Hier im Inneren des Landes, da leben sie noch

Ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Kann sein, daß ich noch nicht zur Schule ging. Irgendein Mann war bei uns zu Hause, irgend so‘n Meister oder sowas, irgend so‘n 50er-Jahre-Typ, irgend so‘n Wirtschaftswunder-Heini mit dickem Bauch und Glatze. Der stand im Korridor und verabschiedete sich, und ich stand auch da rum, und mich sehend rief dieser Mann: „Aha, das ist also der Stammhalter!“
Es war mir immer peinlich, wenn ich als Kind von Erwachsenen betrachtet und begutachtet wurde. Man setzte Erwartungen in mich, aber was waren das fĂŒr Erwartungen? Schon von Kindesbeinen an hatte ich eine Aversion gegen plumpe JovialitĂ€t. Aber dieses Zusammentreffen war mir besonders peinlich, ja, ich empfand es als bedrohlich.
Zwar hatte ich kaum eine vage Ahnung davon, was unter einem „Stammhalter“ denn nun zu verstehen ist. „MĂ€nnlicher Nachkomme“ ist damit zunĂ€chst einmal gemeint, das verstand ich schon. Indem man den mĂ€nnlichen Erstgeborenen als „Stammhalter“ tituliert, ist damit implizit gesagt, daß dem mĂ€nnlichen Geschlecht ein besonderer Vorrang gebĂŒhrt. Und das ist nun etwas, was man Kindern tunlichst nicht einzutrichtern hat! „Stammhalter“ gehört zur selben Wortfamilie wie „Haushaltsvorstand“. Dieser Titel war in den 50er Jahren tatsĂ€chlich gebrĂ€uchlich. Das war die offizielle Bezeichnung fĂŒr den Familienvater. Und glauben Sie mir: Damals hatte der Haushaltsvorstand von Haushalt ĂŒberhaupt keine Ahnung.
Das war die Zeit, in der ich die Erwachsenen reden hörte, daß es so alle 20 bis 25 Jahre Krieg gibt. Das sei nun mal der Lauf der Welt, da war man sich sicher. Erstaunlicherweise aber löste die Aussicht auf einen bevorstehenden Weltkrieg weit und breit kein Entsetzen aus. Diejenigen, die den letzten Weltkrieg (oder sogar auch den vorletzten) selbst miterlebt hatten, ergingen sich lieber in Fatalismus, und sie hielten sich fĂŒr klug. Das liegt daran, daß diese Untertanen vor dem Krieg weniger Angst hatten als vor den Konsequenzen eines Handelns, mit dem man sich dem, was sie fĂŒr Schicksal hielten, widersetzt. Umhimmelswillen, was wĂŒrden die Leute dazu sagen! Dann lieber Krieg! Und in einem solchen Erwartungs-Horizont wird der Titel „Stammhalter“ verliehen. Ich fĂŒhlte eine Bedrohung, die ich spĂ€ter bei der LektĂŒre von Bertolt Brecht ausgedrĂŒckt fand: „Mit euren Kindern planen sie jetzt schon Kriege.“
Ich hatte kaum eine vage Ahnung davon, was unter einem „Stammhalter“ denn nun zu verstehen ist. Wie in diesem Begriff das Dasein als ganzes und die SexualitĂ€t im besonderen reduziert und funktionalisiert wird, konnte ich natĂŒrlich erst spĂ€ter erfassen. Aber schon als Kind spĂŒrte ich sehr genau: „Vorsicht! Die haben was mit mir vor!“

Die Anekdote am Samstag oder Die schöne Jane

Sonntag der Bundestagswahl 1976. In Ruhrort ist wieder Flohmarkt. Danach will ich noch wÀhlen gehen.
Auf dem Flohmarkt trifft man viele Bekannte. Eben hat sich die schöne Jane vor meinen Stand gestellt und begrĂŒĂŸt mich freundlich. Neben ihr steht eine sehr adrette Dame, die ihren Blick ĂŒber meinen Tisch schweifen lĂ€ĂŸt und das alles nicht auf Anhieb zu verstehen scheint.
„Jane,“ frage ich, „hast du heute schon gewĂ€hlt?“
„Ja, hab ich.“
„Hast du auch richtig gewĂ€hlt?“
„NPD!“
NatĂŒrlich hat die schöne Jane nicht NPD gewĂ€hlt. Ich weiß, daß sie immer ganz links wĂ€hlt. Die will mich nur ein bißchen foppen.
„Paß bloß auf!“ sage ich. „Ich leg dich gleich ĂŒbers Knie!“
Jane lacht vergnĂŒgt und schaut mich mit strahlenden Augen an.
Die adrette Dame entfernt sich und denkt: „Aus diesen langhaarigen Typen werde ich ĂŒberhaupt nicht schlau.“

Gestern hÀtte sie Geburtstag gehabt

Romy_Schneider_in_Max_et_les_FerrailleursRomy Schneider hatte wohl oft Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter, der vor ihr nicht unberĂŒhmten Schauspielerin Magda Schneider.
Magda Schneider war mit vielem nicht einverstanden, was ihre Tochter tat. Sie war nicht einverstanden damit, daß sie sich von ihrem Blödmann von Mann scheiden ließ. Sie war nicht einverstanden damit, daß sie ihren Lebensmittelpunkt nach Frankreich verlegte. Sie war unzufrieden damit, daß sie „dem deutschen Film den RĂŒcken kehrte“. Sie fand es nicht gut, daß sie dann aber Verbindung zum Neuen Deutschen Film suchte und in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ nach Böll die Hauptrolle (Terroristenliebchen!) spielen wollte und in „Gruppenbild mit Dame“ nach Böll die Hauptrolle spielte. Sie war entsetzt darĂŒber, daß sie öffentlich gegen die Bildzeitung und fĂŒr Willy Brandt Partei ergriff und Sympathie fĂŒr die Studentenbewegung bekundete. Sie war vollends entsetzt, als sie auf der Titelseite des Stern erklĂ€rte: „Ich habe abgetrieben“. Dies alles, so meinte Magda Schneider, sei „karriereschĂ€digend“.
Das Gegenteil ist der Fall.
HĂ€tte Romy Schneider nicht alles das getan, was „ihrer Karriere geschadet hat“, dann kĂ€men die Sissi-Filme immer an Weihnachten im Fernsehen, und dies und noch ein paar Schmonzetten wĂ€ren alles, was ĂŒbrigblieb. Daß sie stattdessen eine der großen faszinierenden Frauen des 20. Jahrhunderts wurde, kommt daher, daß sie tat, was sie wollte. Wenn heute von Magda Schneider ĂŒberhaupt noch die Rede ist, dann darum, weil ihre Tochter trotz vieler infamer WiderstĂ€nde wenigstens versuchte, zu tun, was sie fĂŒr richtig hielt, und es ihr auch oft gelang.

