Kann mir das mal einer erklären?

„Unglücklich das Land, das keine Helden hat.
Nein. Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“
Brecht

Vor einem Jahr wurde hier die Desolation eines Kriegsdenkmals thematisiert. Eine Schande fällt in sich zusammen. Erinnern Sie sich? Klicken Sie auf den Link.
Kaiserberg03Doch in der Zwischenzeit hat sich in der Denkmalpflege was getan.
Schauen Sie:
kaiserberg10

Gucken Sie mal genauer hin:
kaiserberg11

Lauter Stofftiere nehmen den Platz der Heldentumsschaustellung für sich in Anspruch. Komisch!
Dem verlogenen Heldentum einen Tort, scheint mir die Erklärung zu sein.

Bitte lesen Sie im DISSkursiv:
http://www.disskursiv.de/2014/07/28/netzfundstuecke-teddys-gegen-kriegsverherrlichung/
und:
http://www.disskursiv.de/2014/07/28/netzfundstuecke-denk-mal/

Und ich erinnere auch nochmal an die Siegfried-Uminterpretation.

BerndUndFreundeDie werden nicht auf dem Kaiserberg der Witterung und der Willkür ausgesetzt, das ist versprochen. Stets gern für die gute Sache verfügbar genießen Sie den Schutz meines Daches.

1914 in der Literatur (5)

FesserErsterWeltkriegGerd Fesser: Deutschland und der Erste Weltkrieg.
PapyRossa Verlag 2014 (Reihe Basiswissen). 124 S. Pb. 9,90 Euro
Der Verlag informiert über sein Buch:
Gerd Fesser analysiert die internationale Konstellation und die Faktoren, deren Zusammenwirken im August 1914 in den Großen Krieg einmündete: die Rivalität der imperialistischen Großmächte, den Wettlauf um Kolonien und Einflußgebiete, die Konkurrenz um Weltmarktpositionen und Anlagesphären. Den Schwerpunkt legt er auf das Deutsche Reich und seine Weltpolitik. Er kennzeichnet die kriegstreiberische Politik der Reichsregierung in der Julikrise 1914, behandelt die militärischen und innenpolitischen Entwicklungen der Jahre 1914 bis 1918, untersucht die Kriegszieldebatte, die Entfaltung der Antikriegsopposition, die Kriegswirtschaft sowie Alltag und Kultur im Krieg. Nach einem Überblick über die Revolutionen vom Februar und Oktober 1917 in Russland und ihren Auswirkungen schließt er seine Darstellung ab mit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs und der Novemberrevolution 1918. Eine kurze Auseinandersetzung mit der neueren Geschichtsschreibung rundet den Band ab.
Gerd Fesser, Dr. phil, Jg. 1941. Nach dem Studium der Geschichte in Leipzig wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR und bis 1996 am Historischen Institut der Universität Jena. Veröffentlichungen über das Wilhelminische Kaiserreich und über die anti-napoleonischen Kriege, schreibt für „Die Zeit“.

Das Buch kann im portofreien Versand in der Buchhandlung Weltbühne bestellt werden.
Bitte unterstützen Sie die Buchhandlung, die dem Antimilitarismus verpflichtet ist.

1914 in der Literatur (4)

Der Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque ist das berühmteste Werk, das sich mit dem Ersten Weltkrieg befaßt.
Seit November 1928 in der Vossischen Zeitung als Fortsetzungsroman abgedruckt, erregte das Buch Aufsehen. Die Buchausgabe erschien im Januar 1929. Innerhalb von ein paar Wochen erreichte es eine Auflage von 450.000 Exemplaren. Es wurde noch im selben Jahr in 26 Sprachen übersetzt. Bis heute gibt es Ausgaben in über 50 Sprachen, die geschätzten Verkaufszahlen weltweit liegen bei über 20 Millionen.
In dem Roman werden die Kriegserlebnisse des jungen Kriegsfreiwilligen Paul Bäumer und seiner Frontkameraden geschildert. Das Werk wird eingeleitet mit dem Satz: „Dieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde – auch wenn sie seinen Granaten entkam.“
Über die bald darauf in den Kinos gezeigte Verfilmung zitiere ich aus einem Bericht:

Am 5. Dezember 1930 wurde im Berliner Mozart-Kino am Nollendorfplatz der Film „Im Westen nichts Neues“ uraufgeführt. Der Film nach dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque erzählt die Geschichte einiger Jungen, die, noch nicht ganz erwachsen, 1914 von der Schulbank weg in die Armee einberufen wurden, angesteckt von der vaterländischen Begeisterung, beduldelt von den patriotischen Parolen ihrer Lehrer. Was sie dann erleben, ist die Wirklichkeit: der Stellungskrieg in Frankreich, wo für einen zeitweiligen Geländegewinn von ein paar hundert Metern zigtausend Männer verrecken.
Gegen diesen Film, der den Ersten Weltkrieg so zeigte, wie er war, eine Hetzkampagne vom Zaun zu brechen, war die Bewährungsprobe für den von Hitler zum „Gauleiter von Berlin“ ernannten verkrachten Schriftsteller Joseph Goebbels. Von der Galerie dirigierte der spätere „Propagandaminister“ höchstpersönlich die Störaktionen der SA während der Uraufführung. Auch die folgenden Vorstellungen gingen im SA-Krawall unter, der sich bis auf die Straße fortsetzte. In seiner Zeitung „Der Angriff“ gab Goebbels die Parolen aus: „Nieder mit dem Sudelfilm! Für die Gefallenen des großen Krieges! Rettet ihre Ehre! Rettet ihr Andenken!“
Goebbels und die NSDAP konnten ihre Kampagne gegen den Film als Erfolg verbuchen. Denn sie wußten, daß sie mit ihrer Meinung über einen Film, der den Krieg zutreffend darstellte, nicht isoliert waren. Patriotische Abgestumpftheit hatte ihre Wirkung getan. Aber Goebbels war es um mehr gegangen als um einem schnellen Erfolg bei denen, die den Krieg als Völkergemetzel, in dem der Mensch als Treibstoff des Imperialismus verheizt wurde, nicht wahrnehmen wollten. Weitsichtig hatte er sich an einem Kunstwerk festgebissen, das für ihn die „marxistische Asphaltdemokratie“ repräsentierte: „In Wirklichkeit … handelte es sich um eine prinzipielle Frage: darf es die Asphaltdemokratie weiterhin ungestraft wagen, angesichts der zunehmenden Nationalisierung der breiten Massen dem deutschen Publikum eine solche Verhöhnung deutscher Ehre und deutscher Tradition anzubieten?“
Goebbels stellte sich einer Kunst entgegen, die der Vernunft, der Klarheit und der Menschenfreundlichkeit zum Durchbruch verhelfen wollte. All das, was die „Neue Sachlichkeit“ aus den Ateliers und von den Bühnen verbannte, das Heldische, Bombastische, Schwüle, das Mystische, den Rausch, die Weihe, trug Goebbels auf die Straße, in die Wirtshaussäle. Je weniger hymnisch-pathetisch die Sprache der Literatur wurde, desto mehr wurde dies die Sprache der Politik, mit der Hitler und Goebbels sich an die Massen wandte. Für diese Politik, das wußte Goebbels, werden Anhänger nicht durch Argumente gewonnen, sondern durch eine Stimmung.
Die Nazi-Krawalle riefen die staatlichen Organe auf den Plan. Und zwar so: Wegen „Schädigung des deutschen Ansehens“ verbot die „Filmoberprüfstelle“ den Film „Im Westen nichts Neues“ für das ganze Reichsgebiet.
(Lina Ganowski in DER METZGER Nr. 72 (2005))

