Herr Loeb ist doof

Gunther Leobe hat einen Leserbrief an die Westdeutsche Allgemeine Zeitung geschickt (und die hat den Scheißdreck auch noch abgedruckt, am 21. August):
„Gabriel bremst Rüstungsexporte. Der selbsternannte Gutmensch Gabriel hat dabei vergessen: Wenn wir nicht Waffen liefern, dann werden sie woanders gekauft, und unsere heimische Industrie hat das Nachsehen.“
Der ist wirklich doof. So macht man das doch heute nicht mehr! Das ist doch „mega-out“, das ist 70er Jahre. Kriegspropaganda macht man heute anders. Da muß man etwas von „Menschenrechten“ erzählen und vom „Schutz Unschuldiger“. So kann man die These verkleiden, daß im Nahen Osten Waffenmangel herrscht.
Man ist immer wieder erstaunt, wie viel Idiotie in einen einzigen Satz hinein paßt. Wenn deutsche Rüstungskonzerne Waffen exportieren, meint er, „wir“ würden Waffen exportieren, er auch.
„Selbsternannt“ wird als Schimpfwort zwar gern benutzt, ist aber nicht beliebig anwendbar. Wann hat Sigmar Gabriel sich selbst zum Gutmenschen ernannt? Ich kann mich nicht erinnern. Es trifft ja auch nicht zu, daß WAZ-Leser Gunter Loebe ein selbsternannter Idiot ist. ICH habe ihn dazu ernannt.
Denn nicht von großer Geistesgabe zeugt der neidische Blick auf die Schandtaten der anderen: „Alle dürfen, bloß ich nicht.“
Dieser Neid läßt sich zum Nationalempfinden aufschäumen:
„Alle dürfen, bloß wir nicht.“
Unfreiwillig legt er offen, daß zwischen Marktwirtschaft und Kriminalität keine klare Grenze zu ziehen ist.
Wenn ich wüße, wo dem Günther Löbel sein Auto steht, würde ich es klauen. Und wenn die Polizei kommt, sage ich: „Ja, wenn ich dem sein Auto nicht klaue, dann wird es von jemand anders geklaut.“

Der beliebte deutsche Schriftsteller Frank Schätzing ist nicht doof. Er stellt sich schlauer an. In der Frankfurter Rundschau (20. August) ließ er verlauten:
„Wir müssen unseren Pazifismus überdenken. Wir sind heute ein anderes Land mit anderen Menschen… Wir können uns nicht mit Verweis auf unsere Vergangenheit nonchalant heraushalten.“
Während der Dummkopf Leobbe dem deutschen Spießbürger aus der Seele spricht, ist die Geistesgröße Schätzing dem deutschen Bildungsbürger gefällig. Dabei bringt er aber seine Beteuerung, daß „wir heute ein anderes Land sind“, sofort zum Einsturz. Die deutsche Seele sehnt sich doch seit je danach, aus der Vergangenheit entlassen zu werden. Spätestens seit Ende Mai 1945 erklingt immer wieder der Ruf, es müsse doch nun endlich mal vorbei sein mit der Vergangenheit.
Das aber widerspricht den Naturgesetzen. „Vorbei“ und „vergangen“ sind synonym. Was vorbei ist, wird immer vergangen bleiben, und das vergangen ist, bleibt immer vorbei. Selbst der Liebegott ist nicht allmächtig genug, um das Geschehene ungeschehen zu machen.
Was für den Naturwissenschaftler klar auf der Hand liegt, das könnte der Historiker vielleicht anders sehen: Die Zeit als physikalisches Kontinuum und ala historisches Kontinuum sind verschieden zu betrachten. Die Vergangenheit könnte durchaus als Zukunft Gestalt annehmen.

Daraus aber läßt sich erst recht keine Legitimation herleiten für die Lieferung deutscher Waffen in ein Kriegsgebiet.

Gauck redet Gauck

Wegen seines Lieblingsthemas hat der Bundespräsident Gauck Streit bekommen. 67 Pfarrer aus dem Osten haben ihn in einem Protestbrief kritisiert wegen seiner Äußerungen zu Kriegseinsätzen der Bundeswehr.
Als ob über den Einsatz der Bundeswehr im Krieg nicht schon längst entschieden wäre! Die Herrschenden scheinen es aber für vonnöten zu halten, den deutschen Militarismus in seiner jetzigen Phase mit Phrasen zu ummänteln, was in die Zuständigkeit des Bundespräsidenten fällt. Also salbadert Gauck von „Verantwortung“ und einer „aktiveren Rolle in der Welt“.
„Ohne Einsatz bewaffneter Kräfte wäre keine Befreiung von der Hitler-Diktatur möglich gewesen“, heißt es in Gaucks Antwort an seine Kritiker.
Nun steht die Bundeswehr allerdings nicht in der Nachfolge der Roten Armee, sondern in der Nachfolge der Wehrmacht. Das müßte Gauck doch eigentlich wissen.
In der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 2. August 2014 ist ein Kommentar gedruckt worden. Überschrift: Gauck, der Krieg und die Pfarrer“. Verfasser: Christian Kerl. Zitat: „Gaucks Fundamental-Kritiker … müssen die Frage beantworten, ob die Welt zuschauen soll, wenn wie in Ruanda in wenigen Wochen Millionen Menschen abgeschlachtet werden.“
Früher wurde diese Frage anders formuliert. Da lautete sie: „Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit Ihrer Freundin im Wald spazieren. Plötzlich kommt eine Horde Russen aus dem Gebüsch gesprungen und fällt über Ihre Freundin her. Zuuuuuufällig liegt eine Maschinenpistole am Wegesrand. Würden Sie dann tatenlos zusehen, wie Ihre Freundin vergewaltigt wird?“ Diese Vorstellung vom Kriegsverlauf unterscheidet sich von der des Bundespräsidenten eigentlich überhaupt nicht.
Gar keine Frage muß ich beantworten. Nichts muß ich mich fragen lassen von einem Grünschnabel, der nicht weiß, was Krieg ist, aber darüber schwadroniert. Auch bin ich keine Antwort einem schuldig, der den Weltkrieg erlebt, aber nichts draus gelernt hat.
Hitler mußte militärisch besiegt werden. Diesen Satz habe ich oft gesagt, und ich werde ihn noch oft wiederholen. Aber so ist der Satz nicht vollständig. Der Satz lautet vollständig: Hitler mußte militärisch besiegt werden, was durch einen eklatanten Mangel an Antimilitarismus in Deutschland vor 1933 verursacht wurde.
Daß Gauck die Werte und Ziele der Bürgerrechtsbewegung in der DDR preisgegeben hätte, sollte man ihm aber nicht vorwerfen. Ziel dieser Bewegung war, einem Gesellschaftssystem zum Sieg zu verhelfen, das nur mit Gewalt aufrecht erhalten werden kann.
In Stammeskriegen der Ärmsten gegen die Ärmsten werden in wenigen Wochen Millionen Menschen zu Todesopfern der Armut, die Folge der Rüstung ist. Das Militär löst diese Probleme nicht. Es hat sie geschaffen.