Foto: Wikimedia Commons

Heute ist Internationaler Frauentag

Vor 33 Jahren und 3 Monaten erschien das Buch „Jedes SchulmĂ€dchen weiß es! GedankengĂ€nge zur SexualitĂ€t & Emanzipation“ als Gemeinschaftsproduktion der Situationspresse und des Otz-Verlags. Es sind noch Restexemplare vorhanden, das Buch ist also noch erhĂ€ltlich.
buch-hl-schulmaedchenDer schmale Band von 64 Seiten ist eine Sammlung von BeitrÀgen (3 AufsÀtze und mehrere Glossen), die in DER METZGER verstreut erschienen waren, ergÀnzt durch Marginalien, Faksimiles und Bilder.
BĂŒcher hat man damals noch ganz anders gemacht als heute, nĂ€mlich ganz un-digital und in vierstelliger Auflage. In diesem Fall wurde die (damals gebrĂ€uchliche) Herstellungsmethode einer Underground-Zeitschrift verwendet. Die Druckfahnen wurden mit einer gewöhnlichen Schreibmaschine getippt, verkleinert und zusammen mit den gerubbelten Überschriften, fotokopierten Faksimiles und den Bildern mit Uhu auf Bögen geklebt. Herausgekommen ist also eine wilde Text-Bild-Collage. Die Arbeit an der Herstellung der druckfertigen ExposĂ©s dauerte nur ein paar Tage, es wurde also, wie man so sagt, „mit heißer Nadel gestrickt“. Mein Diktum damals: „Korrekturlesen ist im Preis nicht inbegriffen“. Grund war, daß die Montania-Druckerei in Dortmund dem Otz-Verlag einen Sondertarif angeboten hatte, der aber befristet war. Darum mußte alles rasendschnell gehen. Die Bögen kamen lose aus der Druckerei, Otz-Verleger Bernhard Ramroth (Rammi) hat die einzelnen Exemplare StĂŒck fĂŒr StĂŒck von Hand gebunden und sich dafĂŒr nur die Materialkosten bezahlen lassen. Das Buch erschien am 22. Dezember 1979 – rechtzeitig zum WeihnachtsgeschĂ€ft.
Anders als damals ĂŒblich und anders als der Untertitel vermuten lassen könnte, handelte es sich keineswegs um den Versuch einer stringenten Theorie. Stattdessen: GedankengĂ€nge, „die mal hier, mal dort anknĂŒpfen und die gelegentlich abschweifen (mĂŒssen)“ (Vorwort), Reflexe und Repliken auf Gehörtes, Gelesenes und Aufgeschnapptes.
Anders als damals ĂŒblich und anders als damals fĂŒr möglich gehalten, handelt es sich um eine Kritik an der „Frauenbewegung“, und zwar um eine Kritik der besonders respektlosen Art. Denn – so dachte ich damals und so denke ich heute – die furios sich selbst inszenierende „Frauenbewegung“ der 70er Jahre war ganz und gar nicht respektabel. Daß jemand, der der antiautoritĂ€ren Linken zugerechnet wurde, die Stirn hatte, der „Frauenbewegung“ den Gehorsam zu verweigern und stattdessen gegen sie zu polemisieren, war schon ein kleines Sensatiönchen. Denn die „Frauenbewegung“ nahm, ohne durch GedankenschĂ€rfe aufzufallen, in der „antiautoritĂ€ren“ Linken die Deutungshoheit und das letzte Wort fĂŒr sich in Anspruch, und das wurde ihr auch anstandslos zugebilligt – nur nicht von mir. Mir fiel auf, daß sich hinter der furiosen Selbstinszenierung doch bloß GeschlechterdĂŒnkel, Alte-Tanten-Ressentiments, hybride SelbstgefĂ€lligkeit, die Auflehnung des Bauches gegen den Kopf, Ersetzen von Politik durch generalisierten Beziehungsschlamassel, EindimensionalitĂ€t, Konformismus, Spießigkeit, PrĂŒderie, tradierter sexueller Konservatismus verbarg. Und ich argwöhnte: wenn „Emanzipation“ nicht anderes ist als die seelische Grausamkeit dummer GĂ€nse, dann wird das alles noch mal auf dem Kasernenhof zu sich selbst finden.
Wenn „Links“ ĂŒberhaupt etwas bedeutet – so dachte ich und so denke ich immer noch – dann doch wohl aktives Desinteresse am Nach-Oben-Streben, Verweigerung konformistischen EinverstĂ€ndnisses mit den VerhĂ€ltnissen, Verweigerung des Kriegsdienstes und last but not least den hedonistischen Aufruhr gegen die spießige Sexualmoral, die von den Emanzen furios reproduziert wird.
Das Buch verkaufte sich ganz gut. Es wurde von vielen abgelehnt und von niemandem kritisiert. Eine einzige Rezension erschien: Im Ulcus Molle Info hat ein inzwischen in der Versenkung verschwundener Alternativ-Literat namens Valentin RĂŒthlin das Buch verrissen, ohne auf seinen Inhalt Bezug zu nehmen. Stattdessen beklagte er, daß es so viel Streit in der Welt und keine Liebe mehr unter den Menschen gibt. Leserbriefe bekam ich in FĂŒlle. Die von MĂ€nnern waren ĂŒberwiegend negativ, die von Frauen ĂŒberwiegend positiv. In der „Szene“ hat mein Buch meinen Ruf ruiniert, was bis heute nachwirkt, obwohl der Anlaß vergessen sein mag. Die fortan vor mir die Straßenseite wechselten, werden das Buch wohl nicht gelesen haben.
Vor meinem selbstkritischen Blick kann dieses Buch kaum noch bestehen, was Sprache, Gestaltung und Argumentationsweise betrifft. Die Mittel der Polemik, die mir zur VerfĂŒgung stehen, hatten vor 30 Jahren noch nicht die nötige SchĂ€rfe. Mancher Satz wĂŒrde heute durchfallen. Aber wer damals schon schlauer war, werfe die erste Tomate. Vor allem wurde dieses Buch in einer Haltung geschrieben, die obsolet geworden ist: in tiefer Sorge um „unsere Bewegung“, die auf ein falsches Gleis geschoben zu werden drohte. Was auch immer aus „unserer Bewegung“ geworden ist und was auch immer sie an LoyalitĂ€t noch verlangen darf – die „Frauenbewegung“ ist bald darauf vollends zum Teil des Spektakels geworden.
WĂŒrde heute an dem Thema gearbeitet, mĂŒĂŸte es mit grĂ¶ĂŸerer Polemik geschehen. Denn so pessimistisch mein Ausblick auch war, habe ich die völlige VerbĂŒrgerlichung und CDUisierung des Feminismus vor 30 Jahren doch noch nicht erkannt.
Der Grundgedanke des Zeitdokuments soll weiterhin gelten: Daß Emanzipation nicht nur das Recht der Frauen, sondern auch ein Anspruch an die Frauen ist: Mein Anspruch, gewisse weibliche Sozialisationstypen wie die dumme Gans, die prĂŒde Zicke, die (Xant)Hippe zu ĂŒberwinden statt sie zu kultivieren. Frauen, emanzipiert euch gefĂ€lligst, anstatt euch wie gackernde HĂŒhner zu benehmen!

Das Buch kann ĂŒber die Buchhandlung WeltbĂŒhne, jede andere Buchhandlung und via Amazon bestellt werden.