Erich Maria Remarque 1963: „Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, daß es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen.“ – Eine Voraussicht auf die Oliv-Grünen von heute.

Der Film wird heute um 20.15 Uhr auf Arte gezeigt.

RemarqueImWestenDer Roman, ergänzt um Materialien, ist als Taschenbuch erschienen und kostet 8,99 €.
Bestellen Sie das Buch in der Buchhandlung Weltbühne. Bitte unterstützen Sie die Buchhandlung, die dem Antimilitarismus verpflichtet ist.

1914 in der Litreratur (3)

Nicht ein ganz neues Buch, aber in diesen Monaten wieder aktuell:

Luciano Canfora: August 1914. Oder: Macht man Krieg wegen eines Attentats? Papyrossa Verlag 2010. 118 S. 9,90 Euro
Canfora1914Der Verlag stellt sein Buch vor:
Luciano Canfora legt dar, daß Kriege nicht mit einem Einzelereignis zu erklären sind, und sei es ein noch so spektakuläres Attentat. Deshalb schildert er, um die Ursachen des Ersten Weltkriegs sichtbar zu machen, wie sich die Interessengegensätze zwischen den rivalisierenden Großmächten zum gordischen Knoten geschürzt hatten. Obwohl er die abenteuerliche Politik des Deutschen Kaiserreichs hervorhebt, bezeichnet Canfora die These von dessen Alleinschuld am Krieg als Alibi für alle anderen: Auch sie können nicht freigesprochen werden. Die sozialistischen Parteien – allen voran die deutsche Sozialdemokratie – ebneten den Weg in den Abgrund, indem sie sich vor den Karren ihrer Regierungen spannen ließen. Am Beispiel des Ex-Sozialisten Mussolini einerseits, der „Deutschen Vaterlandspartei“ als Vorläuferin der NSDAP andererseits zeigt Canfora, daß der Erste Weltkrieg bereits die Wiege des Faschismus war. Dagegen standen jene Kräfte, die – zunächst als isolierte Minderheit – von Anfang an gegen den Krieg opponierten und in Lenin ihren bekanntesten Vertreter hatten. Sie traten dafür ein, der „grauenhaften Schlächterei“ – so Papst Benedikt XV. – ein Ende zu setzen und eine Wiederholung auszuschließen.
Prof. Dr. Luciano Canfora (Jg. 1942), Altphilologe und Historiker, lehrt an der Universität Bari. Sein Buch „Eine kurze Geschichte der Demokratie“ hat in der Bundesrepublik für Furore gesorgt.

Wenn Ihr das Buch bestellen wollt, erinnert Euch bitte an die Lebensregel:
LIEBE leute BESTELLT bücher IN der BUCHHANDLUNG weltbühne UND sonst NIRGENDS.
Weltbühne muß bleiben.

Signal fatal oder Letzte Mahnung

1972 kandidierte erstmals die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) für den Bundestag. Und erstmals konnte ich bei einer Bundestagswahl eine Stimme abgeben. Ich stand vor der Entscheidung: Wähle ich DKP oder wähle ich Willy Brandt?
Ich und Willy Brandt (vulgo: SPD) wählen? Wie konnte ich sowas überhaupt in Betracht ziehen?
Die Sozialliberale Koalition, die doch ein bißchen mehr Demokratie wagen wollte und den Begriff „Lebensqualität“ aufbrachte – von der haben wir uns allzuviel auch nicht versprochen. Aber, wenn man „alles“ will, aber „alles“ nicht (sofort) geht, nimmt man, was man (erstmal) kriegen kann (wenn man klug ist). Aber das war nicht Grund genug. Entscheidend war: Die Sozialliberale Koalition wurde von rechts unter Druck gesetzt. Das Mißtrauensvotum war knapp abgewehrt. Eine stark nach rechts gerückte, aggressive CSU/CDU stand Gewehr bei Fuß. Also habe ich „Willy gewählt“. Gegen Strauß zu stimmen erschien mir vorrangig.
Heute finde ich meine Entscheidung von damals nicht mehr richtig. Ich hätte DKP wählen sollen. Es geht bei einer Wahl ja weniger darum, wer regiert und wer nicht regiert. Es ging damals ja auch darum, die wieder zur Legalität gelangte Kommunistische Partei als Größe in die politische Auseinandersetzung einzufügen. Bei Wahlen darf Taktik wohl eine Rolle spielen, aber nicht Überhand nehmen. Wer links ist in einer bürgerlichen Gesellschaft, sollte sich weniger um eine nicht ganz so schlechte Regierung, sondern mehr um eine halbwegs gute Opposition sorgen.

Bei der Wahl zum Europäischen Parlament kandidieren die Linkspartei und die DKP. Ich weiß nach dem, was ich in den letzten Tagen gehört habe, daß manche hin und her überlegen: DKP ist ja eigentlich schöner, aber die Linkspartei ist sowas wie der Spatz in der Hand.
Dazu fällt mir nur ein: An ihrer Verzagtheit werden die Linken nochmal zugrunde gehen (wenn sie nicht sowieso schon zugrunde gegangen sind, und wir haben es nur noch nicht gemerkt).
Wer für einen Spatz in der Hand die weitere Marginalisierung des Marxismus in Deutschland in Kauf nimmt, sendet ein Signal aus mit fatalen Langzeitfolgen.

