Barbara werden Sie nicht entgehen

Barbara überlegt.

Barbara findet Anlehnung (bei ihrem jugendlichen Liebhaber).

Barbara küßt (und zwar ihn. Er faßt sie).

Barbara wohnt (in der Nähe)*.

Barbara schaut aus dem Fenster (und sieht das)*.

Barbara kauft ein (Obst & Gemuese)*.

Barbara ist in der Nähe.
Barbara lächelt.

* Stills aus „Der 11. Mai“, Hut-Film.

Alles war, nix is mehr (9)

nixis52Ein Stück die Straße runter: Einen (H)Ort besonders fröhlicher Wissenschaft hätte man vorgefunden, wenn man beizeiten durch diese Einfahrt gegangen wäre. Dort war ein umgefallenes Haus. Ein heftiger Windstoß hatte das Haus umgeweht, so daß Seitenwände zu Decke und Fußboden wurden. Von dort sah man, daß eine Frau mittleren Alters im Parterre unentwegt Fenster putzte. Von morgens bis abends. Jeden Tag. Sie unterbrach diese Tätigkeit nur, wenn sie die Fenster zur Straße hin putzte. Ich konnte es mir nicht verkneifen, einmal laut auszurufen: „Hier müßte mal Fenster geputzt werden!“
Das Forschungsinstitut (Sprache, Soziales) betreibt die Wissenschaft inzwischen in einem festen Gebäude, und in dem mittleren Fernster wird jetzt durch Aushang mitgeteilt, daß die Wohnung zu vermieten ist und daß der Mieter zur unaufhörlichen Fensterreinigung sich verpflichten muß.

nixis53Gegenüber: Hinter den großen Fenstern befindet sich (oder befand sich zumindest Ende der 60er Jahre) eine dieser evangelischen Einrichtungen, in denen die KDV-Beratung stattfand. Wie evangelisch es in den Etagen da drüber zugeht, weiß ich nicht.

nixis54Ach! Das gute alte Pampus gibt es noch! „Essen, trinken, Kunst genießen“. Dem Aushang entnahm ich, daß Mary Heckmann (die Mary) immer noch die Wirtin ist. Zum letzten Mal war ich da drin, da gab es das Eschhaus noch nicht. Zum vorletztem Mal war ich da drin, da gab es die Bröselmaschine noch.
Daneben gibt es nicht mehr das Hotel Garni – ein Stundenhotel, aber auch mal Schimanski-Location.

nixis55Und gegenüber, wo sich jetzt ein Laden für aufeinandergestapelte Kartons befindet, befand sich „Luigis Icecream Corner“. Das war ein beliebter Ort für Verabredungen an Nachmittagen.
Einer sagte mir: „Da kann man sich erfreuen am Anblick der Teenies mit ihren niedlichen Popos.“ Und ich dachte: Ach, andere tun das auch?

nixis56Früher sagte man: „Vom anderen Ufer“. Dabei ist es doch nur die andere Straßenseite.

nixis57Und inmitten all dieser Schwulenkneipen, Altfreak-Kneipe, Stundenhotel, SM-Club und SM-Shop: Das Bischöfliche Sankt-Hildegardis-Mädchens-Gymnasium. (Barbara was here).

nixis58Also, nach einem Bischöflichen Gymnasium sieht das nicht gerade aus. An allem nagt die Zeit. Auf das Mädchens-Gymnasium dürfen neuerdings auch Jungens, und damit ist es auch nur noch die Hälfte wert.

nixis59Dort in dem gelben Haus, hinter dem Fenster rechts von der Haustür, war eine winzige Firma. Dort machte Jenny ihre Lehre als Glasmalerin, bevor sie sich ganz der Musik widmete. Bei uns in der Wohnung lagen viele ihrer wirklich gekonnten Glasmalereien herum.
Jenny, oh, Jenny!

nixis60Da, bei Eller-Montan, arbeitete Barbara. Nachmittags, wenn sie Feierabend hatte, stand ich da, wo das Schild ist, und wartete auf sie, und dann war es ein richtig schöner Tag. Bei Eller-Montan arbeitete sie nur in den Semesterferien. Sonst studierte sie Jura in Bonn, und ich wohnte bei ihr auf der Kaiserstraße. Warum hat sie mich verlassen?
Ich will sie alle wiederhaben, denen ich auf den Hintern hauen durfte, also auch die Anne, die Erika, auch die Stefanie, und auch die Christina, und von den jetzt nicht namentlich Genannten auch ein paar – natürlich alle so jung und schön, wie sie waren, als sie mich verließen.
Und dann heirate ich sie alle. Geht das?
Geht nicht?
Bei der Erschaffung der Welt muß irgendwas schief gelaufen sein.

ognoaRstemn cselngsehos?

Rosenmontag2016Eigentlich soll hier ja nur den Kundinnen und Kunden mitgeteilt werden, daß die so gern von ihnen aufgesuchte Buchhandlung am „Rosenmontag“ (wie jedes Jahr aus nämlichem Anlaß) geschlossen ist.
Damit verbinden sich allerdings Überlegungen.
In frühen Zeiten, die ich noch erlebt habe, war in dieser Region die Sache völlig klar: Rosenmontag ruht jedes geschäftliche Tun. Da geht nichts. Also: Alle Geschäfte, Behörden, Ämter, Verwaltungen, Supermärkte, Werkstätten und Werkshallen außer Betrieb.
Mir war der Rosenmontag immer sehr sympathisch. Ich freute mich auf diesen Tag. Er verlängerte das Wochenende! Jeglicher karnevalistischen Anwandlung abgeneigt pflegte ich diesen Tag in kontemplativer Zurückgezogenheit zu begehen. Aber als aufmerksamer Leser wissen Sie das ja längst. (Sie ahnen, was das Foto am Ende dieses Notats an dieser Stelle bedeutet).
Jedoch:
Mit der allgemeinen Individualisierung (oder soll ich besser sagen: Atomisierung? Dummböse Menschen würden sagen: Achtundsechzigerisierung) ist das Dogma, daß an R.-Montag alle Geschäfte, Behörden, Ämter, Verwaltungen, Supermärkte, Werkstätten und Werkshallen außer Betrieb geraten, etwas ins Wackeln geraten. Und in diesem Jahr war es soweit: In Duissern warb ein Supermarkt mit dem Aushang: „Rosenmontag ganztägig geöffnet“.
Wo führt das hin? Steht uns die Schleswigholsteinisierung des Rheinlandes bevor? Werde ich durch den Wirkungsverlust des Karnevals aus meiner Kontemplation gerissen?
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.
ChristinaLHOOQ-2..

Barbara ist in der Stadt

Barbara ist in der Stadt, habe ich erfahren, von einem, den ich flüchtig kenne. Ich weiß noch nicht einmal genau, wie er heißt. Er hat es mir gesagt, als ich ihn zufällig auf der Straße traf. Zufälle gibt’s.
BarbaraStadt1Er steht gerade am Bahnhof, Ostausgang, wo er auf sie wartet. Seltsam, daß er sie nicht auf dem Bahnsteig empfängt, sondern auf der Straße, die am Ostausgang des Bahnhofs entlangführt. Was er mit ihr zu schaffen hat, erfahre ich nicht. Es scheint, da bahnt sich was an zwischen den beiden.
Und da kommt sie! Sie kommt über die Straße auf uns zu! Da steht der Mann, mit dem sie verabredet ist, und neben dem stehe ich, und das ist für sie natürlich die große Überraschung.
Wie lange haben wir uns nicht gesehen! Nach unserer Trennung nur zwei, drei mal, zuletzt, als sie eine Tramp-Tour durch Deutschland machte und für zwei Nächte bei uns auf dem Immendal Station machte. Damals haben wir kaum ein Wort miteinander gesprochen, sind uns regelrecht aus dem Weg gegangen. Von meinen Ex-Freundinnen ist sie die einzige, die ich vollkommen aus den Augen verloren habe.
Sie hat sich verändert, wirkt sehr damenhaft. Aber sie sieht immer noch sehr jung aus.
Wir reden miteinander. Mensch, ist das eine Freude! Der Mann neben uns sagt gar nichts. Eigentlich ist der jetzt auch überflüssig hier. Er schaut ein wenig verärgert.
Wir können uns doch mal treffen und dann ausführlich miteinander reden, schlägt sie vor. Ja, heute abend, warum nicht heute abend. Wir verabreden uns für heute abend.

Foto (C) Hut-Film

Foto (C) Hut-Film

Den ganzen Nachmittag fahre ich mit Zügen und Straßenbahnen durch die Gegend, und zwischendurch stehe ich auf Bahnsteigen und an Haltestellen. Ich orientiere mich mühsam. Wohin fährt der Zug, in dem ich gerade sitze?
Zuletzt bin ich in einem Bus. Der fährt durch Neudorf. Ich steige aus an der Ecke Karl-Lehr-Straße/Sternbuschweg, dort, wo alle Busse einmal halten.
BarbaraStadt2Ob ich es geschafft habe, noch rechtzeitig zu meiner Verabredung zu kommen, habe ich vergessen.