Kohlhiesels Töchter oder Auch das ist nicht neu

Pola Kinski, die Ă€ltere Tochter des Schauspielers Klaus Kinski (1926-1991) hat mitgeteilt, von ihrem Vater sexuell mißbraucht worden zu sein. Einzelheiten sind mir nicht bekannt (und wohl auch vielen nicht, die jetzt viel darĂŒber reden). Ich las in der Frankfurter Rundschau: „Nastassja Kinski ist stolz auf ihre mutige Schwester. […] ‚Ich bin zutiefst erschĂŒttert Aber: Ich bin stolz auf ihre Kraft, ein solches Buch zu schreiben. Ich kenne den Inhalt. Ich habe ihre Worte gelesen. Und ich habe lange geweint…‘, schrieb die 51jĂ€hrige in der Bildzeitung.“. Ehrlicherweise mĂŒĂŸte es wohl heißen: sie ließ sich „zitieren“ mit den Worten, die die Bildzeitung schon vorher kannte. (Und die mĂŒĂŸte auch ehrlicherweise „Blödzeitung“ heißen).
Die Bildzeitung ventiliert den Hype ĂŒber den „Mißbrauch“, der dadurch vollends zum Teil des Spektakels wird. Institutionen der industriemĂ€ĂŸigen Verblödung nehmen sich eines Thema an, das SensibilitĂ€t und Sachkenntnis erfordert. Das ist nicht neu. Man erinnere sich an die „Ministergattin“ (vulgo: Frau von ’nem Minister) Stephanie von & zu Guttenberg, die nach ihrem widerlichen Event in Afghanistan (das Schlacht-Feld als glamouröse Kulisse) auf RTL-2 eine schmierige Kinder-Porno-Show „moderierte“. In den Krawall-Medien verkommt der vorgebliche „Schutz der Kinder vor sexuellem Mißbrauch“ unweigerlich zu einer Variante der Kinderpornografie. Auch das ist nicht neu. So sind ja auch viele pornografische Schriften in der Pose der Empörung verfaßt und konsumiert worden – etwa nach dem Motto: Schaut her, was fĂŒr Schweinereien die Jesuiten (die Juden, die Linken, die Kommunarden, die Ruhrgebietskumpel, die Franzosen etc.) so treiben!
Die Frankfurter Rundschau hat sich inzwischen mit eigenen Worten geĂ€ußert. Am 11. Januar berichtete sie, Kinski habe in seinem 1975 erschienen Buch „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“ sich dazu bekannt, mit einer ZehnjĂ€hrigen ZungenkĂŒsse ausgetauscht zu haben und auch mit einer 13jĂ€hrigen sexuelle Handlungen vollzogen zu haben. „Auf dem Höhepunkt der sexuellen Revolution blieb die Aufregung darĂŒber aus.“ TatsĂ€chlich? FR-Autor Daniel Kothenschulte wollte doch hoffentlich nicht sagen, daß das Land sich fĂŒr seinen Geschmack zu wenig erregt hat.
Auch das ist nicht neu: die Sexuelle Revolution als Arena der Libertinage, als Auswuchs der Genuß-Sucht, als Verirrung, als Gefahr. Und neu ist nicht, „schockierende EnthĂŒllungen“ gegen sie zu richten.
Revolutionen hatten stets andere Resultate als die, deretwegen sie angetrieben wurden. Lafayette, Mirabeau und Danton hat etwas anderes vorgeschwebt als daß Frankreich eines fernen Tages von Zar Kotzi gelenkt wird. Die Roten Garden haben das Winterpalais nicht deshalb gestĂŒrmt, damit dereinst die Kasperfigur Jelzin im Kreml herumpoltern kann.
Unsere Kulturrevolution wurde (wohl um ihr den Titel streitig zu machen) als „Achtundsechzig“ zur Saison verkĂŒrzt. Dabei verdient sie – anders als die chinesische Veranstaltung gleichen Namens – diese Bezeichnung zurecht. Es wurde gesagt, unsere APO hĂ€tte dem Willybrandt möglich gemacht, Bundeskanzler zu werden. Das hĂ€tten wir zwar gar nicht beabsichtigt, aber wir hĂ€tten ein Resultat zustandegebracht, das so schlecht ja gar nicht gewesen sei. Mag sein. Ein weiteres Resultat, das aber so gut gar nicht ist, sind die Besserverdiener, die in behindertengerecht geplanten HĂ€usern und ökologisch korrekten Wohnungen sich als „Neue Mitte“ rĂŒhmen und ihre schwarzgrĂŒnen TrĂ€ume trĂ€umen.
In unserer Sexuellen Revolution, die das HerzstĂŒck unserer Kulturrevolution ist und die, wie alle Revolutionen, sich gegen konterrevolutionĂ€ren Backlash wehren muß, ging es keineswegs um Libertinage, Hemmungslosigkeit, QuantitĂ€t und Genußsucht – das ist das MißverstĂ€ndnis unaufmerksamer Zuschauer. Es ging darum, den Herrschenden ein Instrument der Entfremdung aus der Hand zu nehmen. Es war uns ernst damit, diesen ganzen Wust aus Angst, falscher Scham, Schande und SĂŒnde wegzurĂ€umen. Wir wollten (und ich will immer noch) das Schuld-Prinzip durch das Lust-Prinzip ersetzen. Wir haben gesagt, daß SexualitĂ€t mit Lust, auch mit Ästhetik und Phantasie, ja auch mit Liebe etwas zu tun hat – mit Menschenliebe.
Es kann sein, daß das Schuld-Prinzip doch nicht vollends durch das Lust-Prinzip ersetzt wurde, daß das Schuld-Prinzip eher durch das Leistungsprinzip ersetzt wurde. Aber der Wert einer Revolution ist nicht an dem zu messen, was sie erreicht, sondern was sie beseitigt hat.
Die Französische Revolution hat ein Ende gemacht mit feudaler WillkĂŒr und der Leugnung des Individuums.
Die Rotgardisten haben ein Ende gemacht mit einer Menschenschinderei, fĂŒr die es keinen Ausdruck gibt und die schlimmer war als alles, was der Oktoberrevolution folgte.
Wir haben ein Ende gemacht mit einer „PĂ€dagogik“, deren Ziel die Selbstverleugnung und der Kadavergehorsam ist, die den Körper kolonisiert. die UnterwĂŒrfigkeit predigt und der Herrschsucht jeden Raum gewĂ€hrt und zum willenlosen EinverstĂ€ndnis mit dem Niederringen der eigenen BedĂŒrfnisse „erzieht“. Wir haben es uns nicht bieten lassen, daß die Verhaltensmuster des Untertanen, die Menschenvernichtung nicht ausschließen und nicht ausschließen sollen, weiterhin gelten. Wir haben ein Ende damit gemacht, daß es in diesem Land mehr Soldaten als Kriegsdienstverweigerer gibt. Wir haben gesagt, daß die Frau dem Manne ebenbĂŒrtig ist. Wir haben ein Ende gemacht mit den Paragraphen 175, 180 und 218. Wir haben ein Ende damit gemacht, daß jemand, der Unverheirateten eine Herberge gibt, es mit dem Staatsanwalt zu tun bekommt, daß Homosexuelle eingesperrt werden und unverheiratete Frauen bei ungewollter Schwangerschaft „ins Wasser gehen mĂŒssen“. Wir waren das. Wir haben nicht nur HĂ€user besetzt, sondern mehr als das: wir haben den Rasen betreten. Wir haben den Befehl verweigert.

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Das Jahr beginnt mit einem Schock

Meine Karikatur aus dem Jahr 1989 mit dem Titel „Emanzenschocker“ behandelt die Diskrepanz, die sich zwischen den Begriffen „Emanzipation“ und „Emanze“ auftut.

EmanzenschockerDie Zeichnung vervielfĂ€ltigte ich im Din-A-3-Format, und ich brachte die Plakate auf allen möglichen Schwarzen Brettern in der Duisburger UniversitĂ€t an. Ich hielt es fĂŒr meine Pflicht als KĂŒnstler, auf subversive Weise das Publikum mit jenen Impulsen zu konfrontieren, die es in sich niederzuringen versucht (beziehungsweise in sich niederringen soll).
So weit so gut.
Ein paar Jahre vergingen, und ich empfing mal wieder die Verlagsvertreterin von Konkret in der WeltbĂŒhne. Das war die Frau Gaby Klinski, die ich immer gern empfing. Sie kam schon lachend herein. Ich kann mir vorstellen, daß es (namentlich fĂŒr Vertreter progressiver Verlage) ein hartes Brot ist, sich tagein tagaus von morgens bis abends mit den Herrschaften in den bĂŒrgerlichen Buchhandlungen herumzuschlagen. Aber in der Buchhandlung WeltbĂŒhne, da ist man Mensch, da darf man‘s sein.
Es war halbfĂŒnf. „Um sechs Uhr muß ich in Köln sein, eine Wohnung besichtigen“, sagte sie. Aber um sieben saßen wir immer noch herum und lachten uns kaputt.
Als sie aufbrach, entdeckte sie den METZGER Nr. 54, dessen Cover von eben jener Karikatur verziert wurde.