Es gibt viele gute Gründe, der Linkspartei die Stimme zu entziehen. (Und denk ich an Duisburg in der Nacht, dann fallen mir auch noch ganz persönliche Gründe ein). Aber eine Stimme für „Die Linke“ ist auch immer eine Stimme gegen rechts.
Ein Wahlergebnis bildet nicht nur eine Stimmung ab. Es stellt auch eine Stimmung her. Wenn „Die Linke“ auf den absteigenden Ast gerät, dann ist das schlecht für uns alle – und mögen wir noch so sehr Gründe haben, diese Partei NICHT ins Herz zu schließen. Verluste für die Linkspartei werden in der allgemeinen Wahrnehmung eben nicht als Quittung für fragwürdige Entscheidungen, Abgehobenheit und Hochnäsigkeit und unsolidarisches Verhalten gewertet, sondern als ein fatales Signal, daß „links“ überhaupt nur noch ein Rudiment der Vergangenheit ist. Wenn einem sonst nichts übrigbleibt, soll man „Die Linke“ wählen.

Aber wo man die Wahl hat zwischen Linkspartei und DKP (bei der Europawahl und in einigen Städten auch bei der Kommunalwahl), sollte man sich doch für das Konzentrat und nicht für die Verdünnung entscheiden. Die Entscheidung zwischen Linkspartei und DKP kommt einer Entscheidung zwischen der Mayerschen und der Weltbühne gleich.

Und jetzt werde ich mal pötisch:
Die DKP ist wie eine Orange.
Die Linkspartei ist wie Sinalco.

Die SPD ist leere Flasche.
Und die Grünen sind wie Tritop – auch verdünnt ungenießbar.

Was will die CDU damit sagen?

Was will die CDU damit sagen?

Das wäre interessant: Geschichtswerkstatt

Die Geschichtswerkstatt Zweiter Weltkrieg in der Duisburger Volkshochschule geht weiter. Der nächste Termin:
Sonntag, 11. Mai 2014, 11 bis 14 Uhr.
Ort: Volkshochschule Königstraße 47 (also ab jetzt NICHT mehr im IZ).
Thema:
Der 20. Juli 1944
Am 20. Juli 1944 verübte Graf von Stauffenberg ein Bombenattentat auf Hitler im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ bei Rastenburg. Gleichzeitig lief eine Militärverschwörung in Berlin an. Sowohl das Attentat als auch der Militärputsch scheiterten. Hitler blieb am Leben und an der Macht.
Der zweite Weltkrieg ging weiter. Thema dieser Sitzung ist die Analyse des „20. Juli“ sowie weiterer Widerstandsaktionen gegen die Nazi-Diktatur. Zur Sitzung erscheint ein Materialheft.
Der Kurs wird geleitet von Martin Clemens und Aloys Reuter. Teilnehmergebühr: 5 Euro.

Dazu sage ich folgendes:
Erstens: Schade, daß das immer sonntags in Allerherrgottsfrühe ist. Da schlafe ich noch.
Zweitens: Die Informationen bei dieser Veranstaltung sind ganz gewiß nicht so knapp wie die Ankündigung durch die VHS.

1914 in der Literatur (2)

Zum hundertsten Jahrestag des Kriegsausbruchs von 1914 hat der Aufbau-Verlag drei Klassiker der Anti-Kriegs-Literatur als Sonderausgaben vorgelegt:
KischRennZweigEgon Erwin Kisch: Schreib das auf, Kisch! Ein Kriegstagebuch. 320 S. Gebundene Ausgabe
Die Geburtsstunde des „Rasenden Reporters“: „Jeden Tag stenographiere ich meine Lebensweise und meine Gedanken, die Lebensweise und Gedanken von Hunderttausenden … Die Kameraden spotten: ‚Schreib das auf, Kisch!‘ Der Satz wird zur ständigen Redensart … Kisch schreibt auf, wenn der letzte Hosenknopf abreißt, wenn das einzige Stück Seife in den Brunnen fällt, wenn Blut in den Essnapf spritzt. Manches schreibe ich auf, was ich als Journalist nicht gewusst hätte. Manches hätte ich als Journalist auch dann nicht geschrieben, wenn ich es gewusst hätte, denn es wäre mir zu belanglos erschienen. Manches schreibe ich auf, was ich als Journalist nicht hätte schreiben dürfen, die Zeitung nicht gedruckt hätte. Mein Tagebuch weiß und darf. Welch ein Unterschied zwischen … einem Tag, den die Zeitung spiegelt, und einem Tag, im Schützengraben überlebt.“ Egon Erwin Kisch.
Von einem unbezwinglichen Drang des Beobachtens und Berichtens getrieben, geleitet von einem unvergleichlichen Gespür für die skurrilen wie die entlarvenden Momente im Kriegsalltag, schrieb Egon Erwin Kisch seine Erlebnisse als Soldat 1914/15 unmittelbar an der Front nieder, im Feldlager, im Schützengraben. Dieses unverhüllte, direkt dem Leben entnommene Bild des Krieges ist nicht zuletzt ein beeindruckendes Stück Literatur.
„Das Tagebuch eines bedeutenden Schriftstellers.“ Hans Mayer.
Mit dem Bericht „Ein Reporter wird Soldat“.

Ludwig Renn: Krieg. 352 S. Gebundene Ausgabe.
Unter dem Namen Ludwig Renn veröffentlichte der frühere kaiserliche Offizier Arnold Vieth von Golßenau das Buch „Krieg“, das Weltruhm erlangte: Ein einfacher Soldat wird am Tag der Mobilmachung Gefreiter und noch im August 1914 an die Westfront kommandiert. Er führt beflissen Befehle aus, bis er zu ahnen beginnt, dass das Grauen nicht nur ohne höheren, sondern völlig ohne Sinn ist.
„Die Bücher von Remarque und Ludwig Renn bieten qualitativ keine Unterschiede; beide wuchsen aus Anschauung und Erlebnis, beide hat die Erinnerung in langen Jahren geformt. Sie sind ganz und gar das feierliche Verdikt, das dem Krieg die Ehre aberkennt und ihn vor versammelter Menschheit degradiert.“ Carl von Ossietzky.

Arnold Zweig: Junge Frau von 1914. Roman. 432 S. Gebundene Ausgabe.
In der Liebe und im Krieg. In diesem Roman einer Liebe im Ersten Weltkrieg steht das Schicksal der jungen Lenore Wahl im Mittelpunkt, womit Zweig auf das Unverständnis seiner Zeitgenossen stieß: Man empfand dies als befremdlich privat, wo doch die Männer an der Front gekämpft und ihr Leben riskiert hatten. Der Autor aber wusste, dass der Krieg bis in die Heimat vordringt und nicht zuletzt dort seine Opfer fordert. Zudem legte er mit diesem Werk ein aufsehenerregendes Bekenntnis zur weiblichen Selbstbestimmung vor, das seiner Zeit weit voraus war.
„Der Krieg zwingt die Helden Zweigs, leidenschaftlicher zu lieben, tiefer zu hassen, schneller zu lernen, mehr zu leiden, intensiver zu leben. Er beschleunigt ihre Entwicklung und ihren Untergang, er steigert ihren Ehrgeiz und ihr Machtbedürfnis, ihren Wissensdurst und ihre Resignation, ihr Mitleid, ihren Neid und ihre Sehnsucht nach Glück. Der Krieg macht sie klüger, härter und grausamer, er ist eine große Anstandsprobe, eine moralische Prüfung. Zweig … berückt das Leben, er beobachtet, liebt und genießt es. Seine epische Welt ist diesseitig und rational, taghell und übersichtlich.“ Marcel Reich-Ranicki.

