Der Kessel des Monats

Kessel2014-08Als die Niederrheinische Hütte in Hochfeld beseitigt und an ihrer Stelle der „Rheinpark“ angelegt wurde, da wurde dieser Kessel stehengelassen, was ihm eine über den Monat hinausgehende industriedenlmalmäßige Bedeutung verleiht. Wahrscheinlich ist da ganix drin.

„Doch! Da ist Luft drin!“ schreit der Physiker in mir.

Bilder einer Wanderung bei schlechter Laune

Wo soll man am gesetzlichen Juni-Feiertag denn hingehen, wenn
a) an einem der freien Tage schon wieder Trübsinns-Wetter ist,
b) das Betreten der Wälder wegen der Schäden durch das Unwetter sogar amtlich verboten ist (einleuchtend),
und zudem noch entgegen dem WDR-Wetterbericht, daß es nicht regnet, es dann doch regnet?
Schlechtes Wetter trübt meine Stimmung nie – außer an solchen Tagen wie letzten Donnerstag.
Also; nicht durch die Wälder, nicht durch die Auen, sondern durch die Stadtteile.

Froh14-01Die Schule an der Gneisenaustraße gefällt mir heute nicht. Diese imperialistische Bombastik! Diese Naturstein-Festung rund um den Fahrradkeller! Diese Strategie der hohen Decken, damit die Stimme des Lehrers größeren Hall bekommt! Das ist keine Stätte fröhlicher Wissenschaft, das ist eine Anstalt.

Froh14-02Da stellt man folgerichtig einen Luftschutzbunker daneben.

Froh14-03Das sieht doch gar nicht schlecht aus. Im Spätsommer werden dann am Rande der Eisenbahnlinie Pflaumen geerntet.

Froh14-04Bei der Industrialisierung ist für Wanheimerort ein Viadukt abgefallen (für die Abzweigung der Bahn, mit der man nach Hochfeld fährt).

Froh14-05Wenn man unter diesen Unterführungen hindurchgeht, verläßt man Wanheimerort und ist dann in Hochfeld.

Froh14-06Umgekehrt betrachtet: Wenn man unter diesen Unterführungen hindurchgegangen ist usw.
Unter der ersten Unterführung wurden allerhand Kirmeswagen abgestellt.

Froh14-07Fundstück für die METZGER-Serie „Komische Häuser“ (Krummenhakstraße).
Die Dachgaube scheint sich nach rechts verdreht zu haben. Die Dachrinne wird von Birkengewächsen beansprucht. Der Letzte hat nicht nur das Licht ausgemacht, sondern auch die Rolläden runtergelassen.

Froh14-08Alles hat einmal ein Ende, auch die Krummenhakstraße. Angefangen hat hier der Regen. Ich: ohne Schirm!

Froh14-09Es gibt Stellen, die sehen fast noch so aus wie vor 40 Jahren. Nur wurde hier das Hochfelder Standard-Dunkelgrau durch abblätternden Fassadenanstrich ersetzt. Auch die Euphemisierung von einem Büdeken als „Halle“ erinnert an früher.

Froh14-10Über die Königgräzer Straße könnte ich auch noch was erzählen. Später vielleicht.

Froh14-11Rudolf-Schönstedt-Straße. Bemerkenswert. Finden Sie in diesen Tagen mal eine Straße, wo nicht aus jeden Fenster ’ne Fahne raushängt.

Froh14-12Klar! Wenn man auf der Graustraß‘ wohnt, müssen die Häuser natürlich orange-rosa sein.

Froh14-13Sagt alles.

Froh14-14Nicht „Le Quai des Brumes“ von Marcel Carné 1938, sondern: Hafen unter grauem Himmel vorgestern.
Da stand ich und sagte: „Ich geh‘ jetzt nach Hause.“

Brief von Susanne

Susanne hat mir gestern diese E-mail geschickt:

Liebe Wachtelfreunde!

Kurz vorm Wochenende möchten wir Euch den Freitag Nachmittag mit ein wenig Spam versüßen! Wir haben hier in den nächsten Wochen ein paar feine Veranstaltungen!