Goodbey – Hello (2)

Und heute, an diesem schönen Samstag im Spätsommer, sind wir uns begegnet, auf einer Party. Die meisten Leute hier kenne ich gar nicht. Ich weiß nicht, mit wem ich reden soll und worüber. Die meiste Zeit schaue ich aus dem großen Fenster auf das große abgeerntete Feld. Und da sehe ich plötzlich: Sie kommt vorgefahren, begleitet von ihrem Lover, dem Arschloch. Zum Glück ist der nur selten in Europa. Er ist Schriftsteller, ehemaliger Black Panther, schreibt revolutionäre Stücke, ein Linker also. Aber als Partner eine Niete, egoistisch, rücksichtslos, zu Mitgefühl unfähig, eifersüchtig und sie ständig kontrollierend: So hat sie ihn mir beschrieben, als einen, auf den die Frauen fliegen (und auch, in jeder Hinsicht, als das Gegenteil von mir). Immerhin ist er einer, mit dem sie auf einer Party Bella Figura machen kann. Wenn sie unter vielen Menschen ist, ist sie in ihrem Element, wird schnell zum Blickfang, erntet Bewunderung von den Herren und Neid von den Damen, erst recht in respektabler Begleitung.
FeldAbgeerntetIch weiß etwas aus dieser respektablen Beziehung, wovon sie mir erzählt hatte, weil sie meinte, daß ich das unbedingt wissen muß: Daß er ihr manchmal eine veritable Tracht Prügel verpaßt hatte. – Ein Aspekt, der das Bild dieser Grande Dame bei ihren Bewunderern und Neiderinnen auf kontrapunktische Weise komplettieren, Bewunderung und Neid eher steigern als verringern würde. Er macht ihr klar, wie sie sich zu benehmen hat. Besonders stört er sich an ihren Fragen danach, was er treibt, wenn er mal für einige Zeit nichts von sich hören läßt. Dann befolgt sie ohne Widerspruch seine Anweisung, für die Strafe mit dem Ledergürtel ihr Hinterteil zu entblößen. Ein anderes Mal hat sie mir erzählt, es handle sich dabei um ein Arrangement zum beiderseitigen Lustgewinn. Wahrscheinlich stimmt beides. Wahrscheinlich ist er einer, der sowas nicht aus Jux und Tollerei tun würde, nicht bloß aus Quatsch, nicht bloß zum allseitigen Vergnügen, wogegen kein freiheitsliebender Mensch etwas einwenden würde.
Ob der uns Gelegenheit geben wird, miteinander zu reden? Der ahnt wohl, wer ich bin. Er weiß allerdings nicht, wie viel ich über ihn weiß; und ich weiß nicht, ob sie ihm alles über mich erzählt hat.
Sie kommt auf mich zu. Ich bringe ein höfliches Lächeln zustande: „Wie geht es dir?“
„Sehr gut. Und dir?“
„Na ja. – Na ja.“
„Was macht die Arbeit?“
„Außer dem, was sowieso öffentlich gelesen werden kann: Von einigen Seiten wird mir das Leben schwer gemacht.“
Jetzt sagt sie: „Na ja.“
„Ich mußte viel gehen in letzter Zeit, an den langen hellen Sommerabenden durch die Straßen, und den Sternbuschweg entlang.“ Ich bin sicher, daß sie versteht.
Ob ich hier sagen kann, was ich ihr noch sagen will? Es ist nicht ruhig hier, und was ich sage, wird mitgehört von denen, die zufällig in der Nähe herumstehen. Eine Stelle zu suchen, wo wir von den Partygeräuschen angeschirmt sind, würde sie ablehnen.
„Weißt du, wir sind zwei sehr unterschiedliche Menschen“, sagt sie, um gleich mit dem Fazit zu beginnen. Die hat es aber eilig!
Ich sage jetzt das Unverschämteste, was mir gerade einfällt: „Du hast mir ja geschrieben von deinem mit Summakumm-Laute abgeschlossenen 1-A-Studium. An der FU! Gratuliere zur FU. Bei mir lief das immer anders. Ich habe mich immer nur durchgewurstelt. Wir sind also wirklich unterschiedlich.“ Und ich füge hinzu: „Wohin du jetzt unterwegs bist, wirst du jemandem wie mir nicht begegnen.“
Unser Gespräch hat also seine Farbe bekommen, und daran bin ich nicht unschuldig. Es würde aber auch nicht besser verlaufen, wenn ich meinen Zorn bezwingen würde. Ich liebe diese Frau. Und wer liebt, sollte sich nicht verstellen.
Sie nimmt es mir nicht übel: „Deine Empörung ist deutlich zu spüren. Ich glaube nicht, daß ich etwas sagen oder tun kann, um Dich zu versöhnen.“
„Doch. Kannst du. Ehrlichkeit hilft immer. Resignation ist immer falsch.“ Das kann sie als Angebot oder als Affront auffassen. Sie faßt es als Affront auf. Ich habe ihr Unehrlichkeit attestiert.
Aber sie beherrscht sich: „Ich möchte nicht Quelle von Zorn und Unglück sein, Helmut. Aber vielleicht brauchst Du diesen Zorn aus irgendeinem Grund. Nur denke ich, daß die ganze Geschichte sich verselbständigt hat und ich als Projektionsfläche fungiere, was mit mir real kaum noch etwas zu tun hat.“
„Fang doch nicht schon wieder damit an! Es ist wirklich keine Freude, wenn Du Deine Fähigkeit zur Verdrängung zu einer Unfähigkeit von mir verdrehst und deine Ruppigkeit im Umgang mit Menschen mit weisen Worten verkleidest.“
„Für mich ist die Vergangenheit nicht wiedererlebbar, selbst wenn ich mich intensiv darum bemühe. Die gute Seite an dieser Unfähigkeit ist, daß mich Vergangenes nicht immer wieder einholt und lähmt. Die schlechte Seite, natürlich, verhindert, daß ich das vergangene Schöne aufrufen und retrospektiv genießen kann. Wie dem auch sei, ich kann es nicht ändern, also akzeptiere ich diese meine Eigenschaft und lebe mit ihr.“
„Mußt du mir jetzt diese Theorie der reduzierten Persönlichkeit auftischen?“
Ich mache hier keine gute Figur. Das ist ja wirklich keine Glanzrolle: der beleidigte Liebhaber. Aber die hab ich mir ja nicht ausgesucht. Ich ärgere mich darüber, daß ich hier die Rolle spiele von einem, der unbedingt das letzte Wort haben muß. Hoffentlich erfährt nie jemand, was ich hier alles sage. Aber hier gibt es für mich sowieso nichts zu gewinnen, das ist mir jetzt klar. Manchmal bereut man, was man gesagt hat. Ich will nicht bereuen müssen, was ich nicht gesagt habe.
Jetzt hätte ich Lust, zu sagen: „Dein Leben ist eine einzige Aneinanderreihung von Fehlentscheidungen.“ Aber ich beherrsche mich – obwohl sie mir in diesem Punkt nicht widersprechen würde. Stattdessen sage ich: „Wann hat bei dir der ganze Schlamassel angefangen? Als wir uns kennenlernten??“ Sie zuckt zusammen. Ich sage leise: „Ich war bestimmt nicht das Schlechteste, was dir im Leben passiert ist.“
„Jaja, du hast ja recht. Aber – – – “
„Du tust dir wirklich keinen Gefallen.“
Und dann sage ich, unpassend, aber das will ich loswerden: „Bei aller Traurigkeit gab es da eine Stelle, wo ich fast lachen mußte. Nicht aus Sarkasmus, nicht aus Häme, sondern weil es wirklich komisch war. Du hattest mir geschrieben, deine Lösung wäre, dich von Situationen und Menschen zu lösen, die dir nicht guttun. Ach, wenn du das doch könntest! Du irrst dich, wenn du sagst, du hättest mich mit deinem Unglück belästigt und wohl auch verletzt. Du hast mich damit allerdings belastet, sehr sogar, sicherlich mehr, als du vermutest. Ich fühlte mich bis an die Grenze der Belastbarkeit in Anspruch genommen, so daß mir manchmal die Hände zitterten. Aber ich sagte es dir schon: Es war mir eine Ehre! Ich habe gern für dich alles stehen und liegen lassen, und es gab in jenen Tagen, Wochen, Monaten nichts wichtigeres für mich zu tun als dir beizustehen. Daß du dann aber – ganz plötzlich – mein vor dir erbetenes Bemühen als ‚Einmischung‘ empfandest und alles umwertetest (rückwirkend!), das hat mich dann doch ein kleines bißchen verstört. Jeder hätte dir ‘n Vogel gezeigt. Ja, ich weiß, ich bin jetzt nicht nett zu dir.“
„Verstehe ich, Ich bin ja auch nicht nett zu dir.“
„Du mußt gar nicht nett zu mir sein. Sei doch endlich mal nett zu dir selbst. Daß du mich ruppig behandelst, schmerzt mich. Aber daß du dich selbst ruppig behandelst, schmerzt mich noch mehr. Ich ertrage es nicht, wenn Frauen schlecht behandelt werden. Aber ich ertrage es noch weniger, wenn Frauen sich schlecht behandeln lassen – und das dann auch noch verteidigen.“ (Sie weiß, wovon ich spreche).
Aber dazu sagt sie nichts. Muß sie auch nicht. Sie sagt: „Unsere Wut und Enttäuschung sind das Resultat der falschen Bilder, die wir uns voneinander gemacht hatten. Der reale Mensch verschwindet hinter einem solchen Bild, und wenn er dann auftaucht, sind wir bitter enttäuscht und zornig über das Mißverhältnis.“
„Mißverhältnis: Ich vermisse dich sehr. Du vermißt mich gar nicht. Trotzdem bin ich von uns der Glückliche. Weil ich gar nicht dazu in der Lage bin, ein halbes Leben auf den Sperrmüll zu stellen mit allen Erfahrungen und mit den Menschen, die man in Anspruch genommen hat. Das hast du gelernt. Ich hoffe, ich lerne das nie. Bin ich der einzige von uns beiden, der dem, was wir miteinander erlebt und getan haben, überhaupt noch etwas abgewinnen kann? Ich muß mich damit abfinden, daß ich immer damit gescheitert bin, vom Glück und Gelingen meines Lebens Dir etwas abzugeben, auch diesmal wieder.“
„Ich habe dich immer beneidet um Deine Erinnerungsfähigkeit.“
„Dann pflege doch deine eigene, Mensch! Und mach dir mal keine Gedanken, du würdest mir was antun. Mach dir kein schlechtes Gewissen. Das ‚schlechte Gewissen‘ ist oftmals auch nur ein Trick, um sich vor der Verantwortung für sich selbst zu drücken. Tu dir selber nichts an. Deine Amnesie pflegst du doch und glaubst, dich damit zu schützen. Wie soll das gutgehen?“
Sie antwortet nicht mehr. In ihrem Gesicht regt sich nichts. Sie sieht mich ausdruckslos an. Ihr dauert das alles zu lange. Alle Worte scheinen überflüssig zu sein. Trotzdem sage ich das noch:
„Seit dem Moment, als ich Dich zum ersten Mal sah, liebe ich Dich. Das kannst weder Du, noch kann ich es ändern. Diese Liebe hat sich gewandelt, aber niemals nachgelassen, und so wird es bleiben. Unter einer solchen Liebe muß man leiden. Aber man muß nicht daran verzweifeln. Aber stelle Dir selbst die Frage: Kann mein Geständnis Dich überhaupt noch berühren? Oder ist es nur eine Lästigkeit, die du in zwei oder drei Minuten von dir abgestreift haben wirst? Dann bist Du es, die zu bedauern ist.“
Ob ich sie noch einmal umarmen kann? Kein guter Platz für einen solchen Abschied, hier in aller Unruhe.
„Viele Worte! Verzeih mir bitte. Ich sollte dir danken, für jedes freundliche und liebe Wort, für jeden Moment des Glücks, auch wenn du all das für dich ausgelöscht hast.“
„Vielleicht habe ich deine Liebe gar nicht verdient“, sagt sie.
„Sag nicht sowas, denk es nicht einmal. Geh‘ nicht unter!“
„Verzeih mir alles, was mir nicht gelungen ist. Und was gut war, bewahre es. Bei dir ist es gut aufgehoben.“
Ja, sie umarmt mich. Dann geht sie, schnell. Diese Party will sie verlassen. In ein paar Minuten ist alles vergangen, vielleicht auch die Erinnerung an meinen Namen. Am Ausgang trifft sie ihren Lover, die Pappnase.
Kurze Zeit später. Da öffnet sich die Tür, und herein kommt ein verspäteter Partygast, den ich überhaupt nicht erwartet habe. Herein kommt der Schabronat.
„Mensch, Walter! Dich habe ich ja überhaupt nicht erwartet. Dich habe ich ja schon jahrelang nicht mehr gesehen, alter Kundschafter!“
„Ich muß ja auch nicht überall sein. Ich krieg auch so alles mit. Mit Frollein Anne läuft‘s nicht mehr, habe ich gehört?“
„Du erfährst wohl alles.“
Er grinst: „Ich weiß alles. Ich weiß auch einiges über den neuen Macker von deiner Ex. Da kann ich Sachen erzählen, da legst du die Ohren an.“
„Dat nützt mir jetz aunix mehr. Aber erzähl‘ ruhig.“

