George Martin

Ich habe Ihnen diese Geschichte schon erzählt: Der Elektrogeräte- und Schallplattenhändler und Manager von Liverpooler Beat-Bands Brian Epstein hatte kein Glück, als er versuchte, seine Band „The Beatles“ bei der Plattenfirma Decca unterzubringen. Diese Musik, meinte man bei Decca, hätte keine Zukunft.
Die Jahrhundert-Fehlentscheidung von Decca erwies sich allerdings für die Beatles und für die Freunde guter Musik als Jahrhundert-Glücksfall. Denn dadurch trafen die Beatles bei EMI mit George Martin zusammen. Was wir als Beatles-Musik kennen, wäre ohne diesen erfahrenen, sachkundigen, experimentierfreudigen und kongenialen Produzenten nicht möglich gewesen.
Herausgekommen ist ein Jahrhundert-Klang. Wohl nie zuvor war ein so hohes künstlerisches und intellektuelles Niveau mit solcher Massenwirkung verbunden. Diese Musik steht – pars pro toto – für eine Entwicklung in der Weltkultur in der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts. (Man kann ja auch umgekehrt feststellen, daß der Anti-Elitarismus in der Kunst nicht sämtliche Abendländer untergehen läßt, wie uns das die Konservativen einreden wollen).

George Martin 1926-2016

George Martin 1926-2016

Foto: Wikimedia Commons

Den Besen brauche ich nicht zu fressen

Den Besen brauche ich nicht zu fressen.
Was ich gehört habe in den letzten sieben Tagen:

„Wie sollen die sich denn sonst wehren, gegen Drohnen und so?“
„Die Bilderberger ziehen ihr Programm durch.“
„Der IS ist eine israelische Verschwörung.“

Das kommt zwar nicht aus der Friedensbewegung. Aber es geht in sie hinein. Wetten?

Zum Tage

1.
Zitat: „Es ist eindeutig falsch, Kräfte aus dem rechten Spektrum und eine Initiative wie Endgame in einen Topf zu werfen. Die ‚Engagierten Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas‘ (abgekürzt Endgame) sind eine Initiative, die als Gegenpol zu den Demagogen von Pegida (‚Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes‘) entstanden ist und die den Blick statt auf die Pseudo-Bedrohung durch den Islam auf die reale Bedrohung durch den US-Imperialismus richtet.“

2.
Wenn Demagogen Demagogen Demagogen nennen!
Das Zitat (Verfasser: Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, zwei ausgewiesene Knallköppe beziehungsweise Stimmen aus der Friedensbewegung) fand ich auf www.nrhz.de (Online-Medium und Forum diverser Narreteien).
Ich zitierte das schon mal (in DER METZGER Nr. 114) und fügte an: „METZGER-Leser sind da besser informiert.“
METZGER-Leser wurden darüber informiert, daß „Endgame“ eine Nazi-Vorfeldorganisation ist. Diese Information würde aber auch bei zehnmaliger Wiederholung nicht bei denen ankommen, die das nicht wahrhaben wollen.

3.
Es war ein Zufall, daß ich gestern, am Nachmittag, beim Quellenstudium auf diese närrische Textstelle traf, bevor ich am Abend im Radio in einer Sportsendunmg aus Paris eine Detonation hörte.
Sie haben ja gar nicht Unrecht, wenn sie die pauschale „Bedrohung durch den Islam“ in Abrede stellen. Aber so meinen die das gar nicht. In ihrer Eindimensionalität kann es für sie außer der „Bedrohung durch den US-Imperialismus“ gar keine andere geben, auch nicht von islamistischen Terroristen. Wenn sich nicht hier und da in „linken Kreisen“ gerade jetzt klammheimliche Sympathie oder auch nur gewisses Verständnis für Mordbrenner, die sich auf den Koran berufen, erneut regt, beziehungsweise von „objektiven Bündnispartnern“ gefaselt wird (siehe DER METZGER 84 „Gegen die Objektiven“), dann fresse ich einen Besen.
Die Terror-Miliz „Islamischer Staat“ hat sich zu den Attentaten in Paris bekannt, ohne „Täterwissen“ offenbart zu haben. Das Bekennerschreiben ist ein Hinweis, nicht ein tatsächlicher Beweis der wahren Täterschaft. Wenn dieser Vorbehalt in „linken Kreisen“ beziehungsweise unter Verschwörungsparanoikern nicht als Beweis des Gegenteils gedeutet wird, fresse ich noch einen Besen.