Muß Frollein Lohmeier ins Gefängnis?

Bild140607Wie kommt es nur, daß ich in letzter Zeit (genau: seit dem 2. Februar) dieses Gesicht so gern sehe?

Wegen der seit vier Monaten umgedrehten Präsenz in den Medien eingeschnappt zu sein hat sie eigentlich wenig Grund. In der WAZ von heute wird sie immer noch als „Journalistin“ bezeichnet – und als „Frauenrechtlerin“. Das Bundesverdienstkreuz trägt sie zurecht, den Titel „Frauenrechtlerin“ nicht („Feministin“ würde ich gelten lassen). Und in dem WAZ-Artikel heißt sie mehrmals „Steuersünderin“. Sünden beichtet man in der Kirche (sofern kathoolsch). Ermittelt wird wegen des Verdachts strafbarer Handlungen.

Mit ihren Verhältnis zur Blödzeitung macht sie nun die wertvolle Erfahrung, daß die Wölfe, mit denen man heult, manchmal über einen herfallen. (Wertvoll für mich).
Wer sich ins Spektakel drängt, fällt selbst hinein.

Schwarzer3..

1. Mai – diesmal etwas anders

FuckProNRWAm 1. Mai werden in Duisburg die Faschisten und Rechtspopulisten aufmarschieren. Sowohl die NPD als auch „Pro NRW“ haben Kundgebungen angekündigt, die als Provokation gegen die Gewerkschaftsbewegung aufgefasst werden müssen. Der DGB will sich jedoch nicht von seinem Konzept abbringen lassen, wie jedes Jahr im Landschaftspark Nord sein „Familienfest“ abzuhalten.

So ganz und gar ignorieren wird der DGB die rechten Provokationen allerdings nicht:
Am Dienstag, 29. April um 18 Uhr im Julius-Birck-Saal im DGB-Haus am Stapeltor findrt eine Veranstaltung statt:
Am 1. Mai 2014 wollen NPD und Pro NRW in Duisburg aufmarschieren. Warum haben sie sich gerade diese Stadt ausgesucht? Wie konnten extrem rechte und rechtspopulistische Parteien bei der Bundestagswahl im September 2013 überdurchschnittliche Ergebnisse in Duisburg erzielen? Und wie kommt es, dass die rechtspopulistische Splitterpartei Pro NRW im Oktober 2013 von 200 jubelnden Menschen in Duisburg-Neumühl empfangen wurde?
Alexandra Graevskaia (Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung) wird in ihrem Vortrag auf die Akteure im Diskurs eingehen und aufzeigen was den Rechtspopulismus in Duisburg bestärkt hat.

Die Duisburger Studentenzeitung akduell kündigt dür den 1. Mai einen Liveticker an:
http://akduell.de/2014/04/ankuendigung-akduell-liveticker-zum-1-mai/
Für den 1. Mai hat die Weiterlesen

Rot? Oder rot?

Die Streitigkeiten in der Linkspartei in Duisburg, die in der Affäre um die Zinkhüttensiedlung (siehe Notat vom 17.2.) sichtbar wurden, sind zu einem Machtkampf ausgewachsen. So meldete es gestern die WAZ: „Machtkampf bei den Linken. Fraktionsliste setzt sich bei der Kandidatenaufstellung durch. Parteispitze spricht von Schockstarre. Bekannte Gesichter sehen sich ausgebootet.“
Die Duisburger Linkspartei ist gewissermaßen bipolar. Auf der einen Seite der „links-linke“ Vorstand (Vorsitzende: Edith Fröse), auf der anderen Seite die „reformistisch-linke“ Ratsfraktion (Vorsitzende: Martina Ammann-Hilberath), die in Treue zum „rotrotgrünen“ Rathausbündnis steht.
Bei der Mitgliederversammlung, in der die Listenplätze für die Kommunalwahl aufgestellt wurde, wurde Martina Ammann-Hilberath als Spitzenkandidatin aufgestellt. Aber auch auf den folgenden aussichtsreichen Listenplätzen (z.Zt. 6 Ratsmandate) stehen nur Vertreter der „Fraktionslinie“. Thomas Keuer, der sich um Listenplatz 2 bewarb, guckte in die Röhre. OB-Kandidatin Barbara Laakmann winkte ab, weil sie sich „kaltgestellt fühlte“. Edith Fröse: „Das hat mit der Geschichte der Linken nichts mehr zu tun. Eine zweite SPD brauchen wir nicht.“
„Auffällig viele Neumitglieder“ hätten die Versammlung bevölkert. Das kommt einem doch bekannt vor. Bei Versammlungen, auf denen gewählt wird, sieht man oft viele neue Gesichter, die man vorher noch nicht gekannt hatte (und wenn die „Neuen“ Verheerungen hinterlassen haben, sieht man sie nie wieder).
Klug ist das ja nicht, wenn ein Parteiflügel den anderen hinausdrängt. Die Frage ist, ob die Fraktionsstrategen klug sein WOLLTEN. Wer so vorgeht, zeigt kein sonderliches Interesse am Zusammenhalt der Partei – und auch kein sonderliches Interesse an den Stimmen kritischer Wähler, die die Linkspartei wählen würden, wenn die Kritiker des Zinkhüttensiedlungs-Skandals in der Partei noch Gewicht hätten. In der Linkspartei gibt es Leute, die den „Erfolgskurs“ der Grünen vor Augen haben: Daß eine Partei sich gut halten kann, die auf ihre Grundsätze pfeift. Sie sollten dann aber auch sehen, was davon übrigbleibt.
Die Kandidaten auf den Plätzen 3 bis 10 kenne ich nicht. Ich habe ihre Namen noch nie gehört. Ich weiß nur: Das sind alles Analphabeten (die kaufen keine Bücher).