Goodbey – Hello (1)

Als sie mich zum ersten Mal verließ, war sie gerade 16 Jahre alt. Zum zweiten mal verließ sie mich, da war sie gerade 30. Und jetzt hat sie mich schon wieder verlassen! Das scheint eine schlechte Angewohnheit von ihr zu sein. Und diesmal – so scheint es – ist es wohl endgültig.
Und ich muß wieder den Sternbuschweg rauf und runter gehen, von der Mülheimer Straße bis zum Grunewald und wieder zurück, den ganzen langen Sternbuschweg rauf und runter, wie immer, wenn eine von mir nichts mehr wissen wollte. Wie oft mußte ich schon in solcher Verfassung die lange Straße rauf und runter laufen – bin ich denn wirklich so unerträglich? Und jedesmal, auch jetzt wieder, ist der Himmel dunkelgrau. Es fällt schwer, noch an Zufälle zu glauben.
Sie war meine zweite „richtige“ Freundin gewesen, und ich hatte die Trennung von der ersten noch nicht bewältigt (habe ich auch jetzt noch nicht). Das spürte sie. Sie litt darunter wohl mehr als sie sagte, und sie wußte genau, warum ich mir „einen Tag Urlaub von uns“ nahm. Ich hatte ihr gesagt, einen Tag vor meiner mündlichen Abiturprüfung wollte ich allein sein und – zur Entspannung – den Sternbuschweg rauf und runter gehen.
SternbuschwegDie letzten drei Jahre haben wir nicht mehr miteinander gesprochen, sind uns nicht begegnet, haben keine Briefe gewechselt, keine E-mails aneinander geschickt, nicht mehr, wie früher, dreimal am Tag stundenlang miteinander telefoniert. (Jede E-mail von ihr begann mit „Sag mal…“). Wir sind so weit voneinander entfernt, daß bei ihr die Sonne schon untergegangen ist, wenn sie hier noch über dem Horizont steht. Ich kann nicht mal nachgucken gehen, ob ihr Name noch an der Tür steht. Was mache ich, wenn ihre Adresse nicht mehr gültig ist, wenn ich nicht mehr weiß, wo sie geblieben ist? Dann wäre auch der Sternbuschweg nicht lang genug.
Ich schrieb ihr nach drei Jahren „absoluter Funkstille“, sie hätte noch ein Buch von mir. „Bitte richte es doch ein, daß ich das Buch zurückbekomme.“ Ich hatte von ihr geträumt. Sie hatte wieder ihr langes dunkles Haar ihrer Teenagerzeit. Sie stand vor mir, verlegen lächelnd. Ein Fingerzeig des Unbewußten! Ich mußte ihr schreiben.
Ich erinnerte mich daran, daß sie mir mal geklagt hatte: „Ich hatte ein Haus, ich hatte die besten Bildungschancen. Mein Vater hat mir ein Vermögen hinterlassen, ich hatte ein gutgehendes Geschäft. Ich hatte liebende Eltern. Was ist mir geblieben? Wie konnte ich mir das alles aus den Händen gleiten lassen!“ Ich hielt es für möglich, daß sie heute hinzufügt: „Und ich hatte den besten Freund, den ich mir hätte wünschen können.“ Darum nahm ich ein geliehenes Buch als Vorwand und schloß mit den Worten: „Immer noch (auch wenn Dir das gar nicht paßt) Dir sehr gewogen“.
Das hat gewissermaßen geklappt. Es erschienen wieder Worte von ihr auf meinem und Worte von mir auf ihrem Bildschirm. Aber schon bald stritten wir uns nur noch. Ich dachte: Lieber lasse ich mich von ihr beschimpfen als gar nichts mehr von ihr zu bekommen. Mich ausschimpfen, ja, das konnte sie. Ohne laut oder ausfallend zu werden, ohne die Würde zu verlieren und zu verletzen, in ruhigem Ton und in wohlgesetzten, belehrenden Worten konnte sie ihre Fassungslosigkeit über mein Verhalten über mich ausgießen, und das endete jedesmal mit der Frage: „Was bist du eigentlich für ein Mensch?“ Wenn ich dann sagte, daß sie eine Meisterin im Ausschimpfen ist, war sie ganz ungehalten: „Was sagst du da? Wie kannst du so etwas behaupten? Ich fasse es nicht! Wie kannst du behaupten, ich hätte dich ausgeschimpft? Bist du verrückt? Ich habe dich nie ausgeschimpft! Was bist du eigentlich für ein Mensch?“ Oh, wir liebten uns!
Doch diesmal war es anders. Sie war gereizt, kurz angebunden. Als ich ihr ein paar vorwurfsvolle Bemerkungen unterbreitet hatte, reagierte sie noch verständig. Als ich aber einen versöhnlichen Ton anschlug, da war es ganz aus. Das sagt doch wohl alles.
Sie hatte mir einiges zugemutet, über das man nicht so einfach mit dem Schwamm drübergehen kann: Daß sie, obwohl sie doch in einer festen Beziehung lebte, mit mir „fremdgegangen“ war, daß es, trotz ihrer festen Beziehung, zu sexuellen Handlungen zwischen uns gekommen war, und zwar nicht in einer unüberlegten Anwandlung, sondern dauerhaft, verabredet, in vollem Bewußtsein, mit ganzer Absicht – das wertete sie rückwirkend als Übertretung, obwohl wir es als unseren Sieg über Konvention und Moral ohne Schulgefühl gemeinsam genossen hatten. Aber das muß einem doch klar sein: Wenn man die falsche Konvention und die falsche Moral hinter sich gelassen hat, dann darf man sich um Himmelswillen nicht mehr von ihnen einholen lassen! Sonst gibt es ein Unglück.
Und sie hatte dann auch noch hinzugefügt: „Du hast diese sexuelle Vorliebe, ich habe sie nicht.“
Damit hatte sie mich getroffen! Hatte sie mir nicht unzählige Male gesagt und es immer wieder bekräftigt, daß wir „dieselbe sexuelle Vorliebe“ hätten und daß wir uns gerade darum „immer noch so gut verstehen“?
Daß sie den Konflikten einer Beziehung zu zwei Männern auswich, war ein Rückzieher, für den sie ihre sexuelle Vorliebe doch nicht hätte verleugnen müssen! Daß sie einem „klaren Verhältnis“ nunmehr den Vorzug vor der Lust gab, begeisterte mich zwar nicht. Aber sie hatte nun mal über ihre sexuellen Aktivitäten selbst zu entscheiden. Die Absage hätte ich als bedauerlich hingenommen. Aber ihre Art, die Absage zu begründen, fand ich kleinmütig. Ich fand sie unehrlich – unehrlich sich selbst gegenüber.
WIRD FORTGESETZT.

Die Lust in den Zeiten der Selbstoptimierung?

