Bilder einer Wanderung bei schlechter Laune

Wo soll man am gesetzlichen Juni-Feiertag denn hingehen, wenn
a) an einem der freien Tage schon wieder TrĂŒbsinns-Wetter ist,
b) das Betreten der WÀlder wegen der SchÀden durch das Unwetter sogar amtlich verboten ist (einleuchtend),
und zudem noch entgegen dem WDR-Wetterbericht, daß es nicht regnet, es dann doch regnet?
Schlechtes Wetter trĂŒbt meine Stimmung nie – außer an solchen Tagen wie letzten Donnerstag.
Also; nicht durch die WĂ€lder, nicht durch die Auen, sondern durch die Stadtteile.

Froh14-01Die Schule an der Gneisenaustraße gefĂ€llt mir heute nicht. Diese imperialistische Bombastik! Diese Naturstein-Festung rund um den Fahrradkeller! Diese Strategie der hohen Decken, damit die Stimme des Lehrers grĂ¶ĂŸeren Hall bekommt! Das ist keine StĂ€tte fröhlicher Wissenschaft, das ist eine Anstalt.

Froh14-02Da stellt man folgerichtig einen Luftschutzbunker daneben.

Froh14-03Das sieht doch gar nicht schlecht aus. Im SpÀtsommer werden dann am Rande der Eisenbahnlinie Pflaumen geerntet.

Froh14-04Bei der Industrialisierung ist fĂŒr Wanheimerort ein Viadukt abgefallen (fĂŒr die Abzweigung der Bahn, mit der man nach Hochfeld fĂ€hrt).

Froh14-05Wenn man unter diesen UnterfĂŒhrungen hindurchgeht, verlĂ€ĂŸt man Wanheimerort und ist dann in Hochfeld.

Froh14-06Umgekehrt betrachtet: Wenn man unter diesen UnterfĂŒhrungen hindurchgegangen ist usw.
Unter der ersten UnterfĂŒhrung wurden allerhand Kirmeswagen abgestellt.

Froh14-07FundstĂŒck fĂŒr die METZGER-Serie „Komische HĂ€user“ (Krummenhakstraße).
Die Dachgaube scheint sich nach rechts verdreht zu haben. Die Dachrinne wird von BirkengewÀchsen beansprucht. Der Letzte hat nicht nur das Licht ausgemacht, sondern auch die RollÀden runtergelassen.

Froh14-08Alles hat einmal ein Ende, auch die Krummenhakstraße. Angefangen hat hier der Regen. Ich: ohne Schirm!

Froh14-09Es gibt Stellen, die sehen fast noch so aus wie vor 40 Jahren. Nur wurde hier das Hochfelder Standard-Dunkelgrau durch abblĂ€tternden Fassadenanstrich ersetzt. Auch die Euphemisierung von einem BĂŒdeken als „Halle“ erinnert an frĂŒher.

Froh14-10Über die KöniggrĂ€zer Straße könnte ich auch noch was erzĂ€hlen. SpĂ€ter vielleicht.

Froh14-11Rudolf-Schönstedt-Straße. Bemerkenswert. Finden Sie in diesen Tagen mal eine Straße, wo nicht aus jeden Fenster ’ne Fahne raushĂ€ngt.

Froh14-12Klar! Wenn man auf der Graustraß‘ wohnt, mĂŒssen die HĂ€user natĂŒrlich orange-rosa sein.

Froh14-13Sagt alles.

Froh14-14Nicht „Le Quai des Brumes“ von Marcel CarnĂ© 1938, sondern: Hafen unter grauem Himmel vorgestern.
Da stand ich und sagte: „Ich geh‘ jetzt nach Hause.“

Aus welchem Topf?

Bild140604„Pott“ (als Bezeichnung fĂŒr das Ruhrgebiet) ist hier ungebrĂ€uchlich. Das sagt man hier nicht.
Wenn jemand vom „Ruhrpott“ oder gar von „Kohlenpott“ erzĂ€hlt, dann weiß man gleich: Der ist nicht von hier.

P.S.: Oben rechts im Bild: die Ablage.

Der Ostermarsch ist eine gute Sache

Er ist gut fĂŒr dich, erkundige dich nach ihm!

plakat14purDer schönste Teil von Deutschland ist das Ruhrgebiet.
Das Schönste am Ruhrgebiet ist der Ostermarsch Ruhr.
Hier der Ablauf von Ostersamstag bis Ostermontag von Duisburg nach Dortmund (Bild anklicken zum VergrĂ¶ĂŸern):

OM-Programm2014Es fĂ€ngt also am Samstag um 10.30 Uhr an. Aber man kann auch schon frĂŒher kommen und Kaffee bestellen, weil wir mit unserem ANTIMILITARISCHISCHEN BUCH-BASAR auch schon frĂŒher da sind und Kaffee anbieten.
(Der Antimilitaristische Buch-Basar ist ein Angebot der DFG-VK Duisburg in Kooperation mit der Buchhandlung WeltbĂŒhne).

Das Schönste am Ostermarsch Ruhr ist unser BĂŒchertisch.

