Zum Einheiztag (morgen)

kleister
Das ist eine Karikatur, die den morgigen Einheiztag aufs Korn nimmt.
Bei genauem Betrachten stellt man fest, daß ich sie am letzten Tag der segensreichen deutschen Zweistaatlichkeit gezeichnet habe.
Zwischen dem 9. November 1989, als das Tor der Pandora geöffnet wurde, und dem 3. Oktober 1990, als wir dann den Salat hatten, waren wir oft nachts unterwegs, um antinationalistische, wehrkraftzersetzende Plakate auf Mauern und Zäune zu kleben. Hier nur zwei von vielen Beispielen:
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In der Nacht vom zwoten auf den dritten Octobre, als die letzten Plakate geklebt waren, waren unsere Hände voll mit Tapetenkleister. Sowas hat man nicht gern, weil es nicht angenehm ist.
Uns kamen zwei Männer in dunklen Anzügen entgegen. Ich schlug vor: „Sollen wir nicht einfach unsere Hände an denen ihren Anzügen abwischen? Besondere historische Situationen erfordern besondere Vorgehensweisen.“
Die beiden Männer waren Japaner, und ich dachte, denen könnte man es bestimmt weismachen, daß das Anschmieren mit Kleister eine hohe Tradition deutscher Art sei, damit würde der Wille zur Verbundenheit symbolisiert.
Das haben wir natürlich nicht getan.
Aber ich hab an dem Abend noch dieses Bild gezeichnet und könnt‘ mich immer noch dadrüber kaputtlachen.

Der Radius des Zusammenhangs oder Wer kennt Wolfgang Langhoff?

Geboren am 6. Oktober 1901. Schauspieler am Düsseldorfer Schauspielhaus, das auch schon in den 20er Jahren häufig in Duisburg gastierte, darum mit Duisburg verbunden. Als Mitglied der KPD war er für eine Agit-Prop-Gruppe aktiv, ebenso für die „Assoziation revolutionärer Künstler“, kurz ASSO, die dem späteren ASSO-Verlag den Namen gegeben haben dürfte.
1933 von der Gestapo verhaftet, im Düsseldorfer Polizeigefängnis schweren Mißhandlungen durch die SA ausgesetzt, wurde er im Juli 1933 in das Konzentrationslager Börgermoor verbracht. Hier verfaßte er gemeinsam mit den Mitgefangenen Johann Esser und Rudi Goguel das Moorsoldatenlied, das, in viele Sprachen übersetzt, zur Hymne der Antifaschisten wurde.
1934 aus der KZ-Haft entlassen nutzte er die Gelegenheit, Deutschland über die Schweizer Grenze zu verlassen – wenige Tage, bevor die Grenze geschlossen wurde. Er fand ein Engagement beim Schauspielhaus Zürich, das emigrierten Schauspielern ein Betätigungsfeld bot.
1935 erschien sein Buch „Die Moorsoldaten“ als einer der ersten Augenzeugenberichte über die Bestialität des deutschen Faschismus.
1945 aus dem Exil zurückgekehrt wurde er Intendant am Deutschen Theater, wo er auch einige Stücke selbst inszenierte. Seit 1952 war er Mitglied der Akademie der Künste der DDR.

Zentralbild/Sturm 31.5.1962 Deutsche Akademie der Künste erklärt sich zur Sozialistischen Akademie - Dr. h.c. Willi Bredel neuer Präsident Die Deutsche Akademie der Künste zu Berlin erklärte sich am 30.5.1962 in einer ordentlichen Plenartagung zur Sozialistischen Akademie. Die Mitglieder wählten den neuen Präsidenten und die Vizepräsidenten der Akademie und bestätigten die ständigen Sekretäre der Sektionen. Zum Präsidenten wurde einstimmig Dr. h.c. Willi Bredel gewählt. Vizepräsidenten sind Prof. Dr. Walter Felsenstein, Prof. Ottmar Gerster, Prof. Wolfgang Langhoff und Prof. Otto Nagel. Die Mitglieder der Akademie nahmen einstimmig ein neues Statut an. Es löst das in der Zeit des antifaschistischen demokratischen Aufbaus entstandene und 1945 von der Regierung der DDR bestätigte Statut ab und legt die Aufgaben einer Sozialistischen Akademie fest. UBz. Während der Plenartagung. V.l.n.r.: Prof. Wolfgang Langhoff, Prof. Erich Engel, Prof. Wolfgang Heinz. 93752/3N
Auf dem Foto (Tagung der Akademie der Künste) ist er links zu sehen. Der Mann rechts daneben ist Erich Engel, Regisseur am Berliner Ensemble.

Mit der offiziellen Kulturpolitik der DDR hatte er immer wieder Ärger. Man warf ihm mangelnde Umsetzung des sogenannten Sozialistischen Realismus vor. Wegen der Mißbilligung seiner Inszenierung von Peter Hacks‘ „Die Sorgen und die Macht“ trat er als Intendant zurück.
Als Schaupieler blieb er immer aktiv. Seine letzte Rolle für die DEFA war der Rittmeister von Prackwitz in der mehrteiligen Fallada-Verfilmung „Wolf unter Wölfen“: ein Mann, der an der Welt, die er nicht mehr versteht, verrückt wird.
Wolfgang Langhoff starb am 25. August 1966, heute vor 50 Jahren.