4.
Es kann einem angst und bange werden
– angesichts eines asymmetrischen Krieges, der nicht gewonnen werden kann, angesichts von Angreifern, gegen die es keinen Schutz gibt.
– angesichts der zu erwartenden und nicht weniger gefährlichen Reaktionen aus dieser Gesellschaft. Islamistische Fanatiker und Pegida-Fanatiker glauben nur, daß sie gegeneinander stehen. Werden den Idioten, die von hier nach Syrien ziehen, um den IS zu unterstützen, antiislamische Söldner folgen?
– angesichts eines schwachen französischen Präsidenten und angesichts der Weigerung der Bundeskanzlerin, einzugestehen, daß „wir“, die Bundesrepublik und die EU, die Haupt-Fluchtursache sind.
– angesichts sich verschärfender Gefährdung des Weltfriedens. Wenn jetzt Erdogan Truppen nach Syrien schicken will und dann Soldaten einer NATO-Armee in Gefechte mit russischen Truppen geraten, dann hat das was von Weltkrieg.
– angesichts einer Friedensbewegung, deren Diskurs immer mehr von törichtem Wunschdenken und realitätsfernen Stellungnahmen geprägt wird.

Amoklauf der Moral

Polanski2015Da die (sich unschuldig vorkommende) „Verfolgende Unschuld“ kein Maß hält (weder zeitlich, noch, wie man sieht, territorial), wollen auch wir uns gern wiederholen.
Dieser dreiseitige Doppel-Kommentar erschien in DER METZGER 87 (2009). Es geht darin vor allem darum, daß diese Affäre, an der nur die Lachhaftigkeit ihrer Vorantreiber zum Lachen ist, auch in unserem Kulturkreis (Kulturkreis) von Hinterherläufern geschätzt wird, die was ins Trockene bringen wollen:
M87SittUKrimFaksimOhne Lupe kann man ihn lesen, Wenn man das Wort „Klick“ anklickt: KLICK!

Zwei Fälle

Zwei Todesfälle mit dem heutigen Datum, die zunächst kaum was miteinander zu tun haben, aber die Ahnung von einer höheren Gerechtigkeit wecken können, allein schon durch die Unterschiedlichkeit des Alters der beiden verstorbenen Männer.
Was den einen von den beiden betrifft: Können Sie sich vorstellen, daß das Gebot, mit dem Tod solle doch jeder Streit enden, in jedem Falle einzuhalten doch manchmal zu schwerfällt vor lauter Verachtung?

Der eine also: Philipp Mißfelder (nomen est omen), der 35 Jahre alt wurde, ein Berufsjugendlicher also, in dieser Eigenschaft einige Jahre lang Vorsitzender eines der fiesesten Vereine (Junge Union), ein Berufsschnösel, Garant für das weitere Wirken bejubelter Menschenverachtung, der sich in die Herzen verkorkster Existenzen hineinsmeilen konnte.
„Ich halte nichts davon, wenn 85jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen“, wird er zitiert. „Früher sind die Leute schließlich auch auf Krücken gelaufen.“
Das Entsetzen, das er damit verursachte, war beabsichtigt. Schließlich müssen die Diener der Herrschaft, ab und zu ihre charakterliche Schäbigkeit öffentlich vorzeigen, das gehört zu ihrem Job.
(85jährige und Ältere von der Gesundheitsversorgung auf dem Stand der Heilkunst auszuschließen ist nur das vorgeschobene Signal, um Atmosphäre zu schaffen, weil sich Sozialkosten in größerem Maße dann einsparen lassen, wenn man die – sagen wir mal: 60jährigen schon ausgrenzt. Und der Drecksack grinst dazu.)
Dieser wurde nur 35 Jahre alt. Er fiel nicht einem Unfall oder einem Attentat zum Opfer. Für den hatte der Liebegott tatsächlich nur 35 Jahre vorgesehen.