Schöne GrĂŒĂŸe vom Ostermarsch!

Bilder, die fĂŒr sich was sagen: Bilder vom Ostermarsch 1987 (Duisburg, Essen, Dortmund), aus dem Bildarchiv der DFG-VK (Gruppe Duisburg).
Diese 9 Bilder sind als POSTKARTENSERIE erschienen.
Gibt es noch Leute, die wissen, was eine Postkarte ist? Eine Bildpostkarte? Man nannte sie auch „Ansichtskarte“.
Postkarten werden von der Post immer noch befördert, und manche Leute freuen sich, wenn sie eine Postkarte bekommen – als schönen Gruß aus der materiellen Welt. Man muß sie nicht verschicken. Man kann sie auch an die Wand hĂ€ngen oder sonstwie aufbewahren.
Es gibt Leute, die Postkarten sammeln, und es gibt Leute, denen man empfehlen sollte, damit anzufangen. Denn die Postkarte ist ein universelles und mitunter subversives Medium: in der Form stringent (DIN-A6, Hoch- oder Querformat), in der Thematik geradezu unbegrenzt.

OM87-Karte01Der meistens unvermeidliche Infostand der DFG-VK.

OM87-Karte02Wer genau hinguckt, erkennt den Zweimetermann mit Schlips: Henning Scherf.

OM87-Karte03OM87-Karte04WiderstandskĂ€mpfer gegen das Nazi-Regime begrĂŒĂŸen den Ostermarsch. Bruno Bachler spricht.
OM87-Karte05
OM87-Karte06Wer genau hinguckt, erkennt Dietmar Schönherr (am Mikrophon).

OM87-Karte07OM87-Karte08
OM87-Karte09

Die Postkartenserie Ostermarsch 1987 (1 bis 9) ist fĂŒr 10 Euro erhĂ€ltlich (einschließlich Porto).
Die Motive sind auch einzeln erhĂ€ltlich (StĂŒckpreis: 1 Euro).
Bestelladresse: DFG-VK c/o Buchh. WeltbĂŒhne, Gneisenaustraße 226, 47057 Duisburg.
bestellungen@buchhandlung-weltbuehne.de

DFG-VK heißt: Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner.
Und: Es gibt aus unserer Werkstatt noch viele andere Postkarten.
Und: Dran denken: Ostermarsch 2014!

Mit der Eisenbahn durch das Ruhrgebiet

Heimfahrt vom UZ-Pressefest in Dortmund nach Duisburg. Das ist nicht die sĂŒdliche Linie ĂŒber Bochum und Essen, sondern die nördliche. Wir unterhalten uns ĂŒber dieses & jenes. Aus einem Lautsprecher kommt alle paar Minuten die Stationsansage.
„NĂ€chster Halt: Dortmund Mengede.”
Ich sage: „Dortmund Mengede? Warum nicht?”
„NĂ€chster Halt: Castrop-Rauxel Hauptbahnhof.”
„Wat? Dat nennen die ‚Hauptbahnhof‘?”
„NĂ€chster Halt: Herne.”
„Ach, sind wir schon in Herne?”
„NĂ€chster Halt: Wanne-Eickel.”
„Wanne-Eickel? Ich dachte, wir wĂ€ren schon in Gelsenkirchen.”
„NĂ€chster Halt: Gelsenkirchen.”
„Gelsenkirchen? Ich dachte, wir wĂ€ren schon in Katernberg.”
Einem jungen Kerl, zwei Meter, zwei Zentner, der sich durch sein Äußeres als Schake-Nullvier-Verehrer zu erkennen gibt, wird es zu viel:
„Also, paß ma auf: Jetz kommt Gelsenkirchen, dann Katernberg, dann Altenessen, dann Bergeborbeck, dann Dellwig, dann Oberhausen, und dann Duisburg. Klar?”
Er lehnt sich zurĂŒck, mustert mich von oben bis unten und sagt: „Besoffen bisse ja nich, nĂ€? Wohl eh‘r bekifft, wa?”
UZ-Pressefest-2014-Solibutton..

Wechselstrom oder Die Liebe in den Zeiten des Telefons (1)

Ich wollte schon lange mal erzĂ€hlen, wie ich mal den Ostermarsch zum Stillstand gebracht habe. Aber das ist nicht leicht erzĂ€hlt. Es hat etwas mit Kanada zu tun und im weitesten Sinne auch mit Wechselstrom. Ich muß also etwas ausholen. Und weil es auch mit Christina zu tun hat, könnte ich – was, zugegeben, das eigentliche Motiv fĂŒr die Niederschrift dieses Berichtes ist – auch Liebeskummer schreibend bewĂ€ltigen (wovon dann allerdings noch reichlich ĂŒbrigbleiben wird). Mit neuem Liebeskummer bin ich in den letzten zweidrei Jahren nicht knapp beliefert worden, und wer schon mal geliebt hat (solche Leute gibt es), der weiß, daß das ein haltbares Gut ist, und der ahnt, daß da noch betrĂ€chtlich BekĂŒmmernis frĂŒherer Lebensphasen wirkt und wĂŒtet. Wer viel geliebt hat und gern geliebt hat und auf den Pfaden der Liebe auch dann weiterwandelte, wenn sie durch unĂŒbersichtliches Gebiet fĂŒhrten, der trĂ€gt was mit sich herum, das können Sie mir glauben. Vielleicht wollen Sie ja auch endlich mal erfahren, warum ich die St.-Johann-Straße in Hochfeld nicht ohne einen melancholischen Seufzer entlanggehen kann. Also lesen Sie jetzt bitte diese Geschichte, sonst hat es ja keinen Zweck.