In der Zeit, als er in Duisburg spielte, logierte er in dem Haus Goldstraße 1, übrigens ebenso wie sein Kollege Gustaf Gründgens. Dort wohnte ein paar Jahrzehnte später auch ich, nämlich in der Kommune unter dem Dach.
In dem Haus spukte der umstürzlerische Geist. Im Parterre hatte Baumeister sein radikalpazifistischen Büro. In dem Haus wohnten die Künstler Robert Schulte und Friedhelm Ripperger (letzterer eher bekannt unter dem Namen Obelix). Im ersten Stock wohnte eine der allerersten Frauen-WGs weit & breit. Und im Dachgeschoß wohnte die Bröselmaschine. In dem Haus befand sich auch zeitweise das größte Einzelhandelsgeschäft für Dope und Grass in Duisburg, was sie aber bitte nicht weitererzählen.
Das Haus als ganzes und das Dachgeschoß en detail ist Schauplatz einiger meiner unter meinem Klarnamen oder unter Pseudonym verfaßten veröffentlichten oder noch nicht veröffentlichten Geschichten. Aber daß der Wolfgang Langhoff da ein- und ausgegangen ist, habe ich erst erfahren, als das Haus schon abgerissen war.

Erdenwunder

Heute, am 13. August, wurden in Berlin wieder Kränze niedergelegt und lange Gesichter gezogen: „Im Gedenken“.
Gedenken ist ja gut. Gedanken wären besser.
2011, vor 5 Jahren, anläßlich des 50. Jahrestages ihrer Grundsteinlegung, erschien in DER METZGER Nr. 94 der Aufsatz über die Berliner Mauer „Der Erdenwunder schönstes“.

M094Ein paar Zitate:

Die Bundesrepublik befand sich in keinem normalen Zustand. Es ist ohnehin fraglich, ob deutsche Zustände jemals das Prädikat der Normalität verdient haben.

Die Brandredner wollten (…) die „Ostgebiete“ zurück, sie wollten die Grenzen verschieben. Sie wollten Vertreibung. Sie wollten das Ergebnis des Zweiten Weltkrieges revidieren. Sie wollten Atomwaffen für die Bundeswehr. Sie hatten keine Skrupel, die Flammen, die von deutschen Kriegsverbrechern angezündet worden waren und in denen das Deutsche Reich verbrannt war, wieder auflodern zu lassen. Der Springer-Kolumnist William S. Schlamm schlug gar vor, Westberlin zu evakuieren, um die DDR mit Atombomben auszulöschen. Berlin sei einen Krieg wert. Wer so etwas schreibt, ist ein Verbrecher.
Der NDR zitierte in einer Rundfunkreportage am 10. Oktober 1961 einen DDR-Bürger: „Was ist denn mit eurer Politik der Stärke? Warum habt ihr denn aufgerüstet, wenn ihr nicht mit der Armee von Ulbricht fertig werdet? Lieber im Atomkrieg zugrunde gehen als unter Ulbricht weiterleben.“ Wer so etwas sagt, ist ein Idiot.
Wer sich erinnert, wird nicht ruhigen Gemütes von der Hand weisen können, daß im Sommer 1961 der Frieden in Europa in Gefahr war.

„Unsere Staatsmänner in Bonn haben die Sowjets nicht für Menschen, sondern für entartete Teufel eingeschätzt. So waren sie nicht imstande, sich selbst in Gedanken an die Stelle des Gegners zu versetzen und sich zu fragen, was sie an seiner Stelle wohl tun würden… Das erste Erfordernis aber, um richtige Politik zu machen, besteht darin, in die Haut des Feindes zu schlüpfen“, schrieb Rudolf Augstein 1961 im Spiegel, und er fügte hinzu: „Spätestens 1965 würde die Bundeswehr potent genug sein, um bei fortdauernd umstrittenen Grenzen die westliche Koalition in spontane oder provozierte Konflikte zu verwickeln… Die Sowjets glauben nicht daran, daß den Deutschen die Verfügungsgewalt über Atomwaffen auf Dauer vorenthalten wird. Sie glauben nicht an Beteuerungen, solange sich das Potential auf deutschem Boden häuft. Sie haben, um ehrlich zu sein, auch wenig Grund, deutschen Beteuerungen zu glauben. Es drohte also eine Situation, in der die Sowjets von den Deutschen um die Früchte ihres Sieges über Hitler gebracht werden könnten. Es drohte eine gewaltsame Revision des Sieges von 1945, und zwar von Seiten des Besiegten.“

Durch die Berliner Mauer wurde zunächst eine brandgefährliche Situation entschärft, auf die Dauer zwang sie zu einer Mäßigung der westlichen Zurückdrängungspolitik. Die Phase der Entspannungspolitik war ohne die Berliner Mauer nicht denkbar. (…) Auch für die Menschen in der Bundesrepublik verbesserte sich die Lage. Sie konnten ruhiger schlafen, weil die Gefahr, daß von deutschem Boden Krieg ausgeht und auf deutschem Boden Krieg beginnt, verringert war. (…) Die, denen der Frieden den Schlaf raubte, waren in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Willy Brandt hätte nicht „mehr Demokratie wagen“ können, wenn die Ostlandreiter weiterhin so hätten wüten können wie bis zum 13. August 1961.

Anders als die BRD hat die DDR niemals Gebietsansprüche gestellt, keine faschistischen Organisationen geduldet, nie versucht, ein anderes Land zu regieren und zu annektieren, nie den Frieden gefährdet und nie Soldaten zum Kriegseinsatz in fremde Länder geschickt. Anders als die DDR hat die BRD dem Hauptfeind des Nazireiches weiterhin feindselig gegenübergestanden – die Regierung, mehr noch die Bevölkerung. Die Bundesrepublik und ihre Prokuristen hatten und haben keinen Grund, sich gegenüber der repressiven DDR dicke zu tun. Die Geschichte staatlicher und nichtstaatlicher Repression in der BRD ist noch aufzuarbeiten. Die haßerfüllte, vernichtungsgierige Hysterie, mit der der deutsche Untertan auf jede ihm fremde Lebensregung reagiert, ist die Perpetuierung des deutschen Faschismus in den Alltag.