Am Di., den 25.3. gibts eine Lesung. Marek Heindorff liest aus seinem Roman „das Leben ist Brosig“. Der junge Mann kommt aus der Weltstadt Düsseldorf, das ist vielversprechend. Dazu gibts Schnittchen und Kaltgetränke.
www.marek-heindorff.de

Am Do., den 03.03. haben wir hier eine Vernissage. Der Hochfelder Künstler Axel Limpert verschönert unsere Wände mit seinen Bildern. Darüber freuen wir uns sehr!
Der Eintritt ist frei!

Vernissage-Limpert

Am 15.04. gibts eine Lesung mit folgenden Akteuren: Die Autoren des Buches „Mit Schmackes – Punk im Ruhrgebiet“, Ben Perdighe (der war letztens schonmal da und das hat Spaß gemach!) und die Schreiberlinge vom „Out of Order Fanzine“ bei dem ich die ersten 4 Ausgaben auch mitgeschrieben habe und zum ersten Mal selber vorlese. Wie wunderbar!
http://punkimruhrgebiet.de/

Jetzt vergesst mal nicht die Termine dick in den Kalender zu schreiben, wir freuen uns auf Euren Besuch!

Liebe Grüße
Susanne

Jetzt vergesst mal nicht die Termine dick in den Kalender zu schreiben, die Spinatwachteln freuen sich auf Euren Besuch!
Und ich darf auch nicht länger vergessen, mich um eine Terminabsprache zu kümmern, weil ich ja auch in der Spinatwachtel ein weiteres Mal was vorlesen will!

Hafenstaedter-Foto

Hafenstaedter-Foto

Nein, nicht in New York trafen sich diese Künstler, sondern in Hochfeld!

Wechselstrom oder Die Liebe in den Zeiten des Telefons (3)

Es hatte einen Skandal gegeben. Peter Dietz vom Eschhaus hatte für eine Veranstaltung der Grünen ein Plakat entworfen, das in der „Szene“ als „sexistisch“ identifiziert wurde, natürlich erst, nachdem das Plakat in Umlauf gebracht worden war, sonst wär‘s ja nur ein kleiner Skandal gewesen, und man empört sich eben lieber über große Skandale. (Das Plakat zeigte ein Rock‘n‘Roll-Tanzpaar). Jedenfalls beschloß ich, daß dieser „sexistische“ Künstler das Cover für die nächste METZGER-Ausgabe (Nr. 37) gestalten sollte. Bei dieser Gelegenheit erzählte er mir:
„Du hast ja in der Szene ein sehr negatives Image.“
„Tatsächlich? Ich dachte eher, man würde mich tunlichst ignorieren.“
„Weit gefehlt. Man munkelt. Man sucht nach Gründen und findet welche. ‚Kennst du schon die neueste Schote vom Loeven und seinen zwei Frauen?‘ Und jetzt auch noch ein Buch mit Sex-Geschichten!“
Na, dachte ich, jetzt fängt‘s an, Spaß zu machen. Übrigens war Christina nur ein einziges mal im Eschhaus.