Der andere: Gerhard Zwerenz. Der wurde 90 Jahre alt.
Ein profilierter Mann (auch im nichtmetaphorischen Sinne). Ich gebe zu, daß ich von den sehr vielen Büchern, die er geschrieben hat, nur wenige in der Hand gehalten habe. Ich begegnete dem Autor eher durch Artikel in Konkret (früher, ja früher!) und anderen Zeitungen und Zeitschriften.
Einmal erlebte ich den live, und zwar als Redner bei der Abschlußveranstaltung des Ostermarsches Ruhr 1968 in der Westfalenhalle in Dortmund. Das war ein Mann, der wüten konnte. Während seiner Rede rief er dazu auf, der illegalen KPD beizutreten.
Mit dem Namen Gerhard Zwerenz endeten die Unterschriftenlisten all der vielen fortschrittlichen Aufrufe, die mit Wolfgang Abendroth begonnen hatten.
In Wikipedia werden über 80 Bücher aufgezählt (und das ist nur eine Auswahlliste). Das VLB verzeichnet nur zwei derzeit lieferbare Buchtitel!
Sowas ist kein Einzelfall. Ehrt und schätzt den Antiquar! (Aber nicht den nächstenbesten).

Minister (mit Hut)

Wolfgang Schäuble CDU (Bundesfinanzminister) läßt, was Griechenland betrifft, nicht mit sich reden.
Konzerne wie Amazon oder Ikea, die die hiesige Infrastruktur nutzen, bezahlen gerade mal ein paarmarkachzig Steuern. Bei denen ist der Schäuble sooo klein mit Hut.
Aber wenn es gegen griechische Rentner geht, dann spielt er den dicken Wilhelm.
Dabei ist er in Grunde doch nur: eine schwarze Null.

Über Schwarzgrün (live)

Einige Passagen meiner Lesung in der Zeche Carl in Essen am 31. August wurden gefilmt. Heute zeige ich Euch: „Radio ausgemacht“.

Ton- und Bildaufzeichnung: Hafenstaedter.

Fortsetzung folgt.

Sparkasse

Der Leitzins ist aus lauter Verzweiflung wieder gesenkt worden. Bald ist dieses Instrument nicht mehr anwendbar. Das liegt an der mathematischen Logik. Bei Null ist Schluß.
Was zeigt uns das? Daß es mit dem Kapitalismus zu Ende geht. Allerdings weiß kein Mensch, wie viel hundert Jahre dieses Endstadium noch dauert.
Aus dem Kapitalismus gibt es zwei Ausgänge: Sozialismus oder Barbarei. Der eine Ausgang ist derzeit fest verschlossen, der andere sperrangelweit offen. Es hat allerdings auch schon Sozialismus gegeben, der barbarische Züge in sich trug.
An die WAZ hat ein Idiot einen Leserbrief geschrieben: Der einzige Sinn des Geldes sei, ausgegeben zu werden. Wenn der mal mit dem Auto nach Hannover fährt und am Ziel noch zwei Liter Benzin im Tank hat, fährt der bestimmt ein paar mal um den Block.
Weil ich immer schon wußte, daß meine Rente zu niedrig sein wird, habe ich schon mit 20 angefangen, mir was fürs Alter zurückzulegen, immer mal zehn Mark oder fünf Mark, und bei der Verzinsung den Zeitfaktor einkalkuliert. Damit ist jetzt Essig.
Letztens hörte ich im Radio, daß in irgendeiner Justizvollzugsanstalt irgendetwas schiefgegangen ist, irgendjemand ausgerissen oder so. Und dann hörte man von dort: „Wir haben zu wenig sachkundiges Personal.“
Da der Staat keine neuen Schulden machen will und die Steuern für die Reichen nicht erhöhen will, wird gespart, und wenn alles in Scherben fällt. Wenn der Staat spart, dann kann das sehr teuer werden. Der Staat spart, und es fehlt überall an allen Ecken und überall an allen Enden.
Hoffentlich übernimmt die gewerbliche Wirtschaft nicht die Spar-Methoden des Staates. Das sähe dann so aus:
Wintermäntel ohne Ärmel! Oder: Schuhe ohne Sohlen! Wenn wir bei den Schuhen die Sohlen weglassen – was man da einsparen könnte!
Ich war wieder bei der Sparkasse und habe 20 Euro auf mein Sparbuch eingezahlt. Da kommt man sich ja blöd bei vor! Die Kassiererin hat danach bestimmt zu einer Kollegin gesagt: „Hier war eben ein Verrückter. Der hat Geld auf sein Sparbuch eingezahlt.“

Wo haben die die denn her?

Mit dem hundertsten Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs jähren sich auch zum hundertsten Mal die Kriegslügen und Illusionen, mit denen dem Völkergemetzel Glanz verliehen wurde.
Wie die Kriegswaffen, so wurden auch die Kriegslügen, die Kriegspropaganda modernisiert. Chauvinistischer Veitstanz ist nicht mehr die aktuelle Melodie. „Vaterland“ wurde durch „Menschenrechte“ ersetzt.