StJohannStrChristina kam aus der Provinz, um hier zu studieren. Sie geriet in mein Blickfeld, weil sie eine Freundin meiner Frau war. Der Freundin der Frau Aufmerksamkeit in mehr als dem schicklichen Maße zukommen zu lassen, ist eine Sache, die ich nicht unbedingt jedem empfehle, sondern nur solchen, die „Je ne regrette rien“ zu einem Lebensmotto zu erheben fĂ€hig sind (es kommt natĂŒrlich auch darauf an, mit welcher Frau man zusammenlebt).
Aus der Provinz kommend, war die 20jĂ€hrige blonde Schönheit vom Lebensalltag mitten im bevölkerungsreichsten Ballungsgebiet Mitteleuropas ĂŒberwĂ€ltigt (nicht nur im positiven Sinne). Dieses motherless-child-GefĂŒhl schwand, als sie uns kennenlernte. Wir (meine Frau und ich) machten damals tĂ€glich unseren Uni-BĂŒchertisch, von dem heute noch manche Legende sagt und singt. Christina fand uns und die Dinge, mit denen wir uns beschĂ€ftigten, „unheimlich interessant“. Sie fĂŒhlte sich geehrt, von uns wahrgenommen und anerkannt zu werden, von Leuten also, die „schon unheimlich lange“ und mit Ernsthaftigkeit eine – wie könnte man sagen – selbstbestimmte, den uneinsehbaren ZwĂ€ngen bĂŒrgerlicher Konventionen trotzende Existenz praktizierten (ich war damals Anfang dreißig). Es wĂ€re mir schwergefallen, sie nicht wahrzunehmen, so wie die aussah, und so gescheit wie die war. Sie bewunderte uns. Ich muß sagen: Ich habe nur selten einen so wißbegierigen und begeisterungsfĂ€higen Menschen erlebt, und auch nur selten einen so mitteilsamen. Sie redete und redete und redete sich alles vom Herzen, was sie gesehen und erlebt hatte und was ihr durch den Kopf ging. Und sie wollte alles erklĂ€rt haben. Dieses blasierte Desinteresse der jeunesse dorĂ©e war ĂŒberhaupt nicht ihre Art.
„ErzĂ€hl mir doch mal etwas ĂŒber den Ostermarsch“, wollte sie wissen, oder: „Was ist das: VVN?“
„Das ist die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.“
„Was? Das gibt es? Was ich durch dich alles erfahre! Durch dich gehen mir die Augen auf!“
Daß das alles mit Subversion zu tun hatte, mit lustvollem Sich-einfach-ĂŒber-die-Regeln-Hinwegsetzen, machte die Sache fĂŒr sie richtig spannend. Sie konnte sich fĂŒr Politik begeistern, weil sie nicht nur eine notwendige BeschĂ€ftigung ist, sondern auch Spaß macht. Aber ein anderes Thema beschĂ€ftigte sie mehr, und das war der Sex. Ich wĂŒrde mal schĂ€tzen: Über 80 Prozent ihrer Reden und ihrer GesprĂ€che mit mir handelten vom Sexuellen, und es war auffĂ€llig und nicht uncharmant, daß sie die Wörter „sexuell“ und „SexualitĂ€t“ mit scharfem „S“ aussprach. „Sexuell“ mit scharfem S klingt sexy.
Es wird wohl so gewesen sein, daß ihre plötzliche Begeisterung fĂŒr das linksradikale Milieu von der Annahme herrĂŒhrte, daß die linken UmstĂŒrzler die bĂŒrgerliche Sexualmoral hinwegfegen und der reinen Lust den Weg ebnen. Ich dachte: „MĂ€dchen, wenn du dich da mal nicht irrst.“ Ich sagte: „Du kannst nicht vom Einzelfall auf das Gesamte schließen.“