M037Christina bekam Besuch aus ihrer mittelrheinischen Heimat. Das war Össi, so ‘ne Art Jugendfreund.
„Der Össi würde gern mit mir was anfangen. Aber ich will das nicht. Der will mich heiraten. Aber der setzt nichts bei mir in Gang, verstehst du? Sexuell regt sich da nichts bei mir.“
Sie hatte mir ein Klassenfoto gezeigt. Da stand sie neben ihrem damaligen Freund. „Und sieh mal: Der Typ, der da hinter uns steht, das ist der Össi. Der stand immer in der Nähe und hat immer aufgepaßt und immer gewartet, daß ich mit meinem jeweiligen Freund Schluß mache, damit er dann drankommt.“
Und jetzt war dieser Össi eine Woche lang zu Besuch bei ihr. Der Einfachheit halber übernachtete er auch bei ihr, und zwar zusammen mit ihr in ihrem Bett, „ohne daß etwas passiert“. Ich wußte ja, daß sie im Bett nichts anhat. Sie schläft nackt. Ich fragte vorsichtig, ob sie, solange sie ihr Nachtlager mit dem teilt, dann doch einen Pyjama trägt oder sowas. „Nein. Du weißt doch: Ich schlafe immer nackt.“
Jetzt werde ich aber mal moralisch: zusammen in einem Bett, und dann auch noch nackt, „ohne daß etwas passiert“. Dafür habe ich wenig Verständnis.
Und nun sollte ich Össi kennenlernen, in Christinas Dachwohnung auf der St.-Johann-Straße. Er war ein etwas dicklicher, linkischer Typ, der nicht so recht wußte, ob er mir die Hand geben und ob er mich mit „Sie“ anreden mußte. Er war mir schon deshalb unsympathisch, weil er bei der Bundeswehr den Grundwehrdienst abgeleistet hatte. Der war zu doof gewesen, sich davor zu drücken. Und wie kann man nur Össi heißen? Als er mich sah, dachte er bestimmt: „Also schon wieder einer! Na ja, dann warte ich den eben auch noch ab.“ Während dieser festklebende Reservist schweigend dabei saß, redete Christina über unser Buchprojekt, und sie breitete wieder mit allen Details ihre sexuellen Phantasien vor mir aus, über die er nicht mitzureden hatte. Dafür durfte er, nachdem ich gegangen war, seine Göttin nackt sehen und neben ihr liegend sich Mühe geben, Berührungen zu vermeiden.
Als ich ging, wußte ich nicht, über wen von den beiden ich mich mehr ärgern sollte. Über sie, daß die das mit dem macht? Oder über ihn, daß der das mit sich machen läßt? So ging ich zu Fuß von Hochfeld nach Neudorf, denn wenn man schlecht gelaunt ist, muß man zu Fuß gehen.
Als der Reservist endlich wieder weg war, spazierte ich mit Christina die Lotharstraße entlang.
„Also mit dem Össi wird das nichts“, sagte sie. „Das hab ich ihm auch diesmal wieder gesagt, daß das nichts mit uns gibt und daß sexuell nie was zwischen uns laufen wird. Der würde ja gerne, und wartet, bis ich für ihn frei bin. Aber ich will den nicht. Zum Beispiel: Der würde mir nie den Hintern versohlen.“
„Weiß der denn überhaupt, daß du auf Spanking stehst?“

Das hätte der Herr Össi NIE getan! Und Christina hätte man auch wohl kaum je mit High Heels gesehen.

Das hätte der Herr Össi NIE getan! Und Christina hätte man auch wohl kaum je mit High Heels gesehen.

„Natürlich weiß der das!“ rief sie entgeistert. „Das habe ich ihm selbstverständlich gesagt, daß ich darauf stehe und daß ich mich danach sehne und daß ich das brauche und daß ich das von einem Mann erwarte. Aber das kann der nicht. Der ist eben ein Schlappschwanz wie die meisten Männer. Für den bin ich doch eine Göttin. Der himmelt mich an. Aber das reicht mir nun mal nicht.“

An einem Abend rief sie mich an. Ich erkannte ihre Stimme kaum. Sie war verheult, ihre Stimme vor Verzweiflung verzerrt.
„Helmut, kann ich zu dir kommen? Ich weiß sonst nicht, was ich machen soll. Es ist Weiterlesen

Wechselstrom oder Die Liebe in den Zeiten des Telefons (1)

