Ich weiß nicht, ob das Haus Ruhrtal überhaupt noch steht. Ich muß mal nachgucken gehen.
Was aber hat Adorno damit zu tun?
Ein wenig tiefer in die Zusammenhänge werden Sie eingeführt in meinem Buch „Wir bleiben im Bahnhof„ (Situationspresse 2013), Kapitel „Wechselstrom oder Die Liebe in den Zeiten des Telefons“ (Seite 192 – 210).
Also, so richtig wird das mit Adorno/Haus Ruhrtal, Haus Ruhrtal/Adorno dann doch nicht klar. Aber wenn Sie die Geschichte gelesen haben, werden Sie sagen: „Das ist die schönste Liebesgeschichte, die ich je gelesen habe.“
(Wenn Sie schlau sind, wenn Sie zu schlau sind, dann wissen Sie, daß „Wechselstrom oder Die Liebe in den Zeiten des Telefons“ hier im Weblog schon mal als Fortsetzungsgeschichte erschienen ist – als „Weihnachts-Porno“).
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Und überhaupt
Bei den Wahlen zu den Parlamenten des bürgerlichen Staates ist heute die Vorhersehbarkeit geringer als früher.
Nur zwei Vorhersagen können für die Landtagswahl in NRW am kommenden Sonntag als sehr wahrscheinlich gelten:
1. Die AfD „kommt rein“.
2. Für die „Piraten“ ist nächsten Sonntag „last exit“.
Die Unwägbarkeiten:
Bleibt die FDP drin? Gewinnt sie sogar noch hinzu? (Dann kann Üfdüpü-Lindner sich am Wahlabend in nichtssagender Selbstzufriedenheit präsentieren).
Bleiben die Grünen drin?
Kommen die Linken wieder rein?
Ansonsten: Weiß ich nicht.
Laschet vor Kraft? Oder nicht?
Ich glaube: Für die SPD gibt es eine Pleite. Kraft verliert, vielleicht sogar so viel, daß sie das Amt an Laschet abtreten muß. Wenn die Grünen rausfliegen, dann sowieso.
Wie war das noch vor 5 Jahren? Kraft auf dem Höhepunkt! Kraft als DIE Kraft! Kraft muß Bundeskanzlerin werden. Und heute?
In Zeiten, in denen bei Wahlen Argumente, Orientierungen und Wertvorstellungen eine abnehmende Bedeutung haben, orientierungslose (Miß)Stimmungen eine umso größere, ist alles dem Zufall oder dem Unfall überlassen.
So kann’s gehen. Und das hat die sich nicht selbst vermasselt. Krafts SPD-grüne Koalition hat zwei Schwachstellen. Selbst wenn die Kraft alles richtig macht: Was nützt es, wenn sie diese beiden Klötze am Bein mit sich schleppt?
Die eine Schwachstelle ist das Streber-Image der Grünen. Die gelten jetzt mehr so als Spaßbremse, als besserverdienende Besserwisser. Inwieweit das ungerecht ist, sollen andere drüber nachdenken.
Jedenfalls: das färbt ab.
Die andere Schwachstelle ist der Innenminister Ralf Jäger. Das ist der Unglücksrabe der NRW-Landesregierung. Selbst wenn der alles richtig machen würde: Was nützt es, wenn alle finden, daß das alles falsch ist? Wenn der über Wasser gehen könnte, würde es heißen: Habt ihr gesehen? Schwimmen kann er auch nicht.
Es gibt genug Gründe, den nicht zu mögen. Siehe hier und hier und hier. Aber wer weiß das schon! Der muß weg, weil — der weg muß. Und überhaupt.
Das färbt ab.
Die Presseagentur GrossArt hat recherchiert, daß die CDU im Wahlkreis Duisburg-Meiderich auf den Aushang eigener Plakate verzichtet, stattdessen Werbung für den Wahlkreiskandidaten der SPD (Ralf Jäger) verbreitet.
Wieso eigentlich immer „Kessel des Monats“?
Mit der Rubrik „Kessel des Monats“ hat es natürlich, wie Sie sich denken können, eine besondere Bewandtnis.
In den 70er Jahren waren Magda und ich manchmal auf Zusammenkünften anwesend von diversen meist nicht parteigebundenen linken Individuen und Gruppen, die veranstaltet wurden zwecks Kennenlernen und Vernetzen (alles so unter der Ägide von SB Offenbach, hatte auch was mit der Zeitschrift Revier zu tun). Da waren also hauptsächlich Intellektuelle aus dem Uni-Milieu, aber ebenso Betriebsräte und Gewerkschaftler (Gewerkschaftslinke).
Einer von denen war der Betriebsratsvorsitzende von Küppersbusch.
