZGER beigesteuert hat.
Als die Partei von Intellektuellen „gesäubert“ wurde, lautete der Vorwurf, er habe den Antiautoritarismus, der eben ein Problem der Intellektuellen sei, vorgeschoben, um vom Kampf gegen den „Revisionismus“ abzulenken.

Der blaue Engel

Im Eschhaus wurden mittwochs Filme gezeigt. Kneipenkino ist eine interessante Sache. Ich kenne viele Filme teilweise, weil ich dort arbeitete und manchmal nur ab und zu einen Blick auf die Leinwand werfen konnte.
Eines mittwochsabends wurde „Der blaue Engel“ gezeigt, und das schuf eine ganz unwirkliche, geradezu psychedelische Atmosphäre. Man befand sich – sagen wir es ruhig – in einer Kaschemme, und auf der Leinwand zu sehen war eine Kaschemme. Es schien, als würde die Wand sich auftun. Der Film und die Wirklichkeit, in der er vorgeführt wurde, vermischten sich.
Marlene_Dietrich_in_The_Blue_AngelEs gab im Eschhaus einige politische Aktivisten, die jeden Mittwoch die Gelegenheit nutzten, vor dem versammelten Kinopublikum Proklamationen loszulassen, deren Schlußsatz stets begann mit: „Und wir fänden es gut, wenn möglichst viele Leute…“.
Im Anschluß an den „Blauen Engel“ ergriff also Michael van der Wielen (genannt Marinus) das Wort. Im selben Moment wurde ich von Wolfgang Esch angesprochen: „Ich bin mit‘m Auto hier. Ich fahr jetzt. Wenn ich dich nach Hause fahren soll, dann komm jetzt.“
Ich kriegte aber noch mit, was M-Punkt van der Wielen mitzuteilen hatte: In letzter Zeit, sagte er, wären immer wieder „Bullen in Zivil“ im Eschhaus gewesen. Die würden die Runde drehen und sich alles angucken. Dagegen müßten wir was unternehmen, und wir müßten überlegen, was.
Kaum hatte er seine Worte gesprochen, kamen auch promt zwei Herren von der Kriminalpolizei zur Tür herein. Das kriegte ich allerdings nicht mit, denn ich war damit beschäftigt, meine Siebensachen zusammenzuraffen, weil ich ja mit dem Auto mitgenommen werden sollte und der Fahrer auf mich wartete. Der hatte mich gedrängt: „Komm jetzt, sonst fahre ich ohne dich.“
Just in dem Moment, als ich mit der Tasche in der einen und dem Schlüssel in der anderen Hand aus dem Eschhaus-Buchladen gehen wollte, betraten die beiden Graumänner, von denen ich nicht wußte, daß sie Kripomänner waren, den Laden, den sie sicherlich nur allzu gern unter die Lupe genommen hätten. Wir stießen in der Tür fast zusammen.
„Wat? Nix! Nix! Nix! Feierabend. Raus!“ Die beiden Polizisten mußten rückwärts gehen, um nicht von mir über den Haufen gerannt zu werden. Auf Michael van der Wielens Gesicht regte sich der leise Anflug von einem Schmunzeln, was wahrscheinlich höchstens einmal im Jahr geschah.
Daß es sich bei den beiden Herren, die vor mir zur Seite springen mußten, um zwei Beamte der politischen Polizei handelte, habe ich, wie gesagt, erst danach erfahren. Aber das war in den nächsten Tagen im Eschhaus Gesprächsthema: „Hast du gesehen, wie der Loeven die Bullen verjagt hat?“

Die Mauer. Nachtrag.