Ich wollte schon lange mal erzählen, wie ich mal den Ostermarsch zum Stillstand gebracht habe. Aber das ist nicht leicht erzählt. Es hat etwas mit Kanada zu tun und im weitesten Sinne auch mit Wechselstrom. Ich muß also etwas ausholen. Und weil es auch mit Christina zu tun hat, könnte ich – was, zugegeben, das eigentliche Motiv für die Niederschrift dieses Berichtes ist – auch Liebeskummer schreibend bewältigen (wovon dann allerdings noch reichlich übrigbleiben wird). Mit neuem Liebeskummer bin ich in den letzten zweidrei Jahren nicht knapp beliefert worden, und wer schon mal geliebt hat (solche Leute gibt es), der weiß, daß das ein haltbares Gut ist, und der ahnt, daß da noch beträchtlich Bekümmernis früherer Lebensphasen wirkt und wütet. Wer viel geliebt hat und gern geliebt hat und auf den Pfaden der Liebe auch dann weiterwandelte, wenn sie durch unübersichtliches Gebiet führten, der trägt was mit sich herum, das können Sie mir glauben. Vielleicht wollen Sie ja auch endlich mal erfahren, warum ich die St.-Johann-Straße in Hochfeld nicht ohne einen melancholischen Seufzer entlanggehen kann. Also lesen Sie jetzt bitte diese Geschichte, sonst hat es ja keinen Zweck.

StJohannStrChristina kam aus der Provinz, um hier zu studieren. Sie geriet in mein Blickfeld, weil sie eine Freundin meiner Frau war. Der Freundin der Frau Aufmerksamkeit in mehr als dem schicklichen Maße zukommen zu lassen, ist eine Sache, die ich nicht unbedingt jedem empfehle, sondern nur solchen, die „Je ne regrette rien“ zu einem Lebensmotto zu erheben fähig sind (es kommt natürlich auch darauf an, mit welcher Frau man zusammenlebt).
Aus der Provinz kommend, war die 20jährige blonde Schönheit vom Lebensalltag mitten im bevölkerungsreichsten Ballungsgebiet Mitteleuropas überwältigt (nicht nur im positiven Sinne). Dieses motherless-child-Gefühl schwand, als sie uns kennenlernte. Wir (meine Frau und ich) machten damals täglich unseren Uni-Büchertisch, von dem heute noch manche Legende sagt und singt. Christina fand uns und die Dinge, mit denen wir uns beschäftigten, „unheimlich interessant“. Sie fühlte sich geehrt, von uns wahrgenommen und anerkannt zu werden, von Leuten also, die „schon unheimlich lange“ und mit Ernsthaftigkeit eine – wie könnte man sagen – selbstbestimmte, den uneinsehbaren Zwängen bürgerlicher Konventionen trotzende Existenz praktizierten (ich war damals Anfang dreißig). Es wäre mir schwergefallen, sie nicht wahrzunehmen, so wie die aussah, und so gescheit wie die war. Sie bewunderte uns. Ich muß sagen: Ich habe nur selten einen so wißbegierigen und begeisterungsfähigen Menschen erlebt, und auch nur selten einen so mitteilsamen. Sie redete und redete und redete sich alles vom Herzen, was sie gesehen und erlebt hatte und was ihr durch den Kopf ging. Und sie wollte alles erklärt haben. Dieses blasierte Desinteresse der jeunesse dorée war überhaupt nicht ihre Art.
„Erzähl mir doch mal etwas über den Ostermarsch“, wollte sie wissen, oder: „Was ist das: VVN?“
„Das ist die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.“
„Was? Das gibt es? Was ich durch dich alles erfahre! Durch dich gehen mir die Augen auf!“
Daß das alles mit Subversion zu tun hatte, mit lustvollem Sich-einfach-über-die-Regeln-Hinwegsetzen, machte die Sache für sie richtig spannend. Sie konnte sich für Politik begeistern, weil sie nicht nur eine notwendige Beschäftigung ist, sondern auch Spaß macht. Aber ein anderes Thema beschäftigte sie mehr, und das war der Sex. Ich würde mal schätzen: Über 80 Prozent ihrer Reden und ihrer Gespräche mit mir handelten vom Sexuellen, und es war auffällig und nicht uncharmant, daß sie die Wörter „sexuell“ und „Sexualität“ mit scharfem „S“ aussprach. „Sexuell“ mit scharfem S klingt sexy.
Es wird wohl so gewesen sein, daß ihre plötzliche Begeisterung für das linksradikale Milieu von der Annahme herrührte, daß die linken Umstürzler die bürgerliche Sexualmoral hinwegfegen und der reinen Lust den Weg ebnen. Ich dachte: „Mädchen, wenn du dich da mal nicht irrst.“ Ich sagte: „Du kannst nicht vom Einzelfall auf das Gesamte schließen.“