Die Gedenkfeiern haben begonnen oder Bezwinge sich wer kann

In diesem Jahr jährt sich zum hundertsten mal der Beginn des Ersten Weltkriegs. Auf dem Duisburger Kaiserberg (vormals: Duisserner Berg, dann in nationaler Gefühlsaufwallung in „Kaiserberg“ umbenannt, und so heißt er heute noch) befinden sich einige Monumente fragwürdigen Heldengedenkens (siehe Notat vom 13. Juni 2013).
„Bezwinge sich wer kann. Die Feder reicht nicht mehr, man muß zum Tintenfaß greifen.“ Oder zur Farb-Sprüh-Dose. So geschehen Ende Januar.
Kaiserberg07Kaiserberg06Kaiserberg05
Berichterstattung der WAZ am 31. Januar:
„Vandalen verunstalten Friedhof“.
Wie auch immer man die Leute bezeichnen mag, die der Nation ein Menetekel an die Wand schrieben: Die Zeitungsschlagzeile ist irreführend. Der eigentliche Friedhof, das Gräberfeld der 801 um ihr Leben gebrachten Soldaten blieb unberührt. Nur auf dem Feld davor wurden Parolen angebracht.
In dem WAZ-Artikel wird die in Stein gemeißelte, übersprühte Verhöhnung der Toten zitiert:
„Glücklichen Auges seid ihr gestanden, Brüder, geliebte, in feindlichen Landen“.
„Der Staatsschutz prüft nun,“ heißt es weiter, „inwiefern ‚…eine Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates‘ oder auch eine ‚verfassungsfeindliche Verunglimpfung‘ vorliegt“. Indem dem Staat, der mal Deutsches Reich hieß und jetzt Bundesrepublik Deutschland heißt, das Recht abgesprochen wird, dann und wann mal eine Generation zu verheizen, fühlt er sich gefährdet.
„1921 wurde die Siegfried-Statue“ (Foto) „aufgestellt. Sie war vom Meidericher Bürger Hermann Ingenhamm in Erinnerung an seinen Sohn Johannes gestiftet worden. Johannes Ingenhamm liegt in Grab 102.“
Das ist ein Beispiel für das, was Mitscherlich „die Unfähigkeit zu trauern“ genannt hat. Für die deutschen Heldenväter sollten die Krepierten noch im Grab den Helden spielen.
„Was die Vandalen offenbar nicht wußten: Auf dem Ehrenfriedhof am Kaiserberg liegen nur Soldaten, die in Ersten Weltkrieg gefallen oder in Duisburger Lazaretten gestorben sind“, lautet die altkluge Belehrung durch die WAZ-Berichterstatter. Was die offenbar nicht wissen, ist, daß die Soldaten nicht irgendwie hingefallen, sondern im Dreck krepiert sind, und daß die Weihestätte verlogener Weihen seit Jahr und Tag Wallfahrtsort von Neonazis und nationalistischen Stolz-Deutschen ist. Solche haben – siehe Foto oben – mit schwarzweißrotem Tuche reagiert.

Zusammenfassung:
Vandalismus fand nicht auf dem Friedhof statt, sondern auf den Schlachtfeldern.
Auf dem Friedhof fand auch keine Schmiererei statt, sondern in der Zeitung.

Nachtrag:
Kaiserberg08Nur ein paar Stunden später: Es kann der frömmste Stolzdeutsche nicht in Kriegslüsternheit schwelgen, wenn es dem pazifistischen Vandalen nicht gefällt. Plötzlich war die Fahne weg!

Kaisergerg09Das ist der Teutoburger Wald,
Den Tacitus beschrieben,
Das ist der klassische Morast,
Wo Varus steckengeblieben.

Hier schlug ihn der Cheruskerfürst,
Der Hermann, der edle Recke;
Die deutsche Nationalität,
Die siegte in diesem Drecke.

(Heinrich Heine)

Let the Children Play oder Die Reaktion des Gemütes auf die Katastrophe ist eine Katastrophe

In der WAZ regte eine LeserInnenbriefschreiberIn an, gegen den „massenhaft zunehmenden“ sexuellen Mißbrauch ihrer Kinder müßten die Mütter endlich einschreiten: Mütter müßten sich absprechen, daß sie gemeinsam ihre Kinder morgens bis zum Schultor bringen und mittags an der Schule abholen und sie dann keine Sekunde aus den Augen lassen, bis sie sicher zu Hause angekommen sind.
Dann ist die Welt ja wohl endlich in Ordnung: Wenn Kinder stumm und brav keinen unbewachten Schritt mehr tun. Man muß sich das bildlich vorstellen: Dick gewordene Damen, die in der Mutterschaft ihre Erfüllung fanden und die nun entschlossen sind, die Sache in die Hand zu nehmen, bilden eine Eskorte.
Ich erinnere mich an meinen Schulweg. Wir gingen gemeinsam, hatten mittags um eins die Last der Schule von uns geworfen, lästerten, quatschten, alberten herum, machten Umwege, heckten Sachen aus, die für Erwachsenenohren nicht bestimmt waren. Unser Schulweg war eine Reise, auf der man das Leben entdecken konnte. Eine halbe Stunde lang hatten Lehrer und Eltern keinerlei Macht. In der erwachsenenfreien Zone haben wir die Welt erschaffen.
Sie geht unter.