christina2Wie fast alle sinnlichen Frauen war sie fĂŒr die Liebreize des eigenen Geschlechts sehr empfĂ€nglich. Aber sie entschied: „Ich finde das ungerecht! In Illustrierten, im Kino und in der Werbung sieht man immer schöne Frauen. Das ist ja auch gut so. Das soll ja ruhig so sein. Aber warum sieht man nicht genauso oft schöne MĂ€nner? Ich will nackte MĂ€nner sehen!“
Ich antwortete: „Das hat alles ja mit Rollenbildern und gesellschaftlichen Machtstrukturen und dem ganzen Tralala zu tun. Aber könnte es nicht sein, daß – darĂŒber hinaus und davon abgesehen – weibliche Schönheit deshalb in der Darstellung vorherrscht, weil Frauen nun mal das schöne Geschlecht sind?“
„Nein!“ rief sie entschieden. „MĂ€nner sind auch schön!“ Und dabei leuchteten ihre Augen.
Ich durfte mir unentwegt ihre Elogen anhören ĂŒber ihre mĂ€nnlichen Kommilitonen, denen sie eine „göttliche“ Gestalt attestierte. „Göttlich“ war einer ihrer LieblingsausdrĂŒcke, und die Gerhard-Mercator-UniversitĂ€t zu Duisburg muß wohl – fĂŒr mich zuvor ungeahnt – eine einzige Parade von Adonissen gewesen sein. Ein anderer Lieblingsausdruck war „spannen“. Sie „bespannte“ die einherflanierenden Kommilitonen ungehemmt, das heißt: sie tastete mit Blicken ihre Körperlinien ab und versuchte auch, mit Blicken Signale des EinverstĂ€ndnisses auszusenden.
Ich mußte sie aufklĂ€ren: „Es freut mich ja, wenn deine Blicke den meinen folgen, wenn ich die Aphroditen und Myrrhinen und Kallipygen betrachte. Aber meine Blicke folgen den deinen nicht ĂŒberall hin. Denn ich bin sowas von unschwul, sowas von hetero, das ist schon fast wieder pervers.“
Sie wollte von mir wissen, wie ein Mann das empfindet, „wenn er Weiterlesen

Bilder von einer Wanderung

Weil letzten Samstag so ein schönes SpĂ€tsommerwetter war, entschloß ich mich: Nein, die BalkontĂŒr werde ich heute doch nicht streichen (sondern nĂ€chstes Jahr), und stattdessen unternehme ich heute noch einmal eine meiner Wanderungen.
KuH01Und wohin habe ich mich im menschenleeren Bus begeben? Zur KupferhĂŒtte!
KuH02Strahlend der Himmel und finster die Industriekulisse. Links im Bild: Plakat zu einer Wahl, die vor Jahren stattfand.
KuH03Strandpanorama soll ein Lichtblick sein? Weghier.de (denkt vielleicht jemand. Ich nicht).
KuH04Die dahinschwindende Industrie lĂ€ĂŸt auch mal eine LĂŒcke, in die ein Baukran paßt. Das Auto fĂ€hrt dahin, wo niemand ist.
KuH05Blaues Schild: Lange Nacht der Industrie (oder: bange Nacht?).
KuH06KuH07KuH08Nasse Straße, obwohl es seit Tagen nicht geregnet hat.
KuH09KuH10Einige VerwaltungsgebebÀude sind an zahlreiche kleine Firmen vermietet worden. Einige Fenster werden noch geputzt.
KuH11Hochspannung!
KuH12In diesem KabĂŒffchen konnte man sich besonders schön auf den Feierabend freuen (mit Thermoskanne).
KuH13You’ll never…
KuH14…never…
KuH15…never…
KuH16…reach the sky!
KuH17Alle Tore geschlossen.
KuH18Wo kommt denn der weiße Rauch her? Wurde da noch ein Papst gewĂ€hlt? Reicht der eine nicht?
Oder hat der letzte beim Verlassen der Halle vergessen, die Industrie auszuschalten?
KuH19Da geht’s zum Rhein.
KuH20KuH21Die Montanindustrie rostet hier vor sich hin.
KuH22Wo kein Eingreifen der Verschönerung diente, entwickelt sich eine eigene Ästhetik – etwa, wenn die Vegetation sich selbst ĂŒberlassen bleibt, oder, wie hier, die Ästhetik der Industrieanlagen und ihres langsamen Verfalls.
Niemand hat die GebÀude gebaut, die Rohre verlegt und die Wolken am Himmel zurechtgeschoben, damit es schön aussieht.

DER METZGER 107

Soeben erschienen ist die Ausgabe Nr. 107 des satirischen Magazins DER METZGER
Metzger107-CoverDas steht drin:

Ulrich Sander: Gedanken zur GedenkstĂ€ttenpolitik in NRW. „Der Kapitalismus muss nicht zum Faschismus fĂŒhren, aber bei uns ist es geschehen. Und es kann wieder geschehen.“

„Ein gesellschaftliches Gesamtproblem“ „Die Ereignisse erinnern fatal an die rassistische Pogromstimmung von Anfang der 1990er Jahre.“ PresseerklĂ€rung des Duisburger Instituts fĂŒr Sprach- und Sozialforschung (DISS) zur Zuspitzung des Antiziganismus in Duisburg.

Helmut Loeven: Steinbart-Schote zu Duisburg 2013. Als Abschiedsgeschenk an die Abiturientinnen und Abiturienten verteilte das Steinbart-Gymnasium eine „Festschrift“ aus dem Jahre 1956, in der der Sieg der Alliierten ĂŒber Hitler bedauert wird und der WiderstandskĂ€mpfer Harro Schulze-Boysen als „LandesverrĂ€ter“ diffamiert wird.