Ein anderer war einer aus dem Betriebsrat von Standardkessel Meiderich. Der redete sinnfällig und kenntnisreich über Themen, die weit über die Betriebs- und Gewerkschaftsthematik hinausgingen, zum Beispiel über Frauenbewegung und Geschlechterverhältnis in der Geschichte und über die Ursache allen Übels in der Unterdrückung der Frau. Mit Marcuse kannte der sich auch aus.
Ich dachte mir: Da muß ich doch mal Ausschau halten ob es überhaupt so viele Kessel gibt in unserer Region, ob es einen solchen Kessel-Bedarf gibt, daß die Firma sich einen Philosophen auf ihrer Gehaltsliste leisten kann.
Jetz abber:
Der Kommunismus hält Einzug in Meiderich (live)
Einige Passagen meiner Lesung in der Zeche Carl in Essen am 31. August wurden gefilmt. Heute zeige ich Euch: „Der Kommunismus hält Einzug in Meiderich“ (aus „Der Gartenoffizier – 124 komische Geschichten“).
Ton- und Bildaufzeichnung: Hafenstaedter.
Wechselstrom oder Die Liebe in den Zeiten des Telefons (5)
Ob sie ihr „Idealgewicht“ dann erreichte, entzieht sich meiner Kenntnis. Ein Jahr dauerte diese undefinierte Beziehung, die mich an eine der schönsten, klügsten, warmherzigsten, mädchenhaftesten, liebenswertesten und auch verletzlichsten Frauen gebunden hatte. Dann endete sie auf eine unerfreuliche Art, so daß die Traurigkeit für eine Zeitlang von Verdruß und Gekränktheit zugedeckt wurde. Es kann sein, daß es sich ihr ebenso darstellte.
Warum sie ihr Verhalten mir gegenüber veränderte, plötzlich sehr zurückweisend wurde mit einer kühlen, sachlichen Freundlichkeit (mit Verhaltensweisen, die ich hier nicht aufzählen will) und mir demonstrierte, daß sie einen anderen Lebensmittelpunkt suchte, habe ich nicht herauszufinden versucht.
Wenn man erfährt, daß da, wo etwas war, nichts mehr ist, dann ist es traurig. Wenn einem der Eindruck vermittelt wird (mit dem Zaunpfahl durch die Blume), daß da nie etwas war, dann ist es kränkend. Ich fand, daß sie die wichtigste Tugend im Umgang der Geschlechter verletzt hatte: die Ehrlichkeit – auch die Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Meine Verstörtheit und Gekränktheit verbarg ich nun ebenfalls hinter zurückweisender Verschlossenheit.
Das erregte sie. Sie schrie mich an: „Was ist mit dir los? Warum bist du so? Willst du darüber reden?“
„Nein.“
Das sagte ich mit aller Schroffheit. Es muß sie verletzt haben. Und das war mein Fehler. Daß sie mich verletzt hatte, gab mir nicht das Recht, sie zu verletzen.
Ich hielt mich für klug, weil ich mir von einem „klärenden Gespräch“ nichts versprach, sondern erwartete, daß wir uns dabei nur im Kreis drehen und aneinander vorbeireden. Doch ich hätte mir eingestehen müssen, daß ich bloß unfähig war, meine Gefühle in Worte zu fassen.
Ein Argwohn, daß sie vor den Konventionen kapitulierte, die eine Beziehung wie die unsere nun einmal nicht zulassen, wäre unberechtigt gewesen. Es wird eher so gewesen sein, daß sie vor jeglicher Beziehung zurückschreckte. Gründe dafür hatte sie ja genannt. Ihre Ansprüche waren von solcher Ausschließlichkeit, daß sie ein Scheitern als unabwendbar erwarten mußte.
Uns Menschenkindern wird eingeredet, daß nur die Liebe gültig ist, in der alle Ideale zusammengefaßt sind: Mit dem oder der einen Einzigen für immer & ewig. Aber die Liebe hat viele Gestalten, und keine davon ist weniger edel als eine andere. Es gibt nicht nur die Große Liebe; es gibt auch die kleine. Es gibt nicht nur die Liebe für immer, sondern auch die für kurze Zeit; nicht nur die ausschließliche, sondern auch die nebenher; nicht nur die vereinigende, sondern auch die, die die Freiheit läßt zu kommen und zu gehen und wiederzukommen; nicht nur die dauernde, sondern auch die, die unterbrochen wird und wieder geweckt werden kann; nicht nur die verpflichtende, sondern auch die, die ein Spiel ist, das zu nichts verpflichtet außer zum Respekt voreinander. So wie es kein (geschriebenes oder ungeschriebenes) Gesetz geben kann, das zum Seitensprung verpflichtet, sollte es auch keines geben, das ihn verbietet. Und auch das gibt es: Daß zwei Menschen zueinander finden aus dem einzigen Grund, weil sie Lust aufeinander haben. Kann sich Menschlichkeit besser manifestieren als dadurch, daß Menschen Lust aufeinander haben?