Die geheimnisvolle Aldi-Kassiererin

Wer verrät mir das Geheimnis der geheimnisvollen Aldi-Kassiererin? Die ist mir aufgefallen, weil sie immer besonders freundlich zu mir ist.
An einem Samstagnachmittag schob ich meinen noch leeren Einkaufswagen in den Laden hinein. Sie stand im Eingangsbereich und schaute mich fröhlich und zugleich erstaunt an: „Sie kommen aber heute schon früh. Sonst kommen Sie doch immer erst später.“
Das ist doch ungewöhnlich, daß sie registriert, zu welcher Tageszeit ich für gewöhnlich einkaufe, zumal die sich darauf doch gar nicht einzurichten braucht. Seither registriere ich sie nicht mehr bloß als eine nette, hübsche junge Frau, als eine sympathische Aldi-Kassiererin, sondern als eine, die mich anscheinend kennt. Bloß woher? Muß ich die kennen? Wohnt die in der Nachbarschaft? Wohnt die vielleicht bloß ein Haus weiter? War die schon mal bei mir in der Buchhandlung? Nein, das wäre mir unvergeßlich.
Sie ist schlank, etwas kleiner als ich, hat streng zurückgestecktes Haar und einen buschigen Pferdeschwanz. Ich finde sie hübsch. Aber, verdammt nochmal, wer ist das?
AldiSternbuschwegOder bilde ich mir bloß was ein? Gewiß, es gibt junge Frauen, die was für ältere Herren übrig haben (ich weiß das). Aber ich bin doch nicht der einzige juvenile Sechziger, der hier durch den Laden zu rauschen pflegt. Ist das die Tochter von jemandem, den ich kenne? (Hoffentlich liest die das jetzt nicht. Dann denkt die vielleicht: Meingott, weiß der Trottel denn wirklich nicht, wer ich bin).
Nein, ich bilde mir das nicht bloß ein. Ich stellte mich an der Kasse an, wo sie kassierte. Sie sah mich und strahlte mich an, winkte mir zu. Vor mir standen sechs oder sieben Leute. Denen hat sie nicht von Ferne zugewunken. Ich hab ihr auf den Busen geschaut und so erfahren, wie sie heißt (da hing ein Schildchen). Der Name sagt mir nichts. Ihren Vornamen erfuhr ich, als ihre Kolleginnen mit ihr sprachen.
Sie ging festen Schrittes durch den Laden, an mir vorbei, und grüßte mich freundlich: „Hallo!“ Sie ist an zwanzig anderen vorbeigeschritten, aber nur mich hat sie gegrüßt.
Sie ist mir aufgefallen, weil sie dem Filialleiter etwas zurief. Es klang wie ein Tadel – wegen irgendeiner nicht vorhandenen Ware, und der Filialleiter rechtfertigte sich ein wenig kleinlaut vor ihr. Ist das die Tochter von Herrn Aldi? Eine gute Partie. Jedenfalls ist sie couragiert. Das liebe ich bei Frauen.
Mir fällt ein: Als in der WAZ ein größerer Artikel über mich stand und ich bald darauf vom WDR-Fernsehen interviewt wurde, wurde ich noch monatelang von wildfremden Menschen darauf angesprochen (meistens bei Aldi): „Ich hab Sie in der Zeitung gesehen.“ „Ich hab Sie im Fernsehen gesehen.“ Vielleicht darum? Bin ich ein Neudorf-Patron, der die Aldi-Filiale am Sternbuschweg beehrt?
Ich stellte mich immer an der Kasse an, wo sie kassierte. Aber einmal hauchte die Stimme aus dem Lautsprecher: „Liiebe Kunden, Kasse zwaaii schliießt. Bitte niicht mehr auflegen.“ Die wollen uns auseinanderbringen.
Doch meistens war ich schnell genug bei ihr. Sie gab mir das Wechselgeld und den Kassenbon, schaute mich an, sagte sehr betont: „Und einen schönen Tag noch!“ und kniff mir ein Äugsken. Mädchen, sag mir endlich, wer du bist!
Sie räumte flink Waren ins Regal. Ich blieb stehen und schaute ihr dabei zu, die ganze Zeit. Sie merkte das und schmunzelte vor sich hin. Einen schönen Popo hat sie auch. (Hoffentlich liest die das jetzt).
Jetzt habe ich gehört, wie eine Kassiererin zu einer anderen sagte: „Die Nadine ist auch nicht mehr hier. Die ist jetzt in der Filiale in Meiderich.“
Irgendjemand muß der vorgelogen haben, ich wäre nach Meiderich umgezogen.

Gut, Herr Kandidat!

Die WAZ (Lokalausgabe) befragte die Direktkandidaten für die beiden Duisburger Wahlkreise. Sie stellte jedem dieselben Fragen.

Foto auf mulia.de gefunden

Foto auf mulia.de gefunden

Und was sagte Marc Mulia von der Partei Die Linke auf die Frage
„Mein politisches Vorbild ist…“?
Inge Holzinger, die im letzten Jahr ihren 80. Geburtstag gefeiert hat. Sie war auch Lehrerin und engagiert sich seit mehr als 50 Jahren in der Friedensbewegung.“

Foto: DFG-VK

Foto: DFG-VK

Das war die in diesem Wahlkampf für mich bisher am meisten überzeugende Aussage (die auch einen Blick über die Grenzen der eigenen Partei offenbart).
Darum (darum) werde ich auch mit meiner Erststimme die Linken wählen.
Obwohl die (meisten) Matadore der Linkspartei in Duisburg Analphabeten sind.
(Die kaufen keine Bücher).