Darf man, kann man, soll man, muß man (…) im Atomzeitalter der Unvernunft Freiheit gewähren? Dazu möge jeder sein Gewissen befragen.

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90 Jahre 13. August

Der 13. August ist, wie Sie bestimmt auch finden, ein Tag freudigen Gedenkens.
Morgen, am 13. August 2016, feiert Fidel Castro seinen 90. Geburtstag.

Die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba erklärt dazu:

Am 13. August vollendet Fidel Castro sein neunzigstes Lebensjahr. Nur wenige Menschen auf dem Planeten können auf ein annähernd bewegtes Leben zurückblicken und haben dabei gleichzeitig so viele Attentate auf ihr Leben überstehen müssen.
Die Kubanische Revolution und Fidel Castro sind untrennbar miteinander verbunden, auch wenn es zu ihrer Errichtung und Festigung eines ganzen Volkes und nicht nur einer einzigen Persönlichkeit bedurfte – so ungewöhnlich stark diese auch sein mag.
Fidel Castro hat die Kubanische Revolution immer als Produkt des Kampfes mehrerer Generationen von Kubanerinnen und Kubanern gesehen. Dazu zählen die Widerstandsaktionen gegen die spanische Kolonisation im 19. Jahrhundert, die, angeführt von Manuel de Céspedes, zum ersten Unabhängigkeitskrieg führten. Der zweite Unabhängigkeitskrieg, inspiriert besonders von den Ideen von José Martí, brachte die Ablösung der Herrschaft der Spanischen Krone, führte aber zur Übernahme der faktischen Macht durch die Vereinigten Staaten.
Wirkliche Souveränität erlangte Kuba erst mit dem Triumph der Revolution 1959, die gleichermaßen internationales Agieren auf Augenmaß mit den führenden Industriestaaten brachte, wie auch eine gesellschaftliche Gleichheit der Kubanerinnen und Kubaner wie es sie bis heute in Lateinamerika nicht gibt. Die Revolution war mit dem Sturm auf die Moncada-Kaserne am 26. Juli 1953 eingeläutet worden – unter Führung des jungen Fidel Castro.
Immer hat Fidel Castro mit seinem eigenen Internationalismus den Internationalismus seines Volkes inspiriert. Kuba hat unter großen Opfern wesentlich dazu beigetragen, dass das südliche Afrika frei von Kolonie und Apartheid wurde. Bis heute wird Fidel Castro, stellvertretend für das kubanische Volk, dafür in ganz Afrika verehrt.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat Fidel als Staatspräsident Kuba durch schwere Jahre geführt. Die damals ausgerufene Sonderperiode ist heute weitgehend überwunden, und Kuba ist immer noch ein sozialistisches Land. Veränderungen und Korrekturen am sozialistischen Gesellschaftssystem sind immer dann durchgeführt worden, wenn sie nötig und wenn sie möglich waren. Heute ist Kuba Beispiel dafür, dass jenseits des ausbeuterischen und parasitären Kapitalismus, der immer auch auf die Ausgrenzung von Minderheiten setzt und dem das Führen von Kriegen immanent ist, eine andere Art von gesellschaftlichem Zusammenleben möglich ist. Die Menschheit hat eine andere Wirtschafts- und Gesellschaftsform nötig, wenn sie ihr Überleben organisieren will!
Dieses Beispiel hat Fidel Castro den Hass der imperialistischen Mächte eingetragen – und dieses Beispiel hat 1974 zur Gründung der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba und zur Solidarität mit Kuba auch in den deutschen Staaten geführt.
Wir wissen, dass die Solidarität stärker ist als der Irrationalismus, mit dem Kubas Revolution bekämpft wird. Diese Solidarität geht über den Menschen Fidel Castro, dem wir noch viele Jahre an der Seite seines Volkes wünschen, hinaus.
Bundesvorstand der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba
10. August 2016

Castro_1._Mai_2005Fidel Castro am 1. Mai 2005. Foto: Vandrad Creative Commons.

Berlin: Castro / Die Partei- und Regierungsdelegationen unter Leitung des Ersten Sekretärs der KPK und Ministerpräsidenten der Revolutionären Regierung der Republik Kuba, Fidel Castro(M), besichtigte am 14.6.1972 die Staatsgrenze der DDR zu Westberlin. Die Delegation, von Werner Lamberz, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED (2.v.l.), und anderen Persönlichkeiten, begleitet, wurde von Generalleutnant Arthur Kunath, Satdtkommandant von Berlin (2.v.r.), informiert. Rechts: Carlos Rafael Rodriguez, Mitglied des Sekretariats des ZK der KPK und Minister der Revolutionären Regierung.

Und hier haben wir doch gleich ein Bild für das Doppel-Gedenken am Doppel-Gedenktag 13. August: Fidel Castro als Staatsgast am der Mauer in Berlin (DDR) Juni 1972.
Foto: adn/ Bundesarchiv.

VoltaireCastroAchten Sie auf die Voltaire-Flugschriften (neue Folge in der Situationspresse). 28 S. 1,80 Euro (im Versand: 2,80 Euro) Alleinvertrieb: Buchhandlung Weltbühne. Dort noch mehr von und über Fidel Castro.

Dem Volke nicht dienen

„Wozu braucht der Mensch ein Volk?“
Lina Ganowski

WirSindDasVolkDiesen Nachbarn kennen wir: Ohne Idee, ohne Einsicht, ohne Fantasie, ohne Empathie, ohne Mitgefühl (außer für sich selbst), dafür aber voller Hass und zügelloser Aggression gegen alles Fremde und alles Unverstandene: den Wut-Bürger, den Haß-Bürger, den Spieß-Bürger, den Pegida-Bürger.
Die Parole lautet: „Wir sind das Volk“.