christina2Wie fast alle sinnlichen Frauen war sie für die Liebreize des eigenen Geschlechts sehr empfänglich. Aber sie entschied: „Ich finde das ungerecht! In Illustrierten, im Kino und in der Werbung sieht man immer schöne Frauen. Das ist ja auch gut so. Das soll ja ruhig so sein. Aber warum sieht man nicht genauso oft schöne Männer? Ich will nackte Männer sehen!“
Ich antwortete: „Das hat alles ja mit Rollenbildern und gesellschaftlichen Machtstrukturen und dem ganzen Tralala zu tun. Aber könnte es nicht sein, daß – darüber hinaus und davon abgesehen – weibliche Schönheit deshalb in der Darstellung vorherrscht, weil Frauen nun mal das schöne Geschlecht sind?“
„Nein!“ rief sie entschieden. „Männer sind auch schön!“ Und dabei leuchteten ihre Augen.
Ich durfte mir unentwegt ihre Elogen anhören über ihre männlichen Kommilitonen, denen sie eine „göttliche“ Gestalt attestierte. „Göttlich“ war einer ihrer Lieblingsausdrücke, und die Gerhard-Mercator-Universität zu Duisburg muß wohl – für mich zuvor ungeahnt – eine einzige Parade von Adonissen gewesen sein. Ein anderer Lieblingsausdruck war „spannen“. Sie „bespannte“ die einherflanierenden Kommilitonen ungehemmt, das heißt: sie tastete mit Blicken ihre Körperlinien ab und versuchte auch, mit Blicken Signale des Einverständnisses auszusenden.
Ich mußte sie aufklären: „Es freut mich ja, wenn deine Blicke den meinen folgen, wenn ich die Aphroditen und Myrrhinen und Kallipygen betrachte. Aber meine Blicke folgen den deinen nicht überall hin. Denn ich bin sowas von unschwul, sowas von hetero, das ist schon fast wieder pervers.“
Sie wollte von mir wissen, wie ein Mann das empfindet, „wenn er Weiterlesen

1. Dezember Geburtstag: 45 Jahre DER METZGER

Am 1. Dezember 1968 (Sonntag) wurde die erste Ausgabe von DER METZGER hergestellt (und somit ist das auch der Geburtstag der Situationspresse).
Ich weiß nicht mehr, wann ich mich entschlossen hatte, diese Zeitschrift zu gründen. Es war vielleicht gerade mal eine Woche vorher gewesen. (Früher, als wir noch Latein in der Schule hatten, nannte man sowas: Ad-hoc-Entscheidung). Ich zweifelte allerdings nicht daran, daß ich mit 64 Jahren immer noch mit der Herausgabe dieser Zeitschrift beschäftigt sein werde. (Früher nannte man sowas: Lebenswerk).
Die erste Ausgabe umfaßte 12 Seiten und enthielt eine Kurzgeschichte, einige Gedichte (auch welche von mir, oh je oh je!) und ein paar Buchhinweise. Die 12 Wachsmatrizen hatte ich am Samstagabend in einem Schwung auf meiner Reiseschreibmaschine getippt und die Überschriften und die eine Strichzeichnung mit einem Spezialstift in die Wachsmatrizen geritzt.
M01CoverIch begab mich am Sonntagnachmittag zu Fuß nach Hochfeld zu Siegfried Baumeister (hab ich den schon mal hier erwähnt?). Der hatte eine Vorkriegs-Hektografiermaschine mit Kurbelbetrieb. Da war ein Mädchen zu Besuch, eine dunkelhaarige Schönheit, die mir schon öfters bei Demonstrationen und Apo-Aktivitäten aufgefallen war und die ich unbedingt mal kennenlernen wollte. Und die half mir fleißig, die Blätter zu sortieren und zusammenzuheften, damit die Hefte am Montag Vormittag auwm Schullow verkauft werden konnten (Preis: 40 Fennich).
Das war der Anfang einer intensiven, lang(wierig)en, mehrmals von vorn beginnenden, höhepunktreichen und unbeschreiblich lustvollen Liebesbeziehung. Es lohnt sich also, Zeitschriften zu gründen.
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Anne half

Mehr über die abenteuerliche Geschichte dieser verdienstvollen Zeitschrift kann man nachlesen in dem Gespräch anläßlich der hundertsten Ausgabe 2012 auf Gasolin-Connection.