Das von Claudia Gehrke herausgegebene verdienstvolle und von mir auch schon mal bebeitragte Jahrbuch der Erotik „Mein heimliches Auge“ ist mit der 30. Ausgabe erschienen. Es ist in der Buchhandlung Weltbühne erhältlich und sieht von vorne betrachtet so aus:
MeinHeimlAugeXXXIch stecke ja nicht so drin und weiß darum nicht, ob der Eindruck mich trügt, daß libidinöser Austausch mit einem Judokurs zusammen angeboten wird (wahrscheinlich um Zeit zu sparen). Nachdem der Fotograf seine Arbeit getan hatte, mußten die beiden zusehen, wie sie sich wieder entknoten.
Der Mann sieht etwas eingesprungen aus (mußte für das eigentlich vorgesehene Modell einspringen). Dem mußte man sagen, wo er seine linke Hand hintun soll (die rechte kommt nicht mit ins Spiel).
Ich habe nichts gegen mehrere Haarfarben gleichzeitig, finde es aber „overstyled“ (owerschteilt).
Dieser Wahn, naturgewollte Körperbehaarung zu entfernen! Die Entfernung der Achselhaare läßt befürchten, daß die sich noch an anderer Stelle Haare entfernt hat.
Wer hat eigentlich das Gerücht in die Welt gesetzt, daß Strapse erotisierend sind? Ich find die Dinger furchbar.
Verkleidung. Rotes Kleid. Natüüürlich. Wie hingegen sagte Alfred Hitchcock? „Es hat immer gewesen die Problem, to vermeiden the cliché.“

Das folgende Bild entstand in den Zeiten der Selbstverwirklichung (und das ist so lange noch gar nicht her) und des Selbstauslösers (und damit klärt sich das Rätsel vom 6. November auf).
stefanie-buntDa sieht man doch gleich, daß die beiden Lust-Personen mit sich, mit der Welt und mit einander nur Gutes im Schilde führen.

Mit der mehr als 30 Jahre jüngeren Stefanie war ich nur ein halbes Jahr lang liiert. Das war eine richtig Nette, und sie hatte Courage. Und das war eine harmonische Beziehung (sieht man doch).
Wie konnte ich mir das durch die Lappen gehen lassen?
Ich versteh mich nicht.

Bilder einer Vergewisserung (16-24)

pf2015-16Nachdem man die Häuser in Vordergrund passiert hat, dort hinter den sieben Platanen (oder acht. Oder neun):
Stand einst die Mülheimer Villa.
In DER METZGER Nr. 24 (Februar 1975) schrieb Rolf Menrath über das „selbstverwaltete Wohnprojekt“.
Da wohnten sie alle. Ich wohnte nicht da, war aber oft zu Besuch. (Was Kommune betrifft: Der Besucher ist stets besser dran).
Hinter dem Haus war eine große Veranda, von der aus man weit ins Tal blicken konnte. Ich erinnere mich an eine ganz große Sommernachts-Party. Mit der Zeit drang durch, daß hier die Verlobung von Che und Frauke gefeiert wurde – oder war es sogar die Hochzeitsfeier? Nein, ich spreche nicht von Che Guevara, sondern von Che Urselmann, der die Zeitschrift ZERO herausgab. Und Frauke managte die Theke im Eschhaus. Ich bewunderte sie, weil eine solche Arbeit angesichts einiger sehr schräger Vögel, die da ihre Schrägheit ventilierten, nur mit einem sehr hohen Maß an Souveränität zu bewältigen war.
Von der Mülheimer Villa – nach ihrem Abriß – ist nochmal in DER METZGER Nr. 39 die Rede. Heute steht an der Stelle irgendeine andere „Wohnbebauung“. Villen baut man stattdessen an Stellen, wo sie nicht hingehören.
Über ein etwas komisches Erlebnis in der Villa berichtete ich in meinem Buch „Der Gartenoffizier“ auf Seite 163f.

pf2015-17Die Landschaft hinter der Villa.

pf2015-18Ach, erzählen Sie ruhig, die Elektrizität wäre hier erfunden worden. Weil das so aussieht: in dem Häusken hinter den Häuskes. Das können Sie getrost erzählen, weil das sowieso keiner glaubt.
Bringen Sie die Oberleitung als Argument ins Spiel.

pf2015-19Das Haus habe ich Ihnen doch schon mal gezeigt und gesagt, daß ich Ihnen die Geschichte dazu vielleicht mal erzähle. Also:
In diesem schönen Haus wohnte eine, die ich kannte, Schülerin des Frau-Rat-Goethe-Mädchengymnasiums, die unserer kleinen und sehr agilen Radikal-Gruppe angehörte, die sich „Kommune“ nannte (und, das darf ich sagen, es besser machte als die meisten Gruppen, die sich so bezeichneten. Außer mir zwei Arbeiter, ein Lehrling, drei Schülerinnen, kein Student). Wir hatten gerade an den Weihnachtstagen (1968) auf dem Bahnhofsvorplatz einen Hungerstreik veranstaltet (wegen Vietnam). Der Vater der Villenbewohnerin, der Villenbesitzer also, zeigte Sympathie für unsere umstürzlerischen Konzepte und lud uns ein. Es ging wohl darum, uns finanziell unter die Arme zu greifen.
Die Genossin (Christiane hieß sie) hatte ein sehr großes Zimmer. Da stand auch ein Klavier, auf dem ich dann spielte – obwohl ich gar nicht klavierspielen kann. Aber mit einem Klavier funktioniert sowas, anders als – etwa – mit einer Klarinette. In einem Regal standen viele Bücher, und zwar alle aus der rororo-Taschenbuchreihe. (Vielleicht hat sie Bücher aus anderen Verlagen irgendwo verborgen aufbewahrt).
An der Wand hing ein großes pygophiles Poster, was meine Sympathie für die Zimmerbewohnerin weiter steigerte. Ich finde es gut, wenn Frauen auch einen Blick für sowas haben.
Das Gespräch mit ihrem Vater, der nach langem Zögern sein Lampenfieber überwand und sich uns Revoluzzern aussetzte, verlief eigentlich sehr harmonisch.
Viel hat er dann jedenfalls nicht springen lassen.
Nach der Rückfahrt mit der Straßenbahn nach Duisburg (Oberleitung siehe oben) brachte ich die Genossin Anne nach Hause. Es war ein Schnee gefallen. Der trockene Pulverschnee knirschte unter unseren Schritten. Wir waren schon auf dem Lith. Ich dachte: Nur noch da vorn die Ecke rum, dann ist sie zu Hause. Und ich dachte: Jetzt! Jetzt! Jetzt! werde ich sie einfach in’n Arm nehmen und küssen! Und dann stellte sich heraus, daß sie schon seit Monaten darauf gewartet hatte.
Pech für die Mädchen, die sich in so einen schüchternen Jungen verlieben. Da dauert das immer moo-naa-tee-laang.

pf2015-20Ich kann mir nicht helfen und ich weiß nicht warum. Immer wenn ich hier unterwegs bin, wo zwischen Radweg und Fahrbahn ein Parkstreifen angelegt ist, überkommt mich eine geheimnisvolle Melancholie. Da kann der Herr Nappenfeld noch so viel Metall gestalten.

pf2015-21pf2015-22Jetzt die Biege ins Gewerbegebiet, zur Ruhr? Nein, heute nicht.

pf2015-23In irgendeiner Nebenstraße – diese war’s wohl nicht, aber so ähnlich – bin ich mal mit dem Strähler gewesen. Das war Ende der 70er Jahre. Wir (Hut-Film) besuchten da den Dokumentar- und Experimental-Filmer Reinald Schnell. Der wohnte da mit seiner Mutter, der Frau des Schriftstellers Robert Wolfgang Schnell. Ich war froh, mal eine Wohnung zu betreten, in der es so aussah wie bei mir zu Hause. Überall Zeitungen und Bücher auf Tischen und Stühlen.
An der Wand hing ein Miró, ein Original.
Soll ich Ihnen mal was sagen: Der Schnell fand meine Filme nicht so gut. Der fand die Filme von dem Strähler besser! Aber seine Mutter war von dem, was ich sagte, sehr angetan.
Wir organisierten dann einen Filmabend mit Reinald Schnell im Eschhaus. Er hielt einen einführenden Vortrag, von dem mir ein Satz besonders in Erinnerung blieb. Ein Zitat von Mitscherlich: „Was wir heute bauen sind die Slums von morgen.“

KneipeMuelheimDer Wendepunkt eines Pfingst-Ausgangs zum Zwecke der Vergewisserung (woher kommen wir, wohin gehen wir, hier: wo machen wir kehrt).
Das Bild habe ich Ihnen doch auch schon mal gezeigt. In dem Lokal hatten wir mal Klassentreffen. Das muß im Dezember 1974 gewesen sein (kurz nachdem Sartre Baader in Stammheim besucht hatte).
Als ich nach Hause ging, Mitternacht war schon vorbei, da merkte ich, daß ich ohne Hausschlüssel unterwegs war.