Diese Bild-Text-Montage (mit einem Bild-Zitat aus einer Halbritter-Karikatur) wurde allerdings schon 1990 montiert, erschien als Intro (Seite 3) von DER METZGER Nr. 43, und es klebte als Plakat der DFG-VK (Duisburg!) an vielen Bauzäunen, während die „Friedliche Revolution“ tobte.
Auch damals lautete die Parole „Wir sind das Volk“.

Man glaube nur nicht, daß das Volk von damals ein anderes war als das von heute.

Alles war, nix is mehr (8) oder Auf der Suche nach der fröhlichen Wissenschaft

nixis47Die Firma gibt‘s also noch. Die heißt auch noch so. Und die sieht ja auch noch fast genauso aus wie „zu meiner Zeit“. Aber ob die Firma noch mit Fug als „Hort der fröhlichen Wissenschaft“ aufgefaßt werden kann, steht dahin.
Imposante Schmiede-Eisen-Architektur! Links, wo ich einst eintrat, ist jetzt geschlossen. Dafür kann man jetzt durch die Mitte gehen. So ändern sich die Zeiten.

nixis48Das Ganze von der anderen Seite betrachtet (von Norden – der Norden heißt hier: Wittekindstraße). Blick über den Schullow. Die „Löbenicht-Eiche“ (hinten links) überragt inzwischen die Gebäude. Kaum einer wird wissen, daß die Eiche so heißt. Darum braucht man sie auch nicht zu fällen. Sie kann ja nichts dafür. Als ich hier als Sextaner meine Laufbahn begann, war die Eiche gerade gepflanzt worden und diente in ihrer jugendlichen Mickrigkeit als Symbol für die Dürre der heimatvertriebenverbandlichen Phrasen. Das möchte ich nämlich am heutigen Tag den Nachrufen auf die Genossin Margot Honecker entgegenstellen: Wir sollten im Kalten Krieg zu linientreuen Anhängern des westdeutschen Revanchismus erzogen werden, was nicht so recht hinhaute.

nixis49Dort hinter dieser Skulptur, die wohl irgendwas symbolosiert oder von jemandem gestiftet wurde oder beides ist der Vordereingang, der aber nie benutzt wurde, sondern nur der Vornehmheit diente.
Ich träume aber oft, durch diese Tür ins Freie zu treten. Das ist dann eine Situation des Entkommens.
Der Park war der Pausenhof für die Oberstufe (zu betreten durch die bescheidene Tür des „Neubaus“).
Der Park ist heute eingezäunt. Das Foto entstand zwischen zwei Zaunlatten.

nixis50Der „Neubau“ (Anbau) diente der Exklusivität der Oberstufe. Dort hinter jenen Fenstern im ersten Obergeschoß strebte ich als Oberprimaner dem Finale entgegen.
Die Firma litt permanent an Raum-Mangel, woran sich nichts geändert haben dürfte, weil heutzutage alle Eltern davon überzeugt zu sein scheinen, daß ihre zehnjährigen Kinder (mindestens: hochbegabt) unbedingt aufs Gymnasium gehen müßten und somit das Mittelmaß dort die Gänge verstopft. Und dann auch noch: Verkürzter Bildungsgang.
Aus lauter Verzweiflung wurde dem Neubau ein Anbau (dem Anbau ein Neubau) hinzugebaut.
Ich dachte damals: Hier lernt man zu wenig. Ich erwartete mehr Leistung von dem Bildungsunternehmen. Aber als Hort der fröhlichen Wissenschaft konnte das Unternehmen durchaus gelten (nicht im Nietzscheschen, sondern im Godardschen Sinne).
Zwei wertvolle Bldungsinhalte konnte ich mir auf der Oberschule aneignen:
1. Die Fähigkeit, mich in mißlichen Situationen irgendwie durchzuwurschteln und rauszuwinden,
2. Quatschmachen (auf einem gewissen intellektuellen Mindestniveau) und den Wert dieser Fähigkeit erkennen.
Ich könnte noch als Drittes erwähnen: Die Erkenntnis, daß man die wichtigsten Kenntnisse und Befähigungen als Autodikakt sich selbst beibringen muß.

nixis51FORTSETZUNG FOLGT.

Pop Art

Begrifflichkeiten der Kunst(-Geschichte): Pop Art
SED_Logo.svg
Die SED wäre gestern 70 Jahre alt geworden / wurde gestern 70 Jahre alt?
Daß sie einst in der Kunst der Metamorphose so weit fortschreiten würde, hätten Sie ihr vor 70 Jahren doch bestimmt auch nicht vorhergesagt.
Wußten Sie, daß das Emblem von John Heartfield entworfen wurde?

Walter Kaufmann

KaufmannWalter2016AprAuf diese Lesung muß ich nicht mehr hinweisen, sie hat schon stattgefunden. Der Zeitungsausschnitt von gestern informiert über den Autor Walter Kaufmann.
Er ist nicht einer der bekanntesten deutschen Schriftsteller, wohl aber einer der interessantesten. Daß er, aus Deutschland vertrieben und nach Deutschland zurückgekehrt seine Heimat in der DDR fand, will ich hervorheben.
Daß in der Buchhandlung Weltbühne das Werk dieses Autors besonders beachtet wird, versteht sich von selbst. Auf das im Zeitungsartikel genannte neue Buch „Meine Sehnsucht ist noch unterwegs“ verweise ich (Verlag Neues Leben, 15 Euro).
Hier wird man auch noch einige vergriffene Titel finden.
Besonderer Hinweis heute:
KaufmannWalterSchadeSchade, dass du Jude bist. Kaleidoskop eines Lebens – Autobiografische Erzählungen. Prospero Verlag. 17.95 Euro.