Die Bücher sind je zum Preis von 15 Euro erhältlich. Sie werden auf unserem Büchertisch, dem antimilitaristischen Buch-Basar beim Ostermarsch liegen. Sie können in der Buchhandlung Weltbühne – auch im Versand – bestellt werden.
Wir würden uns freuen, wenn Sie der Buchhandlung helfen, deren vornehmes Anliegen ist, den Krieg zu ächten, den Krieg zu verdammen!

Was wäre dieses deutsche Volk ohne seinen Erbfeind?

Zitat:
„Unsere Staatsmänner in Bonn haben die Sowjets nicht für Menschen, sondern für entartete Teufel eingeschätzt. So waren sie nicht imstande, sich selbst in Gedanken an die Stelle des Gegners zu versetzen und sich zu fragen, was sie an seiner Stelle wohl tun würden… Das erste Erfordernis aber, um richtige Politik zu machen, besteht darin, in die Haut des Feindes zu schlüpfen… Die Sowjets …haben, um ehrlich zu sein, auch wenig Grund, deutschen Beteuerungen zu glauben. Es drohte also eine Situation, in der die Sowjets von den Deutschen um die Früchte ihres Sieges über Hitler gebracht werden könnten. Es drohte eine gewaltsame Revision des Sieges von 1945, und zwar von Seiten des Besiegten.“
Rudolf Augstein im Spiegel (1961)

Es fällt auf, daß hierzulande manche Leute über die Krim-Krise reden, als hätte der Zweite Weltkrieg nicht stattgefunden.

1914 in der Literatur

Ich muß wohl mal einen Offenen Brief an den Herrn Koch* schreiben. Dann werde ich schreiben:
Sehr geehrter Herr Koch,
gestern habe ich das Buch „Junge Frau von 1914“ von Arnold Zweig (Aufbau Taschenbuch) verkauft und wollte es natürlich sofort nachbestellen (dieses Buch ist in der Weltbühne ein Standardtitel).
Aber: ätsch!
Die Taschenbuchausgabe wird nicht mehr angeboten. Sie ist vergriffen, und Sie haben sie nicht mehr neu aufgelegt.
Von Arnold Zweig wird gegenwärtig überhaupt keine Taschenbuchausgabe angeboten, weder von Ihnen noch von sonst einem Verlag.
800px-Stamps_of_Germany_(DDR)_1987,_MiNr_3092Ich will darauf eingerichtet sein, den Kunden, die etwas über den Ersten Weltkrieg erfahren wollen, gute und informative Bücher zu diesem Thema anbieten zu können. Dazu gehören vornehmlich die Bücher von Arnold Zweig „Der Streit um den Sergeanten Grischa“ und „Erziehung vor Verdun“. Diese Titel werden von Ihnen in der „Berliner Ausgabe“ angeboten – für 39 bzw. 40 Euro. Gerade zum hundertsten Jahrestag des Beginns des ersten imperialistischen Weltkrieges halte ich Taschenbuchausgaben solcher Werke für unverzichtbar.
Von Autoren, die das Profil des Aufbau-Verlags geprägt haben wie Anna Seghers, Egon Erwin Kisch, Lion Feuchtwanger, sollten alle Einzeltitel als Taschenbuch erhältlich sein. Von Anna Seghers gibt es nun noch wenige Taschenbuchausgaben, von Kisch gar keine. Die gebundenen Pracht-Ausgaben zu horrenden Preisen sind nichts für Einsteiger.
800px-Stamps_of_Germany_(DDR)_1985,_MiNr_2940Immerhin ist erfreulich zu vermelden: Arnold Zweigs „Junge Frau von 1914“, Kischs Kriegstagebuch „Schreib das auf, Kisch“ und Ludwig Renn „Krieg“ sind zwar nicht als Taschenbücher, aber als noch recht preiswerte Ausgaben für je 15 Euro erschienen.
800px-Stamps_of_Germany_(DDR)_1989,_MiNr_3230P.S.: „Abschied“, der Roman von Johannes R. Becher, in dem die Atmosphäre vor dem Beginn des großen Völkergemetzels genau zu erfahren ist, würde ich auch gern wieder als Aufbau-Taschenbuch sehen.

* Matthias Koch ist der Chef vom Aufbau Verlag.
Von einigen der hier genannten Buchtitel, anderswo vergriffen, sind noch Restbestände als Taschenbuchausgaben in der Buchhandlung Weltbühne vorrätig. Denn hier wird nichts verramscht und nicht remittiert. Was nicht verkauft wird, bleibt eben stehen – bis es nur noch hier zu kriegen ist.

Reinhard Kühnl 1936-2014

Reinhard Kühnl ist tot.
Sein langjähriger Weggefährte Georg Fülberth verfaßte im Namen des BdWi den folgenden kurzen Nachruf.