Urlaub von den Nachrichten (und Kommentaren, und Leserbriefen) kann man sich nicht gönnen. Man verpaßt dann was.

Also:
Die ISIS in Syrien/Irak. Das sind jetzt die Bösen? Und darum muß Der Westen (Die Welt / Die Weltgemeinschaft / Die westliche Wertegemeinschaft / Wir) tätig werden.
Ist ISIS denn gefährlich?
Ach, die haben Waffen?
Ja, wo haben die die denn her?

ISIS, so höre ich, wird von Saudi-Arabien und von Katar unterstützt. Sind das nicht die Länder, die von der Bundesrepublik Deutschland großzügig mit Waffen beliefert werden? Katar schickte zuerst Altbestände in den Syrien-Konflikt, neuerdings aber auch Waffen, die auf dem Weltmarkt zusammengekauft werden.
Und wieso sind ISIS-Milizen jetzt auf einmal die Bösen? Waren das nicht vor kurzem noch die Guten? (Opposition gegen das Assad-Regime).
Die Türkei (NATO-Mitglied und somit verbündet mit der BRD) hat wohl nicht mitgekriegt, daß die ISIS-Truppen gar nicht mehr die Guten sind. Sie gewährt ihnen Durchmarsch über ihr Territorium. NATO, was nun? Istanbul bombardieren?

Mit Bin Laden war das ja auch so. Bevor der zum Teufel in Menschengestalt wurde, war der doch erst auch einer von den Guten, der von den USA ausgerüstet und aufgerüstet wurde. In der Tagesschau hießen er und seinesgleichen „Freiheitskämpfer“. Da ging es gegen die Russen. (Nicht gut für die Steinmeiers und Fischers, wenn man ein gutes Gedächtnis hat).

Jetzt sollen die Kurden Waffen bekommen. Aber waren die Kurden denn nicht immer Terroristen? Sei es drum: Jetzt sind sie die Guten.
Aber wenn die Kurden jetzt sagen: „Die Lage ist günstig. Die Lage war noch nie so günstig wie jetzt. Jetzt gründen wir einen Staat“. Ja dann sind die Kurden ja wieder Terroristen.
Was dann? Den Islamischen Staat in seinem Freiheitskampf gegen die Kurden unterstützen?
So kommt es noch, paßt mal auf.

Gründe lassen sich immer finden, um diesen Teil der Welt, in dem seit Jahrzehnten Menschen abgeschlachtet werden, mit Waffen vollzustopfen.

Lied (gut)

„Ach, was ist das schön, wie wir zwei hier steh‘n.“
Dabei sind wir zu dritt. Und wir stehen auch nicht, sondern haben am Tisch platzgenommen. Aber schön ist es doch.
(Wir verzehren auch keine Currywurst, sondern Kartoffelsalat).

*

„Man fühlt erst dann sich recht als Mann, wenn man beim Badengeh‘n Waden seh‘n kann.“
Stimmt das?
Ist das so?
Ich muß wohl die große Ausnahme sein.

*

Was höre ich? Die Nationalsängerin Müller-Meyer-Langenkamp ist beim Juro-Wischen Songkontest sang- und klanglos durchgefallen? Jaja. Die Deutschen und ihre Wunderwaffen!

*

Wörter zum Schimpfen
„Als zum ersten Mal ein Schimpfwort geschleudert wurde statt eines Speers, begann die Zivilisation.“ (Habe ich mal gehört). Dann lassen also die Schimpfwörter Rückschlüsse zu auf den Zustand derselben.
„Gutmensch!“, „Weltverbesserer!“, „Frauenversteher!“ Das sind Schimpfwörter!
Da wird einem ja über Deutschland einiges klar! Hier kommt man mit schlechten Menschen besser zurecht, und man zieht es vor, nichts von Frauen zu verstehen. Man will auf kleinen Fall, daß die Welt besser wird. Dabei ist die Verbesserung der Welt der Sinn des Daseins. Nicht nur die Welt besser, sondern sie auch schöner zu machen ist eine Lebensaufgabe. „Weltverschönerer!“ So würde ich mich gern beschimpfen lassen.
„Weichei!“ Ein gelungen zubereitetes Frühstück bereitet dem deutschen Gemüt Mißbehagen.
Um seinen Ärger über Mitmenschen zum Ausdruck zu bringen, sollte man sich doch besser der klassischen Schimpfwörter bedienen: Hartei, Hoffnungsträger und Vorjahressiegerin.