„Plaisir d‘amour ne dure qu‘un moment. Chagrin d‘amour dure toute la vie.“ So heißt es in einem Chanson aus dem 18 Jahrhundert: daß die Freuden der Liebe nur einen Moment dauern, die Schmerzen der Liebe aber dauern ein Leben lang. (Und wer Angst hat vor den Schmerzen der Liebe, der soll doch besser die Finger davon lassen). Die Schmerzen der Liebe sind weniger die, die man erlitten hat, sondern viel mehr die, die man zugefügt hat und nicht wieder gutmachen kann.
Ich hätte duldsamer sein müssen mit dieser Frau, die doch noch ein junges Mädchen war, wie ein motherless child in einer Umgebung, die jedem empfindsamen Menschen Furcht einflößt. Es wäre richtig gewesen zu sagen: Laß und darüber reden, wenn ich meine Gedanken geordnet habe, wenn ich mich abgeregt habe, wenn wir uns abgeregt haben. Was auch immer sich zwischen uns ändert, sollst du dein Vertrauen nicht verlieren, sollst du dich geborgen fühlen in meiner Nähe.
Ich habe immer gehofft, daß die Frauen, die sich auf mich eingelassen haben, sich gern an mich erinnern, daß sie, wenn sie an mich denken, vor sich hin lächeln. Vielleicht ist da diese eine, die denkt: „Das war ein Umweg, den ich mir auch hätte ersparen können.“
(Ich erinnere mich allerdings auch an eine andere Geschichte, wo ich sehr duldsam war und hinterher dachte: Ach hätte ich doch lieber gleich die Tür zugeknallt).
Das mit dem Stillstand des Ostermarsches war übrigens so: Christina hatte sich wohl schon in frühester Jugend in den Kopf gesetzt, mit ihrem Össi nach Kanada auszuwandern, um dort, fern der Zivilisation, bahnbrechende wissenschaftliche Forschungen zu betreiben. Sowas Verrücktes! Christina als Madame Curie in Kanadas Wäldern! Ich habe ihr aber nicht gesagt, daß ich das verrückt fand. Denn so eine Schnapsidee ist immer noch besser als die Normalität der Zustände.
Beim Ostermarsch sagte sie dann: „Ach weißt du was? Kommt doch einfach mit nach Kanada. Ohne euch hätte ich keine Freude mehr daran.“ Da war ich so gerührt, daß ich sie einfach in die Arme nehmen mußte. Und die, die hinter uns gingen mit ihren Schildern und Transparenten, kamen an uns nicht vorbei. Da entstand eine Lücke von etwa hundert Metern, so lange haben wir uns umarmt.
Den möcht‘ ich sehen, der es schafft, mich aus Duisburg wegzulotsen oder auch nur aus Neudorf. Aber ich sagte mir: So, jetzt bin ich mal eine Viertelstunde lang fest entschlossen, nach Kanada auszuwandern.
Das war in Meiderich, an der Stelle, wo das Haus Ruhrtal steht mit der zwielichtigen Uhu-Bar, und immer wenn der Ostermarsch diese Stelle passierte, habe ich meinen Freunden unbedingt erzählen müssen, daß meine Tante da Wirtin war und daß in der Uhu-Bar ein ganz halbseidenes Publikum verkehrte, und die Geschichte von den zwei Besoffenen, die in Streit gerieten, weil der eine meinte, der andere sähe aus wie Goethe.
In einem der späteren Jahre mußte ich erleben, daß meine Freunde sich vor Erreichen von Haus Ruhrtal rechtzeitig verkrümelt hatten, weil sie diese Geschichten nicht schon wieder hören wollten. So hinderten sie mich daran, ein Stilmittel in die Vortragskunst einzuführen: die Penetranz.
ENDE
Die geheimnisvolle Aldi-Kassiererin
Wer verrät mir das Geheimnis der geheimnisvollen Aldi-Kassiererin? Die ist mir aufgefallen, weil sie immer besonders freundlich zu mir ist.
An einem Samstagnachmittag schob ich meinen noch leeren Einkaufswagen in den Laden hinein. Sie stand im Eingangsbereich und schaute mich fröhlich und zugleich erstaunt an: „Sie kommen aber heute schon früh. Sonst kommen Sie doch immer erst später.“
Das ist doch ungewöhnlich, daß sie registriert, zu welcher Tageszeit ich für gewöhnlich einkaufe, zumal die sich darauf doch gar nicht einzurichten braucht. Seither registriere ich sie nicht mehr bloß als eine nette, hübsche junge Frau, als eine sympathische Aldi-Kassiererin, sondern als eine, die mich anscheinend kennt. Bloß woher? Muß ich die kennen? Wohnt die in der Nachbarschaft? Wohnt die vielleicht bloß ein Haus weiter? War die schon mal bei mir in der Buchhandlung? Nein, das wäre mir unvergeßlich.