Lina Ganowski: La Notte – Themen der Nacht. Diesmal: Frauen im besten Karrierealter. Das „Projekt ICH“ scheitert am Ego. Der Markt fĂŒr die Selbstvermarkter. Und: Der Versuch, die SexualitĂ€t zu entkriminalisieren, wird kriminaklisiert.

Helmut Loeven: Das philosophische Kabarett. Diesmal: Heldengedenken (Es gibt keine Helden im Krieg); Ein Besuch bei Hanns Dieter HĂŒsch (1969); Deutsche als AuslĂ€nder; Kopf & Kragen oder Grass mit ss; „Der Wurzel auf den Grund gehen“: Die „richtige Denkweise“ schĂŒtzt vor Torheit nicht – die MĂŒllPD kennt sich in ihrer Geschichte nicht so richtig aus; Die FĂŒĂŸe der Gans oder Koch doch selber Kaffee (Wie Erika die Frau Schwarzer Ă€rgerte); komische HĂ€user; komische Schilder.

Carl Korte: Reporterrausch. Mottes Reporter-Kolumne. Diesmal: Baby-Buuuh.

Konrad Knurrhahn: Briefe an Arthur (12). Wie gut, daß sich in der Zeit der sauren Gurken immer ein mediales Aufregerthema findet. Und schnell wird aus dem Land der meteorologischen Paralyse ein Land der geistigen Paranoia.

Allen Ginsberg: Ruhr-Gebiet. Nachdichtung von Marvin Chlada. Zu viel alter Mord, zu viel weiße Folter, Ein Stammheim zu viel, Zu viele zufriedene Nazis.

Deutsche Bondesstöftung Omwelt. Katrin Bauerfeind: „SpĂ€ter vermisse ich eine Dose. Fisch beeindrucken Industrie da auch Industrie.“

Das Heft kostet 3 Euro. Es ist in der Buchhandlung WeltbĂŒhne erhĂ€ltlich (auch im Versand. Es wird sofort geliefert).
Wer schlau ist, hat abonniert und kriegt das Heft in den nÀchsten Tagen zugeschickt.
Ein Abonnement von DER METZGER kostet 30 Euro fĂŒr die nĂ€chsten 10 Ausgaben oder 50 Euro fĂŒr alle zukĂŒnftigen Ausgaben.
Die Ausgaben ab Nr. 18 (1972) sind noch erhÀltlich (komplett im Sammelpaket oder einzeln). Die Ausgaben Nr. 1-17 (1968-1972) sind vergriffen.

Das Foto zum Zwanzigsten

Juli2013-IMG_9603Großenbaum. Saarner Straße.
Sie könnten (am Zwanzigsten jedes Monats) der Eindruck haben, daß Duisburg eine doch recht schöne Stadt ist – wenigstens an ein paar Stellen.
Das sind aber nur die paar Stellen, die die Stadtentwickler bisher ĂŒbersehen haben.

Unsere Bundeswehr – Bundeswehr gegen uns

An die Mitteilung vom 7. Mai „Brennende Ruhr“ erinnere ich. Es ging um die Aufstellung von drei „Heimatschutzkompanien“ – man kann auch sagen: um die Vorbereitung, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen – ganz in der unseligen Tradition der Freikorps.
Am Freitag, 14. Juni, sollen die drei FreikorpsverbĂ€nde – pardon! „Heimatschutzkompanien“ in Essen auf der Zeche Zollverein ihren „Aufstellungsappell“ abhalten.
Vor dem Eingang der Zeche Zollverein soll es zur selben Zeit (16 Uhr) einen Appell ganz anderer Art geben:
„Freikorps im Ruhrgebiet – Nie wieder!“
Genaueres ist zu erfahren unter:
http://www.fdj.de/
und
http://www.fdj.de/FDJ_Homepage_08/Seiten/_pdf/20130614NieWiederFreikorps.pdf

Da kann man hingehen: „Nachtaufnahme“

muth-Einladung_alte_Zeit2Eine AnkĂŒndigung:
Werner Muth NACHTAUFNAHME. Eine poetische Zeitreise durch das Ruhr-Revier und eine Stadtrundfahrt der ganz anderen Art, in Texten Bildern und Songs, mit musikalischen GĂ€sten und einer kraftvollen Session mit der Duisburger „John Silver Band”, deren Sound zum HerzstĂŒck der neuen Hörrevue NACHTAUFNAHME zĂ€hlt.
Special Guest: Andreas Boos
Freitag, 7. Juni, 20 Uhr
Alte Zeit, 47137 Duisburg-Meiderich, Kirchstr. 15
5 € an der Abendkasse.
Ich komme darauf zurĂŒck.
Die CD „Nachtaufnahme“ gibt es in der Buchhandlung WeltbĂŒhne (fĂŒr 14 Euro, im Versand: plus Porto).