Vor der Wahl ist nach der Wahl (2008)

In ein paar Wochen wird der Bundestag gewählt. Diesem Ereignis gingen frühere Wahlen voraus, und die Parteien, die um Aufmerksamkeit werben, geben uns nicht erst in diesen Tagen zu denken. Um die bevorstehende Wahl in die Zeitgeschichte einzuordnen, werden an dieser Stelle einige Kommentare zu Parteien und früheren Wahlen in loser Folge dokumentiert, heute ein Kommentar aus dem Jahre 2008:

Hier können Familien Kaffee kochen
Da gibt es einen, der wurde mit allen Karnevalsorden behängt, die die SPD zu vergeben hat, mit seinem Gesicht auf Wahlplakaten abgebildet, auf Parteitagen bebeifallt und bejubelt, zum Ministerpräsidenten und zum Bundesminister gemacht – und dann sowas!
Wolfgang Clement hatte, bevor in Hessen der Landtag gewählt wurde, erklärt, er würde dort seine Partei, die SPD, nicht wählen. Dies als Aufforderung an die Hessischen Wählerinnen und Wähler, auch das nicht zu tun was er an ihrer Stelle nicht täte, aufzufassen, ist keine Fehlinterpretation. Da geht einer hin, der mal stellvertretender Parteivorsitzender war, und sagt den Leuten: Wählt nicht SPD. Das wäre innerhalb dieser Partei eigentlich kein Grund, darauf zu reagieren. Die sind so. Aber die SPD ist eine Partei. Sie existiert also nicht um ihrer selbst willen, sondern als ein Produkt, das öffentlich präsentiert wird. Immerhin, das weiß sie noch, jedenfalls noch ein paar von ihren verbliebenen Mitgliedern. Und so geschah etwas zum Entsetzen der Parteioberen: Es wurde ein Parteiordnungsverfahren eröffnet mit dem Ziel, diesen komischen Vogel aus der Partei auszuschließen.
Das wäre ein ganz folgerichtiger Vorgang, wenn die SPD nicht die SPD wäre. Wäre die SPD ein Kaufhaus, dann bekäme ein Mitarbeiter, der den Leuten sagt „Kauft nichts bei uns“, eine Gehaltserhöhung, vorausgesetzt, daß er Direktor ist oder sowas. In der SPD hat man nämlich alles richtig zu finden, was von oben kommt.
Da sollte man doch die Gelegenheit nutzen, den loszuwerden, der den Niedergang dieser Partei eifrig vorangetrieben hatte, der sich bei jeder Gelegenheit als inkompetenter Quatschredner ins Spiel bringt, der sich vor allen Leuten immer wieder als arroganter Pinsel, als unerzogener Rüpel aufführt. Da sollte man doch die Gelegenheit nutzen, das ramponierte Image ein bißchen aufzubessern, indem man den Eindruck erweckt, die SPD hätte wenigstens noch so viel Schneid, so einen hochkantig rauszuwerfen. Aber bei der SPD klappt sowas nicht, weil die SPD die SPD ist.
Um die SPD zu verstehen, reichen die Kategorien der Politologie nicht aus. Man muß die Psychologie und die Chaosforschung hinzuziehen. Er hat es nach oben geschafft, also gilt er, der sich an die Industrielobby verkauft hat, als unabhängig, also gilt er, aus dessen Mund nur dummes Zeug kommt, als Querdenker.
Es wäre ja auch komisch, wenn der Clement aus der SPD fliegen würde. Das wäre ein Novum. Seit langem ist es in der SPD üblich, solche Mitglieder als Störenfriede zu erkennen, die sich auf das Programm und auf die Parteitagsbeschlüsse berufen. Unter Schmidt wurde das auf die Spitze getrieben. Wer da etwa auf Parteitagsbeschlüsse hinwies, den traf der Bannfluch des allerhabenen, unfehlbaren Bundeskanzlers. (Eigentlich müßte der Bundeswahlleiter mal untersuchen, ob die SPD eigentlich noch als Partei bezeichnet werden kann). Soll der Clement doch in der SPD bleiben. Das schadet ihr zwar, aber das Gegenteil schadet ihr nicht weniger. „Wählt nicht SPD“ – das ist in Worte gefaßt das, was die SPD ohnehin tut, es ist das Motto ihres Handelns.
Der Beck mußte abtreten, weil er „keine gute Figur machte“. Ach! War dieser ungelenke Provinzialist nicht gerade noch als jovialer, bodenständiger Volks-Typ ins Rennen geschickt worden? Die SPD traut sich nicht, wahrzunehmen, daß nicht ein ungeeigneter Vorsitzender, sondern sie selbst für ihr ungünstiges Image ursächlich ist. Die SPD verschleißt einen Vorsitzenden nach dem anderen, was zwar gar nicht gut ankommt. Aber bei jedem Führungswechsel glaubt sie, ihr sei ein Befreiungsschlag gelungen. Mittlerweile geht das in einem Tempo vonstatten, daß abgetretene Vorsitzende zwecks Zweitverwertung antreten müssen. Der neuen Lichtgestalt, dem Steinmeier, diesem Weltmann, wird es nicht anders ergehen als dem Beck. Ich wette, daß noch vor der nächsten Bundestagswahl in der SPD gegrübelt wird, wie sie ihren Spitzenkandidaten, diesen volksfernen Notar-Typen schnell wieder loswird.
Als der Beck abgesägt wurde und die neue Spitze mit Müntefering und Steinmeier als Strahlemänner vor die Kameras treten sollten, da war das der Tag der langen Gesicher.
Die SPD ist ein Apparat, der dermaßen kaputt ist, daß man mit einer Reparatur nur noch größeren Schaden anrichtet.
Der größte Dachschaden der SPD Weiterlesen

Vor der Wahl ist nach der Wahl (2013)

In ein paar Wochen wird der Bundestag gewählt. Diesem Ereignis gingen frühere Wahlen voraus, und die Parteien, die um Aufmerksamkeit werben, geben uns nicht erst in diesen Tagen zu denken. Um die bevorstehende Wahl in die Zeitgeschichte einzuordnen, werden an dieser Stelle einige Kommentare zu Parteien und früheren Wahlen in loser Folge dokumentiert, Doch heute beginnen wir mit heute:

Merkel soll nicht bleiben, bleibt aber
In Italien gab es zwei große Parteien (Christdemokraten und Kommunisten), eine mittlere Partei (Sozialisten) und ein paar kleine Parteien (Sozialdemokraten, Liberale und Republikaner), außerdem die Neofaschisten. Die Parlamentswahlen hatten immer dasselbe Ergebnis: Eine stabile Regierungsmehrheit kam nie zustande. Von dem Parteiengefüge ist nichts übriggeblieben. Nur eins hat sich nicht verändert: Eine stabile Regierungsmehrheit kommt nicht zustande.
Man stelle sich das mal für Deutschland vor: CDU/CSU, SPD, FDP und Linke sind nicht mehr auffindbar, stattdessen sitzen im Bundestag Piraten, Europahasser, Rechtspopulisten und Fernsehkomiker. Und vielleicht noch die Grünen unter ihrem neuen Parteinamen „Rauchen verboten“.
Nein, bei uns ist das anders. Die alten Bekannten werden uns erhalten bleiben (auch die FDP, fürchte ich). Im nächsten Bundestag werden vielleicht nicht alle vertrauten Parteien vertreten sein (auch nicht die Linken, halte ich für möglich), aber keine neuen. Und wenn sich da etwas auflöst, dann das Wahlvolk.
Eins kann man jetzt schon abhaken: Merkel wird die Wahl gewinnen und Bundeskanzlerin bleiben. Die Frage ist nur: mit welchem Koalitionspartner? Die CDU wird stärkste Partei, aber für die absolute Mehrheit wird es nicht reichen. Das will die CDU vielleicht auch gar nicht. Denn ein Koalitionspartner ist nicht nur als Mehrheitsbeschaffer nützlich, sondern auch als Sündenbock, dem man in die Schuhe schieben kann, daß die Wahlversprechen nicht gehalten werden.
Wird es also mit der FDP weitergehen? Obwohl die – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr en vogue ist? Auch wenn dem Brüderle seine Tief-Blicke am Ende vielleicht mehr nützen als schaden, schafft sie es nicht aus eigener Kraft, verschafft sich aber vielleicht bei den Stimmenverleihern genug Zweitstimmen und ist wieder drin. Aber ob das dann für eine Mehrheit reicht? Vielleicht wählt die Merkel heimlich die Linken, damit eine Mehrheit nur mit der SPD zusammen erreicht werden kann. Von den Linken braucht die Merkel außer bösen Worten nichts zu befürchten, denn die SPD würde nie mit den Linken koalieren. Wenn die SPD die Linken in die Regierung aufnehmen würde, das wäre ja so, als würde ein Geldfälscher versuchen, echte Banknoten in Umlauf zu bringen. Außerdem würden die Grünen das nicht mitmachen. Und die Merkel würde viel lieber mit der SPD regieren, weil: leichter handhabbar. Eine (noch relativ) große Partei zu neutralisieren wäre ihr Meisterstück.
Abgehakt wäre also auch: Die SPD wird die Wahl verlieren, und Steinbrück wird nicht Bundeskanzler. Daß die SPD mit ihrer Entscheidung für Steinbrück einen ungeeigneten Kandidaten ins Rennen geschickt hat, ist nur insofern richtig, daß die SPD gar keinen geeigneten Kandidaten hat. Wen hätte sie denn stattdessen aufstellen sollen?
Da die SPD zu einer Unter-25-Prozent-Partei zusammengeschrumpft ist, wird jedem ihrer Kandidaten das Verlierer-Image anhaften. Die SPD verliert nicht, weil der Steinbrück dauernd in irgendwelche Fettnäpfchen hineintritt, sondern: weil die SPD verliert, ist alles, wo der Steinbrück hineintritt, ein Fettnäpfchen.
Eine Chance hätte die SPD: mit Weiterlesen

„Wir machen es uns extra schwer…

…denn unser Kandidat heißt Peer.“
Jetzt hat der Steinbrück die Idee geäußert (WAZ 6.4.2013), Jungens und Mädchens sollten getrennten Sportunterricht bekommen, wenn „muslimische Eltern“ das wünschen.
Prompt erscheint auf Seite 1 ein Kommentar (vom Chefredakteur Ulrich Reitz höchstpersönlich) mit der Überschrift „Peer Steinbrücks seltsame Fehler“, und der beginnt mit dem Satz „Wahrscheinlich verfolgt Peer Steinbrück für diesen Herbst einen anderen Plan als Bundeskanzler zu werden.“
Was hat der Steinbrück getan? Er hat etwas vorgeschlagen. Das sollte er nicht tun! Ja, wenn die von der Leyen oder der Seehofer oder der Olaf Henkel das vorgeschlagen hätte, dann wäre das ein Vorschlag gewesen – den man ablehnen, gutheißen oder ignorieren kann. Aber wenn der Steinbrück sowas sagt, dann ist das ein „seltsamer Fehler“.
Das Problem der SPD ist weniger ihr Kandidat. Der ist nur der Ausdruck ihres Problems. Das Problem der SPD ist sie selbst. Die deutsche Sozialdemokratie ist nämlich zugleich ihr eigenes Gegenteil. Das muß irgendwie mit 1914 zusammenhängen.

P.S.: Ulrich Reitz in seinem Kommentar: „Wie wäre es stattdessen, muslimischen Mädchen die Chance zu geben, sich von ihren vordemokratischen Erzeugern zu emanzipieren?“ Donnerwetter! Kinder, emanzipiert euch von euren Eltern! Erinnert mich an die Zeiten unserer Jugend! Wir waren wirklich die beste Jugendvonheute aller Zeiten! Einer unserer Slogans lautete „Wer hat uns verraten …“.
P.P.S.: Wenn die SPD vor der Bundestagswahl auch noch Plakate aufhängt, wird sie das wieder ein paar Prozentpunkte kosten.