Sie ist schlank, etwas kleiner als ich, hat streng zurückgestecktes Haar und einen buschigen Pferdeschwanz. Ich finde sie hübsch. Aber, verdammt nochmal, wer ist das?
Oder bilde ich mir bloß was ein? Gewiß, es gibt junge Frauen, die was für ältere Herren übrig haben (ich weiß das). Aber ich bin doch nicht der einzige juvenile Sechziger, der hier durch den Laden zu rauschen pflegt. Ist das die Tochter von jemandem, den ich kenne? (Hoffentlich liest die das jetzt nicht. Dann denkt die vielleicht: Meingott, weiß der Trottel denn wirklich nicht, wer ich bin).
Nein, ich bilde mir das nicht bloß ein. Ich stellte mich an der Kasse an, wo sie kassierte. Sie sah mich und strahlte mich an, winkte mir zu. Vor mir standen sechs oder sieben Leute. Denen hat sie nicht von Ferne zugewunken. Ich hab ihr auf den Busen geschaut und so erfahren, wie sie heißt (da hing ein Schildchen). Der Name sagt mir nichts. Ihren Vornamen erfuhr ich, als ihre Kolleginnen mit ihr sprachen.
Sie ging festen Schrittes durch den Laden, an mir vorbei, und grüßte mich freundlich: „Hallo!“ Sie ist an zwanzig anderen vorbeigeschritten, aber nur mich hat sie gegrüßt.
Sie ist mir aufgefallen, weil sie dem Filialleiter etwas zurief. Es klang wie ein Tadel – wegen irgendeiner nicht vorhandenen Ware, und der Filialleiter rechtfertigte sich ein wenig kleinlaut vor ihr. Ist das die Tochter von Herrn Aldi? Eine gute Partie. Jedenfalls ist sie couragiert. Das liebe ich bei Frauen.
Mir fällt ein: Als in der WAZ ein größerer Artikel über mich stand und ich bald darauf vom WDR-Fernsehen interviewt wurde, wurde ich noch monatelang von wildfremden Menschen darauf angesprochen (meistens bei Aldi): „Ich hab Sie in der Zeitung gesehen.“ „Ich hab Sie im Fernsehen gesehen.“ Vielleicht darum? Bin ich ein Neudorf-Patron, der die Aldi-Filiale am Sternbuschweg beehrt?
Ich stellte mich immer an der Kasse an, wo sie kassierte. Aber einmal hauchte die Stimme aus dem Lautsprecher: „Liiebe Kunden, Kasse zwaaii schliießt. Bitte niicht mehr auflegen.“ Die wollen uns auseinanderbringen.
Doch meistens war ich schnell genug bei ihr. Sie gab mir das Wechselgeld und den Kassenbon, schaute mich an, sagte sehr betont: „Und einen schönen Tag noch!“ und kniff mir ein Äugsken. Mädchen, sag mir endlich, wer du bist!
Sie räumte flink Waren ins Regal. Ich blieb stehen und schaute ihr dabei zu, die ganze Zeit. Sie merkte das und schmunzelte vor sich hin. Einen schönen Popo hat sie auch. (Hoffentlich liest die das jetzt).
Jetzt habe ich gehört, wie eine Kassiererin zu einer anderen sagte: „Die Nadine ist auch nicht mehr hier. Die ist jetzt in der Filiale in Meiderich.“
Irgendjemand muß der vorgelogen haben, ich wäre nach Meiderich umgezogen.
Da kann man hingehen: „Nachtaufnahme“
Eine Ankündigung:
Werner Muth NACHTAUFNAHME. Eine poetische Zeitreise durch das Ruhr-Revier und eine Stadtrundfahrt der ganz anderen Art, in Texten Bildern und Songs, mit musikalischen Gästen und einer kraftvollen Session mit der Duisburger „John Silver Band”, deren Sound zum Herzstück der neuen Hörrevue NACHTAUFNAHME zählt.
Special Guest: Andreas Boos
Freitag, 7. Juni, 20 Uhr
Alte Zeit, 47137 Duisburg-Meiderich, Kirchstr. 15
5 € an der Abendkasse.
Ich komme darauf zurück.
Die CD „Nachtaufnahme“ gibt es in der Buchhandlung Weltbühne (für 14 Euro, im Versand: plus Porto).