Bilder einer Wanderung (9-19)

ch2015-09Quakende Enten auf dem Dickelsbach bei Großenbaum.

ch2015-10ch2015-11Eine der meistbefahrenen Eisenbahnlinien Europas, von der Großenbaumer Brücke aus gesehen..
Oben: Richtung Hauptbahnhof, Essen, Dortmund, Hannover, Berlin.
Unten: Richtung Düsseldorf, Köln, Bonn, Mainz, Karlsruhe, Freiburg, Basel.
Wie oft fuhr ich im IC unter der Brücke nach Düsseldorf, Bonn vor allem, aber auch Mainz, Karlsruhe und Freiburg (Basel nie) – der Arbeit und der Liebe wegen. In letzter Zeit immer seltener. Nach Berlin fahre ich auch nicht mehr.
Merke:
Kommt Zeit, kommt Rath, kommen Derendorf.

ch2015-12

ch2015-13Solche Mauern hatten früher eine sehr viel größere Bedeutung als heute, und waren auch länger. Hier eine sehr abgelegene Industrie, zu der aber auch am Himmelfahrtstag große LKWs hin fahren (habe ich gesehen).

ch2015-14Blick hinab auf den Großenbaumer See, auch als „Freibad Großenbaum“ bezeichnet. Früher sagte man: Strandbad.
Und? Nichts! Kein Strandleben im Strandbad. Ein stillgelegtes Strandbad? Scheint so.
Wasser ist aber noch drin. Der Oberbürgermeister hat den Stöpsel noch nicht gefunden.
Gucken Sie mal genau hin. Da hinten am Horizont, links neben der Baumgruppe in der Mitte: Ein Hochofen.

ch2015-15Die Brücke, die ich vorhin erwähnte. Früher sah man die schon von Weitem, wenn man sich ihr näherte. Heute erblickt man sie erst, wenn man sie fast erreicht hat.
Früher! Ja! Früher! Da konnte man den Blick über Landschaften genießen. Das war gut dafür, sich im Leben und in der Welt zu orientieren. Heute gibt es kaum noch eine Landschaft, die noch nicht zugewachsen ist.

ch2015-16

ch2015-17Angelangt in Huckingen. Gucken Sie mal auf die Landkarte, wie weit ich gehe!

ch2015-18Also, das sieht ja so aus, als hätte man die ganze Landschaft davongetragen und nur das Haus stehengelassen.

ch2015-19„Aufgrund eines technischen Defekt“, „weiteres außer Betrieb – “.
Hier scheint auch ein sprachlicher Defekt vorzuliegen.
Hübsche junge Dame (guckt mißtrauisch).

Alles war, nix is mehr (1)

Ach! Sieh an!

nixis01Ein Zeichen der Zeit! Muß nicht heißen: Zeichen der Gegenwart. Die Gegenwart ist nicht die einzige Zeit. Auch die Vergangenheit sendet Zeichen, die vergleichbar sind mit dem sprichwörtlichen Stein im Schuh.
„Oma Kohl“ war mal der INOFFIZIELLE Name dieser Kneipe auf der Börsenstraße. Offiziell hieß diese Kneipe anders, hatte irgendeinen nichtssagenden Kneipen-Namen wie Soundso-Stube oder Zum-Soundso. Die winzige Kneipe wurde von einem älteren Ehepaar betrieben. Die hießen Kohl. Darum ging man zu „Oma Kohl“.
Um die Mittagszeit, manchmal nachmittags, ging man da hin. Die antiautoritären, die radikalisierten und radikalisierenden APO-Schüler. Warum gerade da hin? Weiß ich nicht. Weiß wahrscheinlich kein Mensch. Die Kneipe hatte nicht besonderes. Sie war nicht schön, die war nicht originell, sie war nicht besonders gemütlich. Sie war einfach nur übriggeblieben. Das Wirts-Ehepaar Kohl (beide mindestens 70) müssen gedacht haben: „Wo kommen bloß die ganzen jungen Gäste her?“ Na, ihnen konnte es recht sein.
Vorne war die Theke, hinten paßten gerade mal zwei große Tische rein.
Ich ging da mal an einem Nachmittag hin, um den Dichter Willy Blassen zu treffen. Der schrieb existentialistische Gedichte, die nicht zum Lachen waren, richtig mit Reimen und Strophen. Und ich hatte mich entschlossen, eine Zeitschrift herauszugeben, und wollte Beiträge von dem kriegen. Meine Freundin Barbara begleitete mich. Die fand den Willy Blassen gar nicht gut, weil der so auf ernst und existentialistisch macht, so auf superlässig (heute würde man sagen, der „macht auf cool“). Die Barbara war eine ganz kühle, die bei jedem auf Anhieb die unangenehmen Seiten entdeckte. Aber mich liebte sie erstaunlicherweise.
Daß die Wirtsleute, die vielleicht gar nicht wußten, wie ihre Kneipe wirklich hieß, diese Nachfolgern überließen, habe ich nicht mehr mitgekriegt. Aber der Name hat sich anscheinend erhalten. Irgendwann haben sie da das Schild drüber gehängt und fanden das lustig, und wissen nicht was ich weiß.
Wenn man genau hinguckt, sieht man: Steht leer. Nachmieter gesucht.

nixis02Das Kellerlokal, das heute Djäzz heißt, gab es auch damals schon, hieß aber anders. Ich war da nie drin. In ein Etablissement, das sich „Börsenstreet“ nennt, gehe ich nicht.

nixis03Das war in der Zeit, von der hier die Rede ist, gewissermaßen das Gegenteil von Oma Kohl. In der Gaststätte mit dem bezeichnenden Namen „Fürstenkrone“ auf der Claubergstraße trafen sich die elitären Schnösel, deren Lebensleistung darin bestand, aus besseren Kreisen zu stammen.
Ich war da auch mal drin. Wenn man da mal drin ist, ist das wichtigste, zu wissen, wo der Ausgang ist.
Das Gebäude war dem Forum-Bombastikum im Weg. Die Fassade stand unter Denkmalschutz. Also hat man das Gebäude zwar abgerissen, die Fassade aber stehenlassen. Wo einst Fürstenkrone war, ist nur noch Fassade, dahinter Karstadt, C&A und das alles. Die Eliten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Wenn ich die heutigen Zustände sehe, tröste ich mich mit dem, was es nicht mehr gibt.

nixis04
Ein paar Häuser weiter. Da war ich nie drin. Das war mal so eine richtige Nepp-Bar, mit Bardamen/Animierdamen. Muß auch sein. Piccolöchen für 85 Mark.
Und jetzt? „Bistro Café“ Noch nicht mal zu einen accent aigu reicht’s bei denen.
Gucken Sie mal diese Schlucht zwischen den Häusern!
Nächste Tage erzähle ich Ihnen mehr über meinen Samstags-Nachmittags-Straßen-Spaziergang von voriger Woche.
Früher war ich ja einer von denen, die von der Zukunft künden. Jetzt krame ich vor Ihnen im Vergangenheit herum. Ich nehme also inzwischen eine radikalere Haltung ein.

Ich entferne mich unauffällig

Ich finde mich im Café Ernst auf der Königstraße. Sonst, wenn ich da bin, bevorzuge ich einen Tisch im hinteren Bereich, aber heute sitze ich an einem Tischchen ganz nah am Eingang. Vor mir auf dem Tisch eine Tasse mit Kaffee darin und ein Teller mit einem Stück Kuchen darauf. Es handelt sich um ein Stück Obstkuchen. Kirschen, Stachelbeeren, Ananas, bedeckt mit Schlagsahne. Ich kann mich nicht erinnern, das bestellt zu haben. Kaffee ja. Aber Obstkuchen? Das bestelle ich doch nie. Wieso steht das vor mir auf dem Tisch? Nun gut. Ich habe den Kuchen verzehrt und den Kaffee ausgetrunken und gehe.
Ich beeile mich, zur Straßenbahnhaltstelle zu kommen. Schnell bin ich unter den Leuten, die hier geschäftig herumeilen. Es ist kühl und regnerisch. Es ist ein trüber Nachmittag. Ich steige in die nächste Straßenbahn ein. Die Straßenbahn ist überfüllt, aber ich bekomme einen Sitzplatz. Wenn jetzt einer käme, um die Fahrscheine zu kontrollieren, wäre die Ungemütlichkeit der Situation vollkommen.
Durch das Fenster kann man nichts sehen. Die Scheibe ist beschlagen. Ein trübes, helles Grau verbirgt die trübe, graue Stadt. Einige Tropfen rinnen an dem Glas entlang.
Ich befinde mich in der Straßenbahnlinie 9, die in den Duisburger Süden fährt. An der Haltestelle „Im Schlenk“ steige ich aus. Bald habe ich die Geschäftigkeit der Stadt hinter mir gelassen. Ich gehe die Fasanenstraße entlang, eine Allee mit kleinen Häusern und großen Gärten. Hier ist es auch an trüben Tagen anheimelnd.
Ich will meine Freundin besuchen. Sie ist gar nicht mehr meine Freundin. Sie wollte von mir nichts mehr wissen, von einem Tag auf den anderen. Aber ich sehne mich nach ihr. Ich sehne mich so sehr! Wenn auch andere Frauen in meinem Leben ihr gefolgt sind, hat die Sehnsucht nie nachgelassen. An manchen Tagen, an Tagen wie heute, ist die Sehnsucht unerträglich.
Ich will wenigstens mit ihr sprechen, sie sehen, ihre Stimme hören, ihre schöne Stimme.
Ich betrete das Haus, in dem sie immer noch wohnt. Ein Reihenhaus. Ihr Zimmer ist in der oberen Etage. Ich steige die steile Treppe hinauf und stehe vor ihrer Tür.
Schon oft bin ich hier gewesen, habe vor dieser Tür gestanden, die in die Kammer unserer Verschworenheit und unserer einstigen hemmungslosen Lust führt. Doch immer war die Tür abgeschlossen. Wenn ich die Türklinke nach unten drückte, war es vorbei.
Doch diesmal öffnet sich die Tür, und ich trete ein.
Meine Freundin, so habe ich gehört, ist krank. Nichts Ernstes, nur ein bißchen erkältet. Aber sie hat ein paar Tage lang „das Bett gehütet“. Also ist es ein Krankenbesuch.
Das Zimmer ist voller Menschen! Lauter Männer! Lauter Verehrer! Und meine Freundin, wie Penelope belagert von Freiern, liegt in ihrem Bett und genießt die pluralisierte Aufmerksamkeit. Mein Kommen wird kaum bemerkt. Außer „Ach, hallo!“ sagt sie nichts zu mir. Zu sehr ist sie von der Schar der Verehrer in Anspruch genommen.
Draußen Kälte und hier drinnen viele Menschen – so ist auch hier das Fenster beschlagen. Ein trübes, helles Grau. Das ganze Zimmer ist voll mit Zigarettenrauch.
Ich würde die Gesprächsfetzen, die ich mitkriege, gern überhören. Die Belanglosigkeit der Gespräche, die anscheinend mehr gelten als die Sensation meines Kommens, betrübt mich. Leise verlasse ich das Zimmer und das Haus.
Ich fahre mit der Straßenbahn zurück in die Innenstadt, zur Königstraße. Im Café Ernst steht ja noch ein Kuchenteller und eine Kaffeetasse auf dem Tisch, und ich muß ja noch den Kaffee bezahlen und den Kuchen, den ich nicht bestellt hatte.
Aber als ich das Café betrete, ist der Tisch schon abgeräumt. Ganz andere Leute sind jetzt hier. Ich entferne mich unauffällig.