Ein Gespräch kommt mir in Erinnerung. 80er Jahre, am Uni-Büchertisch. Es war allgemein bekannt, daß ich zur „Moskau-Fraktion“ gehörte. Ein linksstehender Student, der der „Moskau-Fraktion“ fern stand, diskutierte mit mir. Ich meinte, in der Systemauseinandersetzung müsse der sozialistische Staat ein starker Staat sein. Und es liege in der gegebenen internationalen Konstellation nicht immer in der Wahl sozialistischer Regierungen, in welchem Maße sie repressive Mittel einsetzen. Und: Wenn man den schlechten Sozialismus nicht verteidigt, kriegt man keinen besseren. Undsoweiter. Mein Gesprächspartner meinte, er könne sich meiner Auffassung nicht anschließen. Meine Argumente aber seien nicht unvernünftig, hätten Gewicht und seien bedenkenswert, auch wenn er sich meine Schlußfolgerungen nicht zueigen machen könne.
Während des ganzen Gesprächs standen nebenan, am Infostand des MSB Spartakus, die Haare zu Berge. Die Repressalien in der DDR dürfe man doch nicht als Folge von Ursachen begründen. Man müsse sie schlichtweg leugnen. Das war deren Linie.
Sie haben es auch vor sich selbst geleugnet. Denn – ich habe es erlebt! – 1989, bei einer Versammlung der DKP, rief eine MSB-Spartakistin entrüstet aus, was ihr tags zuvor zu Ohren gekommen war: „Die haben sogar in Berlin eine Mauer gebaut!“
Die Stimme, die eine Repression tadelt, die sie zuvor geleugnet hatte, ist keine kritische, sondern eine opportunistische. Und auch etwas komisch.
DIE HABEN SOGAR IN BERLIN EINE MAUER GEBAUT! JA, WENN WIR DAS GEWUSST HÄTTEN!

Was sehe ich?

Was sehe ich? In der Jungle World (16/2013) steht was über die MLPD? Angekündigt auf Seite 1 links oben.
Ich schlage also seit langem mal wieder diese Zeitung auf, Seite 6, und lese:
„Lügen und Schmähungen wollte sich die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands nicht gefallen lassen und klagte gegen zwei ‚Extremismusforscher‘. Die Partei feiert das Gerichtsurteil als Erfolg. Doch dieser ist überaus bescheiden.“
Wer hat den Artikel geschrieben? Ach so:
„von Anja Krüger und Pascal Beucker“.

Dann brauche ich den Artikel ja gar nicht zu lesen, ich weiß auch so, daß er gut ist.
Wenn Sie sich selbst überzeugen wollen:
http://jungle-world.com/artikel/2013/16/47534.html

P.S.: Jetzt habe ich den Artikel doch gelesen. Schön. Die MüllPD als running gag.

Von Anja Krüger erschien in DER METZGER 51: SturzPFLUG auf den Stammtisch. Rassistische Provinzposse in Marxloh.
Von Pascal Beucker erschien in DER METZGER 50: Wenn zusammenwächst, was zusammengehört.
BEIDE HEFTE NOCH ERHÄLTLICH.

Neues von der Schmalspur

Pressemitteilung der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken (Bezirk Westliches Westfalen):
„Unser Verband hat eine klare antifaschistische Tradition“
Der Bezirk Westliches Westfalen schließt Marcel Wojnarovicz, den Sänger der Band „Die Bandbreite“, aus dem Verband SJD – Die Falken aus.
Am Donnerstag den 14.2.2013 beschloss der Vorstand des Bezirks Westliches Westfalen der SJD – Die Falken den Ausschluss des Sängers der Band „Die Bandbreite“, Marcel Wojnarovic. Seit einigen Jahren war der Sänger der „Bandbreite“ im Verband der Falken und im politischen Umfeld umstritten. Dies gipfelte in einem Beschluss eines Bundesausschusses mit einer Aufforderung an alle Gliederungen der Falken, die „Bandbreite“ und ihre Mitglieder nicht mehr als Teamer und Band zu buchen.
„Dies ist kein einmaliger Vorfall. Ähnliche Beschlüsse wurden in befreundeten Organisationen wie der DGB Jugend oder den Jusos ebenfalls getroffen.“, erläutert Paul M. Erzkamp, Vorsitzender der SJD- Die Falken Westliches Westfalen.
Die Ordnungsmaßnahme gegen Marcel Wojnarovic wurde aus Sicht der Falken nötig, nachdem vor allem die Auftrittspraxis bei und mit rechten Personen und Organisationen einen Anfangsverdacht einer Verbandsschädigung offen legte.
„Mit einer traurigen Regelmäßigkeit trat Marcel bei dubiosen Veranstaltungen auf wie der Antizensur Konferenz (21.02.2009) oder einer Veranstaltung (10. Juni.2011), die von der Jungen SVP mitorganisiert wurde. Anfänglich hofften wir natürlich, dass es sich um ein Versehen handelte.“ erklärt Paul M. Erzkamp weiter. „Als aber Ende 2012 von den sogenannten Reichsbürgern das Vierte Reich als Monarchie „gegründet“ wurde und die „Bandbreite“ dazu das musikalische Rahmenprogramm stellte, mussten wir handeln. Unser Verband hat eine klare antifaschistische Tradition und wir sehen hier sowohl eine massive Verletzung unserer Verbandszwecke als auch die Strategie der Querfront, also der Zusammenarbeit von „rechten“ und „linken“ Gruppen gegen die Demokratie. Nachdem wir auf unsere Anfrage hin keine klare Distanzierung von dieser Auftrittspraxis über Jahre erfahren haben, waren wir leider gezwungen, diesen schweren Schritt zu gehen.“