M054Und wie lautete der Kommentar der Frau, die auch den Verlag Frauenoffensive und Frauen-Dies und Frauen-Jenes vertrat?
„Emanzenschocker? Hahaha! Emanzenschocker! Hihi! Was hast du denn da gemacht? Emanzenschocker! Hahaha! Das Heft nehm‘ ich mit.“
Sehen Sie, es ist doch alles halb so wild.

Das ethische Motiv des Grames (Dritter Teil)

„Kunstwerke sind asketisch und schamlos, Kulturindustrie ist pornographisch und prĂŒde.“
Horkheimer, Adorno

Der Buchhandlung WeltbĂŒhne liegt die Liste nun doch vor. Geht man sie durch, lernt man das Staunen. Erstaunlich ist, was alles darauf steht und was alles nicht darauf steht. Irgendeine Systematik, wonach man herleiten könnte, was indiziert sein könnte und was nicht, ist nur in unscharfen Umrissen zu erkennen. Das mag vielleicht daran liegen, daß die Indizierungen zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Zeit-Geistern erfolgten.
Die Liste der jugendgefĂ€hrdenden Schriften ist weißgott keine Ehrenliste freigeistiger Literatur. Eher Ă€hnelt sie einem großen MistkĂŒbel, in den man auch ein paar Perlen hineingeworfen hat.
Nazi-Klamotten bilden einen nicht unerheblichen Anteil. Es ist nicht zu bedauern, daß die oft gescholtene BundesprĂŒfstelle auf ihrem TĂ€tigkeitsfeld tut, was Gerichte und Gesetzgeber versĂ€umen, nĂ€mlich den Nazis mit administrativen Maßnahmen in die Parade zu fahren. Einen weiteren Anteil bilden Zeugnisse regressiver Entsublimierung, die den „guten Geschmack“ nicht etwa kritisch-provokativ konterkarieren, sondern ambitionslos auf Ekelhaftigkeit spekulieren.
Inmitten des Ganzen findet man Kuriosa, Erotica, erotische KuriositĂ€ten und kuriose Erotik und nicht wenig höchst anspruchsvolle Werke von hohem kĂŒnstlerischem und literarischem Wert, solche, die man Jugendlichen nicht vorenthalten muß, und solche, die man Jugendlichen nicht vorenthalten sollte.
Auf dem Index jugendgefĂ€hrdender Schriften (Stand: November 2007) stehen Autorinnen und Autoren, KĂŒnstlerinnen und KĂŒnstler wie Marqis d‘Argens, Lonnie Barbach, Regine Deforges, Joy Laurey, Milo Manara, Anne-Marie Villefranche, Jane Way, auch Felix Rexhausen und ein so seriöser Sachbuchautor wie Joachim S. Hohmann. BĂŒcher aus dem MĂ€rz-Verlag und von Rowohlt stehen auf der Liste, auch solche Klassiker wie John Willies „Gwendoline“ – und fast das gesamte Lebenswerk von Guido Crepax.
Einige der noch im November 2007 rechtsverbindlich als „obszön“ klassifizierte Autorinnen und Autoren verdienen es, mit ihren VorgĂ€ngern genannt zu werden: Flaubert, Baudelaire, Arthur Schnitzler, Wedekind, Henry Miller, D.H. Lawrence, Oscar Wilde.
Wieso Laterna Magica von Guido Crepax, ein Meisterwerk, Kinder und Jugendliche einem verrohenden und gewaltverherrlichenden Einfluß aussetzt, sie ĂŒber die Grenzen des Selbstbestimmungsrechts tĂ€uscht und sie darin beeintrĂ€chtigt, sich gegen ungenehme Übergriffe zu wehren, und inwieweit dieses Werk ĂŒberhaupt Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung beeintrĂ€chtigt, ist ein Geheimnis der BundesprĂŒfstelle, das die RechtsanwĂ€ltin weder aufklĂ€ren kann noch will, weil Klein- und Kleinst-Unternehmer in den Ruin zu treiben ein hohes sittliches Anliegen ist.
Man mag sich auf den Standpunkt stellen, daß „die Jugend“ vor dem „Obszönen“ geschĂŒtzt werden muß – und man wird feststellen und zugeben mĂŒssen, daß dies ein Ding der Unmöglichkeit ist. „Obszön ist, wer oder was irgendwo irgendwann irgendwen aus irgendwelchem Grund zur EntrĂŒstung getrieben hat. Nur im Ereignis der EntrĂŒstung ist das Obszöne mehr als ein Gespenst“, schreibt Ludwig Marcuse. Der jahrhundertelange Abwehrkampf gegen die ObszönitĂ€t hat keine Definition hervorgebracht, wohl aber immer wieder Heerscharen mit Flammenschwertern ausgerĂŒstet. „Und weil dies Obszöne“, so Ludwig Marcuse weiter, „eine Gleichung mit mindestens sechs Unbekannten ist, seufzen die Juristen noch heute, daß es keine Definition gibt, mit der man Gesetze machen kann – und machen sie dennoch… Die stĂ€rksten jener Abwertungen sind die Erstaunlichsten: ,tierisch‘, ,schweinisch‘. Übernehmen sich Tiere sexuell? Haben Schweine das große Reich sexueller Vergröberungen und Verfeinerungen … entdeckt? Wie man auch die FrĂŒchte menschlicher Phantasie und phantasievoller Praxis einschĂ€tzen mag, die Tiere im allgemeinen und die Schweine im besonderen pflegen nicht ihre Einbildungskraft in den Dienst von Steigerung und Differenzierung der LĂŒste zu stellen; das ist ein Privileg der menschlichen Kultur.“
Was die RechtsanwĂ€ltin aus Overath bewogen haben mag, sich auf Titel zu verlegen, deren Indizierung in KĂŒrze ablĂ€uft oder zwischenzeitlich schon abgelaufen ist, kann nur vermutet werden. Der Effekt dieser anscheinend durch Geldgier motivierten Kampagne gegen die Antiquariate ist unversehens, daß der behördlich sanktionierte gesellschaftliche Umgang mit dem Sexuellen Komplex in den Blick gerĂ€t. Es geht um Werke, deren Indizierung vor 25 Jahren schon ein Anachronismus war, so als wollte die Behörde eine Auffassung von SexualitĂ€t perpetuieren, die durch die kulturrevolutionĂ€ren Entwicklungen der 60er und 70er Jahre („sexuelle Revolution“) konterkariert worden war. In Mißkredit geraten war eine Auffassung von SexualitĂ€t, wonach diese der menschlichen Kultur entgegenstehe, eigentlich ein animalischer Fremdkörper sei. Der „Schutz der Jugend“ fand Gestalt in der Wahnvorstellung, daß es eine in der Kindheit beginnende sexuelle Entwicklung gar nicht gibt und daß man von solchem Wirken der menschlichen Natur ablenken könnte und mĂŒĂŸte. In der Phantasie, die sich in den Dienst der Lust stellt, ihrer Differenzierung und Steigerung – kurzum in der Ästhetisierung des sexuellen Antriebs wurde eine Gefahr gesehen. Die Verbannung der SexualitĂ€t aus der Kunst fĂŒhrt zur Verbannung der Ästhetik aus der SexualitĂ€t, zu ihrer Enterotisierung.