Für eine glücklichere Zukunft!

Sie hat mir manchmal Notizen geschickt wie diese hier:

„Extra für Dich
Kurz vor Ladenschluß.
Ich möchte unbedingt was vor seinem Laden machen. Etwas, weas er so schnell nicht vergißt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Mit einem großen Transparent. – Gegen Hakenkreuze. So etwas. Gegen deutsche Suppenschüsseln, ha!
!!! Erregung öffentlichen Ärgernisses !!! !!! Vor allen Leuten !!!
Schamlos. Unübersehbar. Vielleicht mit einer Gerte oder einem Lederremen. Was Nacktes. WEas Nacktes vor seinem Laden. Meine Bühne ist die Straße. DO IT ON THE ROAD.
Es geht also los. Als ich mich kurz umdrehe, sehe ich ihn am Fenster stehen. Ich installiere seelenruhig die Leiter und fange schon mal mit dem Ausziehen an. Mit dem Rücken zu ihm. Aber er guckt immer noch und faßt es nicht. „Was macht die denn jetzt???“ Endlich begreift er, was sich da abspielt.
Während ich also mit dem Ausziehen beschäftigt bin – ein paar Leute bleben schon stehen – kommt er wie ein Pfeil rausgerannt. Ich schüttel seine Hände ab: „Laß mich doch!“ Dann nimmt er mich kurzentschlossen auf den Arm und trägt mich schnell über die Straße. So, schnell rein da, Tür zu. Abschließen, „damit se nich abhaut.“
„Also, was denkst du dir eigentlich?“
Er rennt auf und ab, es ist herrlich zuzuhören. Es macht mir immer mehr Spaß.
„Na warte.“ ——-………—–…..———-…….?—-!!!§“!“——…………?……………..
Danach kann ich nicht mehr sitzen. Deinen Tisch habe ich nämlich abgebaut. Extra für Dich.

Abgesehen von einigen Eskapaden wie vorstehender, verstecke ich meine Figur lieber unter Kleidern und LILA LATZHOSEN. Ich möchte nämlich nicht von jedem Wichser „angemacht“ werden.
Wer meinen Arsch zu sehen verdient – das entscheide immer noch ich. Der gehört nämlich mir, mein Kleiner.
Freundliche Grüße an Lina Gannofs… mein Gott, WIE heißt die?
Du weißt doch, daß ich schwer erziehbar bin.“

In ungeduldigem Klang gehaltene Entwürfe füllten oft die Blätter, die sie mir mit der Post zuschickte. Der Rekurs auf körperliche Züchtigung in erotischem Kontext ist bei ihr nicht selten (siehe hier und siehe da), und unvermeidlich ist ihre Weigerung, den Namen ihrer Lieblingsrivalin jemals korrekt hinzuschreiben.

Die Geschichte ist realer als man zunächst glauben mag. Ich traue Erika eine solche Aktion durchaus zu: daß sie sich auf der Straße auszieht und sich aller Welt nackt zeigt, um so gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit in der Welt und deutsche Suppenschüsseligkeit zu protestieren. In der Einschätzung der subversiven Kraft sexueller Intervention weiß sie sich mit mir einig („Besser kann man‘s nicht ausdrücken“).
Darum fand ich die Geschichte gar nicht so gut. Das habe ich ihr auch gesagt, als sie mich anrief:
„Der Mann in der Geschichte, damit kann ich ja wohl nicht gemeint sein. Ich würde doch nicht einschreiten, wenn du, im Einklang mit unserer gemeinsamen Kunstauffassung, aus Protest gegen Spießertum und Untertanengeist dich öffentlich entblößt. Ich würde doch in Wirklichkeit eine solche Kunst-Aktion unterstützen.“
„Na, da bin ich mir nicht so sicher“, sagte sie. Ich hätte ahnen können, daß sie noch was vorhat.

Erika besuchte mich manchmal im Geschäft. Die Zeit von eins bis drei war uns am liebsten, weil durch Umdrehen des Türschlosses der Publikumsverkehr ferngehalten wurde.
„Schau her!“ sagte sie. „Mein Hintern ist doch nicht schlechter als der von der Glabowski!“ Und dann sagte sie plötzlich: „Ich stell mich jetzt nackt ins Schaufenster.“

"Ich stell micht jetzt nackt ins Schaufenster!"

„Ich stell micht jetzt nackt ins Schaufenster!“

Ich hechtete ihr hinterher und hielt sie im letzten Moment zurück. Sie wehrte sich heftig. Sie wollte unbedingt im Evaskostüm im Schaufenster stehen, und ich wollte das unbedingt verhindern.

„Laß mich los!“ rief sie wütend. Denn: Wer ihren Arsch sehen soll, das will allein sie entscheiden.

Wir haben uns dann vorgenommen, doch noch ein Happening aus Unfug, Unzucht und Umsturz zu veranstalten, allerdings an einem Ort, den wir beide nach getaner Tat verlassen konnten.
Nämlich im Bonner Hofgarten.

Ist was?

Ist was?

Die Hofgartenwiese, der historische Ort, wo einst gegen Krieg und für Abrüstung demonstriert wurde, erschien uns sehr geeignet für eine Manifestation der Hoffnung auf eine glücklichere Zukunft. Eine einzelne Bank stand mitten auf der Wiese. Auf ihr hatten wir uns niedergelassen. Hier, am Schnittpunkt der Diagonalen, sichtbar von allen Seiten, sichtbar für zahllose Parkbesucher, legte Erika sich quer über meinen Schoß und empfing von mir energiereiche Schläge auf den Hintern.

Auaa! (Täter unkenntlich gemacht).

Auaa!
(Täter unkenntlich gemacht).

Nicht alle können in dem Moment in eine andere Richtung gesehen haben. Nicht alle können den Rhythmus der Applikationen und die Melodie der Äußerungen meiner Mitstreiterin überhört haben. Vielleicht hat ein Kind auf dem Spielplatz nebenan gefragt: „Mama, was macht der Mann da mit der Frau?“
Wir sind dann auch schnell abgehauen.

Na? War was? (Jetzt aber nix wie weg).

Na? War was?
(Jetzt aber nix wie weg).

..

Gestern kam Fourier

Gestriges Ereignis im Wareneingang der verdienstvollen Buchhandlung Weltbühne: Dieses Buch:

Marvin Chlada, Andreas Gwisdalla: Charles Fourier. Eine Einführung in sein Denken. Alibri-Verlag 2014. 136 S. 10 Euro.

ChladaFourierDer Verlag hat das Wort:
Fourier hat als Frühsozialist nicht nur in der Geschichte des utopischen Denkens seinen Platz. Er bot auch im 20. Jahrhundert zahlreiche Anknüpfungspunkte für emanzipatorische Entwicklungen. Die beiden Autoren führen in die unterschiedlichen Aspekte von Fouriers Denken ein, erläutern die zentralen Begriffe und die zugrunde liegenden politischen und philosophischen Fragestellungen. Sie arbeiten nicht nur Fouriers Aktualität heraus, sondern auch seine zahlreichen Fehleinschätzungen und fragwürdigen Ansätze.
Aus dem Inhalt: Charles Fourier und der Fourierismus; Systemische Grundlagen; Die einfältige Zivilisation; Die Geschichtsphilosophie; Die leidenschaftliche Anziehung; Die Harmonie; Sozietäre Theorie und Praxis; Zur Aktualität des Charles Fourier.

Und das stand im METZGER:
Im Gegensatz zu den„schmutzigen Orgien“ in der Zivilisation, die Fourier verachtet, gibt es bei den „ehrbaren Orgien“ in der Harmonie keine Libertinage oder Ausschweifungen mehr. An die Stelle der „Schamlosigkeit“ treten die „sentimentalen Beziehungen“ unter den Beteiligten. Orgien finden nicht mehr im Verborgenen statt. Sie sind eine öffentliche Angelegenheit. Vorbereitet und organisiert werden sie bei den regelmäßigen Sitzungen des Liebeshofs vom „Ministerium der Feen“ und einer Hohepriesterin. O-Ton Fourier: „Wir sollten einen Zipfel des Vorhangs lüften und klarmachen, dass die Aufgaben des Ministeriums im Liebeshof für die Freuden der Jugend von allerhöchster Bedeutung sind. (…) Die gewöhnlichen Beziehungen des Liebeshofs geben Gelegenheit, sich gegenseitig zu erforschen, um die Ehen nach der sympathischen Stufenleiter zu schließen. Dabei ergeben sich glänzende Orgien, die reizvolle Illusionen, kostbare und dauerhafte Erinnerungen bieten.“ Je nach Erfolg und anhaltender Liebe kann eine solche Orgie wochenlang fortgesetzt werden. Für Essen und Getränke ist ausreichend gesorgt.
(aus: Marvin Chlada: Objekte der Begierde. Über die Museumsorgie in Fouriers neuer Welt der Liebe. DER METZGER Nr. 110).