Datum von heute

WittHeirat1Das ist der Vorteil, wenn man eine eigene Zeitung rausgibt.
Dann braucht man für solche Anzeigen nichts zu bezahlen.

WittHeirat2Warum nimmt man für sowas eigentlich immer den Ersten April? Dann merkt das doch jeder sofort.

Die Anzeige vom 1. Dezember 1988 erschien in DER METZGER Nr 40 im JANUAR 1988. Ich hätte also noch 11 Monate Zeit gehabt, um sie rumzukriegen.

Neu in der Weltbühne: Gysis Ausstieg

Gregor Gysi, Stephan Hebel: Ausstieg links? Eine Bilanz. Westend-Verlag. 224 S. 16,99 Euro
GysiAusstieglinksDer Westend-Verlag läßt wissen:
Eine Polit-Legende erzählt.
Gregor Gysi – wie kaum ein anderer Politiker prägte er die vergangenen 25 Jahre deutscher Einheit. Schnell avancierte er vom DDR-Anwalt zum Politprofi und Talkshow-Star. Gysi wurde zunächst bewundert und gehasst, verschaffte sich Schritt für Schritt beachtliche Anerkennung im Osten und genießt nun Respekt im gesamten Land. Mit seinen Reden fasziniert er bis heute selbst politische Gegner. Nach seinem Rücktritt aus der ersten Reihe der Politik legt er nun eine erste Bilanz vor. Er spricht mit Stephan Hebel über die Reize des Westens und die DDR-Nostalgie, Sozialismus und Marktwirtschaft, Erfolge und Niederlagen seiner Partei, die bewegendsten Begegnungen und den Preis, den die Politik dem Menschen Gregor Gysi abverlangte. Ein einzigartiges Dokument deutscher politischer Zeitgeschichte.

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LIEBE leute BESTELLT bücher IN der BUCHHANDLUNG weltbühne UND sonst NIRGENDS.
Weltbühne muß bleiben.
Buchhandlung Weltbühne, eine gute Angewohnheit.

Am 3. Oktober ist immer zu

Meine Damen & Herren, bitte denken Sie dran: Morgen ist gesetzlicher Feiertag. Alles im Haus? Kaufen Sie heute schon für das ganze Wochenende ein.
Verlängertes Wochenende! Sehr schön. Da kann ich ja endlich meine Zeitung fertig machen. Da hat die Deutscheeinheit ja doch was Gutes. Nächsten Jahr ist der Feiertag sogar an einem Montag, das ist ja noch schöner!
Schlaue Menschen haben sich rechtzeitig mit dem Fiese-Möpp-Aufkleber ausgestattet:
AllesBesser..

Nä! Dat is nich James Bond!

Heute stand in der Zeitung, daß Sean Connery Geburtstag hat (85). Hoch soll er leben! (Gönn ich ihm).
Das ist der Mann, der James Bond gespielt hat.
Nein, man müßte sagen: Das ist einer der Männer, die James Bond gespielt haben.
Die Rolle das „Geheim“-Agenten James Bond wird immer von anderen Schauspielern gespielt. Ja, meinen die denn, ich würde das nicht merken?

In dem Film „Die Marx Brothers auf dem Schiff“ wollen alle drei die Passkontrolleure betuppen, indem Groucho UND Chico UND Harpo behaupten, Maurice Chevalier zu sein. Aber da war das komisch gemeint.

MarxBondFür die Rolle des James Bond war ganz am Anfang Cary Grant vorgesehen. Da hätte sein englischer Akzent, über den man sich in den USA oft lustig machte, gut gepaßt. Aber Cary Grant wollte die Rolle nur einmal spielen, vorgesehen war aber eine Serie. Das hätte der doch ruhig machen können. Dann hätten wir jetzt eben nicht bloß 63, sondern 64 James-Bond-Darsteller.
Ian Fleming, der James-Bond-Erfilnder, fand die Rolle mit Sean Connery fehlbesetzt. Er hätte lieber David Niven in der Rolle gesehen. Den distinguierten David Niven, stellen Sie sich das vor! In der James-Bond-Parodie „Casino Royal“ wurde James Bond dann tatsächlich von David Niven gespielt, und Allewelt lachte darüber: David Niven als James Bond! (Da kann man sehen, daß meist doch nur die Parodie der Wirklichkeit gerecht wird).

Ich mag die James-Bond-Filme, obwohl ich sie nicht mag. Die Arroganz des Killers. Und mehr noch als dieses Jetset-Getue verhaßt sind mir die Leute, die sich von diesem Jetset-Getue blenden lassen. Erträglich wird sowas, wenn man nicht ernst nimmt, was ernst gemeint ist. Aber um mich zu unterhalten hätten doch sechs oder sieben James-Bond-Filme genügt. Die weiteren 84 Filme der Serie wären doch nicht nötig gewesen. Und Ursula Undressed (Andress) hätte sich doch auch woanders undressen können. Helmut Qualtinger sollte mal einen Schurken in einem James-Bond-Film spielen. Das hat er nicht angenommen, denn er lehnte es ab, in einem antikommunistischen und antisemitischen Film mitzuspielen. Bravo!

Markus Wolf, Chef des DDR-Auslandsgeheimdienstes, schrieb in seinen Erinnerungen, die James-Bond-Filme hätten mit der Realität der Geheimdienste gar nichts zu tun. Eine Geheimdienst-Aktion sei nur dann wirklich erfolgreich, wenn die Gegenseite überhaupt nichts merkt.

ADN-ZB/Schöps/8.12.89/Berlin: Markus Wolf ; Schriftsteller.

Und, so meinte Markus Wolf, die Realität sei sowieso viel aufregender als die Fiktion.
Ja, so ist das: Nur die Phantasielosen flüchten aus der Realität.