Am Morgen des 10. Februar 2014 verstarb in Marburg der Politikwissenschaftler Reinhard Kühnl.
1936 in Schönwerth (Tschechoslowakei) geboren, studierte er in Marburg und Wien Geschichte, Soziologie, Politikwissenschaft und Germanistik. Er wurde ein Schüler Wolfgang Abendroths. Mit seiner Dissertation von 1965, „Die nationalsozialistische Linke 1925 – 1930“, schrieb er sich sofort in die erste Reihe der damals noch jungen Faschismusforschung. 1967 erschien „Die NPD – Struktur, Programm und Ideologie einer neofaschistischen Partei“. Nach seiner Habilitation – die Ernst Nolte mit einer publizistischen Kampagne zu verhindern suchte – wurde er 1971 Professor für Politikwissenschaft in Marburg. Auf Einladung seines Freundes Walter Grab bekleidete er 1973 eine Gastprofessur in Tel Aviv.
In den folgenden Jahrzehnten entfaltete Reinhard Kühnl eine sehr fruchtbare wissenschaftliche und publizistische Tätigkeit. Sein Buch „Formen bürgerlicher Herrschaft: Liberalismus – Faschismus“ erreichte von 1971 bis 1990 zahlreiche hohe Auflagen. Eine ähnlich große Wirkung erzielte seine Gesamtdarstellung der Faschismustheorien. Reinhard Kühnls Bücher wurden in 14 Sprachen übersetzt.
Stets arbeitete er – als Marxist und radikaler Demokrat – den Zusammenhang zwischen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und den von ihr hervorgebrachten politischen Systemen – darunter dem Faschismus – heraus. Groß war auch Reinhard Kühnls Erfolg als akademischer Lehrer. Wie vorher schon zu Wolfgang Abendroth, so kamen nun von nah und fern Studierende nach Marburg, um bei ihm zu lernen. In der gesamten Bundesrepublik und international zog er als Vortragender viele Menschen in fast immer überfüllten Auditorien an.
Schwerpunkt seiner Forschungen und seiner Lehre blieben Ursachen und Geschichte des Faschismus. In der Praxis wurde er so zum Mitstreiter in den Kämpfen der Friedensbewegung und im Bemühen um Verteidigung und Erweiterung der Demokratie.
1968 war er Gründungsmitglied des Bundes demokratischer Wissenschaftler (heute: Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, BdWi). Bei dessen Neukonstituierung 1972 wurde er zusammen mit Walter Jens und Helmut Ridder Mitglied des Engeren Vorstandes, dem er bis 1999 angehörte.
Die demokratische Bewegung und der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verdanken Reinhard Kühnl unendlich viel. Seine Stimme – seit Jahren schon aufgrund einer Krankheit verstummt – fehlte uns sehr in den Auseinandersetzungen mit alten und neuen Geschichtslegenden. Jetzt, 2014, wenn sich in der Interpretation des Kriegsausbruchs 1914 ein massives ideologisches Rollback zur Beschönigung neuer militärischer Aktivitäten anzubahnen droht, wird schmerzhaft spürbar, dass der Ort, an dem er so eindrucksvoll stritt, nunmehr verwaist ist.
Wir danken Reinhard Kühnl für seine Arbeit und seine Kämpfe. Wir trauern um ihn.

ReinhardKühnl„Wenn wir Wissenschaftler heute dem Zeitgeist widerstehen, riskieren wir allenfalls akademische Karriere, Forschungsgelder, öffentliche Anerkennung und die Teilnahme an Talkshows. Und dieses Risiko ist unsere Sache schon wert. Denn für die Sicherung einer menschenwürdigen Zukunft brauchen wir die Wahrheit über die Vergangenheit. In unserem Lande gerade die Wahrheit über Faschismus und Widerstand.“ Reinhard Kühnl

Die Gedenkfeiern haben begonnen oder Bezwinge sich wer kann

In diesem Jahr jährt sich zum hundertsten mal der Beginn des Ersten Weltkriegs. Auf dem Duisburger Kaiserberg (vormals: Duisserner Berg, dann in nationaler Gefühlsaufwallung in „Kaiserberg“ umbenannt, und so heißt er heute noch) befinden sich einige Monumente fragwürdigen Heldengedenkens (siehe Notat vom 13. Juni 2013).
„Bezwinge sich wer kann. Die Feder reicht nicht mehr, man muß zum Tintenfaß greifen.“ Oder zur Farb-Sprüh-Dose. So geschehen Ende Januar.
Kaiserberg07Kaiserberg06Kaiserberg05
Berichterstattung der WAZ am 31. Januar:
„Vandalen verunstalten Friedhof“.
Wie auch immer man die Leute bezeichnen mag, die der Nation ein Menetekel an die Wand schrieben: Die Zeitungsschlagzeile ist irreführend. Der eigentliche Friedhof, das Gräberfeld der 801 um ihr Leben gebrachten Soldaten blieb unberührt. Nur auf dem Feld davor wurden Parolen angebracht.
In dem WAZ-Artikel wird die in Stein gemeißelte, übersprühte Verhöhnung der Toten zitiert:
„Glücklichen Auges seid ihr gestanden, Brüder, geliebte, in feindlichen Landen“.
„Der Staatsschutz prüft nun,“ heißt es weiter, „inwiefern ‚…eine Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates‘ oder auch eine ‚verfassungsfeindliche Verunglimpfung‘ vorliegt“. Indem dem Staat, der mal Deutsches Reich hieß und jetzt Bundesrepublik Deutschland heißt, das Recht abgesprochen wird, dann und wann mal eine Generation zu verheizen, fühlt er sich gefährdet.
„1921 wurde die Siegfried-Statue“ (Foto) „aufgestellt. Sie war vom Meidericher Bürger Hermann Ingenhamm in Erinnerung an seinen Sohn Johannes gestiftet worden. Johannes Ingenhamm liegt in Grab 102.“
Das ist ein Beispiel für das, was Mitscherlich „die Unfähigkeit zu trauern“ genannt hat. Für die deutschen Heldenväter sollten die Krepierten noch im Grab den Helden spielen.
„Was die Vandalen offenbar nicht wußten: Auf dem Ehrenfriedhof am Kaiserberg liegen nur Soldaten, die in Ersten Weltkrieg gefallen oder in Duisburger Lazaretten gestorben sind“, lautet die altkluge Belehrung durch die WAZ-Berichterstatter. Was die offenbar nicht wissen, ist, daß die Soldaten nicht irgendwie hingefallen, sondern im Dreck krepiert sind, und daß die Weihestätte verlogener Weihen seit Jahr und Tag Wallfahrtsort von Neonazis und nationalistischen Stolz-Deutschen ist. Solche haben – siehe Foto oben – mit schwarzweißrotem Tuche reagiert.

Zusammenfassung:
Vandalismus fand nicht auf dem Friedhof statt, sondern auf den Schlachtfeldern.
Auf dem Friedhof fand auch keine Schmiererei statt, sondern in der Zeitung.

Nachtrag:
Kaiserberg08Nur ein paar Stunden später: Es kann der frömmste Stolzdeutsche nicht in Kriegslüsternheit schwelgen, wenn es dem pazifistischen Vandalen nicht gefällt. Plötzlich war die Fahne weg!

Kaisergerg09Das ist der Teutoburger Wald,
Den Tacitus beschrieben,
Das ist der klassische Morast,
Wo Varus steckengeblieben.

Hier schlug ihn der Cheruskerfürst,
Der Hermann, der edle Recke;
Die deutsche Nationalität,
Die siegte in diesem Drecke.