Völkerrecht: nota bene!

Die Europäische Union verhängt Sanktionen gegen Rußland, weil in Donezk Gebäude der ukrainischen Regionalverwaltung von prorussischen Demonstranten besetzt wurden.
Die Europäische Union schenkt den neuen Machthabern in Kiew eine Milliarde Euro, weil Gebäude der demokratisch gewählten Regierung von antirussischen Demonstranten besetzt wurden.
Die neuen Machthaber in Kiew sind zwar durch einen Bruch der Verfassung an die Macht gekommen, aber dafür sind Faschisten an der „Übergangsregierung“ beteiligt. Darum genießen sie das Wohlwollen der Europäischen Union.
Nota bene: Die Verfassung ist ein Gesetz, an das man sich nicht halten muß, wenn es einem gerade mal nicht in den Kram paßt.
Unterdessen mehrt sich die Unzufriedenheit über steigende Preise. Ja, so ist das. Nationalstolz muß man sich schon was kosten lassen, zumal dann, wenn die Tarife im Kleingedruckten der EU-Richtlinie stehen.
Nota bene: In der Planwirtschaft wird der Brotpreis von der Planungskommission festgesetzt, in der freien Marktwirtschaft vom Internationalen Währungsfonds.
Der Majdan ist ein asphaltierter Platz in der Innenstadt von Kiew. Seitdem er aber nicht mehr bloß eine Verkehrsfläche ist, sondern in den Herzen herumgetragen wird, heißt er „Euromajdan“. Die Grünen hierzulande sind davon vor Ehrfurcht ergriffen. Die Leute vom „Euromajdan“ können einfach nicht verstehen, daß es schlimme Folgen hat, wenn man verrückt spielt. Die Grünen auch nicht. Das zeigt, daß sie sich in veritable Realpolitiker verwandelt haben.
Nota bene: Die westlichen Medien „informieren“. Die russischen Medien „suggerieren“. (Hörte ich heute im Radio).
„Verrückt spielen“ ist die richtige Bezeichnung. Hören Sie sich mal eine Rede von Julia Timoschenko an. Daß die sie nicht mehr alle auf der Latte hat, merkt man, auch wenn man kein Wort Ukrainisch versteht. Man sieht es. Julia Timoschenko hätte gern einen Atomkrieg. Darum wurde sie von der Bundeskanzlerin empfangen.
Etwas Besseres zu wollen als die Irren von Kiew ist kein Kunststück. Die prorussischen Demonstranten wollen also was Besseres. Aber sind sie darum besser? Diese nützlichen Fanatiker? Sie demonstrieren ja auch nicht gegen steigende Brotpreise, sondern gegen die paneuropäische Homo-Ehe.

Aus der Geschichte der Musik: Der Gartenoffizier oder An der Theke ist der schönste Klatz