Bilder von einer Wanderung

Die katholischen Hochfeste, die in den FrĂŒhling fallen, wenn es lange hell bleibt, und die zudem gesetzliche Feiertage sind, nutze ich fĂŒr ausgedehnte Wanderungen durch WĂ€lder, Felder und Siedlungen. So auch am vorigen Donnerstag.
Die dafĂŒr verwendete Zeit ist Arbeitszeit.
fl2013-01In dem Haus (in MĂŒlheim) war ich mal zu Besuch (Ende Dezember 1968). Die Geschichte dazu erzĂ€hle ich vielleicht ein anderes Mal.
fl2013-02„Ich sage Ihnen Prost! Weil Sie da wahrscheinlich jetzt hingehen!“ (Hat mal ein großer Mann gesagt). Anklicken zum VergrĂ¶ĂŸern.
fl2013-03Pferderennbahn MĂŒlheim Raffelberg. Da rennen Pferde (manchmal).
fl2013-04Das Wasserkraftwerk an der Ruhr, MĂŒlheim Raffelberg.
fl2013-05Wo aus Wasser Kraft gewonnen wird, ist der Reiher auch nicht weit.
fl2013-06Nebenan: Die Ruhr-Schleuse. Enorme KrÀfte! Damit das Wasser macht, was wir wollen!
fl2013-07Donnerwetter!
fl2013-08Wo die Ruhr eine Schleife macht, wurde ein „Schiffahrtskanal“ ausgebaggert, damit die RuhrkĂ€hne den Weg abkĂŒrzen können. Sieht aber eher aus wie eine Landschaft fĂŒr gemĂŒtvolles Herumspazieren.
fl2013-09Felder & Weiden auf der Ruhrinsel. Die Saat ist ausgebracht, die KĂŒhe schlafen sicher schon (18.06 Uhr).
fl2013-10Das GelÀnde soll man nicht benutzen!
fl2013-11Es gibt Leute, die mir nicht glauben, daß der „Schiffahrtskanal“ (Richtung MĂŒlheimer Ruhrhafen) noch von Frachtschiffen befahren wird. Das ist der Beweis! Kommt aber nur noch selten vor, wie es viele Dinge gibt, die nur noch selten vorkommen.
fl2013-12On the Road again! (Da geht’s nach Ruhrort).
fl2013-13Auch in diesem Haus am Schwiesenkamp war ich mal zu Besuch, und zwar Karnevalssonntag 1979, um dem Karnevals-Tralala zu entgehen. Damals lag in ganz Deutschland Schnee, und es gab Verkehrschaos,wie Sie sich wahrscheinlich erinnern. Die Frau, die da unter dem Dach wohnte (eine Schönheit!) ist spĂ€ter nach Aachen gezogen. Ob die immer noch in Aachen wohnt, weiß der liebe Himmel.
fl2013-14DĂŒrrenmatt hat mal eine Geschichte geschrieben ĂŒber einen Tunnel, in den ein Zug hineinfĂ€hrt und nie wieder rauskommt. Daß es sich dabei um diesen Tunnel handelte, ist eher unwahrscheinlich.

Scheiße! Bayern MĂŒnchen!

Es war ja erstaunlich, vorgestern, daß auch solche Leute, die sich sonst eigentlich gar nicht fĂŒr Fußball interessieren, sich auf das Fest am Abend gefreut haben.
Ich hab ja noch die Zeiten gekannt, als noch lĂ€ngst nicht jeder einen Fernsehapparat hatte. Dann kamen die Verwandten zusammen, zu den Finalspielen am Ende der Saison, im FrĂŒhsommer. Die MĂ€nner hatten ihre Jacken ausgezogen und saßen vor dem SchwarzweißgerĂ€t in ihren weißen Hemden (bis 1968 trugen alle MĂ€nner weiße Hemden), und es wurde gefachsimpelt auf die knappeste Art: „Paßauf, jetz!“ – „Hasse gesehn?“ – „Jetz abber!“ – „Mensch schieß doch!“ Danach saß man noch im Garten, auf den Tischen standen die PilsglĂ€ser. Oder es gab Bowle.
Ich wußte ja gar nicht, daß ich ein Experte bin. Ich hatte vorhergesagt: Dortmund drĂ€ngt, aber dann schießt MĂŒnchen das Tor. In der 89. Minute. (Es war dann allerdings nicht das 1:0, sondern das 2:1).
Mir wĂ€re es ja lieber gewesen, wenn Borussia Dortmund gewonnen hĂ€tte. Ich nenne nicht die vielen GrĂŒnde, nur einen: Weil ich auch ausm Ruhrgebiet bin. Die Liebe zur Heimat ist nirgendwo so stark wie im Ruhrgebiet. Woran erkennt man das? Das erkennt man daran, daß nie darĂŒber gesprochen wird. Was so stet und selbstverstĂ€ndlich ist, ist nicht der Rede wert. Ich renne ja auch nicht auf die Straße, um den Leuten zu erzĂ€hlen: „Gucken Sie mal hier! Ich habe eine Nase!“