LIEBE LEUTE, LEST mehr über die „Bandbreite“ in DER METZGER 96 („Die letzten Tassen oder Der apologetische Kusselkopp“ und „Ein ganzer Rattenschwanz… Die Bandbreite eines Milieus“) beziehungsweise auf der Homepage der DFG-VK Duisburg (links oben auf dieser Seite den Link „DFG-VK Duisburg“ anklicken).
Wer das Entsetzen lernen, dabei aber auch lachen will, findet in diesem Weblog reichlich Bandbreite-Schoten. Man muß am Ende dieses Artikels unter „Schlagworte“ das entsprechende Schlagwort mit der linken Maustaste anklicken (das wissen nicht alle).

Erst sowas, und dann nicht mehr sowas

Wieder ein Nachruf in der Frankfurter Rundschau. „Eine kluge, kritische Stimme – Die Journalistin Tissy Bruns ist gestorben“.
Ein kurzer Nachruf, in dem mitgeteilt wird, daß Tissy Bruns „Politische Chafkorrespondentin“ des Berliner Tagesspiegel war und von 1999 bis 2003 „an der Spitze der Bundespressekonferenz“ stand.
Etwas kurz geraten, dieser Bericht. Zwar steht da, daß sie „seit Mitte der 80er Jahre als Journalistin tätig war“. Aber wo?
Ihre journalistische Laufbahn begann bei den Roten Blättern, dem Magazin des MSB Spartakus. Sie arbeitete auch für den Freitag-Vorläufer Deutsche Volkszeitung, als diese noch auf der Linie der DKP lag. Ihre Schande wurde verschwiegen – die Schande, daß sie „sowas“ mal war, und die Schande, daß sie „sowas“ dann nicht mehr war.

*

Ein Gespräch kommt mir in Erinnerung. 80er Jahre, am Uni-Büchertisch. Es war allgemein bekannt, daß ich zur „Moskau-Fraktion“ gehörte. Ein linksstehender Student, der der „Moskau-Fraktion“ fern stand, diskutierte mit mir. Ich meinte, in der Systemauseinandersetzung müsse der sozialistische Staat ein starker Staat sein. Und es liege in der gegebenen internationalen Konstellation nicht immer in der Wahl sozialistischer Regierungen, in welchem Maße sie repressive Mittel einsetzen. Undsoweiter. Mein Gesprächspartner meinte, er könne sich meiner Auffassung nicht anschließen. Meine Argumente aber seien schlüssig und bedenkenswert, auch wenn er sich meine Schlußfolgerungen nicht zueigen machen könne.
Während des ganzen Gesprächs standen nebenan, am Infostand des MSB Spartakus, die Haare zu Berge. Die Repressalien in der DDR dürfe man doch nicht als Folge von Ursachen begründen. Man müsse sie schlichtweg leugnen. Das war deren Linie.
Sie haben es auch vor sich selbst geleugnet. Denn – ich habe es erlebt! – 1989, bei einer Versammlung der DKP, rief eine MSB-Spartakistin entrüstet aus, was ihr tags zuvor zu Ohren gekommen war: „Die haben sogar in Berlin eine Mauer gebaut!“
Die Stimme, die eine Repression tadelt, die sie zuvor geleugnet hatte, ist keine kritische, sondern eine opportunistische. Und auch etwas komisch.
DIE HABEN SOGAR IN BERLIN EINE MAUER GEBAUT! JA, WENN WIR DAS GEWUSST HÄTTEN!