Nein, das ist nicht Schwester Irene Graves.

Nein, das ist nicht Schwester Irene Graves.

Eine Sexualmoral, die die Steigerung und Differenzierung der Lust fĂŒrchtet und zu verbannen versucht, ist nicht das GegenstĂŒck, sondern die andere Seite einer entsublimierten, zotigen, primitiv-gewaltförmigen SexualitĂ€t, die nicht mehr Quelle der Lust und des GlĂŒckes ist, sondern Instrument zerstörerischer Macht. PrĂŒderie ist nicht die Abwehr gegen gewaltförmige SexualitĂ€t, sondern sie bedingt sie. Die Verbannung der Erotik aus der Öffentlichkeit ist von reaktionĂ€ren Antrieben, Untertanengeist, Muckertum, Spießigkeit, Heuchelei und Bigotterie nicht loszulösen und kann in justizförmige Erpressung ausarten. Will man Anregungen finden, um jungen Menschen ein RĂŒstzeug in die Hand zu geben, das ihnen hilft, eine SexualitĂ€t zu entwickeln und zu gestalten, in der sie sich verwirklichen und ĂŒber sich selbst bestimmen können, der sollte sich bei den BĂŒchern umsehen, die mal als jugendgefĂ€hrdend galten oder immer noch gelten.
Die RechtsanwĂ€ltin Christine Ehrhardt aus Overath bei Köln hat, als ihr die geforderte UnterlassungserklĂ€rung verweigert wurde, ihre Klageandrohung kleinlaut zurĂŒckgezogen, so auch bei den anderen Antiquariaten, die sich wehrten. Da aus dem Fall JugendgefĂ€hrdung der Fall Ehrhardt geworden war, wurde sie ihren Job als GeschĂ€ftsfĂŒhrerin ihres FDP-Kreisverbandes los.
(Nachtrag folgt).

Der in drei Folgen dokumentierte Text aus DER MEZGER 81 wurde von Lina Ganowski mitverfaßt.
Die Buchhandlung WeltbĂŒhne kann zur Abwehr juristischer Angriffe unterstĂŒtzt werden durch AuftrĂ€ge und durch Spenden.
Spendenkonto: SSB e.V. Kto.-Nr. 403956432 Postbank Essen BLZ 360 100 43. Kennwort: WeltbĂŒhne

WELTBÜHNE MUSS BLEIBEN.

Ein Verlag stellt ein Buch vor

Barbara Eder, Felix Wemheuer: Die Linke und der Sex. Klassische Texte zur wichtigsten Frage. Edition Linke Klassiker im Verlag Promedia, Wien 2011. 176 Seiten. 18,90 Euro – zu beziehen durch die (Versand-)Buchhandlung WeltbĂŒhne.


In der Verlagswerbung steht:
„Die Überwindung von autoritĂ€ren Formen der Kindererziehung und monogamen, eheĂ€hnlichen Zweierbeziehungen war immer wieder integraler Bestandteil utopischer GesellschaftsentwĂŒrfe auf Seiten der politischen Linken. Ebenso waren viele AktivistInnen“ (gemeint: Aktivistinnen und Aktivisten) „der 1968er-Bewegung“ (gemeint ist die sogenannte 68er-Bewegung) „der Überzeugung, soziale Revolution sei nicht ohne ‚befreite‘ SexualitĂ€t denkbar. Die Hoffnungen, die mit der Idee einer ’sexuellen Revolution‘ verbunden wurden, haben sich jedoch nicht erfĂŒllt: Radikale Kommune-Projekte scheiterten […] Feministinnen kritisierten zu Recht, dass Fragen von Reproduktionsarbeit und Heterosexismus in gesellschaftsverĂ€ndernden EntwĂŒrfen der Linken nur selten mitbedacht wurden.“

Was fĂŒr ein Text aber auch!

Feministinnen Ă€ußern ihren Unmut darĂŒber, daß ĂŒber „Reproduktionsarbeit und Heterosexismus“ nicht genĂŒgend herumgelabert wurde. So mĂŒĂŸte es heißen, wenn man es in Klartext ĂŒbersetzt. Wer die Linken der 70er Jahre samt ihren „gesellschaftsverĂ€ndernden EntwĂŒrfen“ aus nĂ€chster NĂ€he miterlebt hat und zudem Feministinnen „kritisieren“ gehört hat, versteht mich. Über so ein Wort-GetĂŒm wie „Heterosexismus“ werde ich mich bei anderer Gelegenheit aufregen. Jedenfalls kann man dann, wenn Linke ĂŒber Sex reden („debattieren“) nicht leicht auf die Idee kommen, daß Sex etwas mit Lust zu tun hat.
Die Hoffnungen, die mit der Idee einer „sexuellen Revolution“ verbunden wurden, haben sich nicht erfĂŒllt? TatsĂ€chlich nicht? Es mag sein, daß diese oder jene Hoffnung nicht in ErfĂŒllung ging. Oft kommt es anders als man hofft. Oft sucht man etwas und findet es nicht. DafĂŒr findet man etwas, wonach man gar nicht gesucht hat. Ist das schlecht? Die Sexuelle Revolution, die nun einmal eine RealitĂ€t ist, sollte an ihren Resultaten gemessen werden, so unvollkommen sie auch geblieben sein mag. Man vergleiche bitte – bei aller Kommerzialisierung und Entfremdung, die geblieben sind – den gesellschaftlichen Umgang mit der SexualitĂ€t heute mit der Art und Weise, wie in den 50er Jahren damit umgegangen wurde. Wer darin nicht einen enormen Fortschritt zu erkennen vermag, dem kann ich auch nicht helfen. Jenen (Feministinnen), die die Sexuelle Revolution (mit unzĂ€hligen Zitaten belegbar) schlichtweg fĂŒr die Wurzel allen Übels halten, attestiere ich eine Meise unterm Ponni.
(Wer lesen kann, dem empfehle ich den Aufsatz „Sie mĂŒssen nicht, was sie tun“ in DER METZGER 90, geschrieben von Lina Ganowski. Der gehört zum Besten, was in ĂŒber 40 Jahren in DER METZGER erschienen ist. DafĂŒr möchte ich sie kĂŒssen und ihr anerkennend auf den Hintern klatschen).

Hat Recht: Lina!

Bei den „utopischen GesellschaftsentwĂŒrfen“ hat mich oft das GefĂŒhl beschlichen, daß sie der Ablenkung dienen, der TĂ€uschung, vor allem der Selbst-TĂ€uschung. Vielleicht sollte man spaßeshalber vom anderen Ende her beginnen, indem man die eigenen BedĂŒrfnisse erkennt und Widerstand leistet, wo Widerstand nötig ist, um das zu bekommen, was einem zusteht. Regelverletzungen begeht man dann nicht um der Regelverletzung willen, sondern man nimmt es auf sich, wenn es anders nicht möglich ist, Regeln zu verletzen, auch solche, die in den „Debatten“ von Linken beschlossen werden bzw. die ihnen von „kritisierenden“ Feministinnen aufoktroyiert werden.
(KĂŒrzlich kaufte jemand den METZGER und lobte, das sei die einzige linke Zeitung, in der „Bilder von Titten“ zu sehen sind. Solch ein Bild ist ein Regelverstoß. Aber es erscheint nicht, WEIL es ein Regelverstoß ist, sondern um Leserinnen und Lesern eine Freude zu machen, die einen Sinn fĂŒr Schönheit haben).