LIEBE LEUTE, LEST, was die waz geschrieben hat

In der WAZ erschien gestern ein Artikel von Thomas Becker über das neue Buch von Lütfiye Güzel. Bitte lesen Sie (anklicken zum Vergrößern):
waz-du-2013-01-24-funkelde-sterneWie Sie wissen, sind die Bücher von Lütfiye Güzel in der Buchhandlung Weltbühne erhältlich (auch im Versand).
Immer und immer und nicht ohne Grund wiederhole ich:
„Liebe LEUTE bestellt BÜCHER in DER buchhandlung WELTBÜHNE und SONST nirgends.“
Weltbühne muß bleiben.

Parlament: arisch

„Debatte um Wahlrecht für Kinder – Vorstoß von FDP-Minister Niebel“ schlagzeilte die WAZ letzten Freitag (4.1.2012).
Natürlich will der FDP-Mann die Kinder dann doch nicht wählen lassen. Er will ihnen eine Stimme geben, die sie dann aber gar nicht (selber) abgeben dürfen. „Für praktikabel hält es der FPD-Minister, wenn Eltern das Wahlrecht ihrer Kinder treuhänderisch wahrnehmen würden.“ Und jetzt kommt‘s: „Dann hätten die Familien ein höheres politisches Gewicht.“ Er meint: „Das würde uns Politiker zwingen, die Interessen von Kindern und Familien noch viel stärker ins Blickfeld zu nehmen als Bislang.“ Anscheinend meint er auch, daß die Interessen von Kindern (und Jugendlichen) in ihren Familien gut aufgehoben sind.
Ich werde mich hüten, zu behaupten: Der Minister Dirk Niebel ist ein Idiot. Nein, der tut nur so. Sein „Vorstoß“ ist gar zu fadenscheinig. Die Existenzkrise der FDP spitzt sich zu. Sie greift nach Strohhalmen. Zwei Wochen vor der Landtagswahl in Niedersachsen und mitten im Geknalle vor dem „Dreikönigstreffen“ meinte Niebel: Wir müssen mal wieder mit einer „richtigen“ Nachricht in die Zeitung kommen. Dafür spielt er sogar den Deppen und verkündet eine Scheißhausidee.
Originell ist das ja nicht. Immer mal wieder wird das aufgetischt: „Eltern wählen für ihre Kinder“. Vor der Bundestagswahl 2005 entzückte der Professor Doktor Paul Kirchhof die Doofen mit derselben Idee, was im METZGER kommentiert wurde (siehe unten). Und erst kürzlich, in der Frankfurter Allgemeinen vom 10.4.2012 wiederholte er das: „Das Wahlrecht steht allen Bürgern zu. Kinder sind Bürger. Deswegen ist es nicht ausgeschlossen, ihnen die Möglichkeit zu bieten, ihr Bürgerrecht so weit als möglich, das heißt bis zur Volljährigkeit, in Vertretung durch die Eltern auszuüben.“ „Ausüben zu lassen“ wollte er wohl sagen.

Flugblatt der Projektgruppe Pudding und Gestern (2005)

Flugblatt der Projektgruppe Pudding und Gestern (2005)

Von einem Mann wie Kirchhof, mit dem das Amt eines Bundesverfassungsrichters fehlbesetzt war, kann man zwar nicht erwarten, sollte man aber verlangen, daß er schon mal davon gehört hat, daß Grundrechte „unveräußerlich“ sind. Das hat auch für das Wahlrecht zu gelten. In der gleichen und unmittelbaren Wahl kann jeder nur eine Stimme abgeben, und zwar seine eigene. Wo kämen wir denn hin, wenn der Vater für die Tochter und demnächst vielleicht der Pastor für die ganze Gemeinde, der Meister für den Gesellen, der Betriebsführer für seine Gefolgschaft Stimmzettel ausfüllen dürfte? Dorthin, wo Kirchhof und seine Lehrmeister das ganze Land und uns alle am liebsten hinhaben wollen.
„Man könnte geneigt sein, diese Idee als abwegige Erfindung eines verrückten Professors abzutun“, schreibt Helmut Kellershohn im DISS-Journal (Nr. 23, 2012), und er spürt die Herkunft dieser Wahlrechts-Schote auf:
„Zu den Totengräbern der Weimarer Republik gehörten zweifellos die konservativen Eliten in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Einer der wichtigsten Braintrusts war damals der Deutsche Herrenklub, dem Geist des Weimarer Jungkonservatismus verpflichtet und die Hintergrundorganisation, die der Regierung Papen die entscheidenden Stichworte für die Idee des ‚Neuen Staates‘ lieferte. Kern des Neuen Staates sollte eine Reichs- und Verfassungsreform sein, die an die Stelle der Republik einen autoritären Staat setzen sollte. Zu den Vorschlägen, die diesen ‚Staatsumbau‘ in die Wege leiten sollten, zählten die Stärkung der Autorität des Reichspräsidenten, die Errichtung eines Oberhauses (‚Erste Kammer‘) und die Beschneidung der Kompetenzen des Reichstages, der Schutz der Wirtschaft vor staatlichen Eingriffen, z.B. dem staatlichen Schlichtungswesen, und nicht zuletzt – und damit kommen wir wieder zu Kirchhof – eine Veränderung des Wahlrechts.
Die damaligen jungkonservativen Vordenker und ihre Repräsentanten in der Regierung Papen empfahlen drei Manipulationen des Wahlrechts: Erstens die Ersetzung des Verhältniswahlrechts durch ein Mehrheitswahlrecht, bei dem nicht Parteien zur Wahl stehen, sondern parteiunabhängige ‚Persönlichkeiten‘ in sog. ‚Einmannwahlkreisen‘, ergänzt möglicherweise auch durch die Einführung der indirekten Wahl; zweitens die Heraufsetzung des Wahlalters von 20 auf 25 Jahre. Während der erste Vorschlag sich vor allem gegen die Parteien richtete, so der zweite gegen die rebellische Jugend in den Massenbewegungen. Der dritte Vorschlag ist nun genau der, der von Kirchhof kopiert wird. Gefordert wird die Einführung eines ‚Pluralwahlrechts‘, das vorgibt, das Gewicht der Stimmen nach ‚Leistung‘ und ‚Verantwortungsfähigkeit‘ zu differenzieren, wobei hier, wie bei Kirchhof, an die ‚Sammlung der Stimmen aller Unmündigen bei den Versorgungsberechtigten und -verpflichteten‘ gedacht wird.“ (Bitte lesen Sie den ganzen Text aus dem DISS-Journal).
Kirchhof hat (so schreibt Kellershohn weiter) den „völkischen Ton durch den neoliberalen Standortnationalismus ersetzt“. WAZ-Kommentator Wilhelm Klümper wundert sich also zu früh, wenn er sich wundert: „Es verwundert, daß ausgerechnet ein Liberaler einen Vorschlag zum Wahlrecht macht, der individuelle Lebensentwürfe des einen belohnt und des anderen bestraft.“ Wer unsere (neo)liberalen Pappenheimer kennt, wundert sich über jarnischt mehr. Vielleicht fände der Herr Niebel es ganz herztausig, wenn Wählerstimmen an der Börse gehandelt werden.
Die Wahlrechts-Klamotte wird noch oft serviert, da kann man sicher sein. Warmgehalten wird sie, eingeführt wohl nicht. Dennoch ist den Herren Kirchhof und Niebel übers Maul zu fahren, wenn sie deutschen Familienvätern antidemokratische Flausen in den Kopf setzen.

