Oskar Rothstein (90)

OskarRothsteinSein Lebenslauf, so sagte er, ähnelte in einer Phase dem von Stefan Heym. Als jüdischer Emigrant kam er mit den Alliierten Truppen in seine Heimat zurück – in das Land, das sich schwer damit tat, für einen wie ihn Heimat zu sein.
Wie ging es weiter im Leben des Mannes, der gegen Hitler gekämpft hatte?

Mit seinen Gesinnungsfreunden Willi Hendricks und Otto Henke wurde Oskar Rothstein am 14. Juni 1965 auf offener Straße in Duisburg-Hochfeld von Beamten des K 14 verhaftet.
Die Anschuldigung lautete u.a., Rädelsführer einer verfassungswidrigen, verbotenen Partei gewesen zu sein. (Gemeint war die KPD. H.L.)
Seine Wohnung wurde zweimal durchsucht, Broschüren, Notizen und andere Gegenstände beschlagnahmt.
Dreieinhalb Monate (vom 14. Juni bis 29. September 1965) wurde er in Untersuchungshaft in der Haftanstalt Dinslaken festgehalten. In dem Prozeß vor der 4. Großen Strafkammer in Düsseldorf (März/April 1968) gegen ihn und seinen Genossen Willi Hendricks (10 Monate) und Otto Henke wurde er zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt.
Otto Henke erhielt 21 Monate, das gleiche Strafmaß bekam er in einem vorausgegangenen Prozeß. (Insges. 42 Mon.).
Daß sie die hohen Strafen nicht mehr anzutreten brauchten, ist den damaligen Anstrengungen demokratischer Kräfte zu verdanken.
(aus der Dokumentation „Schicksale politisch Verfolgter aus Duisburg“).

Heute gratulieren wir Oskar Rothstein zu seinem 90. Geburtstag!

Die neue CD ist da. Endlich wieder was zum Lachen.

Von meiner Lesung in der Spinatwachtel am 5. November ist eine wohlklingende Doppel-CD entstanden:
SpinatCD-HLHelmut Loeven live in der Spinatwachtel. 2 CDs. Situationspresse. ISBN 978-3-935673-36-5
Das ist alles drauf: Hier im Inneren des Landes – Der dicke Adolf – Vom Löschen des Durstes – Wir bleiben im Bahnhof – Gegen den Pragmatismus – Physiker – Maria im Gefängnis – Der Schatz im Silbersee / Mao ißt chinesisch – LSD ins Trinkwasser – Geschirrspülen auf’m Trip – Meine Schwierigkeiten mit den Frauen – Edith und ich – Ist DER METZGER ein Porno-Blatt? – Seyfried – Die geheimnisvolle Aldi-Kassiererin – „Männer wie Sie“, Extempores, lachende Zuhörer und noch mehr SATIRE UND POLEMIK im PHILOSOPHISCHEN KABARETT.
Von „Guten Abend“ bis zum Ende vom Schlußapplaus: eine Stunde und 36 Minuten auf einer Doppel-CD.
Im Buchhandel und bei Amazon ab Januar 2014.
Ab sofort (auch im portofreien Versand) für 12,50 € in der Buchhandlung Weltbühne.

Liebe Leute, kauft und hört diese CD, damit es euch besser geht (und mir auch).

Wo waren Sie im Kriege, Herr -? (3)

Das geistige Niveau
Die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg hat den tapfern Vorkämpfer des Rechts, Dr. E. J. Gumbel, in seinem Amt als Privatdozent belassen. Diese Entscheidung ist von der Fakultät in einem längern Gutachten vor ihren nationalistischen Anhängern entschuldigt worden. Darin heißt es:
Gumbel sei ein politischer Fanatiker, dem der persönliche Mut und die ideologischen Unterlagen nicht abgesprochen werden können. Jedoch sei in seiner politischen Tätigkeit nicht der leiseste Einfluß wissenschaftlicher Qualitäten zu spüren, vielmehr sei ein Tiefstand des geistigen Niveaus und ein vollkommener Mangel an Objektivität der hervorstechendste Zug. So sehr die Fakultät die Empfindungen der durch Gumbels Handlungsweise Betroffenen teile . . .
Selbstverständlich hat die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg das Recht, über Privatdozenten ihres Lehrkörpers Urteile abzugeben; diese Urteile dürfen, wenn sie sachlich wie dieses hier sind, scharf und abfällig sein. Nur sei eine kleine Anmerkung erlaubt.