(Heinrich Heine)

Encore: Made in Germany

„DDR-Häftlinge stellten Ikea-Möbel her“ stand in der Zeitung. Die schwedische Firma hatte Aufträge an die DDR vergeben, Möbelteile herzustellen. Dafür wurden Gefängnisinsassen eingesetzt („politische Häftlinge und Strafgefangene“). Eine „von Ikea selbst in Auftrag gegebene Untersuchung“ habe Hinweise darauf ergeben. Zudem habe die Studie ergeben, daß „Vertreter im Ikea-Konzern von der Möglichkeit des Einsatzes politischer Gefangener in der DDR wußten“. (WAZ, 17.11.2012).
Diese „Enthüllung“ ist nicht neu. Von dieser Ungeheuerlichkeit hat man schon vor Jahren gelesen. Aber in regelmäßigen Abständen müssen die ollen Kamellen wieder serviert werden.
In diesem Zusammenhang sollte vielleicht mal erwähnt werden, daß zur selben Zeit auch in der Bundesrepublik Strafgefangene für Arbeiten eingesetzt wurden, auch für solche, die von Unternehmen in Auftrag gegeben worden waren, und daß auch in der Bundesrepublik Menschen aus politischen Gründen verurteilt und eingesperrt wurden, etwa, weil sie mit der Remilitarisierung nicht einverstanden waren. Der Heinz Mülhaus hat mir erzählt, daß er im Gefängnis Fußbälle zusammengenäht hat. Eine Untersuchung des Deutschen Fußballbundes liegt dazu nicht vor.

„Das kommt uns aber bekannt vor. Das haben wir doch schon mal gelesen.“
Richtig. Das ist das Notat vom 19.11.2012, heute noch einmal wörtlich wiederholt. Ich hätte „Ikea“ durch „Aldi“ ersetzen können.
„In regelmäßigen Abständen müssen die ollen Kamellen wieder serviert werden.“ Darum wird in regelmäßigen Abständen die Replik serviert werden müssen.

Das neue Buch von Jutta Ditfurth

Jutta Ditfurth: Der Baron, die Juden und die Nazis. Reise in eine Familiengeschichte. Verlag Hoffmann und Campe. 400 S. Gb. 21,99 Euro
DitfurthBaronDer Verlag stellt sein Buch vor:
Nach dem Mauerfall reist Jutta Ditfurth in die DDR und sieht sich mit den Widersprüchen ihrer adligen Herkunft konfrontiert. Sie folgt den Spuren ihres schillernden Urgroßonkels Börries Freiherr von Münchhausen, einem Balladendichter, der ein Freund der Juden zu sein schien – doch dann findet sie einen Brief …
Hinter dem Mythos des 20. Juli 1944 verbirgt sich der besondere Antisemitismus des deutschen Adels im 19. und 20. Jahrhundert. Juden galten in adligen Kreisen oft als »Fremdrassige«, die die adlige »Blutreinheit« bedrohten. Auf den Schlössern und Rittergütern hatten Juden bis 1945 nichts verloren. Sie trugen vermeintlich Schuld an Revolutionen, an Kriegsniederlagen, am Sturz der Monarchie und an der Errichtung der Weimarer Republik. Der Hass auf die Juden wurde schließlich „von allen moralischen Skrupeln befreit“. Jutta Ditfurth erzählt die bewegte Geschichte von Börries Freiherr von Münchhausen.
Bestellen Sie dieses Buch in der Buchhandlung Weltbühne.
Wir besorgen jedes lieferbare Buch. Wir liefern jedes Buch an jeden Ort. Also auch dieses.
Buchhandlung Weltbühne, eine gute Angewohnheit.

Neu in der Weltbühne: Richard Müller über die Novemberrevolution

Richard Müller: Eine Geschichte der Novemberrevolution. Verlag Die Buchmacherei. 790 Seiten, einige Abbildungen, Chronologie und Personenregister. 22,95 Euro
MüllerNovemberrevolutionDer Verlag stellt sein Buch vor:
In einer historischen Trilogie unter dem Obertitel „Vom Kaiserreich zur Republik“ verfasste Richard Müller, Metallarbeiter und Vorsitzender des Vollzugsrats der Arbeiter- und Soldatenräte zur deutschen Novemberrevolution einen ungewöhnlichen Zeitzeugenbericht. Seine packend erzählten Bände inspirierten Historiker wie Sebastian Haffner und sind Standardwerk und Geheimtipp zugleich.
In den 70er Jahren erschienen im Verlag Olle & Wolter die drei Einzelbände Vom Kaiserreich zur Republik – Die Novemberrevolution – Der Bürgerkrieg in Deutschland, die jetzt in einem Band zusammengefaßt wurden.

Bestellen Sie dieses Buch in der Buchhandlung Weltbühne, denn die Buchhandlung Weltbühne will & muß überleben. Lassen Sie sich nicht einreden, daß man das genauso gut woanders bestellen kann. Das kann man zwar auch woanders bestellen, aber nicht genauso gut.

Willy Brandt hundert Jahre

„… An dieser Stelle, vor vier Jahren, eröffnete Willy Brandt den ersten gesamtdeutschen Bundestag. Ich habe zur Vorbereitung der meinen seine Rede vor kurzem noch einmal gelesen und mit Bedauern festgestellt, daß sich nicht alles von dem, was ihm vorschwebte, erfüllt hat. Willy Brandt hat uns verlassen; doch wir stehen, meine ich, immer noch in seiner Pflicht…“
Stefan Heym als Alterspräsident des Deutschen Bundestages am 10. November.1994.

Sicherlich würde man Willy Brandt nicht gerecht, wenn man in ihm einen Schurken sähe (was manche taten). Für das linke Lager in der Bundesrepublik war es seinerzeit geboten, Brandts Reformpolitik und Ostpolitik gegen seine Gegner, die rechts standen, in Schutz zu nehmen, ohne daran Illusionen zu knüpfen. Was für Willy Brandt spricht, ist am wenigsten das, was ihm „vorschwebte“. Brandts Ostpolitik war von der Einsicht geleitet, daß das Lager der sozialistischen Staaten zu sehr konsolidiert war, um ihm gegenüber mit einer starren, aggressiven Stahlhelmpolitik etwas zu gewinnen. Er war und blieb ein Gegner der DDR, wußte aber einzuschätzen, daß eine Ostpolitik ohne gewisse Konzessionen nicht auskommen konnte. Er erkannte die Fesseln, die der Ostpolitik der BRD angelegt waren. Seine Politik konnte nur so lange nützlich sein, solange es diese Fesseln gab, solange die DDR sich konsolidieren konnte. Brandts Politik konnte nur so lange vernünftig sein, solange er daran gehindert war, zu verwirklichen, was ihm vorschwebte. Man kann sagen: Willy Brandt war so lange eine positive Gestalt der Zeitgeschichte, solange er unter dem Zwang handelte, der durch die Existenz und Stärke der DDR und der sozialistischen Staatengemeinschaft gegeben war. Als dieser Zwang entfiel, blieb von der Entspannungspolitik nichts mehr übrig. Der Kalte Krieg wurde innenpolitisch fortgesetzt.

