Der Roman âIm Westen nichts Neuesâ von Erich Maria Remarque ist das berĂŒhmteste Werk, das sich mit dem Ersten Weltkrieg befaĂt.
Seit November 1928 in der Vossischen Zeitung als Fortsetzungsroman abgedruckt, erregte das Buch Aufsehen. Die Buchausgabe erschien im Januar 1929. Innerhalb von ein paar Wochen erreichte es eine Auflage von 450.000 Exemplaren. Es wurde noch im selben Jahr in 26 Sprachen ĂŒbersetzt. Bis heute gibt es Ausgaben in ĂŒber 50 Sprachen, die geschĂ€tzten Verkaufszahlen weltweit liegen bei ĂŒber 20 Millionen.
In dem Roman werden die Kriegserlebnisse des jungen Kriegsfreiwilligen Paul BĂ€umer und seiner Frontkameraden geschildert. Das Werk wird eingeleitet mit dem Satz: âDieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, ĂŒber eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde â auch wenn sie seinen Granaten entkam.â
Ăber die bald darauf in den Kinos gezeigte Verfilmung zitiere ich aus einem Bericht:
Am 5. Dezember 1930 wurde im Berliner Mozart-Kino am Nollendorfplatz der Film âIm Westen nichts Neuesâ uraufgefĂŒhrt. Der Film nach dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque erzĂ€hlt die Geschichte einiger Jungen, die, noch nicht ganz erwachsen, 1914 von der Schulbank weg in die Armee einberufen wurden, angesteckt von der vaterlĂ€ndischen Begeisterung, beduldelt von den patriotischen Parolen ihrer Lehrer. Was sie dann erleben, ist die Wirklichkeit: der Stellungskrieg in Frankreich, wo fĂŒr einen zeitweiligen GelĂ€ndegewinn von ein paar hundert Metern zigtausend MĂ€nner verrecken.
Gegen diesen Film, der den Ersten Weltkrieg so zeigte, wie er war, eine Hetzkampagne vom Zaun zu brechen, war die BewĂ€hrungsprobe fĂŒr den von Hitler zum âGauleiter von Berlinâ ernannten verkrachten Schriftsteller Joseph Goebbels. Von der Galerie dirigierte der spĂ€tere âPropagandaministerâ höchstpersönlich die Störaktionen der SA wĂ€hrend der UrauffĂŒhrung. Auch die folgenden Vorstellungen gingen im SA-Krawall unter, der sich bis auf die StraĂe fortsetzte. In seiner Zeitung âDer Angriffâ gab Goebbels die Parolen aus: âNieder mit dem Sudelfilm! FĂŒr die Gefallenen des groĂen Krieges! Rettet ihre Ehre! Rettet ihr Andenken!â
Goebbels und die NSDAP konnten ihre Kampagne gegen den Film als Erfolg verbuchen. Denn sie wuĂten, daĂ sie mit ihrer Meinung ĂŒber einen Film, der den Krieg zutreffend darstellte, nicht isoliert waren. Patriotische Abgestumpftheit hatte ihre Wirkung getan. Aber Goebbels war es um mehr gegangen als um einem schnellen Erfolg bei denen, die den Krieg als Völkergemetzel, in dem der Mensch als Treibstoff des Imperialismus verheizt wurde, nicht wahrnehmen wollten. Weitsichtig hatte er sich an einem Kunstwerk festgebissen, das fĂŒr ihn die âmarxistische Asphaltdemokratieâ reprĂ€sentierte: âIn Wirklichkeit … handelte es sich um eine prinzipielle Frage: darf es die Asphaltdemokratie weiterhin ungestraft wagen, angesichts der zunehmenden Nationalisierung der breiten Massen dem deutschen Publikum eine solche Verhöhnung deutscher Ehre und deutscher Tradition anzubieten?â
Goebbels stellte sich einer Kunst entgegen, die der Vernunft, der Klarheit und der Menschenfreundlichkeit zum Durchbruch verhelfen wollte. All das, was die âNeue Sachlichkeitâ aus den Ateliers und von den BĂŒhnen verbannte, das Heldische, Bombastische, SchwĂŒle, das Mystische, den Rausch, die Weihe, trug Goebbels auf die StraĂe, in die WirtshaussĂ€le. Je weniger hymnisch-pathetisch die Sprache der Literatur wurde, desto mehr wurde dies die Sprache der Politik, mit der Hitler und Goebbels sich an die Massen wandte. FĂŒr diese Politik, das wuĂte Goebbels, werden AnhĂ€nger nicht durch Argumente gewonnen, sondern durch eine Stimmung.
Die Nazi-Krawalle riefen die staatlichen Organe auf den Plan. Und zwar so: Wegen âSchĂ€digung des deutschen Ansehensâ verbot die âFilmoberprĂŒfstelleâ den Film âIm Westen nichts Neuesâ fĂŒr das ganze Reichsgebiet.
(Lina Ganowski in DER METZGER Nr. 72 (2005))
Erich Maria Remarque 1963: âIch dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, daĂ es welche gibt, die dafĂŒr sind, besonders die, die nicht hingehen mĂŒssen.â â Eine Voraussicht auf die Oliv-GrĂŒnen von heute.
Der Film wird heute um 20.15 Uhr auf Arte gezeigt.
Der Roman, ergĂ€nzt um Materialien, ist als Taschenbuch erschienen und kostet 8,99 âŹ.
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