Gedenktafel_in_Sanary-sur-MerWo sich heute das geistige Leben abspielt, ist schwer zu sagen. Welche Bedeutung ihm in der Blüte des kapitalistischen Zeitalters zukommt, ist wieder eine andre Frage. Sicherlich aber sind die deutschen Universitäten nicht mehr das, was sie einmal gewesen sind: das Zentrum der geistigen Kräfte des Landes. Was sich im Rahmen dieses öden Beamtenbetriebes da heute abspielt, ist völlig unerheblich und für die geistige Struktur der wertvollen Geister gleichgültig. Unter gar keinen Umständen aber kann einem Werturteil einer Universitätsbehörde irgendwelcher Wert beigemessen werden, wenn es sich um moralische Dinge handelt. Einen Mann, der den Mord im politischen Leben verfolgt, moralisch zu verurteilen, mag einem Heiligen erlaubt sein; nicht aber Leuten, die jeden Wachtmeister im Kriege zum Ehrendoktor gestempelt, und die das Schlimmste in gemeiner Kriegshetze geleistet haben. Die Blamage der 93 Intellektuellen war zu klein: es hätten auch 930 sein können, und es wären nicht zu wenig gewesen. Die Theologen, die den lieben Gott zum Bezirkskommandeur machten; die Juristen, die nachwiesen, daß der deutsche Rechtsbruch in Belgien kein Rechtsbruch sei; die Mediziner, die dem Volk vorlogen, Hungern (der andern) sei gesund, und die ihre Lungenschwindsüchtigen in den gesunden Freiluftkurort am Chemin des Dames schickten; die Philosophen, die ihre lächerlichen Philosopheme nicht erst zu schütteln brauchten, bis die Moral dieser Staaten herausfiel -: sie sind wohl nicht ganz berufen, zu richten.
Die von Gumbel ‚Betroffenen‘ sind Mörder und Mordgesellen. Daß die Fakultät deren Empfindungen versteht, ist begreiflich. Daß sie aber wagt, von einem geistigen Niveau zu sprechen, unter dem sie seit etwa hundert Jahren ihrem Kärrnerbetrieb nachgeht, muß doch wohl zurückgewiesen werden.
Dr. Gumbel darf stolz auf sein Werk sein – was die Gutachten der Beamten angeht, so steht er über ihnen.
Er soll gesagt haben: »Die Soldaten sind – ich will nicht sagen: auf dem Felde der Unehre gefallen«, und deshalb ist gegen ihn eingeschritten worden.
Den Denunzianten unter seinen Kollegen und unter den Studenten sei gesagt: Das moderne Schlachtfeld ist weder ein Feld der Ehre noch ein Feld der Unehre. Es ist die Abdeckerei der Kaufleute, wo Sadisten, Ruhmbesoffene, wertloses Gesindel und Unschuldige, Unschuldige, Unschuldige ermordet werden.
Ignaz Wrobel (i.e. Kurt Tucholsky) in Die Weltbühne, 30.06.1925