Eine Studie der Freien Universität Berlin …

… hat Erfreuliches zutage gefördert: 63 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen können wenig oder gar nichts mit Namen wie Honecker oder Begriffen wie Stasi anfangen.
Nun gibt es allerdings Leute, die sich über dieses ermutigende Forschungsergebnis gar nicht freuen können. Zu denen gehört der Direktor einer dubiosen Gedenkstelle, Hubertus Knabe. Das wiederum ist noch schöner als das, was die Studie ermittelte. Der Ärger, der Hubertus Knabe quält, gehört zu den kleinen Freuden des Lebens. Sobald Hubertus Knabe sich mal wieder ärgert, bessert sich das Wetter.

Wer sich heute in der politischen Auseinandersetzung professionell oder halbprofessionell mit (Zeit-)Geschichte beschäftigt, hat dafür durch den Geschichtsunterricht weder die Motivation bekommen, noch wurde er dafür mit dem Rüstzeug versehen. In den 50er und 60er Jahren war der Geschichtsunterricht an westdeutschen Schulen über die Zeit nach 1918 eine Propagandaabteilung des Kalten Krieges. Da mag heute mancher denken: Da müssen wir wieder hin.
(Gut war allerdings, daß wegen Unterrichtsausfalls und wegen Mittelalterverliebtheit der Geschichtslehrer der Geschichtsunterricht auf der Zielgeraden gar nicht mehr an das Zwanzigste Jahrhundert anlangte, worüber manche sich beschweren zu müssen glauben).

7 von 10 Schülern in NRW glauben, die Berliner Mauer wäre von den Amerikanern gebaut worden. Viele der 16- und 17jährigen im Westen glauben, Konrad Adenauer sei ein SED-Politiker gewesen. Nun, warum nicht? Das ist zwar falsch, aber das ist wenigstens noch zum Lachen. Sollte der Geschichtsunterricht an den Schulen demnächst den „Unrechtscharakter der DDR“ in den Vordergrund schieben, muß man den Schülerinnen und Schülern dringend empfehlen, im Geschichtsunterricht Stadtlandfluß zu spielen. Denn was ihren da eingetrichtert werden soll, ist noch falscher als das SED-Mitgliedsbuch für Adenauer. Es ist auch nicht bloß falsch, es ist infam: Die DDR als „zweite Diktatur“, gewissermaßen als Fortsetzung des Dritten Reiches mit anderen Fahnen.
Über die Zählweise muß man sich sowieso wundern. Wieso „zweite“ Diktatur? Nimmt man den Zeitraum seit Bildung des deutschen Nationalstaates, also seit 1871, hat es eine ganze Menge Diktaturen in Deutschland gegeben. Es ist noch nicht mal klar, ob man das Kaiserreich und die Militärdiktatur während des Ersten Weltkrieges als eine oder als zwei Diktaturen zählt. Die Weimarer Republik hat schon 1930 aufgehört, eine parlamentarische Demokratie zu sein. Von 1945 bis 1949 hatten wir hier eine Militärdiktatur, sogar eine Diktatur des Militärs fremder Mächte – und betrachtet man die, kommt man darauf, daß „Diktatur“ gar nicht unbedingt etwas Schlimmes sein muß. Karl Marx gar verwendete die Bezeichnung „Diktatur“ für jegliche politische Herrschaft.
Von einer der schlimmsten Diktaturen hat uns die Europäische Union befreit. Daß der Staat jetzt nicht mehr vorschreiben darf, daß das halbe Pfund Butter 250 Gramm wiegen muß. Von dem Zwang sind wir alle jetzt endlich befreit. Wie habe ich mich mein ganzes Leben lang danach gesehnt, eine Tafel Schokolade kaufen zu können, die 93 Gramm wiegt!
NachhilfeGeschichte..

Dachgedacht

Als ich – schon einige Jahre ist es her – meinen Zivildienst begann (als Pfleger auf einer chirurgischen Männerstation), war einer der ersten Patienten, denen ich begegnete, ein Dachdecker, der vom Dach gefallen war, der einige Knochenbrüche erlitten hatte. Das war ein fröhlicher Mensch. Nun stand er nach einigen Wochen im Krankenhaus vor der Entlassung, und er sagte, daß er nun gleich wieder aufs Dach steigen würde. Klar doch, meinte er. Auf Dächern herumklettern sei schließlich sein Beruf.
Dachdeck1Also, ich könnte sowas nicht. Wenn mir sowas passiert wäre, würde ich nie wieder auf einem Dach herumsteigen. Nie wieder!
Keine zehn Pferde würden mich aufs Dach bringen.
Dachdeck2Abgesehen davon, daß man auch die Pferde nicht aufs Dach kriegen würde.

So sah das bestimmt auch der Honecker: „Ich steig nicht mehr aufs Dach; da werde ich doch lieber Generalsekretär.“
So hätte ich das auch gemacht.

Dachdeck3
Es wird sogar noch auf’m Schild vor Arbeit auf dem Dach gewarnt.
Aber auch durch die Warnung von Meister Lampe lassen sich die Dacharbeiter nicht abhalten.

Wissen Sie, was morgen für ein Tag ist?

Morgen ist der 1. Juli 2015, der 25. Jahrestag der „Währungsunion“.
Ein Nachbarland wurde einverleibt (vulgo: annektiert), die westdeutsche Währung wurde dort eingeführt, als ob das mal so einfach ginge. Folge war, daß eine Volkswirtschaft zusammenbrach.
Der wirtschafts- und währungspolitischen Entscheidung lag keine nüchterne Kalkulation zugrunde, ökonomischer Sachverstand spielte keine Rolle. Umso mehr der Kalte Krieg. Ideologische Verblendung und marktwirtschaftlicher Heilsglauben tobten sich aus. Darum führte die Entscheidung in die Katastrophe. Gucken Sie sich diese „blühenden Landschaften“ doch mal an.