Wir waren in der Spinatwachtel

Das wäre geschafft! Und es hat geklappt.
Am Dienstag, wie angekündigt, war die Lesung.
SpinatLesNov13-1Alles lief so gut wie erhofft und besser als erwartet. Durch ein Sauwetter hindurch, aber trocken von Neudorf nach Hochfeld gelangt, von den Veranstaltern alles gut vorbereitet und mit-gedacht, Publikum traf ein und füllte den Raum. Kaum Versprecher beim Vortrag.
SpinatLesNov13-2Publikum gnädig. Nein, man kann mit Fug sagen: Publikum aufmerksam, Publikum zufrieden, Publikum amüsiert.
Ich hatte ja kaum zu erwarten gewagt, daß außer mir auch andere zue und aufe Türen, mit Fett beschmierte Gummiplatten und „Maria im Gefängnis“ irgendwie komisch finden.
Das Motto des Abends lautete „Wir bleiben im Bahnhof“. Was es mit dieser rätselhaften Mitteilung auf sich hat, konnte geklärt werden.
Der Ton-Mitschnitt ist gut geworden. Darum ist mit einer Doppel-CD in Kürze zu rechnen (Ankündigung demnächst). So werden dann also die, die nicht kommen konnten oder den Termin glatt verschwitzt hatten, doch noch einiges erfahren können über solche Themen:
LSD im Trinkwasser, Schwester Edith, Gottesglauben eines Atheisten, Straßenbahn und Coca Cola in den nicht enden wollenden 50er Jahren, Physik im nicht enden wollenden Mittelalter, die Idiotie des Pragmatismus, der Mathematiker als Terrorist, Barbara, Anne, Christina, der Beamte im Sündenpfuhl, meine Schwierigkeiten mit den Frauen,
et cetera pepé.
SpinatLesNov13-3Noch einmal mein herzlicher Dank an die Gastgeber Gwisdalla & Tepaß (respective Susanne und Andreas), deren Projekt Spinatwachtel Glück und Aufmerksamkeit zu wünschen ist. Die Einladung, sowas nochmal zu tun („Du bist immer ein gern gesehener Lesegast, hier auf unserer Couch!“) nehme ich gern an (wird sich finden, wird angekündigt). Denn es wäre noch viel zu erzählen darüber, daß der Ernst des Lebens eine seltsame Komik entfaltet.

Bilder von einer Wanderung

Weil letzten Samstag so ein schönes Spätsommerwetter war, entschloß ich mich: Nein, die Balkontür werde ich heute doch nicht streichen (sondern nächstes Jahr), und stattdessen unternehme ich heute noch einmal eine meiner Wanderungen.
KuH01Und wohin habe ich mich im menschenleeren Bus begeben? Zur Kupferhütte!
KuH02Strahlend der Himmel und finster die Industriekulisse. Links im Bild: Plakat zu einer Wahl, die vor Jahren stattfand.
KuH03Strandpanorama soll ein Lichtblick sein? Weghier.de (denkt vielleicht jemand. Ich nicht).
KuH04Die dahinschwindende Industrie läßt auch mal eine Lücke, in die ein Baukran paßt. Das Auto fährt dahin, wo niemand ist.
KuH05Blaues Schild: Lange Nacht der Industrie (oder: bange Nacht?).
KuH06KuH07KuH08Nasse Straße, obwohl es seit Tagen nicht geregnet hat.
KuH09KuH10Einige Verwaltungsgebebäude sind an zahlreiche kleine Firmen vermietet worden. Einige Fenster werden noch geputzt.
KuH11Hochspannung!
KuH12In diesem Kabüffchen konnte man sich besonders schön auf den Feierabend freuen (mit Thermoskanne).
KuH13You’ll never…
KuH14…never…
KuH15…never…
KuH16…reach the sky!
KuH17Alle Tore geschlossen.
KuH18Wo kommt denn der weiße Rauch her? Wurde da noch ein Papst gewählt? Reicht der eine nicht?
Oder hat der letzte beim Verlassen der Halle vergessen, die Industrie auszuschalten?
KuH19Da geht’s zum Rhein.
KuH20KuH21Die Montanindustrie rostet hier vor sich hin.
KuH22Wo kein Eingreifen der Verschönerung diente, entwickelt sich eine eigene Ästhetik – etwa, wenn die Vegetation sich selbst überlassen bleibt, oder, wie hier, die Ästhetik der Industrieanlagen und ihres langsamen Verfalls.
Niemand hat die Gebäude gebaut, die Rohre verlegt und die Wolken am Himmel zurechtgeschoben, damit es schön aussieht.