„Radikale Kommune-Projekte scheiterten“. Jaja, die Linken und ihr geliebtes Scheitern! Vielleicht scheitern sie deshalb so gern, weil die Verwirklichung der „utopischen GesellschaftsentwĂŒrfe“ auch von denen gefĂŒrchtet werden muß, die sie entwerfen.
Ich habe in zwei Kommunen gelebt (1968-69 und 1970-73). Beide waren so radikal, wie sie nur sein konnten. Sie sind nicht gescheitert, sondern sie wurden beendet. Wenn der Herbst kommt, sage ich ja auch nicht „Der Sommer ist gescheitert.“

P.S.: An meiner Lust wird die Welt nicht zugrunde gehen. Im Gegenteil!
Jawohl!

Anne im Spiegel

Eine Spiegel-Titelgeschichte im Jahr 1971 erregte Aufsehen und hatte langwĂ€hrende Nachwirkungen. Noch heute werde ich gelegentlich darauf angesprochen, und ich muß zugeben, daß ich an ihrem Zustandekommen nicht ganz unschuldig war.
In dem Buch „BĂŒrgersinn mit WeltgefĂŒhl – Politische Moral und solidarischer Protest in den sechziger und siebziger Jahren“ (hg. von Habbo Knoch, Wallstein Verlag, Göttingen 2007) ist ein Beitrag enthalten mit dem Titel „Inszenierung und AuthentizitĂ€t“ von Sven Reichardt. Es geht da um die vom „Spiegel-Reporter Peter BrĂŒgge“ verfaßte Spiegel-Titelgeschichte vom 9. August 1971 ĂŒber den Underground („Flucht aus der Gesellschaft“). Reichardt zitiert mich mehrmals, in den Anmerkungen steht: „GesprĂ€ch mit Helmut Loeven in der Duisburger ,WeltbĂŒhne‘, 4.11.2006“. In meinem Tagebuch habe ich vermerkt: „Im Laden: Ein Wissenschaftler aus Konstanz, der mich zu der Spiegel-Titelgeschichte von 1971 interviewt“, und ich erinnere mich, daß der sich keine Notizen machte und kein Tonband mitlaufen ließ, sondern sich alles so gemerkt hat – und dann in seinem Aufsatz (ganz anders als damals „Peter BrĂŒgge“) auch richtig zitierte.
Es steht dort: „Laut Auskunft von Helmut Loeven handelt es sich bei Peter BrĂŒgge um ein Pseudonym von Ernst Hess. Loeven (Jahrgang 1949) ist ehemaliges Mitglied der Duisburger Musikband ,Bröselmaschine‘, war aktiv in der ,Agentur fĂŒr Alles‘ und ist seit 1968 Herausgeber der Duisburger Underground-Zeitschrift Metzger. Er stellte seinerzeit den Kontakt zum Spiegel-Redakteur her“ – und das war eine meiner schlimmsten Fehlleistungen.


Denn Hess/„BrĂŒgge“ hatte die Absicht oder den Auftrag, den kaum auf einen Nenner zu bringenden Underground als „Jugendbewegung 71“ zu banalisieren und als „Flucht aus der Gesellschaft“ umzuinterpretieren und so darzustellen, wie Kleinfritzchen ihn in sein Bild von der Welt hineinflicken kann: daß die Abkehr vom Welt-Bild der Großfritzchens ein illusionĂ€rer Wahn sei. So machte er sich auf die Socken, um seine Story mit Namen, Ortsangaben und frei erfundenen Zitaten zu verzieren. Der Kreativzone, in der ich damals zuhause war (informelle Sammelbezeichnung: „Knubbel Afa“) dichtete er einen Webstuhl und eine Töpferwerkstatt an, und die NĂ€hmaschine der schönen Ulrike machte er zur „Hippie-Schneiderei“, und das ganze war dann eine (natĂŒrlich – hahaha – unpraktikable) Illusions-Ökonomie.
Der Spiegel-Reporter fĂŒhrte einige Interviews, aber nicht mit den Exponenten, die etwas hĂ€tten sagen können. Die meisten seiner GesprĂ€chspartner waren „Randfiguren“. Sie hatten mit der ganzen Sache wenig zu tun. Auch mich zitierte er im Spiegel, ohne allerdings je ein Wort mit mir gewechselt zu haben.
Der „18jĂ€hrigen Knubbel-Schönheit Anna Block“ (recte: 17 Jahre) legte er die Aussage in den Mund, an Politik nicht interessiert zu sein. Aus EnttĂ€uschung ĂŒber die Linken habe sie sich entschlossen, „eine Unpolitische zu werden“. Anne (so ihr richtiger Name) erinnert sich nicht, daß sie das gesagt hĂ€tte oder irgendetwas gesagt haben könnte, was so hĂ€tte interpretiert werden können. In den Jahren seit ihrer Spiegel-ErwĂ€hnung hat sie mir unentwegt beteuert: „Das habe ich nicht gesagt!“

Gar nicht unpolitisch: Anne B. (hier ausnahmsweise mal im Mini)

Der Reporter hatte einen Fotografen dabei. Es ging das GerĂŒcht, daß der Anne und ein paar andere MĂ€dchen dazu ĂŒberredete, sich nackt fotografieren zu lassen. Der brauchte sie gar nicht groß zu ĂŒberreden, die waren sofort dazu bereit. Das hĂ€tte man ja als „demonstrative Verweigerung der bĂŒrgerlichen Moral“ oder als „Überwindung falscher Scham“ titulieren können, oder einfach als „schön unanstĂ€ndig“ (Motto: Warum eigentlich nicht?). Ich fand eher, das war Ausbeutung. Die Einwilligung der MĂ€dels war mir unbehaglich.
Demonstrative Verweigerung der bĂŒrgerlichen Moral oder Ausbeutung? Oder doch bloß Eifersucht?Daß jemals die Darbietung weiblicher Schönheit vor der Kamera bei mir Mißmut erzeugt haben konnte, lag wohl in dieser speziellen Situation. Anne war meine Freundin gewesen. Wir waren getrennt und hatten uns noch nicht wiedervereinigt. In dieser quĂ€lenden Phase meines Lebens war mir eine Gunst entzogen, fĂŒr deren Erlangung der Fotoreporter nur mit dem Finger zu schnipsen brauchte.
SpĂ€ter, als wir wieder zusammen waren, hat Anne mir bestĂ€tigt, was ich hatte lĂ€uten hören: „Der Fotograf hat Bilder von mir gemacht. Von meinem nackten Hintern!“
Diese Fotos wurden aber nicht gedruckt. Der Fotograf hielt es noch nicht einmal fĂŒr nötig, seinem Modell AbzĂŒge der Bilder, die er von ihr gemacht hatte, zuzusenden. Sie werden jetzt wohl in einem Privatarchiv gehĂŒtet – als BeutestĂŒcke gewissermaßen.
Erstaunlicherweise besitze ich kein einziges Foto von Annes nacktem Hintern. Ich habe unverzeihlicherweise nie ein solches aufgenommen. Aber ich bezeuge: Das ist der schönste Hintern, der je fotografiert wurde!