Religion

Die Grundschule hieß, als ich sie besuchte, noch „Volksschule“: in den 50er Jahren. Das war natürlich eine Konfessionsschule. Als Siebenjähriger empfing ich erste Unterweisungen in der katholischen Religion.
Das interessierte mich alles lebhaft. Aber manchmal hatte ich mit theologischen Fragen doch so meine Schwierigkeiten.
Einmal wandte ich mich an den Kaplan de Pöhl:
„Gott weiß doch alles auch schon vorher, nicht?“
„Ja.“
„Aber dann hat Gott doch auch schon vorher gewußt, daß Adam und Eva sündigen.“
Ein siebenjähriges Kind hatte Gott dabei erwischt, wie er so tat als wüßte er von nichts. Der Kaplan strich mir übers Haar. „Ein Intellektueller!“ dachte er bestimmt. Dann sprach er zu mir ein paar Glaubensworte, denen der Siebenjährige nichts entgegensetzen konnte, die ihn aber auch nicht überzeugten. Dem Kaplan (dem eine große Karriere in der Kirche bevorstand) war in weitaus größerem Maße als mir bewußt, welche Ungeheuerlichkeit sich da zutrug: Daß da einer den ewigen Glaubensdingen beikommen wollte mit Logik! Ja, sogar noch mit kritischer Logik! Aber der junge Kaplan war weise genug, der satanischen Logik mit einem milden Lächeln zu begegnen. Denn er hatte die Gewißheit auf seiner Seite, die sich hinter dem milden Lächeln verbarg: „Du bist ja noch so jung, mein Kind. Diese kritischen Fragen, die werden wir dir noch beizeiten abgewöhnen. Dafür sind wir ja schließlich da.“ Wer den weiteren Verlauf meines Lebens kennt, der lernt, daß die Gewißheiten eines Kaplans manchmal auch trügerisch sein können.

Volksschule Duisburg-Buchholz

Volksschule Duisburg-Buchholz

Biblische Geschichte hatten wir bei Fräulein Tischer, 23 Jahre alt. Die brachte ich gleich zweimal durch das Berühren theologischer Grundsatzfragen in arge Verlegenheit.
Fräulein Tischer wollte uns auf anschauliche Weise klarmachen, daß Jesus, bevor er als Erlöser tätig wurde, ein ganz normales Kind gewesen sei, so wie wir. Überhaupt sei bei Mariaundjosefs alles ganz alltäglich zugegangen. Als die Familie von Bethlehem nach Nazareth zurückgekehrt war, habe auf den Möbeln soo dick der Staub gelegen, berichtete sie uns. Das Bild der Muttergottes mit Schrubber und Aufnehmer hat sich mir eingeprägt. Und Jesus – nun, der hätte mit den anderen Kindern Indianer gespielt.
Ich meldete mich.: „Frollein?“
„Ja?“
„Der kann doch gar nicht Indianer gespielt haben.“
„?“
„Amerika war doch noch gar nicht entdeckt.“
Fräulein Tischer antwortete nicht. Sie wußte nicht, was sie hätte sagen sollen. Ich für mein Teil hatte übrigens nicht den geringsten Zweifel, daß Jesus als Gottessohn die Existenz eines noch nicht entdeckten Kontinents durchaus bekannt war. Aber ich hielt Jesus doch für so klug, daß er Gleichaltrigen gegenüber mit seinem Wissen hinterm Berge hielt. Oder hätte er denen vielleicht sagen sollen: „Wir spielen jetzt Ureinwohner eines Erdteils, der in knapp anderthalb Jahrtausenden entdeckt werden wird“? Die hätten doch gesagt: „Mit dem spielen wir nicht mehr!“
Fräulein Tischer versuchte auch, uns die Arche Noah zu erklären. Auf seine Arche nahm Noah von jeder Tierart zwei Exemplare mit: ein Männchen und ein Weibchen.
Ich meldete mich. „Frollein?“
„Ja?“
„Hat der von allen Tieren welche mitgenommen?“
„Ja.“
„Von allen?“
„Ja.“
„Auch Fische?“
Fräulein Tischer schnappte nach Luft. Schließlich fiel ihr die Antwort ein: „Dafür hatten sie Eimer mitgenommen.“
Ich setzte mich wieder hin. Ich war enttäuscht. Fräulein Tischer hatte den Sinn meiner Frage nicht verstanden. Es beunruhigte mich, von einer Lehrerin unterrichtet zu werden, der es an Einsicht ermangelte von der völligen Überflüssigkeit des Unterfangens, Fische vor dem Ertrinken zu retten.