Die Farbe des Geldes – Reichtum abschaffen?

Reichtum abschaffen? Oder doch besser: Reichtum für alle?
Das klingt verrückt. Soll man jedem Geld in die Tasche stecken? Soll jeder Millionär sein? Das gab es schon mal: 1923. Da war jeder sogar Milliardär, im Jahr größten Elends.
„Reichtum für alle“ – um sich darunter etwas vorzustellen, muß man die Vorstellung aufgeben, daß „Reichtum“ eben nur das ist, was ein Einzelner für sich hat.
geldschein7„Reichtum für alle“ heißt nicht, daß jeder viel Geld hat, sondern daß niemand viel Geld braucht, daß die Straßenbahn öfter fährt und ein Fahrschein Zwanzichfennich kostet, daß der öffentliche Personennahverkehr nicht ausgedünnt und verteuert wird, sondern ausgebaut und verbilligt, daß in den Schulen mehr Lehrer kleinere Klassen unterrichten, daß der Anschaffungsetat der Stadtbibliothek nicht gestrichen, sondern erhöht wird, daß die Kommunen keine Defizite haben, sondern Überschüsse, die zur Verbesserung der Lebensqualität verwendet werden, daß Jugendeinrichtungen nicht geschlossen, sondern neue eröffnet werden und so weiter und so weiter. Und das Hallenbad in Wanheim soll nicht nur nicht geschlossen werden, sondern das Stadtbad in Hochfeld auf der Heerstraße, das vor Jahren abgerissen wurde, soll an derselben Stelle wieder aufgebaut werden, und zwar genauso, wie es damals ausgesehen hat.

Vorgestern waren wir in der Spinatwachtel

Ich habe gesagt, da sollte man hingehen. Vorgestern wurde der Beweis erbracht, daß man da auch hingegangen sein sollte. Die Revue hieß „Let’s go underground“ und wurde präsentiert von Marvin Chlada und Lütfiye Güzel in der Spinatwachtel, Duisburg-Hochfeld.
Ebensolche Hervorhebung wie die beiden METZGER-Autoren verdient der bemerkenswerte Kunst-, Kultur- und Gedönsladen.
Schaut her:
http://www.spinatwachtel.eu/

Hermann Borgerding hat berichtet:
Güzel und Chlada in der Spinatwachtel, Tagesgeschehen, Undergroundliteratur und Regen am Todestag von Brian Jones und Jim Morrison. Er fragt: „Was macht eine gute Lesung aus?“ und kommt zu dem Schluß, daß das eine gute Lesung war. Gern zitiertes Zitat: „LaborBefund, Drecksack, Superbastard, Rogue Nation und Der Metzger seien hier nur mal als Beispiele für qualitativ hochwertige und gut laufende (Ich denke mal…) Zines und Anthologien erwähnt! Es geht voran!“

SpinatJuli13-1Nein, ich stehe da nicht dumm in der Gegend rum, sondern klug & weise wie bestellt & abgeholt.
Chlada testet das Gefühl beim Sprechen in ein Mikrophon. Der Text lautete nicht: „Test Test einszwo einszwo“.