Edith und ich und die Jungens und die MĂ€dchens

Ich weiß nicht, wie das heute ist. FrĂŒher war das jedenfalls so: Wer noch nicht volljĂ€hrig war, durfte trotzdem schon heiraten, Jungens schon mit 18, MĂ€dchens schon mit 16 Jahren. VolljĂ€hrig wurde man erst mit 21. Wenn so eine minderjĂ€hrige Person heiraten wollte, mußte das Vormunschaftsgericht zustimmen.
Die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend galten nicht fĂŒr verheiratete MinderjĂ€hrige. Die 16jĂ€hrigen MĂ€dchen durften all die Filme ab 18 sehen und die indizierten BĂŒcher lesen. Das war doch wohl ein Grund zu heiraten!
„Was meinst du wohl, warum ich dich geheiratet habe? Damit ich endlich die Geschichte der O lesen kann.“ – „Aber dann hĂ€ttest du doch auch in der Buchhandlung sagen können, daß du schon 21 bist.“ – „Quatsch nicht! Und zieh bloß keine falschen SchlĂŒsse aus dem Thema meiner LektĂŒre!“ Ehealltag 1967.
In der zweiten Kommune, in der ich lebte, war kaum jemand volljĂ€hrig, und keiner verheiratet. Wir haben und wurden stĂ€ndig mißbraucht (wĂŒrde man heute sagen). Was es da noch alles zu enthĂŒllen und anzuprangern gibt!
Als 1969 der Bundestag gewÀhlt wurde, durfte ich noch nicht wÀhlen. Ich war 19. Ich hÀtte ADF gewÀhlt. Kennen Sie nicht? Das war die DFU, nannte sich aber plötzlich ADF.
Als ich 21 und volljĂ€hrig wurde, hatte ich Dienst: Zivildienst im Marienhospital in Herne. Die Schwester Oberin hat mir gratuliert. Aber erst, nachdem Schwester Edith ihr gesagt hatte, daß ich Geburtstag hatte. Schwester Edith wollte nĂ€mlich immer schon mal der Schwester Oberin ein‘n reinwĂŒrgen.
Wir haben das so hingekriegt, daß Schwester Edith den Wochenenddienst mit mir zusammen machte. Wir waren bestens miteinander eingespielt. Wir konnten ein Bett komplett neu beziehen in acht Sekunden.
Schwester Edith war von aparter AttraktivitÀt: schlank und aufrecht und flink. Sie Àhnelte der Tennisspielerin Chris Evert (falls Sie die kennen. Aber gucken Sie jetzt nicht bei Wikipedia nach. Auf dem Bild sieht sie sich gar nicht Àhnlich).

Nein, das ist nicht Schwester Edith. Das ist Edith Cadivec.

Sie blĂ€tterte grinsend und kopfschĂŒttelnd in den St-Pauli-Nachrichten, die damals ĂŒberall herumlagen. Mit quietschvergnĂŒgter Mißbilligung lĂ€sterte sie ĂŒber die „Jugend von heute“, hielt Miniröcke, Blue Jeans (bei MĂ€dchens), lange Haare (bei Jungens), die laute Musik und das alles fĂŒr „neumodischen Firlefanz“, vergnĂŒgte sich gleichwohl am Betrachten von Jungens mit langen Haaren und MĂ€dchens in engen Jeans. In ihren Reden ĂŒber die jungen MĂ€dchens („die jungen Dinger“) ließ sie eine AffinitĂ€t mit ihrer Namensvetterin Edith Cadivec erkennen („Allen höheren Töchtern sollte man einmal in der Woche den Hintern versohlen!“).

Ediths Rezept fĂŒr eine bessere Welt: „Allen höheren Töchtern einmal in der Woche …“

Es gibt Bischöfe und Erzbischöfe. Es gibt Frachter und Erzfrachter. Es gibt Konservative und Erzkonservative. Schwester Edith war erzkonservativ. Eine Preußin. Deutschnational bis ins Mark. Da ließ sie nichts im Unklaren.
Die Regierung verachtete sie. Denn die Regierung hatte Ostpreußen dem Iwan geschenkt.
Den Iwan aber fand sie gut. Weil in Rußland ein autoritĂ€res Regime herrschte, und nicht so ein pflaumenweicher Liberalismus wie bei uns.
Die antiautoritĂ€ren Studenten aber fand sie wiederum gut. Weil das „ganze Kerle“ waren, die es „denen da oben“ mal so richtig zeigten. Die erzkonservative Preußin schwĂ€rmte fĂŒr Rudi Dutschke.
Mich nahm sie in dieser Hinsicht aber gar nicht ernst. Wenn ich mal was Linkes und AntiautoritĂ€res sagte, meinte sie: „Ich lach‘ mich schief!“
Aber sie hatte großen Respekt vor mir, weil ich Kriegsdienstverweigerer war. Verweigern – das wĂ€re ĂŒberhaupt das einzig VernĂŒnftige. Denn: Die Bundeswehr – das wĂ€re ja sowieso gar keine richtige Armee!

An allem

Die Schauspielerin Katja Riemann hat ĂŒber ihre Kindheit erzĂ€hlt. DarĂŒber erschien gestern eine Notiz in der WAZ.
Sie hat als Kind „krasse Ausgrenzung“ erfahren. „Damals war es ein Stigma, Scheidungskind zu sein. […] Ich war praktisch AuslĂ€nderin.“
Damals war in Deutschland die Welt noch in Ordnung. Da gab es noch eine Moral. Mit welchen Kindern nicht gespielt werden durfte, darĂŒber wachten moralische Eltern.
Daß das heute nicht mehr so richtig klappt mit der Ausgrenzung. daran sind die „68er“ schuld.

Betrachtungen zum Bikini an Bushaltestellen

Nein: „Betrachtungen an Bushaltestellen zum Bikini“ muß es heißen.


Die Reklame, die jetzt wieder an jedem zweiten BushaltestellenwartehĂ€uschen zu sehen ist, verstehe ich nicht. „Gutgebaute“ junge Damen im Bikini. Angepriesen und mit Preisangabe versehen wird aber nur das Bikini-Top!


Per definitionem – und das wird durch das Bild durchaus bestĂ€tigt – besteht der Bikini als zwei Teilen.
Wir durften eine Zeit erleben, in der alles in Frage gestellt wurde – so auch die Zweiteiligkeit des Bikinis. Plötzlich gab es Bikinis, die nur noch aus einem Teil bestanden, nĂ€mlich dem unteren. Der obere Teil wurde ersatzlos abgestreift! „Oben ohne“ nannte man das.
Sind aus der Oben-ohne-Ära vielleicht viele Tops ungenutzt liegengeblieben, die jetzt an die Frau gebracht werden mĂŒssen? MĂŒssen die sich den Unterteil dann selber stricken?
Daß sich als neue Mode eine Bikini-Variante durchsetzt, die nur noch aus dem Oberteil besteht, will ich nicht hoffen! Ein solcher „Bikini“ wĂŒrde ein disproportionales Bild erzeugen! Ein Bikini nur aus einem Oberteil bestehend? Nein, das sieht nicht aus. Wenn der untere Teil verschwunden ist, muß der obere Teil schon vorher verschwunden sein. Denn bei der Entkleidung in erotischem Kontext ist die Reihenfolge von entscheidender Bedeutung.
Den Damen, die Wert darauf legen, daß man ihren nackten Hintern sieht, steht zu diesem Behufe als vortreffliches Hilfsmittel der Tanga zur VerfĂŒgung. Der ist – wegen des Stoff-Winkels – weitaus wirksamer als etwa der G-String, der ebenfalls ein disproportionales Bild erzeugt, weil er die Körperlinien an unpassender Stelle unterbricht (ich kann die Dinger nicht leiden).
Noch irritierender finde ich Darstellungen von nackten Frauen, die Schuhe tragen (hochhackig). Ganz nackig, aber noch Schuhe an? Da sehe ich ĂŒberhaupt keinen Sinn drin! Wollen die nackig auf die Straße gehen?
Hören Sie die Erinnerungen eines schĂŒchternen, aber genußfĂ€higen Erdenmannes:
Es ist gelegentlich vorgekommen, daß Frauen sich vor mir ausgezogen haben. Sie taten es, um mir eine Freude zu machen – und auch zu ihrem eigenen VergnĂŒgen. Sie waren nicht alle miteinander bekannt und können sich folglich auch nicht abgesprochen haben. Aber bei ausnahmslos allen begann die Entkleidung damit, daß sie sich die Schuhe auszogen. Eine nackte Frau mit Schuhen an den FĂŒĂŸen habe ich in natura noch nie gesehen.