Ausgebucht und eingeladen

Die Stadtbibliothek gibt bekannt:
Die Duisburger Poetin Lütfiye Güzel veröffentlichte nach ihrem Lyrik-Debüt „Herz-Terroristin“ im April 2012 ihr zweites Buch „Let`s go Güzel!“ im Dezember 2012. Der dritte Gedichtband „Trist olé?!“ erschien am 1. Oktober 2013. Darin schießt sie ein „seltsames Foto“, schaut sich einen „Fernsehbericht über das Mülltauchen“ an, verfolgt „die dunkle Wolke“, erzählt vom „Tellerwäscher am Meer“, fragt „kennst du das?“, umgeht „Paris“ und fühlt sich wie „die Falsche am richtigen Ort“. Mit ihren Gedichten und Kurzgeschichten seziert sie zynisch und pointiert den tristen Alltag und zielt mit ihren melancholischen Stories aus dem poetischen Underground treffsicher ins Herz.
Wann: 03.12.2013, 20.00 Uhr
Wo: Zentralbibliothek. Düsseldorfer Straße 5-7. 47051 Duisburg
Eintritt: 5,- EUR / VVK 4,- EUR
Soweit im wörtlichen Zitat die Duisburger Stadtbibliothek.
Der nulldritte Dezember ist übrigens Dienstag.
LuetfiyeDez2013Wenn ich nicht durch Arbeit davon abgehalten wäre, würde ich da auch hingehen.
Den Zuhörerinnen & Zuhörern wünsche ich morgenabend eine treffsichere Lektion in Underground,
und der Autorin wünsche ich ein liebes Publikum.
(Aber die ist bisher mit jedem Publikum gut fertiggeworden).
(Schauen Sie bitte auch in den fliegenden Koffer).

1. Dezember Geburtstag: 45 Jahre DER METZGER

Am 1. Dezember 1968 (Sonntag) wurde die erste Ausgabe von DER METZGER hergestellt (und somit ist das auch der Geburtstag der Situationspresse).
Ich weiß nicht mehr, wann ich mich entschlossen hatte, diese Zeitschrift zu gründen. Es war vielleicht gerade mal eine Woche vorher gewesen. (Früher, als wir noch Latein in der Schule hatten, nannte man sowas: Ad-hoc-Entscheidung). Ich zweifelte allerdings nicht daran, daß ich mit 64 Jahren immer noch mit der Herausgabe dieser Zeitschrift beschäftigt sein werde. (Früher nannte man sowas: Lebenswerk).
Die erste Ausgabe umfaßte 12 Seiten und enthielt eine Kurzgeschichte, einige Gedichte (auch welche von mir, oh je oh je!) und ein paar Buchhinweise. Die 12 Wachsmatrizen hatte ich am Samstagabend in einem Schwung auf meiner Reiseschreibmaschine getippt und die Überschriften und die eine Strichzeichnung mit einem Spezialstift in die Wachsmatrizen geritzt.
M01CoverIch begab mich am Sonntagnachmittag zu Fuß nach Hochfeld zu Siegfried Baumeister (hab ich den schon mal hier erwähnt?). Der hatte eine Vorkriegs-Hektografiermaschine mit Kurbelbetrieb. Da war ein Mädchen zu Besuch, eine dunkelhaarige Schönheit, die mir schon öfters bei Demonstrationen und Apo-Aktivitäten aufgefallen war und die ich unbedingt mal kennenlernen wollte. Und die half mir fleißig, die Blätter zu sortieren und zusammenzuheften, damit die Hefte am Montag Vormittag auwm Schullow verkauft werden konnten (Preis: 40 Fennich).
Das war der Anfang einer intensiven, lang(wierig)en, mehrmals von vorn beginnenden, höhepunktreichen und unbeschreiblich lustvollen Liebesbeziehung. Es lohnt sich also, Zeitschriften zu gründen.
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Alle half

Anne half

Mehr über die abenteuerliche Geschichte dieser verdienstvollen Zeitschrift kann man nachlesen in dem Gespräch anläßlich der hundertsten Ausgabe 2012 auf Gasolin-Connection.