Aus DER METZGER 48 (1995), hier überarbeitet. Der ganze Text, in dem es um den Kalten Krieg im Kulturleben der 90er Jahre geht, ist auch nachzulesen in „Streiten Sie nicht mit einem Deutschen, wenn Sie müde sind“.

kaffeemann
Noch ein Zitat über Willy Brandt:
„Der Willy Brandt ist ein Versager. Aber als Versager ist der eine Kanone.“
Wolfgang Neuss

Oskar Rothstein (90)

OskarRothsteinSein Lebenslauf, so sagte er, ähnelte in einer Phase dem von Stefan Heym. Als jüdischer Emigrant kam er mit den Alliierten Truppen in seine Heimat zurück – in das Land, das sich schwer damit tat, für einen wie ihn Heimat zu sein.
Wie ging es weiter im Leben des Mannes, der gegen Hitler gekämpft hatte?

Mit seinen Gesinnungsfreunden Willi Hendricks und Otto Henke wurde Oskar Rothstein am 14. Juni 1965 auf offener Straße in Duisburg-Hochfeld von Beamten des K 14 verhaftet.
Die Anschuldigung lautete u.a., Rädelsführer einer verfassungswidrigen, verbotenen Partei gewesen zu sein. (Gemeint war die KPD. H.L.)
Seine Wohnung wurde zweimal durchsucht, Broschüren, Notizen und andere Gegenstände beschlagnahmt.
Dreieinhalb Monate (vom 14. Juni bis 29. September 1965) wurde er in Untersuchungshaft in der Haftanstalt Dinslaken festgehalten. In dem Prozeß vor der 4. Großen Strafkammer in Düsseldorf (März/April 1968) gegen ihn und seinen Genossen Willi Hendricks (10 Monate) und Otto Henke wurde er zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt.
Otto Henke erhielt 21 Monate, das gleiche Strafmaß bekam er in einem vorausgegangenen Prozeß. (Insges. 42 Mon.).
Daß sie die hohen Strafen nicht mehr anzutreten brauchten, ist den damaligen Anstrengungen demokratischer Kräfte zu verdanken.
(aus der Dokumentation „Schicksale politisch Verfolgter aus Duisburg“).

Heute gratulieren wir Oskar Rothstein zu seinem 90. Geburtstag!

Wo waren Sie im Kriege, Herr -? (3)

Das geistige Niveau
Die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg hat den tapfern Vorkämpfer des Rechts, Dr. E. J. Gumbel, in seinem Amt als Privatdozent belassen. Diese Entscheidung ist von der Fakultät in einem längern Gutachten vor ihren nationalistischen Anhängern entschuldigt worden. Darin heißt es:
Gumbel sei ein politischer Fanatiker, dem der persönliche Mut und die ideologischen Unterlagen nicht abgesprochen werden können. Jedoch sei in seiner politischen Tätigkeit nicht der leiseste Einfluß wissenschaftlicher Qualitäten zu spüren, vielmehr sei ein Tiefstand des geistigen Niveaus und ein vollkommener Mangel an Objektivität der hervorstechendste Zug. So sehr die Fakultät die Empfindungen der durch Gumbels Handlungsweise Betroffenen teile . . .
Selbstverständlich hat die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg das Recht, über Privatdozenten ihres Lehrkörpers Urteile abzugeben; diese Urteile dürfen, wenn sie sachlich wie dieses hier sind, scharf und abfällig sein. Nur sei eine kleine Anmerkung erlaubt.

Gedenktafel_in_Sanary-sur-MerWo sich heute das geistige Leben abspielt, ist schwer zu sagen. Welche Bedeutung ihm in der Blüte des kapitalistischen Zeitalters zukommt, ist wieder eine andre Frage. Sicherlich aber sind die deutschen Universitäten nicht mehr das, was sie einmal gewesen sind: das Zentrum der geistigen Kräfte des Landes. Was sich im Rahmen dieses öden Beamtenbetriebes da heute abspielt, ist völlig unerheblich und für die geistige Struktur der wertvollen Geister gleichgültig. Unter gar keinen Umständen aber kann einem Werturteil einer Universitätsbehörde irgendwelcher Wert beigemessen werden, wenn es sich um moralische Dinge handelt. Einen Mann, der den Mord im politischen Leben verfolgt, moralisch zu verurteilen, mag einem Heiligen erlaubt sein; nicht aber Leuten, die jeden Wachtmeister im Kriege zum Ehrendoktor gestempelt, und die das Schlimmste in gemeiner Kriegshetze geleistet haben. Die Blamage der 93 Intellektuellen war zu klein: es hätten auch 930 sein können, und es wären nicht zu wenig gewesen. Die Theologen, die den lieben Gott zum Bezirkskommandeur machten; die Juristen, die nachwiesen, daß der deutsche Rechtsbruch in Belgien kein Rechtsbruch sei; die Mediziner, die dem Volk vorlogen, Hungern (der andern) sei gesund, und die ihre Lungenschwindsüchtigen in den gesunden Freiluftkurort am Chemin des Dames schickten; die Philosophen, die ihre lächerlichen Philosopheme nicht erst zu schütteln brauchten, bis die Moral dieser Staaten herausfiel -: sie sind wohl nicht ganz berufen, zu richten.
Die von Gumbel ‚Betroffenen‘ sind Mörder und Mordgesellen. Daß die Fakultät deren Empfindungen versteht, ist begreiflich. Daß sie aber wagt, von einem geistigen Niveau zu sprechen, unter dem sie seit etwa hundert Jahren ihrem Kärrnerbetrieb nachgeht, muß doch wohl zurückgewiesen werden.
Dr. Gumbel darf stolz auf sein Werk sein – was die Gutachten der Beamten angeht, so steht er über ihnen.
Er soll gesagt haben: »Die Soldaten sind – ich will nicht sagen: auf dem Felde der Unehre gefallen«, und deshalb ist gegen ihn eingeschritten worden.
Den Denunzianten unter seinen Kollegen und unter den Studenten sei gesagt: Das moderne Schlachtfeld ist weder ein Feld der Ehre noch ein Feld der Unehre. Es ist die Abdeckerei der Kaufleute, wo Sadisten, Ruhmbesoffene, wertloses Gesindel und Unschuldige, Unschuldige, Unschuldige ermordet werden.
Ignaz Wrobel (i.e. Kurt Tucholsky) in Die Weltbühne, 30.06.1925

Willy & Willi

Bundesarchiv_Willy_WillMarkus Wolf schrieb in seinen Erinnerungen über das Treffen von Willy Brandt und Willi Stoph in Erfurt am 19. März 1970: „Trotz aller Vorsorge kam es dazu, daß hunderte Menschen vor der Unterkunft Brandts … die Absperrungen durchbrachen und ‚Willy, Willy!‘ riefen. Es war klar, daß sie nicht Willi Stoph meinten.“
Das war klar. Denn dann hätten sie ja nicht „Willy, Willy!“, sondern „Willi, Willi!“ gerufen.