Kommentar in DER METZGER 75 (2005)
DIE GROSSE BIEGE
Wenn Professor Doktor Paul Kirchhof eine Idee hat, kommt ein Unglück nicht allein. Über seine „Steuerpläne“ breitete sich das Entzücken der Doofen und das Entsetzen der Verbleibenden so sehr aus, daß es fast unterging, daß er noch eine Idee Weiterlesen

70 Jahre sind genug

„Selbst altgediente Feministinnen, Kritikerinnen, ja Feinde von Schwarzer starten jede Erläuterung zu ihrer Person mit der Einleitung, daß sie ja ihre Verdienste habe. Fragt man nach: ‚Und welche, jetzt mal genau?‘, – wird es umso dünner, je engagierter, informierter und intellektueller die Gesprächspartnerin ist.“ (Katharina Rutschky)

Deutschlands Vorzeige-Feministin Alice Schwarzer ist nach Ansicht der Grünen in Nordrhein-Westfalen kein Sprachrohr der Frauenbewegung mehr. „Alice Schwarzer erfüllt die Funktion, kritische Stimme zu sein, immer weniger“, sagte die Grünen-Landesvorsitzende Daniela Schneckenburger. (Sie) habe eine zu starke Nähe zur CDU entwickelt und es seit langem versäumt, zu frauenpolitischen Themen auf Bundes- wie Landesebene kritisch Stellung zu nehmen, meinte Schneckenburger. […] Inzwischen habe sie sich von der Lebensrealität der Frauen entfernt und „es sich im Vorhof der Macht sehr bequem gemacht“, so die Grünen-Chefin. (n-tv)

„Die größte Egomanin im Lande kann einfach nicht ‚ich‘ sagen. Sie spricht immer in der ersten Person Plural. Selbstverliebt wie keine andere ist sie von der fixen Idee besessen, ihre Ansichten, so verschroben und so vage sie auch sein mögen, für uns alle, für alle Frauen zur verbindlichen Richtlinie zu machen. In ihrem simpel gestrickten Weltbild gibt es nur die aus allen gesellschaftlichen Widersprüchen herausabstrahierte Gesamt-Frau. Und die verkörpert sie. Das ist der rote Faden, der sich durch alle dahergeschnatterten Äußerungen der Alice Schwarzer zieht: Ich bin alle Frauen.“ (Lina Ganowski in DER METZGER 54)

„Alice Schwarzer, die Feministin – notabene –, hat […] einen so jämmerlich schwachen Glauben an die Eigenständigkeit und Stärke anderer Frauen, dass sie diese immer wieder runterputzen oder als von Männern ferngesteuert darstellen muß.“ (Bascha Mika)

„Es ist dieses Aufmerksamkeitsheischen um jeden Preis, das Alice Schwarzer so nervig macht.“ (Britta Heidemann in der WAZ)

„Alice Schwarzer kann gut mit den Konservativen. Die Linken sind ihr Feindbild. Die wird viel gelobt – meistens von Männern. Und sie wird viel kritisiert – meistens von Frauen.“ (Lina Ganowski)

„Alice Schwarzer hat vor allem ein Problem auf der Welt: Frauen. In nahezu allen Konflikten und Krächen, die sie ausgefochten hat, standen Frauen auf der Gegenseite.“ (Bascha Mika)

„Schwarzers Begabung war nie die Analyse, eher die action im Einklang mit einem gesunden Volksempfinden.“ (Katharina Rutschky)

„(Alice Schwarzer) ist ein reines Mediengeschöpf, ein konstruiertes Gesicht für eine verblödete Öffentlichkeit. Ein Programm, ein Gewissen, eine biographische Integrität hat sie nicht. Sie ist einfach eine selbstreferentielle PR-Kampagne, ein unendlich wiederverwendbares Bild von Stimmungen und Strömungen, die das Projekt ‚Zivile Menschenkontrolle‘ der herrschenden Klasse auffährt. Nie war AS ein intellektuelles oder organisierendes Zentrum von Irgendwas. Sie scheinpolarisiert durch ihre Person genau so substanzlos wie es Merkel und Steinbrück im Wahlkampf tun.“ (Cardillac)

„Alice Schwarzer ist die derzeit lauteste Propagandistin von Justizwillkür im Dienst des gesunden Volksempfindens.“ (law blog)

„In der Eindimensionalität ihrer Ideologie kann sie sich nur reflexhaft äußern. Über das Klischee kommt sie nicht hinaus, weil sie selbst ein Klischee ist.“ (Lina Ganowski in DER METZGER 75)

Alice Schwarzer verkörpert, was mir aus tiefster Seele verhaßt ist: Arriviertheit, Dünkel, Langeweile, Wichtigtuerei, Spießigkeit, Prüderie, Kasernenhof und Bildzeitung.