Schon in frühen Kindertagen stellte sich heraus, daß ich sehr musikalisch bin. Gerade des Sprechens fähig, schmetterte ich mit lauter Stimme, was ich im Radio gehört hatte: „Man müßte nochmal zwanzig sein“, „Der schönste Klatz ist immer an der Theke“ und „Das machen nur die Beine von Dolores, daß die Senores nicht schlafen gehen“. Unter einer Dolores konnte ich mir ebenso wenig vorstellen wie unter Senores,.
Meine Musikalität fiel auf. Ich mußte immer meine Tanten unterhalten mit „La Poloma ohé“ und „O Sohle mio“ und erntete Beifall dafür.
Das Radio war ein Zauberkasten. Die Radio-Fritzen setzten wohl jeden Tag eine Melodienfolge von Ralph Benatzky ins Programm. Hätten sie sich klar gemacht, daß der Komponist des „Weißen Rößl“ von den Nazis verfolgt worden war, hätten sie es vielleicht nicht getan. Aber so hörten wir immer wieder „Mein Mädel ist nur eine Verkäuferin in einem Schuhgeschäft mit 80 Franc Salair in der Woche, doch sie gibt mir für viele Millionen Glück“ beziehungsweise „Es muß was Wunderbares sein, von dir geliebt zu wärdän, denn meine Liebe die ist dein, solang ich leb‘ auf Ärdän. Ich kann nichts Schöneres mir dänkän, als dir mein Herz zu schänkän“ beziehungsweise „Ich lade Sie ein Fräulein zu einem Glas Wein Fräulein, zu einem Glas Sekt Fräulein, zu einem Glas Punsch“.
Ich stelle mir das gerade vor, was der Tenor mit dem Fräulein anstellt: Erst ein Glas Wein. Dann ein Glas Sekt. Dann ein Glas Punsch. Die muß alles durcheinander trinken, was man doch gar nicht soll.
„Dann kommt das Desseeeert.“ – „Und was kommt nachheeeeer?“ – „Dann lad ich Sie ein Fräulein zu einem Glas Wein Fräulein, zu einem Glas Sekt Fräulein, zu einem Glas Punsch“ – das ganze nochmal von vorn, ist der Mann denn bescheuert?
Ein Schlager, den man in den 50er Jahren oft hörte, zeigte die ganze Dramatik des Geschlechtslebens im Angestellenmilieu in Zeiten des Wirtschaftswunders:
„In einer kleinen Konditorei da saßen wir zwei bei Kuchen und Tee. Du sprachst kein Wort kein einziges Wort, und ich wußte sofort, daß wir uns verstehn. Und das elektrische Klavier das klimpert leise eine Weise von Liebe Leid und Weh. In einer kleinen Konditorei da saßen wir zwei bei Kuchen und Tee.“
Das muß man sich mal vorstellen: Die einzige Verständigungsbasis ist die Stummheit. Denn sie sprach kein Wort kein einziges Wort, und er wußte sofort, daß sie sich verstehen. Sobald sie ein Wort sagt, verstehen sie sich nicht mehr. Aber an diesen Sonntagnachmittag im weißen Hemd (er) und mit Hütchen auf dem Kopf (sie) werden sie sich ihr Leben lang erinnern – es war der Höhepunkt. Zum Kuchen trinken die Tee! Die halten auf sich und sind zu Opfern bereit. Gewöhnliche Proleten wie wir trinken ordinären Kaffee.
Zum Glück verstand ich damals nicht, was die sangen. Welcher Schaden hätte in der Kinderseele entstehen können, wenn sich dort die Vorstellung eingeschlichen hätte, die Liebe fände keinen besseren Platz als den in einer kleinen Konditorei, in der ein elektrisches Klavier eine Weise von Liebe Leid und Weh leise klimpert. Dem aufkommenden Rock and Roll begegnete Peter Alexander mit dem Vers: „Damit haben Sie kein Glück in der Bundesrepublik. Wir tanzen lieber Tango.“
Nein, ich blieb von dem verschont, was sie meinten. Mißverständnisse schützten meine Seele. Man spielte oft im Radio aus dem „Weißen Rössel“: „Im Salzkammergut da kann man gut lustig sein“. Vom Salzkammergut wußte ich nichts, und so verstand ich: „Im Salz kann man gut, da kann man gut lustig sein.“ Ich stellte mir Leute vor, die im Keller in mit Salz gefüllten Fässern sitzen, mit dem Kopf aus dem Salz rausragen und sich angeregt unterhalten. Was für eine Musik, die erst im falschen Verständnis ihre Sprengkraft entfaltet!
Man spielte im Radio auch oft den Schlager von Robert Stolz: „Leb wohl, mein kleiner Gardeoffizier, leb wohl, leb wohl und vergiß mich nicht und vergiß mich nicht!“ Unter einem Gardeoffizier konnte ich mir nichts vorstellen, und so verstand ich „Gartenoffizier“. Ich glaubte, es seien Gartenzwerge oder so etwas ähnliches gemeint. So war mir durch dieses Musikstück mehr klargeworden als es dem Urheber lieb sein konnte.

Verstehen Sie das?

Heute habe ich in den Nachrichten gehört, daß die Bundesregierung – und überhaupt die ganze Europäische Union sich darüber empört, daß DAS ERGEBNIS der Abstimmung auf der Krim der ukrainischen Verfassung widerspricht.
Warum waren diese Hüter unserer „Werte“ denn nicht zu vernehmen, als der demokratisch gewählte Präsident gestürzt wurde und die derzeitige Regierung (mit Nazi-Beteiligung!) auf eine Weise zustande kam, die der ukrainischen Verfassung widerspricht?
Verstehen Sie das? (Mal ganz naiv gefragt).