Foto: Bundesarchiv

Schwarzgrün?

In Hessen entsteht wohl eine schwarzgrüne Landesregierung, die durchaus zum Modell einer schwarzgrünen Koalition auf Bundesebene werden könnte – dann nämlich, wenn die CSU/CDU/SPD-Koalition letztlich am Mitgliedervotum der SPD scheitern sollte. Zwar haben es die SPD-Mitglieder so an sich, (und sei es zähneknirschend und unter weiterem Verlust von Enthusiasmus) den Anordnungen ihrer Anführer überallhin zu folgen. Aber die Sozialdemokraten 2013 haben nichts mehr zu verlieren und könnten … Naja, ist nur so‘n Gedanke.
Meinen Kommentar zur schwarzgrünen Bundesregierung habe ich schon 1995 geschrieben. Auszug:

Die Feierlichkeiten zum Zusammenwachsen des in einen Topf Gehörenden wären nicht komplett, wenn nicht auch das taz-grüne Milieu seinen Senf dazugegeben hätte:
„Noch vor zehn Jahren bügelten die Nachgeborenen die Berichte ihrer Eltern über Flucht und Vertreibung als politisch unkorrekt ab. Ihre Erzählung über Vergewaltigung, Mord und Totschlag schienen einer Generation, die gerade erst entdeckt hatte, daß ihre Eltern Täter waren, peinliche Lappalien zu sein im Verhältnis zu dem, was die Deutschen der halben Welt antaten. Jede Erzählung, die nicht mit deutscher Schuld begann, galt als neuerlicher Beweis für Verdrängung und Relativierung. In diesen Monaten aber hörten die Enkel den Großeltern zu, und die durch Lebenserfahrung und Wissen milder gewordenen 68er kramten in Tagebüchern und Fotoalben, ohne gleich zu moralisieren. Dieses Niveau ist nicht rückgängig zu machen.“ (Anita Kugler in der „Taz“).
Wieviel Lebenslüge doch in ein paar Zeilen paßt – und wieviel sich durch falsches Deutsch entlarvt. Wo sie sagen wollte „…was die Deutschen der halben Welt angetan hatten“, verwechselt sie die Tempi und sagt versehentlich etwas Wahres. Eine gesellschaftliche Auseinandersetzung wird nachträglich verniedlicht zum Mißverständnis zwischen den Generationen, von denen die eine nur aus Flüchtlingen und Vertriebenen, die andere nur aus „68ern“ besteht. Als hätte es junge Chauvinisten und ältere Widerstandskämpfer nicht gegeben. Wer eine solche Lesart der Zeitgeschichte auftischt, sollte wenigstens darauf achten, daß nicht innerhalb weniger Sätze Eltern zu Großeltern und Kinder zu Enkeln mutieren. „Die Nachgeborenen“ bezieht sich wohl weniger auf Brechts Gedicht „An die Nachgeborenen“, wohl mehr auf Kohls „Gnade der späten Geburt“, von der diese Nachgeratenen nun auch etwas abhaben wollen.
Jetzt erfahren wir auch, wodurch die sogenannten „68er“ geworden sind, was Anita Kugler „milder“ nennt: „durch Lebenserfahrung und Wissen“.
Sie konnten sich immer schon gut verstellen, die verlorenen Söhnchen und Töchterchen, die jetzt mit der Taz unterm Arm heimgekehrt sind. Früher taten sie sich groß, ihrem Verdruß über ihre mißratenen Eltern den Anschein politischer Haltung zu geben. Jetzt tarnen sie ihren Opportunismus als Lebenserfahrung und Wissen. Dabei nehmen sie ihre Haltung wider besseres Wissen ein. Aber es ist ja gerade nicht das bessere Wissen, das da gemeint ist, nicht das Wissen von und über etwas. Es ist das geheimnisumwitterte „Wissen um…“, das zur Attitüde der Abgeklärtheit gehört.
Durch erworbenes Wissen und Lebenserfahrung gar nicht milder geworden, stelle ich fest: die haben sich überhaupt nicht geändert, jene „68er“, die ohne zu moralisieren in Fotoalben blättern. Sie verstehen es nur mal wieder, im richtigen Moment die richtigen Sprüche aufzusagen. Diese sogenannten „68er“ haben ihren Eltern verziehen, und hinter dieser Pose der Großherzigkeit steckt nichts anderes als das Begehren, beim Aufstieg Deutschlands nicht abseits zu stehen. Dazu bedurfte es keines Bruchs ihrer Identität.
Daß die Mainstream-“68er“ nach „Sieg im Volkskrieg“ und „Macht kaputt was euch kaputtmacht“ jetzt die Kurve gekriegt haben hin zu schwarzgrüner Option, „ökologischer Marktwirtschaft“, „Politikfähigkeit“ und vaterländischer Opferbereitschaft, ist nicht das Resultat der deutschen Einheit. Die Niederlage des realen Sozialismus hat diese Entwicklung allerdings verstärkt und beschleunigt. An der Konstruktion gegenwärtiger Machtpolitik hat diese Ex-Linke mitgewirkt. Sie hat in ihrer Klamottenkiste, die sie durch die Weltgeschichte schleppt, genügend Zeugs gesammelt, mit dem man auf dem Weg nach oben gut gerüstet ist.
Die „Kritik“ am realen Sozialismus diente angeblich dazu, den wirklichen, authentischen, „echten“ Sozialismus herauszuarbeiten, in Wirklichkeit aber, den diskreditierten Antikommunismus des Establishments rundzuerneuern. Auf diesen Kern beschränkten sich die Alterativen in den 80er Jahren. Sie hörten pünktlich damit auf, ihre Parolen vom „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ herumzuposaunen. An die Stelle dieser idealistischen Phrase trat eine „Menschenrechtspolitik“, die sich von der Linie der CDU nicht mehr unterschied. Schwarzgrün gibt es schon lange.

kaffeemannaus „Sie müssen mich gern haben“ in DER METZGER 49 (1995), enthalten in „Streiten Sie nicht mit einem Deutschen, wenn Sie müde sind“ 21 Polemiken, Situationspresse 2001 ISBN 978-3-935673-15-0, beide noch erhältlich.