„Fourier ist der Vater des Begriffs Feminismus. Er beschäftigte sich intensiv mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau. In seinem Werk Aus der Neuen Liebeswelt schrieb er, ‚Die Harmonie entsteht nicht, wenn wir die Dummheit begehen, die Frauen auf Küche und Kochtopf zu beschränken. Die Natur hat beide Geschlechter gleichermaßen mit der Fähigkeit zu Wissenschaft und Kunst ausgestattet.’“
Wikipedia

„Fourier ist nicht nur Kritiker, seine ewig heitre Natur macht ihn zum Satiriker, und zwar zu einem der größten Satiriker aller Zeiten.“
Friedrich Engels

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LIEBE leute BESTELLT bücher IN der BUCHHANDLUNG weltbühne UND sonst NIRGENDS.
Weltbühne muß bleiben.
Buchhandlung Weltbühne, eine gute Angewohnheit.

Wieder, immer wieder!

Wieder sah ich ein Baugerüst stehen.

BaugeruestUnd wie immer, wenn ich ein Baugerüst stehen sehe, mußte ich an SIE denken!

Manchmal, wirklich nur manchmal, vermisse ich sie doch noch ein ganz kleines bißchen.
Ja!

Wie das kommt, daß ein Baugerüst, ausgerechnet ein Baugerüst mich an SIE erinnert
und mich sehnsuchtsvoll an ihren so ganz besonders betörenden Körperteil denken läßt, das …

… das erzähle ich Ihnen vielleicht ein anderes Mal.

Oder fragen Sie sie doch selbst!

Bilder einer Wanderung (3)

Wanderung-2014-15Viel Farbe auf glatter strukturierter Fläche. Großartig! Hat das Zeug zum Klassiker!
Ob der Effekt beabsichtigt war?
Wo der Inhalt fehlt, kommt es nur noch auf die Form an.

Wanderung-2014-16Ja, was ist denn hier so schlimm, daß kein Mensch „das“ gewollt haben kann? Man sollte doch froh sein, wenn die Häuser, die gestern hier standen, heute immer noch hier stehen, denn sonst wüßte man nicht, wo man ist, und wer will das?
Ich mag es, wenn sich jemand klar ausdrückt und verständlich macht, was er will und was er nicht will. Ich mag es nicht, wenn jemand mich mit seinem Weltschmerz herausfordert.
Allerdings wird die Menschheitsfrage durch die Feststellung „GWTR SAHL“ konterkariert.
Es sollte sich mal herumsprechen: Unter dem Pflaster liegt nicht der Strand. Unter dem Pflaster liegt der Schotter.
Gewittersaal?
Da die Frage an die Außenmauer meines Geburtshauses geschrieben wurde, will ich sie beantworten: Ja! Das ist es, was ich will. Ein Mensch zu werden ist das beste, was mir passieren konnte.

Wanderung-2014-17Die Vegetation hat sich etwas herausgenommen. Roter Klatschmohn, Erikas Lieblingsblume. „Roter Klatschmohn!“ – Jaja, ich habe verstanden: Klatsch-Mohn! Rot!
Ich könnte ja froh sein, ihre Stimmungen & Launen nicht mehr ertragen zu müssen. Aber manchmal vermisse ich sie doch noch ein kleines bißchen.

Wanderung-2014-18Eine Idee greift um sich.

Wanderung-2014-19Auf dem Haus der Verbindung Rheno-Germania „zu“ Düsseldorf-Duisburg (die behauptet, älter zu sein als die beiden Universitäten) dürft Ihr rumschmieren so viel wie ihr wollt.
Die Mitteilung den Zusammenhang fallender Kinder und Aktien betreffend hat Emcewenilez Nopniks durchgestrichen, weil er sie nicht verstanden hat. Die anderen Mitteilungen hat er nicht durchgestrichen, weil er glaubt, sie verstanden zu haben.
Oben rechts: Werbung für Werbung.

Wanderung-2014-20Das umkreiste A hätte man als geschütztes Warenzeichen eintragen lassen sollen!
Nicht, um Geld damit zu machen, sondern um seine beliebige Verwendung für alles Mögliche und Unmögliche zu verhindern.
Hier wird es als Symbol der Mitteilung des zum Haß gesteigerten Unbehagens an der Gesellschaft hinzugefügt. Abgelehnt wird anscheinend nicht die gegenwärtige Gesellschaftsordnung, sondern Gesellschaft an sich. Rousseau hätte dem zugestimmt.
Aber was würde Rousseau heute sagen?
„Ja, so habe ich auch mal gedacht. Aber das war falsch.“

Wechselstrom oder Die Liebe in den Zeiten des Telefons (5)

Ob sie ihr „Idealgewicht“ dann erreichte, entzieht sich meiner Kenntnis. Ein Jahr dauerte diese undefinierte Beziehung, die mich an eine der schönsten, klügsten, warmherzigsten, mädchenhaftesten, liebenswertesten und auch verletzlichsten Frauen gebunden hatte. Dann endete sie auf eine unerfreuliche Art, so daß die Traurigkeit für eine Zeitlang von Verdruß und Gekränktheit zugedeckt wurde. Es kann sein, daß es sich ihr ebenso darstellte.
Warum sie ihr Verhalten mir gegenüber veränderte, plötzlich sehr zurückweisend wurde mit einer kühlen, sachlichen Freundlichkeit (mit Verhaltensweisen, die ich hier nicht aufzählen will) und mir demonstrierte, daß sie einen anderen Lebensmittelpunkt suchte, habe ich nicht herauszufinden versucht.
Wenn man erfährt, daß da, wo etwas war, nichts mehr ist, dann ist es traurig. Wenn einem der Eindruck vermittelt wird (mit dem Zaunpfahl durch die Blume), daß da nie etwas war, dann ist es kränkend. Ich fand, daß sie die wichtigste Tugend im Umgang der Geschlechter verletzt hatte: die Ehrlichkeit – auch die Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Meine Verstörtheit und Gekränktheit verbarg ich nun ebenfalls hinter zurückweisender Verschlossenheit.
Das erregte sie. Sie schrie mich an: „Was ist mit dir los? Warum bist du so? Willst du darüber reden?“
„Nein.“
Das sagte ich mit aller Schroffheit. Es muß sie verletzt haben. Und das war mein Fehler. Daß sie mich verletzt hatte, gab mir nicht das Recht, sie zu verletzen.
Ich hielt mich für klug, weil ich mir von einem „klärenden Gespräch“ nichts versprach, sondern erwartete, daß wir uns dabei nur im Kreis drehen und aneinander vorbeireden. Doch ich hätte mir eingestehen müssen, daß ich bloß unfähig war, meine Gefühle in Worte zu fassen.
Ein Argwohn, daß sie vor den Konventionen kapitulierte, die eine Beziehung wie die unsere nun einmal nicht zulassen, wäre unberechtigt gewesen. Es wird eher so gewesen sein, daß sie vor jeglicher Beziehung zurückschreckte. Gründe dafür hatte sie ja genannt. Ihre Ansprüche waren von solcher Ausschließlichkeit, daß sie ein Scheitern als unabwendbar erwarten mußte.
Uns Menschenkindern wird eingeredet, daß nur die Liebe gültig ist, in der alle Ideale zusammengefaßt sind: Mit dem oder der einen Einzigen für immer & ewig. Aber die Liebe hat viele Gestalten, und keine davon ist weniger edel als eine andere. Es gibt nicht nur die Große Liebe; es gibt auch die kleine. Es gibt nicht nur die Liebe für immer, sondern auch die für kurze Zeit; nicht nur die ausschließliche, sondern auch die nebenher; nicht nur die vereinigende, sondern auch die, die die Freiheit läßt zu kommen und zu gehen und wiederzukommen; nicht nur die dauernde, sondern auch die, die unterbrochen wird und wieder geweckt werden kann; nicht nur die verpflichtende, sondern auch die, die ein Spiel ist, das zu nichts verpflichtet außer zum Respekt voreinander. So wie es kein (geschriebenes oder ungeschriebenes) Gesetz geben kann, das zum Seitensprung verpflichtet, sollte es auch keines geben, das ihn verbietet. Und auch das gibt es: Daß zwei Menschen zueinander finden aus dem einzigen Grund, weil sie Lust aufeinander haben. Kann sich Menschlichkeit besser manifestieren als dadurch, daß Menschen Lust aufeinander haben?
„Plaisir d‘amour ne dure qu‘un moment. Chagrin d‘amour dure toute la vie.“ So heißt es in einem Chanson aus dem 18 Jahrhundert: daß die Freuden der Liebe nur einen Moment dauern, die Schmerzen der Liebe aber dauern ein Leben lang. (Und wer Angst hat vor den Schmerzen der Liebe, der soll doch besser die Finger davon lassen). Die Schmerzen der Liebe sind weniger die, die man erlitten hat, sondern viel mehr die, die man zugefügt hat und nicht wieder gutmachen kann.

plaisir d'amourIch hätte duldsamer sein müssen mit dieser Frau, die doch noch ein junges Mädchen war, wie ein motherless child in einer Umgebung, die jedem empfindsamen Menschen Furcht einflößt. Es wäre richtig gewesen zu sagen: Laß und darüber reden, wenn ich meine Gedanken geordnet habe, wenn ich mich abgeregt habe, wenn wir uns abgeregt haben. Was auch immer sich zwischen uns ändert, sollst du dein Vertrauen nicht verlieren, sollst du dich geborgen fühlen in meiner Nähe.
Ich habe immer gehofft, daß die Frauen, die sich auf mich eingelassen haben, sich gern an mich erinnern, daß sie, wenn sie an mich denken, vor sich hin lächeln. Vielleicht ist da diese eine, die denkt: „Das war ein Umweg, den ich mir auch hätte ersparen können.“
(Ich erinnere mich allerdings auch an eine andere Geschichte, wo ich sehr duldsam war und hinterher dachte: Ach hätte ich doch lieber gleich die Tür zugeknallt).