Aus der Geschichte der Musik: „People try to put us down“

1965 wurde der Song „My Generation“ von The Who veröffentlicht, der zur Hymne der nach dem Krieg Geborenen wurde. Darin heißt es: „People try to put us down talking ‘bout my generation“.
Das beste Beispiel für das, was in dem Song von The Who angeklagt wird, ist ein deutsches Schlager-Lied, das im selben Jahr veröffentlicht wurde und als Gegenteil von „My Generation“ gelten darf: „Mit 17 hat man noch Träume“. Wenn hinter diesem Kulturgut wohl auch kaum eine andere Ambition steckte als die, damit Profit zu machen, so handelt es sich gleichwohl um Propaganda der Eindimensionalität. Da wurde „about my generation“ gesprochen – nicht mit schäumender Wut wie so oft, dafür aber mit klebriger Selbstgefälligkeit. Das Establishment schlug zurück – nein, es schmierte.
Die US-amerikanische Sängerin Peggy March, damals tatsächlich 17 Jahre alt, sang das:

„Mit 17 hat man noch Träume,
da wachsen noch alle Bäume
in den Himmel der Liebe.
Mit 17 kann man noch hoffen,
da sind die Wege noch offen
in den Himmel der Liebe.
Doch mit den Jahren wird man erfahren,
daß mancher der Träume zerrann.
Doch wenn man jung ist, so herrlich jung ist,
wer denkt, ja wer denkt schon daran!
Junge Leute fragen nicht, was man darf und kann.
Junge Leute seh‘n die Welt mit and‘ren Augen an.
Und ist diese Welt auch oft fern der Wirklichkeit,
wo ist der, der ihnen nicht lächelnd das verzeiht?“

Die Gewalt, die des Reimes willen der Grammatik angetan wurde (es hätte doch heißen müssen: man wird erfahren, daß mancher Traum zerronnen sein wird), soll mal übergangen sein. Was will der Künstler damit sagen?
Der Mann, der diesen Text fabriziert hat, hat sich wohl selbst nicht mehr daran erinnern können, das er selbst auch mal 17 Jahre alt gewesen ist. Stattdessen breitet er ein Klischee aus über das Leben und Empfinden 17jähriger, das nun tatsächlich fern der Wirklichkeit ist. Amnesie ist ein Kennzeichen des eindimensionalen Menschen. Die Wunschvorstellung vom 17jährigen Mädchen als etwas dümmliche, realitätsferne Person war eine Beleidigung aller, die im Jahre 1965 17 Jahre alt waren. Sie stand im krassen Gegensatz zur Realität, in der sich die nach dem Krieg geborene Generation angewidert oder gleichgültig von den Wertvorstellungen und Lebensvorstellungen der Generation abwandte, die ihre Erziehung in der HJ, im BDM und in der Wehrmacht genossen hatte.
Kein 17jähriger hätte von sich aus im Jahre 1965 gejuchzt: „wenn man jung ist, so herrlich jung ist“. Die Jugend wird nur von denen sentimental verherrlicht, die sie verplempert und, wie überhaupt das ganze Leben, durch die Finger haben rinnen lassen. In nichts war diese sexuell verklemmte Generation, die ihre Erziehung in der HJ, im BDM und in der Wehrmacht genossen hatte, so groß, wie in ihrer Eifersucht, mit der sie die Jungendlichen daran zu hindern versuchte, ihre Jugend zu gestalten und auszufüllen, in nichts so hartnäckig wie in ihrem Werk, Seelen zu zerstören. Nur als dumme Gänse, die vor lauter Verliebtheit gegen Laternen rennen, waren die 17jährigen Mädchen für sie erträglich. Nichts ignorierten und nichts fürchteten diese autoritätsfixierten Untertanen so sehr wie die Wirklichkeit, die von Peggy March als „Wärklichkeit“ prononciert wurde.
Wenn man 17 Jahre alt ist, dann „wachsen noch alle Bäume in den Himmel“, und zwar „in den Himmel der Liebe“. Das wirft allerdings die Frage auf, was die Ehepaare eigentlich zusammengehalten haben könnte. Die Langeweile ihres Daseins hielten sie für unabwendbare, alterungsbedingte Naturgesetzlichkeit, und die Inhaltsleere ihres Kopfes hielten sie für Lebenweisheit. Dabei war es doch nur Feigheit, die sie davon abhielt, über das Gegebene hinauszudenken.
Sich etwas mehr vom Leben zu erhoffen als Leere kostete den Preis, für dämlich gehalten zu werden. Dem Jugendlichen wurde Existenzberechtigung nur zugebilligt als Dorftrottel des Wirtschaftswunders. „Mit 17 kann man noch hoffen.“ Und wenn man nicht mehr 17 ist, dann breitet sich die ganze Hoffnungslosigkeit aus, was?
Dem Weltkrieg folgte als Echo eine alltagskulturelle Idiotie, die in dieser Hymne der Hoffnungslosigkeit manifestiert wurde. Da war es ebenso wohltuend wie wichtig, sie mit elektrischen Gitarren zu zerfetzen.
Sich etwas mehr vom Leben zu erhoffen als Leere war etwas, was lächelnd verziehen wurde. Wie gütig! In dem Verzeihen ist die anmaßende Anschuldigung enthalten. Ich habe es versäumt, dafür um Verzeihung zu bitten, daß ich die verachte, die die Resignation predigen. Was sie sich da lächelnd-verzeihend angemaßt haben, verzeihe ich nicht. Das läßt die Erfahrung eines Jahrhunderts nicht zu.
Auch die Resignation ist eine Utopie. Das ist die Utopie der Reaktionäre.