Lina G.

Und bei ausnahmlos allen endete die Entkleidung nie mit dem BH. Der BH war immer spĂ€testens das vorletzte KleidungsstĂŒck, das abgelegt wurde, und jedesmal kam erst zuallerletzt der Hintern zum Vorschein.
Und so ist das auch richtig.

DER METZGER wird 100: Der schönste Arsch der Welt

Ein weiterer Auszug aus „‚Über sowas könnte ich mich kaputtlachen.‘ 33 1/3 Fragen an den METZGER-Herausgeber Helmut Loeven, ersonnen von A.S.H. Pelikan und Heinrich Hafenstaedter“ in DER METZGER Nr. 100 (Mai 2012):

Pelikan: Ist DER METZGER ein Sex-Blatt?

Ja selbstverstÀndlich!

Pelikan: Hattest du eine Leserreaktion zu dem Thema?

Ich erinnere mich: Ich begegnete mal, das war 1972, auf dem Bahnhofsvorplatz dem Herrn Walter Schabronat. Das war ein Zufall, da war irgendwas los, irgendsoeine Zusammenkunft oder irgendsoeine Kundgebung. Ich ging da entlang, und da traf ich den Herrn Schabronat, seines Zeichens Kriminalhauptkommissar, fĂŒr das politische Ressort zustĂ€ndig. Es verband sich zwischen ihm und den Leuten, die er beobachtete, so eine Haßliebe. Ich wußte damals noch nicht, daß er außerdem noch tĂ€tig war als Kundschafter der Hauptverwaltung AufklĂ€rung des Ministeriums fĂŒr Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik. Und der sagte mir: Na, Herr Loeven, Sie haben aus Ihrer Zeitung ja jetzt so eine Sankt-Pauli-Zeitung gemacht. Da war gerade die Nummer 18 erschienen, vielleicht sollte man die sich mal angucken, was ist denn da so Sankt-Paulihaftes dabei?
Viele Jahre spĂ€ter erschien mal jemand bei mir in der Buchhandlung, der war Mitarbeiter von „Who is who“, diesem Prominentenlexikon, und gab mir einen Fragebogen. Er sagte, es wĂ€re ein Vorschlag gewesen, ich sollte in das „Who is who“ als Prominenter hinein. Ich habe den Fragebogen allerdings nie abgeschickt. Da war auch eine Rubrik: Hobby. Da hab ich ĂŒberlegt: was schreibe ich denn unter Hobby. Da wollte ich reinschreiben: das Fotografieren nackter Frauen.

Das Original: Stefanie H. (in der Buchhandlung WeltbĂŒhne)

Ich habe zum Beispiel gern Fotografien gedruckt von der 18jĂ€hrigen Stefanie H., die in mehreren Ausgaben unbekleidet zu bewundern ist in meiner Zeitung. Und daraufhin bekam ich erheblichen Ärger mit der Mitarbeiterin Erika B., die ja, wie bereits erwĂ€hnt, eine Zeitlang in der Emma-Redaktion gearbeitet hatte.

Das andere Original: Erika B. (selbstportrÀtiert)

Die fand das nicht gut, und zwar, daß nicht SIE da abgebildet worden ist. Ich hab ihr gesagt: Ja, meinegĂŒte! Du warst doch schon öfter nackig in meiner Zeitung. Aber: „Egal! Eine andere hat da gar nichts zu suchen“, meinte sie, „wieso nimmst du da eine andere?“ SIE hĂ€tte doch den schönsten Arsch der Welt! Was ich ihr dann auch bestĂ€tigt habe. Das habe ich allerdings auch anderen gesagt. Sie schickte mir daraufhin eine Zeichnung, ein SelbstportrĂ€t von sich, eine Aktzeichnung, und sie schrieb darunter: Das ist gute alte linke Publizistik. Sie sprach darauf an, daß es frĂŒher in linken BlĂ€ttern wohl ĂŒblich war, daß da auch Sex-Fotos erschienen sind, und das wĂ€re eben eine gute Tradition, die leider verlorengegangen sei und nur noch in einer einzigen linken Zeitschrift weitergefĂŒhrt wird.

Konkret entschuldigt sich ja alle Vierteljahre fĂŒr ihre pornografische Vergangenheit.

Erika als Covergirl

Ein kluger Mann hat mal gesagt (ich zitiere aus einer unveröffentlichten Rede):
„Ich stehe dafĂŒr ein, die SexualitĂ€t von Doppelmoral, Angst, SĂŒnde und SchulgefĂŒhlen zu befreien, das Schuldprinzip durch das Lustprinzip zu ersetzen, der SexualitĂ€t einen Raum in der Öffentlichkeit zu reklamieren, fĂŒr die SexualitĂ€t einen Raum auch außerhalb fester Partnerbeziehungen zu reklamieren. Befreiung der SexualitĂ€t ist gleichbedeutend mit Reflexion und Ästhetisierung… Der Angriff auf die von SchulgefĂŒhlen und Tabus beladene bĂŒrgerliche Sexualmoral ist eine der besten Traditionen der Linken. Diese Tradition wurde verraten, oder besser gesagt: schlichtweg vergessen. Die Linke kriecht der Frauenbewegung hinterher oder hastet ihr mit vorauseilendem Gehorsam voraus, und merkt nicht, daß die Frauenbewegung an den tradierten weiblichen sexuellen Konservatismus appelliert.“
Der kluge Mann war ich.

„Der schönste Arsch der Welt“

Ein anderer kluger Mann hat mir einen Brief geschrieben: Ich sollte nicht solche Theorien verbreiten. Ich sollte das einfach machen, weil es schön ist und weil es geil ist.
Hat er recht oder hat er Unrecht? Ich finde, er hat recht. Aber so wie ich das mache ist auch richtig. NĂ€mlich indem ich sage: indem ich mich auf die Debattenebene begebe, stecke ich euch auch alle in die Tasche.
Die Magda hat mal eine Zeitlang immer wieder den Satz gesprochen, wenn wir mal wieder zu tun hatten mit linkem Dogmatismus, mit wahnhaft gesteigerter Vernageltheit des Feminismus oder mit der Selbstsicherheit der Ignoranten: „Da hilft nur noch eine pornografische Offensive.“ Wo man mit Argumenten, Informationen und Fakten ĂŒberhaupt nichts mehr ausrichten kann, da muß man reizen. Da bleibt einem gar nichts anderes ĂŒbrig. Und das ist immer noch wirksam. Man möchte ja die einen erfreuen und die anderen schockieren. Und dazu bedarf es nur einer einzigen Strategie.
Von Obelix (Ripperger) stammt der Satz: „Politik ist wichtig, muß aber auch Spaß machen.“ Und ich sage: „Pornografie ist wichtig, muß aber auch schön sein“.

Das ganze GesprÀch ist auf Papier nachzulesen in DER METZGER Nr. 100,
und im Netz bei Gasolin Connection.
Ein Abonnement von DER METZGER kostet 30 Euro fĂŒr die nĂ€chsten 10 Ausgaben oder 50 Euro fĂŒr alle zukĂŒnftigen Ausgaben.
Die Ausgaben ab Nr. 18 (1972) sind noch erhÀltlich. Die Ausgaben Nr. 1-17 (1968-1972) sind vergriffen.