Dieselben Scharlatane, die auf Verluste keine Rücksicht nehmen, sind jetzt damit beschäftigt, „Griechenland zu retten“.
Vor einem Jahr wurden die Renten halbiert, weil die Verkünder der Marktwirtschaft meinten, die Renten wären zu hoch. Letzte Tage in einer dieser TV-Talkshows sagte der Wirtschaftsguru Sinn: in Griechenland sind die Renten zu hoch.
Denen fällt nichts Neues ein. Die Renten sind zu hoch, nicht nur in Griechenland, und nicht nur die Renten, sondern vor allem die Löhne.
Folgt man den Wirtschafts-Pappnasen, dann kommt die riesige Staatsverschuldung daher, daß die einfachen Leute „über ihre Verhältnisse gelebt haben“. Staatsschulden im Kapitalismus sind systembedingt, und wer etwas anderes behauptet, ist ein Idiot.
Und genau das ist der Punkt: Wir haben es mit Vollidioten zu tun.
Wer predigt, die Programme, die jahraus jahrein das Elend nur vergrößert haben, müßten unbedingt fortgesetzt werden, der ist verrückt – wie der Brüsseler ARD-Korrespondent Krause, der sie nicht mehr alle auf dem Kastenmänneken hat.
Wie sieht es eigentlich mit der Staatsverschuldung in Deutschland aus?
Die EU-Wirtschaftspolitiker samt ihren pseudowissenschaftlichen Zuträgern wollen Griechenland nicht „retten“, sondern ihre marktwirtschaftlichen Wahnvorstellungen ausbreiten.
Die Sparpolitik wird die Schulden nicht senken. Die Sparpolitik soll die Schulden nicht senken, sondern die Renten.
Die Anti-Griechenland-Politik läßt erkennen, was den Politikern, die unser Land regieren, zuzutrauen ist.
Und die griechische Regierung? Die tut einfach nicht, was „wir“ ihr befehlen. Wo „wir“ es doch nur gut mit ihnen meinen.
Auch die Anti-Griechenland-Politik der EU hat was mit Kaltem Krieg zu tun. Warten Sie mal ab, wenn in Athen die Konservativen an der Regierung sind, wie dann die Geldquellen wieder sprudeln; und dem Schäuble, dieser schwarzen Null, kann es dann gar nicht schnell genug gehen, seinen griechischen Parteifreunden das Geld überall hineinzuschieben.
Lesen Sie das und das.
Und lesen Sie auch das.

Wissen Sie, was heute für ein Tag ist? Heute ist der Tag meines Rentenbescheids.

Robert Steigerwald: 90 Jahre

RobertSteigerwaldIn der jungen Welt von heute war es zu erfahren: Robert Steigerwald hat Geburtstag. Er wird heute 90 Jahre alt.
Die junge Welt von heute über Robert Steigerwald:
„Den Krieg verhindern war und ist neben der Philosophie eines der Lebensthemen Steigerwalds. Er wurde 1945 Mitglied der SPD, trat aus ihr 1948 wieder aus und in die KPD ein, als ihm der Parteivorsitzende Kurt Schumacher auf eine entsprechende Frage geantwortet hatte, selbstverständlich werde es Krieg geben, und ‚wir‘ würden dann an der Seite der Westmächte gegen die Russen stehen. Steigerwald flog aus dem Hessischen Rundfunk, absolvierte ein Studium an der SED-Parteihochschule, wurde dort Verantwortlicher für Philosophie und kehrte bald in die BRD zurück. Seine Arbeit für die ab 1956 verbotene KPD brachte ihm insgesamt über fünf Jahre Haft ein. Ab 1961 war er in Ostberlin und in Westdeutschland für die illegale Partei tätig, hob die Zeitschrift Marxistische Blätter, deren Chefredakteur er später wurde, 1963 mit aus der Taufe und legte eine viel beachtete Dissertation über ‚Herbert Marcuses dritten Weg‘ vor. Seit 1967 wohnt er mit seiner Familie in Eschborn und wurde in Auseinandersetzungen mit den verschiedensten Trupps linker Antikommunisten, denen er als ‚Gralshüter des Revisionismus‘ galt, ein gefürchteter Polemiker. Seine Hauptarbeit galt, in enger Zusammenarbeit mit Willi Gerns, der darüber am Sonnabend berichtete, den Grundsatzdokumenten der 1968 gegründeten DKP. Gerns und nach ihm der DKP-Parteivorsitzende Patrik Köbele erinnerten an die Würdigung der ‚politischen Zwillinge‘ Gerns und Steigerwald durch die FAZ am 12. Februar 1990 als ‚zwei dieser alten Schlachtrösser‘, die ‚in verstocktem Sinne ehrlich‘ die Ereignisse in der DDR als ‚konterrevolutionären Prozess‘ bezeichneten.“
Daß man mit solch einer Haltung „keinen Blumentopf gewinnen kann“, mag schon sein. Aber was soll ich mit lauter Blumentöpfen? Mir gefallen die verstockt-ehrlichen Schlachtrösser, die verstockten, denen man einen Vorwurf bestimmt nicht machen kann: die Zeichen der Zeit „erkannt“ zu haben! Daß die wendigen Meister des Taktierens auf der Höhe der Zeit mit ihren angesagten Stichwörtern sich ihre Schlauheit bloß einbilden, erlebt man gerade dieser Tage wieder.
Daß dem „verstockten Gralshüter“ Starrheit zu Unrecht nachgesagt wird, dafür ist Robert Steigerwals ein eindrucksvolles Beispiel. Wer Vorträge von ihm gehört hat, hat einen quicklebendigen Denker, einen reaktionsschnellen Wortkünstler, ja man kann sagen: einen Entertainer der Theorie erlebt. Er vermittelt den dialektischen Materialismus als fröhliche Wissenschaft (anders wäre er wohl auch kaum zu ertragen).
METZGER-Lesern (und -Sammlern) ist Robert Steigerwald ja auch nicht unbekannt. Meinen Aufsatz „Gegen die Objektiven“ (DER METZGER Nr. 84) habe ich mit Zitaten gestützt – es ist ja nicht schlimm, wenn Zitate mitunter mehrere Seiten lang sind. Es ging damals darum, die These, derzufolge der Feind meines Feindes mein Freund sein müsse, zu widerlegen.
Daß auch ein Roman in der Bibliografie zu finden ist, paßt: Das Haus im Sandweg. Eine sozialistische Familienchronik. Verlag Neue Impulse 2008. 628 S. 24,95 Euro. Nur bei uns: Buchhandlung Weltbühne.