„Was haben Sie 1968 gemacht?“ - „Von was ganz anderem geträumt.“

„Was haben Sie 1968 gemacht?“ – „Von was ganz anderem geträumt.“

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Unglückliches Land

Heute hat die Bundeskanzlerin im Bundestag lobende Worte für die Opposition in der Ukraine gefunden. Die Demonstranten würden für Werte eintreten, die auch die Werte der Europäischen Union seien.
Die Demonstranten genießen viel Sympathie in der hiesigen Öffentlichkeit. Darum will die hiesige Öffentlichkeit auch Genaues nicht wissen.
Ich zitiere aus der taz vom 22. Januar:

Rechtsradikale wollen kämpfen
Die Eskalation in der Ukraine geht vor allem von rechten Gruppierungen und Extremisten aus. Viele haben sich in Wehrsportgruppen auf den Kampf vorbereitet. Nach den ersten Toten auf dem Maidan steckt das Land entweder in einer Sackgasse oder steht vor einem Bürgerkrieg. […] Dass es so schnell zu Blutvergießen auf dem Maidan kommen werde, damit hatte man im traditionellen und eher gemäßigten Flügel der Opposition nicht gerechnet. Doch der „rechte Sektor“ wird immer stärker und immer radikaler. In diesem Bündnis finden sich zahlreiche rechte Gruppierungen, auch Rechtsextremisten, die sich seit Langem auf gewaltsame Auseinandersetzungen vorbereitet, diese geradezu einstudiert haben.
Den zunehmend gewalttätig agierenden Polizisten stehen mit dem „rechten Sektor“ Personen gegenüber, die sich nichts sehnlicher wünschen, als endlich Dampf abzulassen. Einen bekannten Anführer hat diese Gruppierung nicht, man mobilisiert über das Internet.
Hatte die Gruppe noch vor kurzer Zeit im russischen (!) sozialen Netzwerk „VKontakte“ 10.000 Follower, wuchs diese Zahl in wenigen Tagen auf 20.000 an. Sie wollen gar nicht in die Europäische Union. Ihr Herzensanliegen ist die nationale Revolution. […] Seit Jahren bereiten sie sich in Wehrsportgruppen auf den gewalttätigen Kampf vor. Und sie wissen, dass sie nichts mehr zu verlieren haben. Gemeinsam agieren sie mit „Ultras“ der Fußballfanszene. […] Dem immer aggressiveren Auftreten von Angehörigen des „rechten Sektors“ steht ein Vertrauensschwund der traditionellen Opposition mit ihren Anführern Klitschko, Jazenjuk und Tjagnibok gegenüber, denen man immer lauter eine heimliche Zusammenarbeit mit den Machthabern vorwirft. Vielfach wird auch gemutmaßt, dass diese Oppositionellen mit Geldern westlicher Regierungen, vor allem der US-amerikanischen und deutschen, finanziert würden. Wie der „rechte Sektor“ seine Aktivitäten finanziert, wird wenig thematisiert.

Dadurch, daß die ukrainische Regierung eine engere Kooperation mit Rußland sucht, verstößt sie nicht gegen die Interessen des Landes, wohl aber gegen die Interessen der EU. Darum hat die Opposition nebst ihrer faschistischen Speerspitze die hiesigen „Menschenrechtler“ auf ihrer Seite.
„Menschenrechtler“ heißen „Menschenrechtler“, weil sie glauben, die Menschenrechte zu verteidigen.
Ich verweise auf den Artikel „Mandela oder Putin oder Zeigt eure Helden“ von Jakop Heinn in DER METZGER Nr. 108.