„Brennende Ruhr“

„Brennende Ruhr“ ist der Titel eines Romans von Karl GrĂŒnberg, in dem die bewaffneten Auseinandersetzungen im Ruhrgebiet nach dem Ersten Weltkrieg dargestellt werden. Die Rote Ruhr Armee kĂ€mpfte gegen die kaiserlich-reaktionĂ€ren Freikorps, die Keimzellen von SA und SS.
„Brennende Ruhr“ ist der Titel einer Veranstaltung der FDJ am Freitag, 10. Mai 2013, 18 Uhr in der Zeche Carl, Wilhelm-Nieswandt-Allee 100, 45326 Essen:
„Brennende Ruhr. Vor Hundert Jahren Freikorps – Heute die Heimatschutzkompanien“
Aus der Einladung:
„Es waren die Krupps von der Villa HĂŒgel und Konsorten, die den 1. Weltkrieg begonnen hatten. Wegen des Profits, gegen die Konkurrenz von ihresgleichen aus den anderen LĂ€ndern. Es waren die Krauses und ihre Kinder, die dafĂŒr in den Krieg zu ziehen hatten gegen ihresgleichen drĂŒben in den GrĂ€ben auf der anderen Seite. Und letztere waren es auch, die zu Millionen mit dem Leben bezahlten.
Und erstere waren es, die nach dem verlorenen Krieg die Freikorps bezahlten. Das Offiziersgesindel, das außer Krieg kein Handwerk gelernt hatte. Damit diese die Krauses und ihre Kinder, die nicht mehr in den Krieg ziehen wollten, niederkartĂ€tschten. Damit diese wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten auf Demokraten schossen.
Damit diese den Generalstreik der Arbeiter blutig beendeten. Soldaten gegen Demokraten? Soldaten gegen streikende Arbeiter? Das war einmal …? Das ist lange her? Das kommt nicht wieder?

Seit dem letzten Jahr (wurde) begonnen, in der gesamten Republik aktive Kommandos aus Reservisten aufzustellen. In KompaniestĂ€rke, also jeweils an die 100. FĂŒr den Anfang sollen es bundesweit ca. 30 werden. In NRW 3: In Ahlen, DĂŒsseldorf und Unna. Auftrag: Heimatschutz.
Heimatschutz. Das war auch die Losung der Freikorps …
Am 14. Juni soll der Aufstellungsappell fĂŒr NRW … auf der Zeche Zollverein stattfinden. So heißt es in einem Dokument der StreitkrĂ€ftebasis des Landeskommandos der Bundeswehr mit dem Stand vom 7. MĂ€rz 2013.

Daher machen wir anlĂ€sslich des 61. Jahrestag der Ermordung des Kommunisten und FDJler Philipp MĂŒller, der in Essen auf einer Demonstration gegen die Aufstellung der Bundeswehr von der Polizei erschossen wurde, eine Veranstaltung unter der Überschrift „Brennende Ruhr. Vor Hundert Jahren Freikorps – Heute die Heimatschutzkompanien“.
Freikorps„Heimastschutz“ war schon damals die Losung. Und so sollte er aussehen.
Berlin, Gustav Noske beim Freikorps HĂŒlsenHoher Besuch bei den Mördern. Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) besichtigt das konterrevolutionĂ€re Freikorps HĂŒlsen, Januar 1919. Foto: Bundesarchiv.

Siehe auch in DER METZGER Nr. 99 (2012):
Ulrich Sander: ZivilmilitĂ€rische Zusammenarbeit. Zusammenspiel von Polizei, Geheimdiensten und MilitĂ€r. Was haben Politiker mit uns vor, die die NPD nicht verbieten wollen? Die Bundesregierung hĂ€lt sich alle Optionen fĂŒr den MilitĂ€reinsatz im Inneren offen. Der Sicherheitsstaat wird in dem Maße aufgerĂŒstet, in dem der Sozialstaat abgewickelt wird.

ErwÀhnt!

coolobri-2013-4Diese Buchbesprechung (Coolibri April 2013) ist sicherlich unter den Sternstunden der Rezensionskunst einzuordnen.
Was an Einblick in die Tiefe an den Leser delegiert bleibt, wird mit Breite kompensiert (Hinweis auf den Metzger. Schönschön).
Als namentlich erwĂ€hnter Verleger („Chef“) ventiliere ich: „In jeder Buchhandlung oder via Amazon (siehe ganz unten auf dieser Seite) oder wie immer am besten direkt durch die Buchhandlung WeltbĂŒhne (auch im Versand).“

Wat is verkehrt an den folgenden Satz?

Wat is verkehrt an den folgenden Satz?
FRANK BAIER, HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH ZUM GEBURTSTAG!
Verkehrt ist, daß dieser Satz gestern hĂ€tte verkĂŒndet werden mĂŒssen.
Also:
Frank Baier, nachtrĂ€glich herzlichen GlĂŒckwunsch zum 70. Geburtstag!
UZ-Pressefest-2011Und was sehen wir auf diesem Bild? Frank Baier dialogisierend (rechts am Bildrand).

S.-Debatte: Zu viel S.? Oder zu wenig S.?