SpinatJuli13-2Schauen Sie auch in den fliegenden Koffer!
Perfektionistische Fotobegucker mögen eingedenk sein, daß in einem von der Abendsonne durchs Fenster beleuchteten Raum ohne Blitzlicht keine rasierklingenscharfe Konterfeis erwartet werden dürfen. Hier kreist und kreißt das Leben nebst Freude an der Arbeit und nicht die Perfektion der Lichtbildnerei.

SpinatJuli13-3Worin sich die Fotografie ohne Kunstlicht vom Rest des Daseins unterscheidet sieht man hier: Personen gelangen nur durch völligen Stillstand zur Schärfe. Coca-Cola- und Mineralwasserflaschen haben es da leichter.
„Der Metzger“ kann man trotzdem noch lesen.

SpinatJuli13-4

SpinatJulu13-5
Fotos: Lütfiye (2), Hafenstaedter (3)

Soll ich auch mal in der Spinatwachtel vorlesen? Das ist in Betracht gezogen, und da könnte was draus werden. Wenn es sich konkretisiert, wird hier informiert.

Lütfiye, Lady in black, e-mailte mir gestern den „Plan A“:
„lieber helmut..
sei nicht traurig.. wir verkaufen gaaaaaaaaaaaanz viele bücher und retten die ‚weltbühne‘.“

Ja, da mach ich mit! Mögen die Guten sich an unseren Krallen erfreuen und die Schlechten unsere Grazie fürchten!

Encore: „Da sollte man hingehen!“

lesungchladaguzelNochmal: Dienstag, 2. Juli 2013 um 19.30 Uhr in der „Spinatwachtel“ in Duisburg-Hochfeld, Eigenstraße 42 die Lesung „Let’s go underground“ mit den METZGER-Autoren
Lütfiye Güzel und Marvin Chlada.
Bitte beschweren Sie sich nicht, daß Ihnen an zwei Tagen dasselbe mitgeteilt wird. Im Werbefernsehen wird ein Spot ja auch nicht nur einmal gesendet und dann nie wieder. Und das hier ist ja auch manchmal sowas wie Werbefernsehen (allerdings der ganz anderen Art).
Gründe sind:
1. Manchen Leuten muß man alles zweimal sagen (Ihnen nicht, aber anderen).
2. (entscheidend): Ich habe dieses NOCH SCHÖNERE Foto gefunden. Das muß auch noch rein!

Mehrere informative Veranstaltungen…

…auf die hinzuweisen ich gebeten wurde, was ich gern tue:

Dienstag, 7. Mai 2013. 18.30 Uhr
Schwarzbuch Waffenhandel. Lesung mit Jürgen Grässlin.
Jürgen Grässlin zählt seit vielen Jahren zu den profiliertesten Rüstungsgegnern Deutschlands. Er ist Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK).
Veranstalter: Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Duisburg-Niederrhein
Evangelische Kirchengemeinde Friemersheim, Clarenbach-Haus, Clarenbachstraße 17, 47229 Duisburg

Mittwoch, 8. Mai 2013. 19 Uhr
Zuzug am Beispiel des Stadtteils Hochfeld?
Problematik des Zuzugs aus Bulgarien und Rumänien.
Aus Sicht des Stadtteilbüros EG DU, Georg Fobbe
Situation der Roma in Bulgarien, Falken Duisburg.
Veranstaltung der Bürgerinitiative Neuanfang Duisburg (Sprecher: Theo Steegmann).
Alte Feuerwache Duisburg-Hochfeld, Friedenstraße (Nähe Brückenplatz)

Mittwoch, 15. Mai 2013, 18.30
Die Roma zwischen Stammtischparolen und romantischem Idyll – Wer sie sind, wo sie herkommen, wie sie leben, was sie glauben.
Veranstalter: Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Duisburg-Niederrhein.
Referent: Pfarrer Dieter Herberth, Duisburg
Gemeindehaus „Auf dem Wege“, Peschmannstraße 2, 47228 Duisburg-Rheinhausen.