Das mit dem Stillstand des Ostermarsches war übrigens so: Christina hatte sich wohl schon in frühester Jugend in den Kopf gesetzt, mit ihrem Össi nach Kanada auszuwandern, um dort, fern der Zivilisation, bahnbrechende wissenschaftliche Forschungen zu betreiben. Sowas Verrücktes! Christina als Madame Curie in Kanadas Wäldern! Ich habe ihr aber nicht gesagt, daß ich das verrückt fand. Denn so eine Schnapsidee ist immer noch besser als die Normalität der Zustände.
Beim Ostermarsch sagte sie dann: „Ach weißt du was? Kommt doch einfach mit nach Kanada. Ohne euch hätte ich keine Freude mehr daran.“ Da war ich so gerührt, daß ich sie einfach in die Arme nehmen mußte. Und die, die hinter uns gingen mit ihren Schildern und Transparenten, kamen an uns nicht vorbei. Da entstand eine Lücke von etwa hundert Metern, so lange haben wir uns umarmt.
Den möcht‘ ich sehen, der es schafft, mich aus Duisburg wegzulotsen oder auch nur aus Neudorf. Aber ich sagte mir: So, jetzt bin ich mal eine Viertelstunde lang fest entschlossen, nach Kanada auszuwandern.

Seite209Das war in Meiderich, an der Stelle, wo das Haus Ruhrtal steht mit der zwielichtigen Uhu-Bar, und immer wenn der Ostermarsch diese Stelle passierte, habe ich meinen Freunden unbedingt erzählen müssen, daß meine Tante da Wirtin war und daß in der Uhu-Bar ein ganz halbseidenes Publikum verkehrte, und die Geschichte von den zwei Besoffenen, die in Streit gerieten, weil der eine meinte, der andere sähe aus wie Goethe.
In einem der späteren Jahre mußte ich erleben, daß meine Freunde sich vor Erreichen von Haus Ruhrtal rechtzeitig verkrümelt hatten, weil sie diese Geschichten nicht schon wieder hören wollten. So hinderten sie mich daran, ein Stilmittel in die Vortragskunst einzuführen: die Penetranz.

ENDE

Wechselstrom oder Die Liebe in den Zeiten des Telefons (4)

Als ein neues Semester begann, änderte sich ihre Stimmung. Meine quirlige, temperamentvolle Freundin war plötzlich sehr zurückweisend, die personifizierte Übellaunigkeit.
Sie rief mich an: „Du wirst jetzt mal einen Monat lang nichts von mir hören, ja? Ich muß mich auf mein Studium konzentrieren. Ich kann ja nicht ständig für dich da sein. Also laß mich in Ruhe.“
Na, das war ja gottvoll! Für sie hatte ich zu jeder Tageszeit den Stift aus der Hand fallen lassen und war für sie zu jeder Nachtzeit aus dem Bett gesprungen. Um ihr einen Weg von hundert Metern zu ersparen würde ich ihr die Tasche durch die ganze Stadt nachtragen. Und jetzt tat sie so, als würde ich ihr ihre Zeit stehlen. Ich hatte ganz beiläufig und ohne Hintergedanken einen Satz gesagt, den sie noch eine Woche zuvor unterschrieben hätte: daß das Studium doch nicht das Wichtigste im Leben ist. Jetzt verstand sie das so, als ob ich ihre Befähigung zum Studium angezweifelt hätte. Sie schrie mich an. „Das hätte ich von dir nicht erwartet. Du denkst auch, eine Frau könnte nicht Elektrotechnik studieren!“
Ich hatte gar nichts derartiges gesagt. Zwar war es mir etwas seltsam vorgekommen mit ihrer Elektrotechnik. Sie hatte mir unumwunden gesagt, daß sie in Mathe eine Fünf und in den naturwissenschaftlich Fächern schwache Noten hatte, und daß sie ein technisches Fach nur deshalb studierte, um ihrem ehemaligen Mathelehrer zu beweisen, daß sie doch was drauf hat. Als ich sie mal fragte, wie Wechselstrom eigentlich funktioniert, führte sie mir vor, daß sie sich ein fundiertes technisch-naturwissenschaftliches Wissen angeeignet hatte.
Anrufen durfte ich sie jetzt auch nicht mehr. Das wertete sie als Störmanöver gegen ihr Studium.
„Und weißt du was? Ob es dir gefällt oder nicht: Ich nehme eine Stelle als Hilfskraft an. Unbezahlt!“
„Unbezahlt?“
„Jawohl! Unbezahlt!“
Meine Güte, jetzt wurde ich albern:
„Und was machst du, wenn sie dir eine Bezahlung anbieten? Ablehnen aus Prinzip?“
„Ach, halt doch die Klappe!“
„Du willst arbeiten ohne Geld? Womöglich noch dem Professor die Tasche hinterhertragen?“
„Würde ich tun. Ich würde dem auch die Schuhe putzen. Ich würde auch mit ihm schlafen, wenn es meinem Studium nutzt. Für mein Studium würde ich alles hergeben, auch meinen Stolz.“
Bezwinge sich wer kann. Zum Glück konnte ich. Ich sagte: „Darüber solltest du lieber nochmal nachdenken“ und legte den Hörer auf.
Ich war zornig, auch auf mich selbst. Ich war in einem Zustand, den ich nicht mag: Ich war eifersüchtig. Um in dem Moment darüber nachzudenken, ob ihre Schroffheit weniger dem Fortgang ihres Studiums dienen sollte, sondern vielmehr der Versuch war, sich von mir abzuschirmen und die Turbulenzen einer undefinierten Beziehung abzuwerfen, war ich zu aufgeregt. Vielleicht hätte ich mit einem solchen Gedanken meine Rolle in dem ganzen Drama überschätzt. Vielleicht überschätzte ich mich gerade dadurch, daß ich auf diesen Gedanken gar nicht kam.
Eine halbe Stunde später rief sie mich wieder an.
„Bitte entschuldige, was ich gesagt habe. Das war dumm von mir.“ Sie klang jetzt sehr kleinlaut. „Das war wirklich dumm, was ich da gesagt hab. Ich hab das gar nicht gemeint. Du hast ja recht.“
Das reichte allerdings noch nicht, um mich zu beruhigen. Das mußte ich doch noch loswerden:
1. ob die noch alle auf der Latte hätte?
2. ob sie noch ganz gescheit wäre?
3. ob sie noch alle Tassen im Schrank hätte?
4. ob ihr eigentlich klar sei, was sie dahergeredet hatte?
„Paß mal auf, Mädchen! Wem du die Tasche putzt und die Schuhe hinterherträgst, ist deine Sache. Mit wem du schläfst, ist erst recht deine Sache. Aber was du mir sagst, dafür bist du mir verantwortlich. Du gibst nicht nur deinen Stolz preis, sondern auch meinen. Meinen Stolz auf dich gibst du preis! Du verdienst eine Tracht Prügel!“
„Huch!“
„So daß du zweieinhalb Tage nicht mehr sitzen kannst auf deinem – verführerischen – – verwirrenden – – – auf deinem betörenden Hinterteil!“
„Ohhh!“
„Das willst du ja nur! Gib‘s zu!“
Sie war beindruckt. „Schlägst du denn wenigstens etwas milder zu bei einer Anfängerin?“
„Bei dir? Milder?? Ha!!!“
„Ohhh! Weißt du, was mich glücklich macht? Du willst mich deshalb versohlen, weil du mich gern hast.“
„Weshalb denn sonst??“
„Du liebst mich.“
„Ja! Ich liebe dich, du Schaf!“
„Ich liebe dich doch auch, du Blödmann!“
„Du – Biest!“
„Du – Knallkopp!“
„Du – Frauenzimmer!“
„Esel!“
„Trulla!“
„Ich hab von dir geträumt. Wir haben uns geküßt. Der Kuß war sehr leidenschaftlich. Und dann hatte ich was Großes von dir in meinem Mund – Ich werde mich jetzt nicht mehr dagegen wehren.“

Ich habe ihr sogar meinen Regenmantel geliehen!

Ich habe ihr sogar meinen Regenmantel geliehen!

Wie sich herausstellte, ging das aber nicht einfach vonstatten. Denn sie hatte wieder eine von ihren Ideen.
„Ich will ein paar Kilo abnehmen. Ich will mein Idealgewicht von 60 Kilo erreichen.“
„Aha. Und wieviel Kilo müssen runter?“
„Sechs Kilo.“
„Aha. Und wozu das ganze?“
„Ich fühle mich dann wohler. Und dann sehe ich besser aus.“
„Du siehst phantastisch aus.“
„Du hast doch gesehen: mein dicker Hintern auf dem Foto.“
„Ach was, das Foto täuscht. Dein Hintern ist ideal! Dein Hintern ist aphroditisch! Dein Hintern ist der Traum meiner sehnsuchtsvollen Nächte!“
„Mein Hintern wird dir noch mehr gefallen, wenn ich 60 Kilo wiege. Ich mach das doch für dich, Junge! Damit du noch mehr von meinem Hintern entzückt sein kannst!“
Und dann verkündete sie mir:
„Wenn ich das geschafft habe und 60 Kilo erreicht habe, will ich eine Belohnung von dir bekommen. Dann soll es geschehen. Dann sollst du es es mit mir machen.“
Von nun an überwachte ich streng ihre Mahlzeiten. Ich ordnete an, daß der Kaffee ohne Milch und Zucker getrunken werden muß. Ich studierte Kalorientabellen. Ich ließ mir die Meßdaten ihrer Figurfortschritte durchgeben: ein Kilo geschafft, zwei Kilo geschafft, zweieinhalb Kilo geschafft, und ich fürchtete zugleich, die Selbstkasteiung der Kalorienkur könnte ihre Stimmung beeinträchtigen. Aber wenigstens in dieser Hinsicht konnte sie mich „beruhigen“:
„Ich hab‘ mir heute eine Tafel Schokolade genehmigt.“
„Was? Eine Tafel Schokolade? Du quälst mich!“

FORTSETZUNG FOLGT