Eine Zeitung irrt sich gewaltig

Auch das noch:
RotzfahneMauerFallVolkszorn, Volkssturm, Volksseele, Volksempfinden (gesundes), Volksmeinung, Volkes Stimme, Volksmusikantenstadel, Volk-steh-auf-und-Sturm-brich-los …
Sollte es sich nicht langsam mal ausgevolkt haben?

In diesen Tagen und Wochen werden die Feindschaften, die in den 50er, 40er und 30er Jahren gezüchtet wurden, wieder aufgeheizt. Es zeigt sich, daß ohne den Kalten Krieg und ohne inneren Feind dieser Staat nicht zu machen ist. Die Mächtigen spielen ihre gezinkten Karten aus. Für freedom and democracy steigen Luftballons in den Himmel, am Brandenburger Tor und in den Herzen wird Gerührtheit inszeniert. Da kommt der Verein daher, der immer siegt und nie verliert und auch bei dieser Kirmes nicht fehlen will, und sagt: Herzlichen Glückwunsch euch Siegern der Geschichte.

Wenn die Leute zum Volk werden, dann jubeln sie. Das taten sie vor 100 Jahren, das taten sie vor 25 Jahren aus ähnlichen Gründen.
„Das Wir-sind-das-Volk-Volk erhob sich, weil es den Herren des Landes nicht mehr Untertan sein wollte, sondern den Herren der Welt.“ (hat Lina Ganowski gesagt, sinngemäß).
Sieger der Geschichte? Vor 25 Jahren war das Volk der nützliche Idiot der Mächtigen. (sage ich).

BildLiebesDeutschlandJa, DIE wissen, was sie tun.

Ist der Präsident noch gescheit?

Der Herr Joachim Gauck ist zwar Bundespräsident, führt sich aber auf wie der Suppenkasper, weil sich in Thüringen die Bildung einer Regierung unter Bodo Ramelow (Linkspartei) als Ministerpräsident anbahnt.
Die Bildung einer Koalitionregierung von Linkspartei, SPD und Grünen ergibt sich als Option aus der Landtagswahl. Der Bundespräsident aber sagt:
„Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren.“
Dann soll er sich mal anstrengen!
Ich muß mich auch jeden Tag anstrengen, in meinem Alter! Und ich erlebe die BRD. Ist es etwa nicht anstrengend, den Gauck zu ertragen?

GauckKeineSuppeMacht man sowas, wenn man Bundespräsident ist?
Der Bundespräsident ist der oberste Repräsentant des Staates (nicht des Landes, nicht des Volkes, nicht der Bevölkerung, sondern: des Staates). Der Bundespräsident hat die ehrenvolle Aufgabe, in salbungsvollen Reden den Staat mit allerlei Zierrat zu behängen. Darum hat er sonntags nie frei. Er muß die „Werte“ feilhalten („Toleranz“, „Miteinander“, „Nichtwegschauen“). Er muß, wenn Krieg gemeint ist, „Verantwortung“ sagen. Er muß Anschein erwecken.
Die richtige Besetzung für das Amt des Bundespräsidenten wäre also ein Pragmatist, der über das Talent zum Herumsalbadern verfügt.
Aber ein Bundespräsident mit Sendungsbewußtsein? Das ist immer die falsche Sendung!
Der Bundespräsident muß, was ich nicht muß und was Sie auch nicht müssen: mitsingen, wenn die Nationalhymne erklingt. Aber für die Drecksarbeit, zum Beispiel: Feindschaft, die den Leuten im Kalten Krieg eingetrichtert wurde, wachhalten, dafür sind andere zuständig. In den „mittleren Führungsebenen“ arbeiten sich massenweise Fleißkärtchensammler damit ab.
Gut reagiert hat der Ramelow, als er sagte, er habe für Gaucks Vorbehalte durchaus „Verständnis“. Denn das heißt ja auf deutsch: Der Gauck hat ’nen Koller.

Unter uns gesagt: Ich will die Partei, die sich „links“ nennt, viel lieber in der Opposition sehen. Dort könnte sie eine nützliche Aufgabe erfüllen.
Ich wage mal die Vorhersage: Ramelow wird am Ende doch nicht Ministerpräsident. Warum? Die Mehrheit im Landtag ist sehr knapp. Und auf die SPD ist kein Verlaß. Die stehen ja noch nicht mal geschlossen hinter ihren eigenen Kandidaten. Erinnern Sie sich? Gesine Schwan, Heide Simonis, Andrea Ypsilanti.
Allerdings: Diesmal ist der Kandidat männlich, und er ist in einer anderen Partei. Ich fürchte also: Es könnte klappen.

Das ist aber ein komischer Bundespräsident!

Das ist aber ein komischer Bundespräsident!

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