Über mein Wiedersehen mit einer befreundeten Autorin nach einer Zeit der Trennung hat sie eine Geschichte geschrieben. Ich zitiere daraus:



Wir sprachen miteinander ernst, fast feierlich, und dann wieder mit ĂŒbermĂŒtiger Ausgelassenheit. Wir hatten ja so viel nachzuholen, den Ernst und die Heiterkeit.
„Weißt du, Lina, was ich an dir so mag?“
„Ja? Was?“
„Du bist blitzgescheit. Dein spitzbĂŒbischer Humor, deine Selbstironie – und deine Warmherzigkeit. So kenne ich dich.“
„Du machst mich verlegen. Aber lob mich ruhig ein bißchen. Ich kann damit umgehen. Ich kann Lob vertragen. Nur hĂ€tte ich an dieser Stelle auch gern von dir gehört, daß ich einen schönen Popo habe.“



aus: Lina Ganowski: Durchquerung des Ruhrgebiets oder Da staunste, was?

Sie hat. Foto: (c) H.L.

Sie hat.
Foto: (c) H.L.

Allgemeine Witzkunde (1)

Erster Teil: TĂŒnnes un SchĂ€l gingen ĂŒbber de RheinbrĂŒck.

In Erinnerung an den alten Hell.

Dieser Witz wurde erzÀhlt:
Ein Lehrer trifft einen ehemaligen SchĂŒler wieder und erfĂ€hrt, daß dieser SchĂŒler es als GeschĂ€ftsmann zu was gebracht hat. DarĂŒber ist er verwundert.
„Daß Sie es zu so viel Geld gebracht haben, wo Sie doch im Rechnen der SchwĂ€chste in der Klasse waren.“
„Och, das ist ganz einfach. Ich kaufe Kisten ein fĂŒr fĂŒnf Mark, und die verkauf ich dann fĂŒr acht Mark. Und von die drei Prozent leb ich.“
Der Witz ist einfach erklĂ€rt: Diesem ehemaligen SchĂŒler gereicht seine RechenschwĂ€che im Erwerbsleben nicht etwa, wie man vermuten könnte, zum Nachteil, sondern zum Vorteil, indem er – haha! – die Prozentrechnung mit der Subtraktion durcheinanderbringt und er sich zwar verrechnet, aber zu seinen Gunsten. Man könnte, ganz witz-analytisch, hinzufĂŒgen, daß der Lehrer die verblĂŒffende Erfahrung macht, daß die Erfolgsgeschichte seines ehemaligen Schutzbefohlenen gerade im Mißerfolg seiner unterrichtlichen BemĂŒhungen begrĂŒndet ist. Man könnte dies als Beispiel dafĂŒr anfĂŒhren, daß der Witz ein Element der Auflehnung gegen AutoritĂ€t und Zwang enthĂ€lt, auch gegen den Zwang der mathematischen Logik. So hĂ€tte man den Witz erklĂ€rt, und man wĂ€re dabei davon ausgegangen, daß die Komik dieses Witzes in seiner Pointe liegt. Ich finde aber, daß dieser Witz sich auch als Beispiel dafĂŒr eignet, daß die Komik gerade nicht in der Pointe kulminieren muß. Im Gegenteil. Die Pointe ist zwar nett, aber der Witz wĂŒrde viel von seiner Komik verlieren, ließe man das Detail außer Acht, daß der Satz, der die Pointe enthĂ€lt, offenbart, daß der ehemalige SchĂŒler nicht nur im Rechnen, sondern offensichtlich auch in Grammatik schwach war.
Ähnlich verhĂ€lt es sich mit dem Witz, der durch JĂŒrgen von Manger ĂŒberliefert wurde. In „Der Unteroffiziersunterricht“ kommt dieser Dialog vor:
„Womit wĂ€scht sich der Soldat?“
„Mit Seife, Herr Unteroffizier.“
„Nein. Mit nackten Oberkörper.“
Der Witz-Analytiker wĂ€re mit der ErklĂ€rung bei der Hand, daß hier in der Umstandsbestimmung zwei Sprachebenen aneinanderschrammen, was immer einen komischen Effekt hat. Und wieder ist eine Person im Spiel, die AutoritĂ€t verkörpert, der Unteroffizier, der, ebenso wie der Lehrer, keine allzu hohe AutoritĂ€t darstellt. Er ist kein wirklicher Herrscher, sondern einer, dem ein bißchen AutoritĂ€t von oben runterdelegiert wurde. Ein ordentlicher Witz also. Aber richtig in Schieflage gerĂ€t des Geschehen doch erst dadurch, daß auch hier mal wieder der Akkusativ schon den Platz besetzt hatte, der dem Dativ zusteht. Wer diesen Witz in grammatikalisch korrektem Wortlaut erzĂ€hlen wĂŒrde, wĂŒrde die Komik glatt halbieren.
Ich bin mir sicher, daß JĂŒrgen von Manger diese Geschichte nicht erfunden hat. Das sind die Witze, die das Leben erzĂ€hlt. Die Komik der Pointe reprĂ€sentiert (oder: erhellt) lediglich Weiterlesen