Zuviel Ergo

In der Frankfurter Rundschau fand ich gestern den Nachruf auf Christian Semler. Er ist am 13. Februar 74jährig gestorben.
Christian Semler wurde 1938 in Berlin geboren. Sein Vater war Fabrikant, seine Mutter die Schauspielerin und Kabarettistin Ursula Herking („Münchener Lach- und Schießgesellschaft“, auch gemeinsam mit Werner Finck in der „Katakombe“). Semler war einer der führenden Köpfe im SDS. An die Spitze des Verbandes kam er in der Phase des Zerfalls. 1970 wurde der SDS aufgelöst.
Ein Zerfallsprodukt war die „Kommunistische Partei Deutschlands – Aufbauorganisation“ (KPD-AO), deren Chef Semler wurde. Anders als die konkurrierende KPD/ML hatte die KPD-AO keinerlei Beziehung zur Tradition der kommunistischen Bewegung in Deutschland. Und anders als die KPD/ML brachte die „AO“ noch nicht einmal eine unfreiwillig-komische Folklore-Show zustande. Sie war in ihrer Aufdringlichkeit schlichtweg langweilig, weshalb man sie auch gern als „KPD-A-null“ bezeichnete. Außer einem halben Dutzend Verirrter dürften dieser „Avantgarde der Arbeiterklasse“ auch keine Arbeiter angehört haben, weshalb sie sich die Verbalhornung ihres Namens als „KPD-OA“ (ohne Arbeiter) gefallen lassen mußte.
Den Gipfel der Frechheit erklomm die AO, als sie den Namenszusatz AO fallen ließ und sich fortan den Namen „KPD“ anmaßte. (Und der Gipfel der Verwirrung wurde erreicht, als nach der Auflösung dieser „KPD“ 1980 die KPD/ML ihrerseits den Namen „KPD“ usurpierte – woraufhin eine Abspaltung von ihr sich wiederum „KPD/ML“ nannte).
Die AO als Sekte zu bezeichnen ist schon darum sinnfällig, weil sie sich von der Linken strikt abgrenzte und – wie man so sagt – „lieber im eigenen Saft schmorte“. Anders als später die MLPD schmiß sie sich nicht an alles ran, was sich regte, sondern wollte unter sich bleiben. Das entschuldigt aber nicht das Verwirrspiel mit ihrem angemaßten Namen.
Zitat aus dem Parteistatut: „Voraussetzung für die Aufnahme eines Kandidaten in die Partei ist die feste Entschlossenheit“. Undsoweiter. Das Wortgeschepper entschuldigt mit seiner Komik nicht den Psychoterror, den die Organisation auf ihre Mitglieder ausübte, die sie in die Eindimensionalität führte. Um sich „nicht von den Massen zu isolieren“ wurde den Mitgliedern verboten, Bärte und lange Haare zu tragen, in Wohngemeinschaften zu wohnen und unverheiratet zusammenzuleben.
Reinweg gar nichts an dieser „KPD“ war progressiv oder irgendwie links. Sie machte sich die maoistische „Drei-Welten-Theorie“ zueigen. Ihr zufolge war die „sozialimperialistische“ Sowjetunion der „Hauptfeind“. Ergo war alles gut, was nicht links war: CSU, NATO, das Vaterland, der Antikommunismus. KPD-A-null, das waren glattrasierte Nationalisten in gebügelten Hemden.
Über die Auflösung der KPD-A-null 1980 konnte man sich gar nicht so richtig freuen. Denn nur Jargon und Taktik wurden verändert. Und nun strömten sie raus aus ihrem Ghetto, hinein in die entstehende Partei „Die Grünen“. Als die KPD-AO sich auflöste, bekamen die Grünen ihren rechten Flügel.
Ach ja: Christian Semler! Über ihn schrieb Thomas Schmid (auch so einer!) in der Frankfurter Rundschau: „Anders als viele seiner politischen Weggefährten wurde Semler nie ein Renegat.“ Man weiß gar nicht, wie man das angesichts eines so verdrehten Lebenslaufs verstehen soll. „Er blieb … ein Linker.“ Blieb? Oder: wurde wieder? Jedenfalls landete er bei der Taz. Zwei oder drei Artikel von ihm habe ich gelesen. Na ja. Nicht ganz falsch und nicht ganz unklug, was er da geschrieben hat.